THC-Wert von 1,0 ng/ml = Fahreignung fehlt

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.03.2015
Rechtsgebiete: TrennungsvermögenVG NeustadtTHCVerkehrsrecht|3906 Aufrufe

Wer kifft, gefährdet seinen Führerschein. Weiß jeder. Aber, wann gehen die Verwaltungsgerichte davon aus, dass man ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist?  1,0 ng/ml reicht schon:

Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV genügt der gelegentliche Cannabiskonsum für sich genommen aber noch nicht, um von fehlender Fahreignung des Betroffenen auszugehen. Hinzu treten müssen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vielmehr zusätzliche tatsächliche Umstände. Eine dieser „Zusatztatsachen“ ist neben dem Mischkonsum von Cannabis und Alkohol, dass der Betroffene nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennt.
In dieser fehlenden Trennung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein die Fahreignung ausschließender charakterlich-sittlicher Mangel. Er ist darin zu sehen, dass der Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, NJW 2002, 2378 [2379 f.]). Daraus folgt zugleich, dass nicht jeder bei einem Kraftfahrzeugführer festgestellte THC-Pegel die Annahme fehlender Trennung im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV rechtfertigt.
Eine ausreichende Trennung, die eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch als hinnehmbar erscheinen lässt, liegt nur dann vor, wenn der Betroffene Konsum und Fahren in jedem Fall in einer Weise trennt, dass durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann. Das bedeutet, dass auch die Möglichkeit einer solchen cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit ausgeschlossen sein muss.
Die Frage, ab welcher THC-Konzentration von einer Wirkung des THC auszugehen ist und damit von einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Zustand, beantwortet die Rechtsprechung nicht einheitlich. Die überwiegende obergerichtliche Verwaltungsrechtsprechung geht davon aus, dass eine zur Annahme mangelnder Fahreignung führende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bereits ab einem im Blutserum festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/ml anzunehmen ist (VGH BW, Urteil vom 22. November 2012 - 10 S 3174/11 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 1. August 2014 - 16 A 2806/13 -, juris, Rn. 31 m. w. N. unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 21. März 2013 - 16 A 2006/12 -, NZV 2014, 102; ThürOVG, Beschluss vom 6. September 2012 - 2 EO 37/11 -, NZV 2013, 413 [414 f.]; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 - 2 B 341/11 -, NZV 2013, 99 [100]; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2009 - 1 S 17/09 -, NZV 2010, 531 [532]; OVG SH, Urteil vom 17. Februar 2009 - 4 LB 61/08 -, juris Rn. 35; offen gelassen von OVG HH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 3 Bs 214/05 -, NJW 2006, 1367 [1370]). Dagegen setzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den THC-Wert, der die Fahrerlaubnisbehörde ohne vorherige Einholung eines Fahreignungsgutachtens berechtigt, von fehlendem Trennungsvermögen des Betroffenen auszugehen, erst bei 2 ng/ml an; bei Werten zwischen 1 und 2 ng/ml sei zunächst nur die Anforderung eines Fahreignungsgutachtens gerechtfertigt (grundlegend u. a. BayVGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 - 11 CS 05.1711 -, Blutalkohol 2006, 416 [417 ff.] m. w. N.). Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz fordert beim Vorliegen eines THC-Wertes bis 2 ng/mL das Hinzutreten von Ausfallerscheinungen, um eine Fahrt unter Cannabiseinfluss annehmen zu können (Urteil vom 13. Januar 2004 - 7 A 10206/03 -, VRS 106, 413, und Beschluss vom 17. März 2010 - 10 B 10264/10 -, juris, Leitsatz).
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem (Kammer-)Beschluss vom 21. Dezember 2004 diese in der Rechtsprechung vertretenen Auffassungen zwar referiert, dazu jedoch nicht abschließend Stellung genommen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - NJW 2005, 349 [351]). Das war auch nicht geboten, da es bei dem in diesem Verfassungsbeschwerdeverfahren in Rede stehenden THC-Wert von weniger als 0,5 ng/ml hierauf nicht ankam.
Nach einer neuen Stellungnahme betrachtet es die Grenzwertkommission bei einer THC-Konzentration von 1 ng/mL als möglich, dass eine fahrsicherheitsrelevante Beeinträchtigung besteht (s. VGH BW, Urteil vom 22. November 2012 - 10 S 3174/11 -, juris, Rn. 37).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 23. Oktober 2014 (- 3 C 3/13 -, juris, Rn. 33ff.) die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg, nach der eine zur mangelnden Fahreignung führende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bereits ab einem im Blutserum festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/mL vorliegt, nicht beanstandet.
Vor diesem Hintergrund schließt sich die Kammer der überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung an, wonach ab einer THC-Konzentration von 1 ng/mL davon auszugehen ist, dass ein die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Zustand vorliegt.

VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschluss vom 13.02.2015 - 3 L 110/15.NW

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