8 jähriger fährt mit Rad in verkehrsberuhigtem Bereich gegen Auto: Aufsichtspflicht verletzt?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.03.2015
Rechtsgebiete: AufsichtspflichtVerkehrsrecht21|7730 Aufrufe

nöööö, meint das LG Saarbrücken, nachdem das AG zuvor einer Klage des Geschädigten stattgegeben hatte:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts St. Wendel vom 15.07.2014 - 13 C 882/13 (05) - abgeändert und die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 10.07.2013 in ... ereignet hat.

Die Ehefrau des Klägers befuhr mit dessen Pkw die ...-Straße in Richtung Einmündung der Straße „...“. Der am 21.12.2004 geborene Sohn der Beklagten befuhr mit seinem Fahrrad die Straße „...“ und wollte nach rechts in die ...-Straße einbiegen. Dabei kam es zur Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug.

Der Kläger hat mit seiner Klage einen Unfallschaden in Höhe von 2.179,46 € geltend gemacht. Er hat hierzu vorgetragen, seine Ehefrau sei mit Schrittgeschwindigkeit gefahren, habe den Sohn der Beklagten in der Annäherung gesehen und noch vor der Haltelinie angehalten. Die Beklagten hafteten wegen Aufsichtsverschuldens.
4Die Beklagten sind der Klage entgegen getreten. Sie haben vorgetragen, ihr Sohn sei im Radfahren geübt, von ihnen belehrt und mit der Verkehrssituation vertraut gewesen. Er habe schon mehrere Radtouren gemacht, wobei feststellbar gewesen sei, dass er sicher die Verkehrsregeln beherrsche. Auch fahre er regelmäßig allein mit seinem Fahrrad zum wöchentlichen Tischtennistraining.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben und danach der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat die Erstrichterin, auf deren tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, ausgeführt, die Beklagten hätten den ihnen obliegenden Entlastungsbeweis nach § 832 BGB nicht erbracht. Denn es sei davon auszugehen, dass das Kind über die Gefahren- und Verhaltensregeln im Straßenverkehr nicht hinreichend aufgeklärt und belehrt worden sei. Auch habe das Kind die Gegebenheiten im Unfallbereich nicht hinreichend gekannt. Die Beklagten hätten insbesondere üben und kontrollieren müssen, ob das Kind die Situation „Vorfahrt achten“ beherrscht. Das Verschulden der Beklagten überwiege derart, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs zurücktrete.

Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgen. Sie rügen die Rechtsanwendung durch das Erstgericht.

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.

II. Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Amtsgerichts beruht auf einer Rechtsverletzung und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Zutreffend ist das Erstgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Beklagten als Aufsichtspflichtige grundsätzlich nach § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB haften, weil der minderjährige Sohn der Beklagten rechtswidrig das klägerische Fahrzeug beschädigt hat. Dies wird von der Berufung auch nicht in Frage gestellt.

2. Soweit die Erstrichterin im Übrigen festgestellt hat, dass den Beklagten der Entlastungsnachweis nach § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht gelungen sei, hält dies einer berufungsgerichtlichen Überprüfung durch die Kammer im Ergebnis nicht stand.
a) Nach § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB tritt die Ersatzpflicht des Aufsichtspflichtigen nicht ein, wenn dieser seiner Aufsichtspflicht genügt hat. Die entsprechenden Voraussetzungen hat der Aufsichtspflichtige darzulegen und ggfl. zu beweisen (vgl. stellv. BGH, Urt. v. 01.07.1986 - VI ZR 214/84, VersR 1986, 1210 und v. 24.03.2009 - VI ZR 199/08, VersR 2009, 790).

b) Welchen Umfang die Aufsichtspflicht gegenüber Minderjährigen hat, richtet sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist (BGH, st. Rspr.; vgl. zuletzt Urt. v. 15.11.2012 - I ZR 74/12, VersR 2013, 865 m. w. N.). Diese Grundsätze sind durch die Anhebung der Deliktsfähigkeit von Kindern im Straßenverkehr im Jahre 2002 nicht verändert worden (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2009 - VI ZR 51/08, VersR 2009, 788; OLG Koblenz, Schaden-Praxis 2009, 280; Lang, jurisPR-VerkR 19/2014 Anm. 2 m. w. N.). Das bedeutet insbesondere, dass die in § 828 Abs. 2 BGB zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Wertung, die mit der Teilnahme von Kindern unter zehn Jahren am Straßenverkehr verbundenen Schadensrisiken dem haftpflicht- und häufig auch kaskoversicherten Kraftfahrer zuzuweisen, nicht durch eine Ausweitung der Elternhaftung wieder rückgängig gemacht werden darf (vgl. OLG Koblenz, Schaden-Praxis 2009, 280; Lang, 51. Deutscher Verkehrsgerichtstag, Schriftenreihe, S. 61, 81 f., jew. m. w. N.). Vielmehr ist bei der Beurteilung der Aufsichtspflicht gegenüber Minderjährigen maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Eltern nach § 1626 Abs. 2 BGB den gesetzlichen Auftrag haben, ihre Kinder zu verantwortungsbewussten und selbstständig handelnden Erwachsenen zu erziehen, was eine mit zunehmender Reife des Kindes sukzessive größer werdende Gewährung von Freiraum zum „Entdecken von Neuland“ voraussetzt (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2012 a. a. O.; Gebhardt, DAR 2006, 686; Lang, jurisPR-VerkR 19/2014 Anm. 2; ders., 51. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2013, Schriftenreihe, 61, 79, 82, jew. m. w. N.).

Entsprechend dieser Grundsätze dürfen sich schulpflichtige Kinder grundsätzlich bereits ab dem 6. Lebensjahr allein im Straßenverkehr bewegen, wenn keine speziellen Gefahrenquellen entgegenstehen. Denn zum Erlernen eines selbstständigen und umsichtigen Verhaltens im Straßenverkehr gehört die Möglichkeit, sich ohne ständige direkte Kontrolle und Anleitung im Verkehr zu bewähren (vgl. OLG Koblenz, Schaden-Praxis 2009, 280; Staudinger/Belling, BGB, Neubearbeitung 2012, § 832 Rn. 137; Lang, jurisPR-VerkR 19/2014 Anm. 2; ders., 51. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2013, S. 61, 82, jew. m. w. N.). Beherrscht ein Kind das Radfahren in technischer Hinsicht, setzt die Erfüllung der Aufsicht der Eltern dann voraus, dass das Kind über Regeln und Gefahren der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit dem Fahrrad belehrt wurde (vgl. OLG Koblenz a. a. O.; Staudinger a. a. O.; Kuhn, 51. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2013, S. 43, 52). Daneben kommt es für die Beurteilung der Frage, ob in der konkreten Verkehrssituation eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern dadurch, dass sie nicht präsent waren, darauf an, ob das Kind mit der Wegstrecke vertraut war (OLG Koblenz a. a. O. mit Verweis auf BGH, Urt. v. 07.07.1987 - VI ZR 176/86, VersR 1988, 83).

c) Hiervon ausgehend haben die Beklagten vorliegend den Entlastungsnachweis erbracht. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das Kind von den Beklagten nicht im Einzelnen über das in einer entsprechenden Verkehrssituation gebotene Verhalten aufgeklärt worden ist. Unter den hier gegebenen Umständen genügte indes die von der Zweitbeklagten plausibel bekundete und auch von dem Kind bestätigte allgemeine Belehrung, wonach langsam zu fahren und auf das „Vorrecht“ von Autos zu achten ist, den Anforderungen an eine entsprechende Belehrung.
 

aa) Wie weit die Belehrungs- und Unterrichtungspflicht der Aufsichtspflichtigen über die Regeln und Gefahren im Straßenverkehr gegenüber radfahrenden Kindern reicht, hängt maßgeblich davon ab, auf welchen Strecken sich das Kind im Einverständnis mit den Aufsichtspflichtigen im Straßenverkehr bewegt. Die Belehrung und Unterrichtung von radfahrenden Kindern über die einzuhaltenden Verkehrsregeln und die Gefahren muss daher umso eingehender und nachhaltiger sein, je gefahrenträchtiger die befahrene Wegstrecke ist.

bb) Vorliegend handelt es sich bei dem gesamten Bereich, in dem der Sohn der Beklagten geradelt ist, um einen verkehrsberuhigten Bereich in unmittelbarer Nähe zur elterlichen Wohnung. In solchen Bereichen dürfen Eltern ihren Kindern gerade wegen der Funktion der Verkehrsberuhigung größere Freiheiten lassen als in „normalen“ Straßen. Deshalb ist auch eine unbeaufsichtigte Teilnahme am Straßenverkehr durch fahrradfahrende Kinder in verkehrsberuhigten Zonen - wie hier - ohne weiteres zulässig (Staudinger a. a. O. Rn. 137; Kuhn, 51. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2013, Schriftenreihe, S. 43, 53), da nur in diesen Verkehrsbereichen die Defizite der Kinder durch entsprechend vorsichtiges und verantwortungsbewusstes Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer ausgeglichen werden (Staudinger a. a. O. Rn. 137; vgl. für eine Sackgasse auch LG Coburg, Hinweisbeschluss vom 21.08.2008 - 33 S 66/08, Pressemitteilung vom 26.09.2008 Nr. 386/08, abgedruckt in juris). Für den Umfang der Belehrungs- und Unterrichtungspflicht der Aufsichtspflichtigen folgt hieraus, dass die Aufsichtspflichtigen das Kind beim Radfahren in verkehrsberuhigten Bereichen nicht mit einzelnen Verkehrsregeln vertraut machen und deren Beherrschung gar überprüfen müssen. Vielmehr genügt es beim Befahren von verkehrsberuhigten Bereichen, die nicht zum fließenden Verkehr gehören (vgl. Kammer, Urt. v. 20.07.2007 - 13 A S 13/07, DAR 2008, 216), wenn das Kind - wie hier - über allgemeine Gefahren des Straßenverkehrs und den im ruhenden Verkehr maßgeblichen Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme (vgl. nur Kammer, Urt. v. 19.07.2013 - 13 S 61/13, ZfS 2013, 564 m. w. N.) auch im Verhältnis zu Autofahrern aufgeklärt und zu dessen Beachtung angehalten worden ist.

cc) Die Kammer ist schließlich davon überzeugt, dass der Sohn der Beklagten im Übrigen in der Lage war, ohne weitere Unterrichtung oder gar Beaufsichtigung den verkehrsberuhigten Bereich im Umfeld der elterlichen Wohnung, mithin in einem ihm ohne weiteres bekannten Bereich, allein mit seinem Rad zu befahren. Denn er war - wie sich aus der Anhörung der Zweitbeklagten und der Vernehmung des Kindes nachvollziehbar ergibt - im Radfahren geübt und hatte bis zum streitigen Vorfall durch seine Fahrweise keinen Anlass gegeben, ihn „engmaschiger“ zu überwachen (vgl. hierzu auch LG Coburg, Hinweisbeschluss vom 21.08.2008 - 33 S 66/08, Pressemitteilung vom 26.09.2008 Nr. 386/08, abgedruckt in juris).

LG Saarbrücken, Urteil vom 13.02.2015 - 13 S 153/14

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21 Kommentare

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"was eine mit zunehmender Reife des Kindes sukzessive größer werdende Gewährung von Freiraum zum „Entdecken von Neuland“ voraussetzt"

 

Und ob das auf Kosten anderer erfolgt, ist egal. Hauptsache, unsere über alles geschätzten Kinder dürfen sich entwickeln

2

Gast schrieb:

 

Und ob das auf Kosten anderer erfolgt, ist egal. Hauptsache, unsere über alles geschätzten Kinder dürfen sich entwickeln

 

Einzig richtige Entscheidung. Wollen Sie wirklich, dass auch zivilrechtlich die Eltern zum "Helikoptern" gezwungen werden?

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Kinder sind auf uns Erwachsene angewiesen.
Und wenn Sie sich nicht trauen ein Vorbild zu sein und authentisch sich im Verker zu verhalten, dann liegt es an Ihnen und nicht an Kindern.
Man konnte sogar sagen Sie lassen das Kind nicht Kind zu sein und somit deskriminieren es in seinem Wesen.

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Hmm! Gegen ein stehende Fahrzeug fahren?

Spricht nicht gerade für eine Beherrschung des eigenen Fahrrades, möglicherweise zu schnell gefahren. Spricht gegen eine ausreichende Einweisung und Belehrung.

Sei´s drum!

Andererseits darf man sich fragen, wie groß das Geschrei gewesen wäre, wenn dieses Kind dann in dieser vom Gericht beurteilten Situation mit seinem Fahrrad zu Fall kommt mit möglicherweise fatalen Folgen.

Da nützen den Eltern alle Belehrungen und Einweisungen pp. nichts. Kann man natürlich genau wie bei dem geschädigten Fahrzeugeigentümer unter dem Stichpunkt "Lebensrisiko" abtun. 

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Die Frage ist doch, wer am Ende für so einen Schaden aufkommen soll: Die Eltern, die Geschädigten oder die Gemscheinschaft (zB durch eine solidarische Unfallkasse). Da wir wollen, dass es viele Kinder gibt, sind die Eltern der falsche Ansprechpartner. Die Gemeinschaft entfällt, da es nach meiner Kenntnis keine solche Kasse gibt. Daher ist es wohl allgemeines Lebensrisiko...

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"Die Gemeinschaft entfällt, da es nach meiner Kenntnis keine solche Kasse gibt."
Doch, nennt sich Familienhaftpflichtversicherung.
Finde ich eigentlich durchaus zumutbar.

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Problem ist: Man kann dies nicht für alle verpflichtend einführen (kann man schon, ist aber politisch nicht gewollt, s. obigen Kommentar).

Und warum sollte man, wenn man für durch Kinder angerichtete Schäden nur haftet, wenn man die Aufsichtspflicht verletzt hat, eine Versicherung abschließen (Diese macht ja dann den Schaden bei einer Aufsichtspflichtverletzung von den Eltern als Regress gegen diese geltend).

 

 

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(Ironie on) Und welches Elternteil Kinder unbewacht im öffentlichen Verkehrsraum fahren läßt und diese durch Zusammenprall auf dort ordnungsgemäß abgestellte wertvolle Sachen zu erheblichem körperlichen Schaden kommen läßt, ist dann auch selbst schuld und das ist dann auch gut so?(Ironie off).

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Wer mit einem ordnungsgemäß abgestellten Fahrzeug zusammenstößt, ist ebenfalls selbst schuld, auch als Kind - völlig ohne Ironie. Das Risiko eines erheblichen Körperschadens ist bei einem Zusammenstoß mit einem ordnungsgemäß abgestellten Fahrzeug allerdings relativ gering.

 

(In dem entschiedenen Fall war das Fahrzeug übrigens nicht ordnungsgemäß abgestellt, sondern in Betrieb, mit entsprechender Betriebsgefahr und daraus resultierender Haftung.)

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r.w.: Dann darf wohl auch gefragt werden, was Sie mit Ihrem posting Nr. 8, der mit der Situation des geschilderten Falles überhaupt nichts zu schaffen hat, bezweckten.

Stimmungsmacher (s. Wowi-Zitat in Klammern) brauchen wir hier nicht!

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Das Urteil  des LG war die einzig richtige Entscheidung. Kinder müssen lehrnen können. Dazu müssen sie Fehler machen können, die nicht dazu führen, dass ihre Eltern den Schäden bezahlen, wenn sie sie beim Lernen nicht an der Leine geführt haben, oder später ohne Haftpflichtversicherung dastehen (da kann ein Schadensfall reichen). Jeder Autofahrer, der in einen verkehrsberuhigten Bereich einfährt oder auf einem Gehweg oder direkt neben einem Radweg parkt (selbst, wenn das erlaubt sein sollte) muss damit rechnen, dass dort ein 8-jähriges Kind, das sonst schon gut mit dem Rad fährt, davon überlastet ist. So gesehen ist die Lösung doch ganz einfach. Bleibt den Bürgersteigen und verkehrsberuhigten Bereichen mit den wertvollen Autos fern und gut ist's. Dann haben die Kurzen da auch mehr Platz zum Spielen und Lernen.

 

DrFB

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Im Ergebnis ist die Entscheidung natürlich falsch. Es kann schlicht nicht richtig sein, dass einzelne Dritte (Opfer) für Rechtsverletzungen von Kindern haften. Haften müssen die Eltern - es sind schließlich ihre Kinder und nicht die der Opfer. Und jeder hat die Möglichkeit, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Natürlich sollte das verpflichtend sein - es gibt außer der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung keine wichtigere Versicherung.

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Haftpflichtversicherung verpflichtend? Für alle und nur für Eltern? Bei Letzterem wüßte dann die ganze Welt, warum Deutschland trotz (oder wegen) seines (derzeitigen) Wohlstands ein demographisches Problem hat. Und müssen Ausländer bei der Einreise eine grüne Versicherungskarte vorzeigen und sich für ggf. für ihren Deutschlandbesuch nachversichern?

Warum nicht ganz einfach so, wie es das Gesetz seit 2002 vorsieht: Kinder sind in der Regel kein großes Risiko. Und wenn den Eltern nichts vorzuwerfen ist (dann haben sie übrigens noch nie gehaftet), sind jetzt auch die Kinder oft fein raus, wenn doch mal was passiert. Damit muß eine Gesellschaft leben lernen und halt mehr Platz für die Kurzen einplanen.

Das Risiko liegt nun bei Dritten, die einfach einen größeren Bogen um Kinder machen sollten (z.B. Auto in der Garage statt auf dem Bürgersteig parken oder auf der Hauptstraße im Stau stehen statt diesen mit Navi durch die verkehrsberuhigten Bereiche und T 30- Zonen umgehen). Und da liegt es nach meinen Beobachtungen oft goldrichtig.

 

DrFB

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@ Schulze

 

Noch eine Frage: wer haftet denn bei einem heftigen Unwetter mit richtig großen Hagelkörnern? Den Prozeß möcht ich sehen. Manchmal ist man halt zur falschen Zeit am falschen Ort.

 

DrFB

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"DrFB 18.03.2015 Haftpflichtversicherung verpflichtend? Für alle und nur für Eltern?"   Natürlich für alle. Wo bitte ist das Problem? Da zahlen die meisten locker 750 Euro im Jahr allein für die Haftpflichtversicherung des PKW (Pflichtversicherung), aber die ca. 60-70 Euro für eine umfassende Familienhaftpflichtversicherung sollen ein Riesenproblem und als Pflichtversicherung das Ende der Freiheit in Deutschland sein?   Und wer dafür plädiert, dass nicht die Opfer von Kindern, sondern deren Eltern haften, ist ein Kinderfeind?   Es tut mir leid, aber das ist nach meiner Auffassung nicht nur falsch, sondern schlechthin völlig unvertretbar.
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Schulze schrieb:

"DrFB 18.03.2015 Haftpflichtversicherung verpflichtend? Für alle und nur für Eltern?"   Natürlich für alle. Wo bitte ist das Problem? Da zahlen die meisten locker 750 Euro im Jahr allein für die Haftpflichtversicherung des PKW (Pflichtversicherung), aber die ca. 60-70 Euro für eine umfassende Familienhaftpflichtversicherung sollen ein Riesenproblem und als Pflichtversicherung das Ende der Freiheit in Deutschland sein?   Und wer dafür plädiert, dass nicht die Opfer von Kindern, sondern deren Eltern haften, ist ein Kinderfeind?   Es tut mir leid, aber das ist nach meiner Auffassung nicht nur falsch, sondern schlechthin völlig unvertretbar.

 

Erst einmal können 60-70 Euro p.a. für nicht wenige Menschen ein Riesenproblem sein. Genau für die Menschen übrigens, die derzeit nach einem Unfall dem Geschädigten mitteilen, er solle doch mal versuchen, einem nackten Menschen in die Tasche fassen und nehmen was er da findet. Einen solchen (erwachsenen) Unfallgegner hatte ich selbst mal und habe erst nach zwei Jahren meinen Schaden zu 100% ersetzt bekommen - und das auch nur, weil ich seine beharrlich genug war, um die richtigen Vollstreckungsansätze zu erkennen - und der Schaden nur im nicht zu hoch vierstelligen Bereich lag. So eine Pflichtversicherung wäre also schon ganz nett. Dazu müßte  ALG II usw. entsprechend angehoben werden. Dann möchte es gehen. Aber was macht man dann mit einreisenden Ausländern?

 

Und, um zu vermeiden, dass hier das Thema verfehlt wird, noch ein Hinweis. Das Gericht hat hier im Einzelfall aufgrund des Sachverhalts die Verletzung der Aufsichtspflicht zutreffend verneint, weil die Aufsichtspflicht nicht verletzt wurde. Das hätte schon vor Jahrzehnten so im entsprechenden Urteil stehen können - nein müssen. Weil es einfach sittenwidrig wäre, zu verlangen, Kinder bis zur Vollendung des 10. oder 12. Lebensjahrs wegzusperren, um der Aufsichtspflicht zu genügen. Nur hätte man anstelle der Verletzung der Aufsichtspflicht vor 20 Jahren auch die Haftung des mit 8 Jahren nicht mehr ganz jungen Kindes geprüft und wäre hier möglicherweise fündig geworden. Das ist dem Opfer natürlich egal. Hauptsache, der Schadenersatz fließt. Nur wurde dieser Unsinn 2002 mit guten Gründen für Kinder bis zum 10. Lebensjahr stark limitiert. Daher geht man seither immer gleich gegen die Eltern vor - mit den gewohnt schlechten Aussichten. Und wenn ich mir ansehe, wie Autos in Hamburg tw. geparkt werden (Senioren mit Rollatoren werden hier immer mal wieder von der Polizei nach Hause getragen), hat das auch einen gewissen Ätsch-Faktor.

 

Ich nehme übrigens an, daß die Beklagten ihre Anwalts- und Verfahrenskosten von ihrer Haftpflichtversicherung bezahlt bekommen haben. Vermutlich hätten sie sonst lieber gezahlt und die Sache wäre nicht vor Gericht gekommen. Und so schließt sich der Kreis. Gerade diejenigen, die haftpflichtversichert sind, haben oft den übelsten Stacheldraht in der Geldbörse - zumindest wenn sie - wie hier - Recht haben.

 

DrFB

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Früher hieß es mal: Elern haften für ihre Kinder. Das waren Zeiten, als es kein Elterngeld und wenig Kindergeld gab und der Staat schon gar keine Veranlassung sah, Kosten dafür zu tragen, dass Eltern ihre Kinder eine längere Zeit des Tages anderswo aufbewahren lassen wollen. Kurz, jene Zeiten, als die Menschen noch ziemnlich viel Kinder bekamen.

 

Heute erwarten Eltern, dass sie mit ihren Kinder einige wenige Zeit Spaß haben können, viel Geld fürs Kinderhaben bekommen und alle finanziellen und sonstigen Lasten von Staat oder Dritten getragen werden. Und nun sollen sogar noch Dritte -und nicht etwa die Eltern der Kinder- für die von den Kindern angerichteten Schäden aufkommen.  Das Verrückteste daran ist, dass es offenbar auch noch Menschen gibt, die das für richtig halten. Da darf sich dann niemand wundern, wenn die Kinder solcher Eltern von "Normalos" als Gefahr empfunden werden.

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Schulze schrieb:

Früher hieß es mal: Eltern haften für ihre Kinder. Das waren Zeiten, ...

Hieß zwar so, war aber nicht so. Eltern hafteten immer nur, wenn ihnen ein Verstoß gegen die Aufsichtspflicht vorgeworfen und nachgewiesen werden konnte. Bei einem dem mitgeteilten Urteilsfall ähnlichen Sachverhalt hätten die Eltern noch nie gehaftet.

 

Ein anderer Fall war (und ist), dass ein 5-jähriges Kind alleine mit dem Fahrrad durch eine Lücke in einer Hecke auf eine Autobahntankstelle(!) fährt, um sich ein Eis zu holen und bei der Rückfahrt durch die Hecke unmittelbar und ohne auf den Verkehr zu achten, auf einen direkt neben der Hecke liegenden Radweg fährt und dort mit einem rund 25 km/h schnellen und ortsunkundigen Radfahrer, der dem von eben auf sofort erscheinenden Kind nicht mehr ausweichen kann, zusammenstößt und dieser sich beim darauf folgenden Sturz den Arm bricht. Das Kind befindet sich dabei rund 700 Meter von der elterlichen Wohnung entfernt und die Polizei, die das Kind nach Hause bringt, hat -aktenkundig - nicht den Eindruck, dass sich dort irgend jemand Sorgen um das Kind gemacht hätte oder den Ausflug auf die Autobahntankstelle(!) bemerkenswert findet. Hier kann der Geschädigte auf eine Entschädigung hoffen. Nach diesem tatsächlich so geschehenen Unfall hat die Haftpflichtversicherung jedenfalls damals (1994) nach einem kurzen Blick in die Akten sofort ein Friedensangebot unterbreitet (und würde es wahrscheinlich auch heute noch tun).

 

 

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Das Auto ist nicht nur nur nach wie vor ein Massenvernichtungsmittel, sondern ein verkehrstechnisches Refugium, dass von keinem anderen Verkehrsteilnehmer angetastet werden darf. Die Betriebsgefahr, die mit dem Umdrehen des Zündschlüssels entsteht, wird ignoriert und bagatellisierst.

 

Wenn ein Auto und ein Kind im Straßenverkehr zusammentreffen, dann ist der Schaden, den das Auto am Kind anrichten kann größer, als umgekehrt. Und umgekehrt hat der Autofahrer die Möglichkeit, sein Auto vollkasko zu versichern.

 

Wie groß ist also im vorliegenden Fall der tatsächlich entstanden monitäre Schaden des Klägers?

 

 

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