Kündigung wegen dauerhaft negativen Gleitzeitkontos

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 15.06.2015

Ist in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung vereinbart, dass maximal 10 Minusstunden in den Folgemonat übertragen werden dürfen und überschreitet der Arbeitnehmer diese Grenze der Minusstunden wiederholt um ein Vielfaches, kann dies die verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Das hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern entschieden.

Die 55 Jahre alte Klägerin ist seit dem 1.3.1994 bei der beklagten Stadt beschäftigt. Zuletzt war sie als Sachbearbeiterin in der Bauverwaltung mit einer Vergütung nach der Entgeltgruppe E 10 TVöD in Höhe von 4.800 Euro brutto monatlich eingesetzt. Neben ihrem Arbeitsverhältnis bei der Stadt war sie in den letzten Jahren auch ehrenamtliche Bürgermeisterin ihrer von der beklagten Stadt zu unterscheidenden Heimatgemeinde. Ab dem Jahr 2008 wies das Mitarbeiterjournal der Klägerin wiederholt über mehrere Monatswechsel und längere Zeiträume hinweg einen Gesamtsaldo des Arbeitszeitkontos von mehr als 10 Minusstunden aus. Bis einschließlich 2012 wurden sodann mehrfach von der Klägerin angesammelte Minusstunden (nachdem der Klägerin trotz Aufforderung ein Ausgleich des Arbeitszeitkontos nicht gelang) nachträglich einvernehmlich entweder mit Urlaubstagen oder durch Lohnabzug verrechnet. Auch in der Folgezeit wies das Konto immer wieder negative Salden im Umfang von teilweise über 30 Stunden aus. Nach einer fruchtlosen Abmahnung kündigte die beklagte Stadt.

Das LAG entschied:

1. Ist in einer Dienstvereinbarung zu Gleitzeit nebst Kernarbeitszeit vereinbart, dass maximal 10 Minusstunden in den Folgemonat übertragen werden dürfen und überschreitet der Arbeitnehmer diese Grenze der Minusstunden wiederholt um ein Vielfaches, kann dies die verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn der aktuelle Vorwurf (nur) im fehlenden Abbau des schon bestehenden unzulässigen Negativsaldos besteht, nachdem das frühere Aufbauen des negativen Saldos bereits abgemahnt wurde, und wenn objektiv nach dem Arbeitszeitmodell beim Arbeitgeber unter Beachtung des Arbeitszeitgesetzes unproblematisch die Möglichkeit bestand, den entstandenen unzulässigen Negativsaldo abzubauen.

2. Sieht die Dienstvereinbarung einen frühestmöglichen Dienstbeginn und ein spätmöglichstes Dienstende vor, was auch in Wechselwirkung zur Schaltung der Alarmanlage und zur Arbeitszeit des Hausmeisters steht, der das Gebäude verschließt, so kann sich der Arbeitnehmer nicht darauf berufen, man habe ihm eine Arbeit außerhalb dieser möglichen Dienstzeiten verweigert. Auch eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister rechtfertigt nicht dieses Begehren.

3. Der Arbeitnehmer kann sich in dieser Situation auch nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber - wie oftmals in der Vergangenheit - doch eine Verrechnung des Negativsaldos mit Entgeltansprüchen oder Urlaubsansprüchen hätte vornehmen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber frühere Verrechnung mit einer Abmahnung oder sonstigen rügenden Äußerungen wegen des zugrundeliegenden Arbeitszeitverstoßes verbunden hatte.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. vom 15.1.2015 - 5 Sa 219/14, BeckRS 2015, 68408

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