BVerfG schützt untreue Frauen

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 19.03.2015
Rechtsgebiete: Familienrecht7|3636 Aufrufe

Hier  hatte ich über einen Mann berichtet, der nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung den biologischen Vater für die von ihm gezahlten Unterhaltbeträge in Haftung nehmen wollte (Scheinvaterregress).

Zu diesem Zweck hatte er zunächst die Kindesmutter verklagt und von ihr Auskunft über den Namen des potentiellen Vaters gefordert. Der BGH gab ihm Recht und konstruierte einen entsprechenden Auskunftsanspruch aus § 242 BGB (BGH NJW 2014, 2571; BGH NJW 2012, 450).

Diese Rechtsprechung hat das BVerfG nun für verfassungswidrig erklärt:


1. Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der Privat- und Intimsphäre auch das Recht, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird. Dies umschließt das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem bestimmten Partner nicht offenbaren zu müssen.

2. Die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Regressanspruchs des Scheinvaters (§ 1607 Abs. 3 BGB) Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen, überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil es hierfür an einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht fehlt.

BVerfG v. 24. Februar 2015 - 1 BvR 472/14

Der Ball liegt nun im Feld des Gesetzgebers. Man darf gespannt sein, ob er einen entsprechenden Auskunftsanspruch in das Gesetz aufnimmt.

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7 Kommentare

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Dem 1. Leitsatz:

"1. Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der Privat- und Intimsphäre auch das Recht, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird. Dies umschließt das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem bestimmten Partner nicht offenbaren zu müssen."

wird man zustimmen müssen.

 

Dagegen wird man am 2. Leitsatz:

"2. Die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Regressanspruchs des Scheinvaters (§ 1607 Abs. 3 BGB) Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen, überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil es hierfür an einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht fehlt."

wohl zweifeln dürfen.

Jedenfalls solange der Scheinvater mit der Mutter (noch) verheiratet ist, dürfte er, wenn er quasi "unverschuldet" für einen (eigentlich vorrangig zahlungspflichtigen biologischen) fremden Vater das Kind alimentiert, einen Auskunftanspruch gegen seine Ehefrau aus § 1353 Satz 2, 2. Halbsatz BGB, ggf. in Verbindung mit § 242 BGB, haben. 

Die Ehe begründet immerhin gegenseitige Rücksichtnahme- und Solidaritätspflichten, und diesegegenseitigen Pflichten sind (jedenfalls meinem Verständnis nach) nicht etwa bloße Obliegenheiten oder unwesentlichen Nebenpflichten.

Das man zusammensteht und die Interessen des Ehepartners wahrt und schützt, das man eine miteinander verschworene und und zugleich die denkbar allerengste Gemeinschaft bildet, welche (wie im Western "high-noon") gegen die  ganze übrige (feindliche) Welt solidarisch und tapfer zusammensteht, das ist es doch, was die Ehe im Kern ausmacht.

Paare, die etwas anderes wollen, würden ehrlicher handeln, wenn sie auf eine Eheschließung verzichten, und lediglich eine nichteheliche Lebensgemeinschaft (deren Regeln sich soweit gewünscht vertraglich ganz auf die jeweiligen individuellen Bedürfnisse zuschneiden lassen) eingehen.

 

Ob der Gesetzgeber sich an dieses Thema heranwagen  wird, möchte ich nicht vorhersagen müssen.

Das Thema kann leicht zu Mißverständnissen führen und irrationale Stimmungen / Emotionen wecken.

Wähler gewinnt man damit wahrscheinlich eher nicht.

Für Politiker ist schwer vorherzusehen, ob ein Gesetzesvorhaben zu diesem Thema ihnen (bei Wählern) mehr Sympathie oder mehr Antipathie einbringt.

Es ist auch schwer vorherzusehen, wieviel Verständnis (und was für ein Verständnis) die Medien und die Bürger für eine eventuelle Gesetzesergänzung haben würden.

5

§ 1353 Absatz 1 Satz 2, 2. Halbsatz BGB, sollte es in meinem ersten Leserkommentar hier oben heißen.

 

 

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Die Überschrift zum Blog ("BverfG schützt untreue Frauen") finde ich übrigens bedenklich und beinahe grenzwertig.

So etwas hätte ich hier (in einem juristischen Fachforum) nicht unbedingt zu lesen erwartet (sondern vielleicht eher zu lesen erwartet bei gerne Stimmung machenden oder zu Empörung aufstachelnden Boulevardmedien).

Eine sachlichere und neutralere Überschrift wäre vielleicht angemessener gewesen.

Auch die Wortwahl hier sicherlich nicht so intendiert und gemeint war, wie man es bei Verwendung durch Boulvardjournalisten vielleicht hätte interpretieren oder befürchten müssen.

2

Wenn man sich vom Gesetzgeber ein neues Gesetz zu Auskunftsanspüchen unter Ehegatten über nichtgemeinschaftliche Kinder wünscht, wie weit sollen die Regelungen dann gehen, und sollen sie auch greifen im Hinblick auf untreue Ehemänner?

Wenn ein Ehemann fremdgegangen ist, und wegen seines außerehelichen Kindes Alimente zahlen muss, wenn also die von ihm (dem Ehemann) und seiner Ehefrau Haushaltskasse dadurch, daß der Mann (meistens heimlich) einen Teil seines Einkommens an Dritte (das außereheliche Kinde, und eventuell auch deren Mutter) zahlt, sollte der Ehemann diese Tatsachen dann nicht auch seiner Ehefrau offenbaren (bzw. auf Anfrage offenbaren müssen)?

Wenn man gesetzliche Auskunftsansprüche neu regelt, dann wird man diese Ansprüche wohl beiden Ehegatten wechselseitig zugestehen müssen, und nicht etwa bloß den vermeintlich armen unschuldigen Ehemännern gegen die vermeintlich bösen untreuen Ehefrauen.

Klar wäre das unromantisch - aber Gleichberechtigung sollte schon sein.

2

Im Hinblick auf die Frage eines Auskunftsanspruchs unter Eheleuten wird gesagt, daß es an einer deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht fehlt.

Führt das nicht zu Wertungswidersprüchen?

Gibt etwa eine eine deutlichere Grundlage im geschriebenen Recht, warum Ehegatten untereinander strafrechtlich als Garanten nach § 13 StGB haften sollen?

0

Nötig ist nicht etwa eine Auskunftspflicht, sondern eine direkte Regresspflicht der untreuen Mutter. Sie hat ihn betrogen und hat davon sogar materiell profitiert.
Wenn der rechtliche Vater nun keiner mehr ist, und ein neuer nicht bekannt gemacht wird, ist sie eben alleine dem Kind zu Unterhalt verpflichtet und hat dementsprechend auch den betrogenen Vater alleine zu entschädigen. Strafrechtliche Verfolgung für diesen Betrug hat dabei auch zu erfolgen.

Wenn der Mutter dann doch einfällt ob sie jemand anderen findet, der ihr die Last ihrer Tat abnimmt ist dann ihr überlassen.

Das ganze ist natürlich geschlechtsneutral zu formulieren.

Das ganze ist natürlich auch ohne Gesetzeänderungen möglich da Betrug ganz generell strafbar ist und Schadensersatzforderungen nach sich zieht und ich kenne kein Gesetz, welches Mütter davon ausnimmt.

5

1.Der Unterhalt kommt dem Kind, nicht der Mutter zugute.  Ein Anspruch gegen die Mutter könnte  aus § 826 BGB bestehen, allerdings nur dann, wenn sie positive Kenntnis von der Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters hatte und dies nachgewiesen werden kann. Dieselben Schwierigkeiten liegen beim Betrugstatbestand vor. (Hatte die Mutter positive Kenntnis von der Nichtvaterschaft?) Um eine gesetzliche Auskunftspflicht wird man nicht herumkommen.

2.@ Herr Burschel: Geschützt wird nur vordergründig die untreue Frau in ihrem komischen Persönlichkeitsrecht, der große Schutz gilt hier doch dem wahren Erzeuger und seinem Geldbeutel. Insofern könnte man den Artikel auch "BVerfG schützt biologische Väter vor Unterhaltszahlungen" nennen.

4

Sehr befremdlich die ganze Diskussion,

wenn ein Mann und eine Frau ungeschützten Verkehr haben wollen, dann wissen beide über die Konsequenzen Bescheid. Im Prinzip will jeder, auch wenn dies aufgrund der Hormone einfach verdrängt wird, Vater und Mutter werden. Verkehr ist die freiwillige Zustimmung zu allen menschlichen und wirtschaftlichen Folgen.
Aus Sicht der Kinder ein ganz großes Glück, dass sich zwei gefunden haben die so "verrückt" waren, denn sonst würde es sie nicht geben.

Kein Kind der Welt wächst glücklich ohne seine Mutter oder seinen Vater auf, vorrausgesetzt sie sind liebevoll, geistig reif und wissen um ihre Verantwortung.

 

Das letzte was ein Kind braucht ist diese unseelige Reduzierung der normalsten menschlichen Bedürfnisse auf die Zahlung von Unterhalt!

 

Kinder brauchen Wärme und Liebe! Ob es da draußen noch Menschen gibt die das nachvollziehen können? Manchmal hat man den Eindruck, Menschen die über Unterhalt reden haben keine glückliche Kindheit gehabt.

Deshalb:

1. Oberste Priorität, Kinder sollen von ihren beiden leiblichen Eltern erzogen, betreut, geliebt und gefördert werden auch nach einer Trennung/Affäre. Das ist die einzige Konstante die ein Kind hat und haben muss!

2. Wenn ein Elternteil nicht in der Lage ist für sein Kind seine Hälfte der Betreuungspflicht zu übernehmen, wobei das andere dies ohne wenn und aber zuzulassen hat, dann erst sollte zumindest das Elternteil, welches dies aus beruflichen oder privaten Gründen nicht kann, einen Ausgleich anbieten. Wird es an der Betreuung seines Kindes jedoch in irgendeiner Form behindert, ist es von diesem Ausgleich automatisch befreit und das behindernde Elternteil erklärt durch sein Verhalten die Übernahme der gesamten Aufwendungen für das Kind.

 

Was bedeutet das in diesem Fall? Wenn Männer oder Frauen innerhalb einer Beziehung Kinder mit einem anderen Partner in die Welt setzen, darf es keinen Freibrief für die Betreung der eigenen Kinder geben!

Sich freizukaufen von einer Sache, für die man geradezustehen hat ist feige und schmutzig. Wir sind nicht im Kindergarten wo man mit Förmchen schmeißt und dann heult wenn es Ärger gibt.
Der Staat bzw. der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, das Fremdgehen für Beide Geschlechter gleiche Konsequenzen hat. Väter und Mütter haben einem Vaterschaftstest zuzustimmen und Mütter haben den Vater zu nennen, tun sie dies nicht ist sowohl der rechtliche als auch der leibliche Vater vor jeglichen Rückgriffen unbefristet zu schützen.
 

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