Nur Zinsersparnis Streitwert beim Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 20.06.2015

Nach dem OLG Stuttgart  - Beschluss vom 30.04.2015 - 6 W 25/15 - ergibt sich das wirtschaftliche Interesse eines Darlehensnehmers am Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages daraus, dass er von seiner Verpflichtung frei wird, bis zum Ablauf einer vereinbarten Zinsbindungsfrist die vereinbarten Zinsen für das Darlehen zu entrichten. Maßgebend ist somit die Zinsersparnis und nicht die Höhe des Restdarlehensanspruchs. Nach dem OlG Stuttgart trägt die Orientierung an diesem wirtschaftlichen Interesse im übrigen der verfassungsrechtlichen Vorgabe Rechnung, dass Gerichtskosten und Streitwert nicht so unangemessen hoch festgesetzt werden dürfen, dass dem Bürger praktisch unmöglich gemacht wird, das Gericht anzurufen, indem das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten  irtschaftlichen Erfolg derart außer Verhältnis steht, dass die Anrufung der Gerichte nicht mehr sinnvoll erscheint.

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6 Kommentare

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Das Urteil aus Stuttgart ist mit Vorsicht zu genießen. Zunächst hängt der Streitwert sehr stark von den Anträgen ab. Der Bankensenat des BGH (Beschluss vom 07. April 2015, Aktenzeichen: XI ZR 121/14) hat aktuell angesagt: „Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin bemisst sich der Gesamtstreitwert in den Fällen der Rückabwicklung von Darlehensverträgen zur Finanzierung von Kapitalbeteiligungen nach der Höhe des Nettodarlehensbetrages, da die Klägerin wirtschaftlich betrachtet begehrt, so gestellt zu werden, als hätte sie das Geschäft nicht getätigt“. Er verweist auch auf: Beschluss vom 10. März 2015, Aktenzeichen: XI ZR 121/14).

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Nach der Entscheidung des OLG Stuttgart gehen inzwischen immer mehr Oberlandesgerichte davon aus, dass als Streitwert für den Widerruf eines Darlehens das Interesse des Darlehensnehmers, der das Darlehen vorzeitig zurückzahlen möchte, maßgebend ist.

OLG Celle vom 22.07.2015, 3 W 48/15, juris und www.rechtsprechung.niedersachsen.de: Der Streitwert der Beendigung eines Darlehensvertrages richtet sich nach dem 3,5-jachen Jahresbetrag des Vertragszinses. Auch ohne Widerruf ist der Darlehensnehmer verpflichtet, die erhaltene Darlehensvaluta zurückzuzahlen - dies ist nicht das wirkliche Interesse des Darlehensnehmers.

OLG Zweibrücken v. 07.07.2015, 7 W 33/15, juris:
Entgegen der Ansicht des Klägervertreters kann jedoch für den Streitwert nicht der Betrag der noch offenen Darlehensvaluta des streitgegenständlichen Darlehens angesetzt werden. Der Ansatz der noch offenen Darlehensvaluta ist dann gerechtfertigt, wenn mit einer negativen Feststellungsklage die Nichtigkeit des Darlehensvertrages geltend gemacht wird und die Rückzahlung der Darlehensvaluta entfallen soll. Dies ist bei den hier vorliegenden Fällen nicht möglich, der erhaltene Darlehensbetrag ist unstreitig zurückzuzahlen. Bei einem Streit über den Widerruf ist der Streitwert daher nach § 3 ZPO zu bestimmen unter Berücksichtigung der gegeneinander abzuwägenden Vor- und Nachteile. Maßgebend ist die Verschlechterungsdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung. Der Vorteil besteht darin, dass der Darlehensnehmer Zinsen nur bis zur Rückzahlung des Darlehens bezahlen muss und insoweit keine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen muss (Anm.: Als Streitwert sind daher die Zinsen heranzuziehen, die ab dem Zeitpunkt des Widerrufs bis zum Ablauf der Zinsbindung - § 489 BGB beachten - anfallen. Dies ist regelmäßig auch die Vorfälligkeitsentschädigung der Bank).

OLG Düsseldorf v. 12.05.2015, 6 U 296/14:
Da die Rückabwicklung eines widerrufenen Darlehensvertrags weder das Interesse der Beklagten auf Rückgewähr der Darlehensvaluta (§§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1, 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 1. Alt. BGB in der Gültigkeit bis zum 10.06.2010) noch das Interesse der Beklagten an den bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung fällig gewordenen Sollzinsen tangiert, bleibt als maßgebliches Interesse nur übrig, dass die Bank sich die noch ausstehenden Vertragszinsen (Anm.: Die Zinsen vom Widerruf bis zum Ablauf der Zinsbindung) sichern will.

Soweit im Vorkommentar reChtHabEr auf eine Entscheidung des BGH vom 07.04.2015 verweist, ist dies nicht verständlich. In der Entscheidung des BGH ging es um ein verbundenes Geschäft (Darlehensvertrag zur Finanzierung einer Kapitalbeteiligung). Der Darlehensnehmer wollte gerade keine (offene) Darlehensvaluta zurückzahlen, vielmehr die (wohl wertlose) Kapitalanlage auf die Bank übertragen und erhob eine negative Feststellungsklage.

 

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Stimmt nicht so ohne weiteres, darüber hinaus  sehen das hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, Oberlandesgericht Köln, Oberlandesgericht Karlsruhe, Oberlandesgericht Koblenz, die offene Darlehensvaluta oder die Darlehensvaluta abzüglich 20 % als einschlägig an.

 

Aus welchem Grunde ausschließlich das Zinsinteresse des Darlehensnehmers zu berücksichtigen sei, erschließt sich ebenso nicht.

 

Das Interesse des widerrufenden  Darlehensnehmers  geht über das besagte Zinsinteresse hinaus, schließlich sind auch weitere Komponenten zu berücksichtigen: Sondertilgung,Tilgungsaussetzung, Laufzeit des Darlehensvertrages.

 

endlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Versicherungswirtschaft ein erhebliches, gesteigertes Interesse daran hat, den Streitwert möglichst gering zu halten.

 

Endlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Versicherungswirtschaft ein erhebliches, gesteigertes Interesse daran hat, den Streitwert möglichst gering zu halten.

 

 

Auch ist der so genannte Futterneid der Richter unterschwellig ein Faktor, der  nicht genannt wird aber auch Motivation ist, um den Streitwert gering zu halten. 

 

 

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@ KO

 

Das OLG Koblenz hat mit seiner Entscheidung am 03.09.15 ausdrücklich seine Rechtsprechung geändert und schliesst sich OLG Zweibrücken und damit oben dem OLG Stuttgart an. Die Entscheidung des OLG Köln ist von 2014 als noch alle OLGs den höheren Streitwert angenohmen haben, von daher würde ich ihr kein besonders hohen Wert beimessen.

Für die Banken ist der niedrigere Streitwert ein zweiseitiges Schwert. Einerseits sind die Kostenrisiken im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung überschaubarer andererseits werden viele Verbraucher angesichts der Kosten nicht mehr von der Auseinandersetzung abgehalten .

Dem Futterneid der Richter halte ich die Gebührengier der Anwälte entgegen. 

 

   

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Das letzte Wort hat natürlich der BGH. Ich vermute allerdings: Der dabei bleiben, dass bei Feststellung der Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis der Wert des gesamten Rechtsverhältnisses, also die Kreditsumme, als Streitwert heranzuziehen ist. Das geht aber ja auch anders. Wenn die nach Widerruf zunächst nur Zug um Zug verknüpften wechselseitigen Forderungen aufgerechnet werden und Feststellung des Saldos beantragt wird, ist diese Summe der Streitwert. Möglich auch, extrem Streitwert-senkend & daher von soweit ich weiß keinem Anwalt (außer von mir in eigener Sache :-)) auch nur als Option für Kreditwiderrufsklagen genannt: Erstmal die Herausgabe nach Widerruf gezahlter Raten einzuklagen.

 

Aber das ist sowieso alles Theorie. Kreditwiderrufsanwälte sind aktuell Mangelware & haben die keinerlei Anlass, sich von Mandanten mit verbilligten Klaganträgen  beauftragen zu lassen.

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Danke für die gute Zusammenfassung wichtiger Urteile (wenn auch schon etwas veraltet). Unter https://ratis.de/widerruf-darlehen/ueberpruefen-sie-ihren-kreditvertrag/ habe ich noch eine aktuellere Liste gefunden die wesentliche Urteile aufführt.

Schade dass die letzte BGH Verhandlung zum Darlehenswiderruf jetzt abgesagt wurde, auch wenn sie das OLG Urteil wohl nicht gekippt hätten.

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