§ 52b UrhG und das Urheberrecht : Ein Fall für Super-Dieter?

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 18.04.2015

Der BGH hat gestern (17.4.) nach Vorarbeiten des EuGH ein lang umstrittenes, komplexes Urheberrechtsproblem zugunsten von Wissenschaft und Lehre entschieden. Nach § 52b UrhG sei es Bibliotheken erlaubt, ihren Bestand zu digitalisieren, damit sich ihre Nutzer im Rahmen der ihnen zustehenden Schranken die Bücher u.a. auf USB-Sticks kopieren oder ausdrucken können.

Zum Verfahren siehe die Pressemitteilung des BGH:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ger...

Der Börsenverein sieht den 17.4. als "schwarzen Tag für Forschung und Lehre" (hä?) und wittert eine Enteignung der Verleger bei der VG Wort (hä? Was hat die VG Wort mit diesem Fall zu tun?). Und: Der Börsenverein droht mit Verfassungsbeschwerde.

Siehe http://www.boersenblatt.net/artikel-boersenverein_kritisiert_bgh-entsche...

Doch es gibt eine bessere Lösung: "Super-Dieter", Man of Steel. Der Bundesminister für Wirtschaft und ehemaliger Pop-Beauftragte der SPD, Sigmar Gabriel, hat doch jetzt gerade erst den Vorsitzenden des Bundesverbandes Musik Dieter Gorny zum "Beauftragten für Kreative und Digitale Ökonomie" ernannt (in dem mir vorliegenden Ernennungsschreiben des Ministers heißt es liebevoll "Lieber Dieter", was mir den Mut zum folgenden Duz-Stil gibt).  Hier ist ein erster Fall für "Super-Dieter"! Laßt seine Super-Kräfte wirken: Und "Super-Dieter" ändert einfach § 52b UrhG zugunsten der Verleger. Er schafft das! Die Story ist nicht § 52b - die Story ist "Super-Dieter"!

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16 Kommentare

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"Hä?" ist eine typische Reaktion begriffsstutziger und/oder renitenter Kinder. Für einen Professor und "Experten" ist das peinlich. Von ihm würde man eigentlich schon erwarten, dass er die auf der Hand liegenden verfassungsrechtlichen, ökonomischen und wissenschaftspolitischen Einwände gegen eine Gesetzesinterpretation, die der wissenschaftlichen und wissenschaftsdidaktischen Literatur langfristig die wirtschaftliche Basis entziehen wird, zumindest nachvollziehen kann.

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Hä (ad 2) - ist nur gerecht. HIer geht es um eklatante Unstimmigkeiten zwischen der Presseerklärung des Börsenvereins und dem BGH-Urteil - wie kann ein Grundsatzurteil zugunsten der Hochschulblibliotheken einen schwarzen Tag der Forschung und Lehre auslösen?? Da blebt nur "Hä" - und darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit nicht Herr Hoeren, sondern der Börsenverein.

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Zu Gastmann: besten Dank für Ihre Rückmeldung. Mir hat in der Tat noch niemand erklären können, warum das Urteil des BGH "der" (d.h. der gesamten) "wissenschaftlichen und wissenschaftsdidaktischen Literatur langfristig die wirtschaftliche Basis entziehen wird". Das ist maßlos übertrieben und führt zu der Frage: "hä"?

 

Viel schockierender ist mir da der Fall Dieter Gorny. Bislang haben Lobbyisten zumindest in Berlin im Verborgenen gearbeitet. Man traf sich mit der Politik allenfalls in Workshops und auf Konferenzen, sonst meist privatissmum. Aber es blieb wenigstens formal beim Gegenüber von Lobbyismus und Politik. Der Fall Gorny öffnet nun eine neue Dimension. Gorny fiel schon dadurch auf, das er als "unabhängiger Experte" in die Enquetekommission Digitale Gesellschaft berufen wurde - was damals für große Irritation und Häme sorgte. Doch jetzt als "lieber Dieter" ausgerechnet von einem SPD-Minister zum offiziellen Beauftragten des Ministeriums ernannt zu werden, ist bislang einmalig - eben Super-Dieter. Gleichzeitig zeigt dieser radikale Schritt, dass die Schamgrenzen für Lobbyismus in der jetzigen Koalition fallen. Und anscheinend sind die Zeiten, in denen es einen Aufschrei der Empörung gegeben hätte vorbei, was der Chuzpe des Bundesverbandes Musik recht gibt.

Da wir uns hier in einer gewissen räumliche Nähe zum Verlag C.H. Beck befinden, wäre es vielleicht sinnvoll, dass sich von da mal ein richtiger Experte zu Wort meldet. Der könnte dann womöglich auch für Herrn Hoeren verständlich erklären, dass sich Literatur, die im Buchhandel 30 Euro (oder 20 Cent pro Doppelseite) kostet, nicht mehr gut an Studenten verkaufen lässt, wenn man sie in der UB kostenlos herunterladen und anschließend mit Kosten von 3 Euro (oder 2 Cent pro Doppelseite) zuhause ausdrucken kann. Und vielleicht noch, dass sich ein primär an Studenten adressiertes Buch nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll erstellen und vertreiben lässt, wenn anzunehmen ist, dass es außer den Universitätsbibliotheken kaum noch jemand käuflich erwerben wird.

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Gastmann schrieb:
Und vielleicht noch, dass sich ein primär an Studenten adressiertes Buch nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll erstellen und vertreiben lässt, wenn anzunehmen ist, dass es außer den Universitätsbibliotheken kaum noch jemand käuflich erwerben wird.

Sogar falls, was wohl bezweifelt werden muss, die Rechtsprechung die Folge haben sollte, dass einige Publikationen sich nicht mehr lohnen, ist das nicht der Untergang des christlichen Abendlandes.

Technische Innovation führt manchmal zu einer gewissen Marktbereinigung - vor dem Aufkommen von Rundfunk und Schallplatte gab es bestimmt mehr lokale Musiker. Trotzdem ist die Musik als solche nicht gestorben.

Möglicherweise werden neue Vertriebswege den Autoren am Ende dasselbe oder sogar mehr Geld zutragen, bspw. wenn sie ihre Werke e-Book direkt vertreiben. Aber die Anknüpfung an das gedruckte Buch ist wohl einfach nicht mehr zeitgemäß.

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@ Gastmann: wenn es denn nur 30 Euro wären. Leider ist es zur unschönen Angewohnheit vieler Professoren und ihrer (manchmal von ihnen selbst oder ihrer Ehefrau betriebenen Verlage) geworden, für ihre Werke Preise zu verlangen, die man nur als prohibitiv bezeichnen kann. In dem Wissen, dass Studenten das eigene Grundlagenbuch, in dem nichts anderes steht als in anderen Grundlagenbüchern, schon kaufen werden, wenn man es in der Vorlesung nur oft genug erwähnt. So zockt man die Studenten mit einem besseren Vorlesungsskript ab - diese Masche ist besonders beliebt im Bereich Wirtschaftswissenschaften.

Echte, anerkannte Grundlagenwerke und Lehrbücher erreichen auch ohne solche moralisch zweifelhafte Verkaufsförderung Auflagen, mit und von denen ein Verlag sehr gut leben kann. 

Außerdem vergleichen Sie - wie auch der Börsenverein - unzulässig: das Mitnehmen auf USB-Stick zum Ausdrucken zuhause ist keine Substitution für den Kauf des Buches oder der Zeitschrift, sondern ersetzt das Kopieren des Werkes im Kopierraum der Bibliothek. Sowohl auf letzteren Kopierer bzw. Kopien als auch auf erstere USB-Sticks, Computer und Drucker zahlen Student und die Bibliothek Urheberrechtsabgabe und die in § 52b UrhG erwähnte Abgabe an die Verwertungsgesellschaft. In beiden Fällen kassieren Autor und Verlag.

Fazit: viel Lärm um nichts, anders ausgedrückt: Lobbyismus reinsten Wassers.

@ Mein Name: Zu der lächerlichen Höhe der Einkünfte, die den Buchverlagen aus den von Ihnen genannten Quellen zufließen (und die ungeachtet der jetzt an sich fälligen kräftigen Erhöhung insbesondere der "Bibliotheksabgabe" zweifellos auch in Zukunft lächerlich bleiben werden), könnte ja der richtige Experte   -  der aus dem Beck-Verlag  -   dann auch noch etwas sagen.

Darauf, dass der pdf-Ausdruck gegenüber dem auch jetzt schon möglichen Kopieren von Hand im Hinblick auf Arbeitsaufwand, Kosten und Ergebnis einen qualitativen Sprung darstellt, müssten Sie aber eigentlich auch ohne Experten kommen.

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@ Gastmann: die Abgaben nach §52b UrhG sind sicher höher als die aus der Urheberrechtsabgabe von einmalig 50 Euro für einen Kopierer pro ca. 10.000 Bücher und 100 Zeitschriften.
Die Verlage sollten alleine schon aus Profitgründen das Urteil begrüßen und dessen Umsetzung fördern: kaufen sich nur fünf (!) Studenten einen neuen Laserdrucker anstatt in der Bib zu kopieren, nimmt die VG schon über die Pauschalabgabe mehr ein als bisher, die Abgabe nach §52b kommt noch oben drauf.
Die Abgabe an die VG wegen öffentlicher Zugänglichmachung ohne Gewinnerzielungsabsicht (Bibliotheksabgabe) ist mit knapp 18 Millionen Euro pro Jahr übrigens doppelt so hoch wie die Betreiberabgabe der Schulen für den Betrieb von Kopierern.
Ob die Zugänglichmachung auf analogem oder digitalem Weg erfolgt, kann in einer Zeit, in der das Werk nicht mehr an ein bestimmtes Medium gebunden ist, keine Rolle mehr spielen (siehe Books on Demand).
Die VG und Verlage sollten sich lieber freuen, dass die Bibliotheken nicht nur für sie ihre Werke digitalisieren, sondern für diesen Aufwand auch noch an sie Geld bezahlen anstatt welches zu fordern, so dass sie zusätzlich zur Kopiererbetreiberabgabe die nach §52b bekommen.
Wenn ihnen das nicht passt, können sie die Werke ja grundsätzlich nur noch als E-Book herausbringen und Lizenzgebühren frei vereinbaren (so wie wissenschaftliche Onlinejournale auch).

@ Mein Name: Es mag nur ein Detail sein, aber es geht hier nicht um "öffentliche Zugänglichmachung", sondern nur um Zugänglichmachung über die Leseplätze der Bibliotheken.

 

Und eine vollständige Kopie von Büchern, sei es elektronisch oder auf Papier, dürfte in der Mehrzahl der Fälle wegen § 53 IV UrhG unzulässig sein. Eine wesentliche Ausnahme stellen hier nur seit mehr als zwei Jahren vergriffene Bücher dar, nur die dürfen - außerhalb der kaum relevanten Ausnahme des Archivzweckes - ohne Einwilligung des Rechteinhabers zum eigenen Gebrauch kopiert werden.

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Sehe ich so ähnlich wie 10. Der § 52b hebelt den § 53 nicht aus, nach dem gedruckte Bücher nur auszugsweise für den Privatgebrauch kopiert werden dürfen. Ein Buch darf für den Privatgebrauch nur dann vollständig kopiert werden, wenn es vom Verlag mit Zustimmung des Urhebers bereits als E-Book verbreitet wurde. Für E-Books  gilt nach überwiegender Meinung die Schranke in der Schranke des § 53 nicht.   
 

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Da sich sowieso alle Studenten an § 53 (4) UrhG halten, egal ob im Kopierraum der Bibliothek, im Copyshop oder ob sie das Werk auf USB-Stick haben, ist das tatsächlich eine hier nicht relevante Nebensache. Das wäre sie selbst im äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass nicht alle Studenten stets absolut gesetzestreu sind.

@Mein Name:
Stimmt. Obwohl: angeblich wird nirgendwo so viel aus Uni-Bibliotheken geklaut wie bei Juristen und Theologen....Aus  Bonn habe ich gehört, dass es da  mal einen Copy-Shop gegeben haben soll, der Ärger mit einem Repetitorium bekam, weil man dort  fertig kopierte Skripten aus dem Verlagsprogramm  erwerben konnte...

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Sehr geehrter Mein Name,

Sie schreiben:

Leider ist es zur unschönen Angewohnheit vieler Professoren und ihrer (manchmal von ihnen selbst oder ihrer Ehefrau betriebenen Verlage) geworden, für ihre Werke Preise zu verlangen, die man nur als prohibitiv bezeichnen kann. In dem Wissen, dass Studenten das eigene Grundlagenbuch, in dem nichts anderes steht als in anderen Grundlagenbüchern, schon kaufen werden, wenn man es in der Vorlesung nur oft genug erwähnt. So zockt man die Studenten mit einem besseren Vorlesungsskript ab - diese Masche ist besonders beliebt im Bereich Wirtschaftswissenschaften.

Mir ist eine solche "Angewohnheit vieler Professoren" aus meiner Erfahrung nicht bekannt, aber vielleicht können Sie Beispiele konkretisieren (gern auch per Direktnachricht an mich). Aus den juristischen Fakultäten  ist mir bekannt, dass viele Kollegen Lehrbücher schreiben bzw. verantworten, die in Fachverlagen (nicht nur Beck) erscheinen und dann - bei höheren Auflagen für relativ angemessene Preise (30 bis 50 Euro) - verkauft werden. Käufer sind natürlich die Studenten, die meist aber zusätzlich mit einem kürzeren  Vorlesungsskript versorgt werden. Auch die üblichen Autorenhonorare fallen an. Allerdings ist ein solches Lehrbuch auch mit erheblicher Arbeit verbunden, die über die übliche Lehrtätigkeit doch weit hinausgeht. Infolge der Geltung der Studienbeiträge wurden an meiner Fakultät von vielen Profs. Vorlesungsskripte zum Herunterladen deutlich ausgebaut, zum Teil sogar als Druckausgabe an die Studenten kostenfrei vergeben - solche Skripte sind im Umfang einem Lehrbuch ähnlich. Das war und ist  natürlich eine direkte Konkurrenz für die Verlagslehrbücher; die Professoren haben aber keine Honorare dafür eingestrichen.  Das Geschäftsmodell, das Sie nennen, ist mir unbekannt.

Aus Bibliothekslehrbüchern kopiert wurde/wird schon immer. Auch wenn ein Scan bequemer und noch kostengünstiger ist als eine Kopie, ersetzt er nur zum Teil ein Lehrbuch, das man auch "durcharbeitet", also mit handschriftlichen Randbemerkungen versehen kann etc.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Vielleicht geht es mehr um Lehrbücher aus weniger zahlenstarken Studiengängen als Jura - oder bspw. der Betriebswirtschaft, wo die Lehrbücher teilweise auch ganz verblüffende Preishöhen erreichen.

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Der wahrhaft unschlagbare Vorteil digitalisierter Medien liegt

gerade darin, dass diese elektronisch durchsucht werden können.

Die Recherchegeschwindigkeit wird tausendfach erhöht.

Davon bleibt wenig übrig, wenn man Seite für Seite,

100000 Mal womöglich ,

kopieren oder abfotografieren muss, so dass die zitierten Urteile

richtig sind. Oder ?

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