Ermittlungen des GBA wegen Landesverrats - Schlag ins Wasser

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 01.08.2015

Gegen die zwei Betreiber des Blogs "netzpolitik.org" hat der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats eingeleitet. Zum Tatvorwurf und dazu, was von der Subsumtion unter § 94 StGB übrig bleibt (= fast nichts) habe ich hier im Beck-Blog schon vorgestern Stellung genommen. Innerhalb kürzester Zeit haben der schon seit zehn Tagen online gestellte Beitrag zum GBA und den Ermittlungen wegen der NSA-Affäre und die mehrfach aktualisierten Updates tausende neue Leser bekommen, die Nachricht und der Link zum hiesigen Beitrag verbreitete sich hauptsächlich über twitter.

Nach und nach haben vorgestern und gestern beinahe alle großen Medienwebsites, Sender und Printmedien weitere juristische Stellungnahmen zum Ermittlungsverfahren publiziert, alle mit demselben Tenor: Der Verdacht des Landesverrats ist geradezu abwegig, ein Ermittlungsverfahren wegen § 94 StGB hat keine Grundlage, die Ermittlungen sind ein Schlag ins Wasser.  Sogar der Justizminister hat sich gestern mit dieser Tendenz geäußert. Deutlich wurde jetzt auch: Die Strafanzeige des Bundesamts für Verfassungsschutz richtete sich gegen "Unbekannt" und zielte vornehmlich darauf, das Leck im Geheimnisschutz aufzudecken. Die fragwürdige Ermittlungsrichtung gegen die Netzpolitik-Blogger Beckedahl und Meister und damit die Bedrohung der Pressefreiheit hat der GBA zu verantworten. Die Empörung ist wohl auch deshalb so groß, weil dieselbe Behörde bei den bekannt gewordenen Spionagevorwürfen gegen die NSA sich so auffällig zurückhält.

Nach dem sehr starken Medienecho und der Reaktion des Bundesjustizministers ruderte der GBA gestern erkennbar zurück und verkündete, es würden vorerst keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen stattfinden. Die FAZ titelte sogar, das Verfahren werde "gestoppt". Aber ein solcher "Ermittlungsstopp" oder ein "Ruhen" der Ermittlungen ist in der StPO nicht vorgesehen.

Wenn erkannt wird, dass die Ermittlungen ohnehin nicht zum Ergebnis einer Strafbarkeit führen können, z.B. weil die Annahme, es handele sich bei den veröffentlichten Dokumenten um Staatsgeheminisse sich als falsch herausstellt, oder andere Voraussetzungen des Tatbestands klar zu verneinen sind, dann kommt nur eine Entscheidung in Betracht: Die umgehende Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO.

Aber auch wenn diese wohl richtige Entscheidung alsbald getroffen wird, wird wohl jetzt die Frage aufgeworfen werden, ob der derzeitige Inhaber des Amts Generalbundesanwalt noch politisch tragbar ist.

 

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228 Kommentare

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Ist das so, daß die Anzeige nur gegen Unbekannt gerichtet war? Die Medien berichten das überwiegend anders.

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Sehr geehrte Frau Engelhardt,

es handelt sich um die Darstellung des Verfassungsschutzes, wie sie in den vorgestrigen Nachrichtensednungen verbreitet wurde. Hier z. B. wird die Information wiedergegeben:

Die Anzeige erfolgte gegen „Unbekannt“ und „unter allen rechtlichen Gesichtspunkten“, das Innenministerium war bis zur Staatssekretärin hinauf unterrichtet, nicht aber Minister de Maizière. Es sei Maaßen um die Durchstecher der Dokumente gegangen, nicht um die Journalisten, heißt es.

(Quelle: FAZ: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kommentar-zu-den-ermittlungen-...)

Ich halte dies auch durchaus für wahrscheinlich.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

Ein interessanter Beitrag von RA Markus Kompa: http://www.heise.de/tp/news/A-Most-Wanted-Man-oder-doch-nicht-2766909.html

Kompa stellt die Theorie auf, daß die (unsinnige) Hochstufung des möglichen Geheimnisverrats durch einen BfV-Mitarbeiter oder Bundestags-Abgeordneten/Mitarbeiter zum Landesverrat den Zweck hat, Ermittlungsmaßnahmen ergreifen zu können, die sonst nicht zur Verfügung stehen. Das würde allerdings wohl bedeuten, daß diese Maßnahmen auch bereits ergriffen würden. Diese Frage wäre ein lohnender Gegenstand für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß.

Hier ein Beitrag der FAZ, halb Bericht, halb Kommentar, zum größten Teil sachlich-juristisch falsch:

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kommentar-zu-den-ermittlungen-...

Das Landeskriminalamt Berlin leitete die Anzeigen an die Bundesanwaltschaft weiter. Die muss, wie jede Staatsanwaltschaft, den Anfangsverdacht prüfen. Generalbundesanwalt Harald Range hätte einen Straftatbestand in Betracht ziehen können, der sich nur auf die Durchstecher bezogen hätte. Oder er hätte den Verdacht des Landesverrats mit Blick auf das hohe Gut der Pressefreiheit verneinen können. Er aber ließ gegen die Betreiber von netzpolitik.org ermitteln – wegen Landesverrats. Hatten die Journalisten die Bundesrepublik schädigen wollen?

Der "Straftatbestand, der sich nur auf die Durchstecher bezieht" ist § 353b StGB. Dafür ist aber der Generalbundesanwalt von vornherein nicht zuständig. Selbst wenn den Irrtum diesbezüglich der Sachbearbeiter beim Landeskriminalamt Berlin gehabt haben sollte, hätte der Generalbundesanwalt dieses Verfahren postwendend an die Berliner Staatsanwaltschaft abgeben müssen.

Maas gab eine Weisung, ohne es offiziell zu tun. Ein Weisungsrecht hat der Justizminister aus gutem Grund gegenüber dem Generalbundesanwalt nicht, wenn es um Ermittlungsverfahren geht.

Das ist frei erfunden. Das Weisungsrecht des Bundesjustizministers nach §§ 146, 147 Nr. 1 GVG gilt auch und gerade für Ermittlungsverfahren.

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wofür braucht range ein externes gutachten, ob die veröffentlichten Dokumente Staatsgeheimnisse sind? das muss er mit seiner behörde voller volljuristen doch selber entscheiden können?! ich sehe schon demnächst beim amtsgericht einen richter ein gutachten in auftrag geben, ob vorgelgte vertragsunterlagen ein Mietvertrag sind oder nicht.

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Sehr geehrter OG,

genau über diese Punkte bin ich auch gerade gestolpert; danke, dass Sie sie schon aufgegriffen haben. Einige Anmerkungen meinerseits:

1. (Kompa-These) Wenn es tatsächlich so war, dass man zunächst aufgrund eines (hanebüchenen) Anfangsverdachts gem. § 94 StGB heimliche Ermittlungsmaßnahmen ergriffen hätte, wie sie jetzt von Herrn Kompa in den Raum gestellt werden, dann wäre es in der Tat der große Skandal, der es bis jetzt nicht ist. Bis jetzt gehe ich mit dem zitierten FAS-Kommentar konform, dass sich der GBA bzw. seine Mitarbeiter lediglich "vergallopiert" haben.

2. ($ 94 oder § 353b StGB?) Wenn man schon ein Staatsgeheminis verneint, dann ist der GBA nicht zuständig, das sehe ich auch so. Wenn man aber Staatsgeheimnis und die konkrete Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit grds. für möglich hält, dann kann ja durchaus differenziert werden, a) weil die engere Auslegung aufgrund Art. 5 GG nur für die Presse gilt, nicht aber für "Durchstecher" z.B. aus der Behörde, b) weil jemand in der Behörde ja möglicherweise landesverräterische Absichten haben könnte, die ich bei Netzpolitik.org nicht erkennen kann.

3. (§§ 146, 147 GVG) Schon in einem früheren Fall ("No Angels") fiel mir auf, dass die Justizminister selbst diese Norm nicht zu kennen vorgeben bzw. davon nur im Notfall Gebrauch machen. Es gibt offenbar eine Übereinkunft, dass man sich in einzelne Fälle nicht einmischt, obwohl § 146 GVG das zulässt. Bayerische Staatsanwaltschaften haben z.B.  die ministerielle Anweisung, im Fall Mollath eine Wiederaufnahme zu beantragen, als ungehörige Einmischung empfunden.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Hier bei uns wird immer öfter einfach mal drauflosgaloppiert ohne sich um Recht und Gesetz zu kümmern um dann, sei es bei einem öffentlichen Aufschrei, sei es bei einem Ordnungsruf aus Karlsruhe, sei es nach einem Veto aus Europa wieder zurückzurudern. Richtig wäre es, gar nicht erst loszugaloppieren und Freiheitsrechte einzuschränken, bevor man die Rechtslage sorgfältig gecheckt hat. Apropos: Reicht ein dolus eventualis für § 344 StGB?

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50 Jahre nach der "Spiegel-Affäre" ist es wieder soweit: ein wichtiges und der Regierung unbequemes Presseorgan soll aus dem Weg geräumt werden, Razzien und Beschlagnahmen in Redaktionsräumen, Herausgeber und leitende Redakteure werden unter Bruch aller rechtlichen Voraussetzungen verhaftet und schmachten monatelang in U-Haft: Das darf hier und heute ja wohl nicht sein, da müssen natürlich sofort Köpfe rollen (bildlich gesprochen), der des Generalbundesanwalts sowieso, aber natürlich auch der des politisch verantwortlichen Ministers, da kann der Feigling jetzt sagen, was er will.

 

Es sei bisher nur eine Akte angelegt worden, sagen Sie? Zu dem Zweck, ein Rechtsgutachten einzuholen? Darauf kann es ja wohl nicht ankommen, die hatten ja mit Sicherheit Schlimmeres vor (sagt schließlich M. Kompa, einer von Deutschlands bedeutenderen Zauberkünstlern und Hellsehern). Also her mit den Rücktritten! Rettet die Demokratie!

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Gast schrieb:

Gast schrieb:

    Strafverfahren gegen "netzpolitik.org""Es ist nicht legitim, einfach alles zu veröffentlichen"   http://www.deutschlandfunk.de/strafverfahren-gegen-netzpolitik-org-es-is...

 

 

http://www.deutschlandfunk.de/strafverfahren-gegen-netzpolitik-org-es-is...

Im Hinblick auf die Leute, die der Deutschlandfunk zu Wort kommen lässt - zuletzt Rolf Clement - verweise ich mal auf die Hintergrundinformationen zu diesem Herrn auf dem Blog von Stefan Niggemeier. Herr Clement hat ja sogar behauptet, dass sich die Ermittlungen nicht unmittelbar gg. die Blogger richten, obwohl das zu diesem Zeitpunkt schon längst widerlegt war.

http://www.stefan-niggemeier.de/blog/21838/rolf-clement-der-besonders-ve...

 

Es ist nicht so, dass ich Historikern die Komptenz absprechen möchte, sich zu dieser Thematik zu äußern. Prof. Foschepoth hat z.B. mit "Überwachtes Deutschland" unter Veröffentlichung zahlreicher zuvor unbekannter Dokumente auf beeindruckende Weise dargelegt, wie "unfrei" die dt. Regierung und auch Justiz im Zusammenhang mit Geheimdiensttätigkeiten der Alliierten seit Ende des 2. Weltkriegs war und immer noch ist. Es ist mir immer noch unverständlich, warum diese Vereinbarungen in den aktuellen Diskussionen zum Gesamtkomplex der "Abhöraffäre" nahezu völlig unerwähnt bleiben, obwohl sie maßgeblich für das Verhalten unserer Regierung und sonstigen Exekutive sein dürften.

 

Wenn sich aber Prof. Hores im DLF dahingehend äußert, dass nicht alle Veröffentlichung aller Dokumente legitim sei und er sich gegen den Trend wehre, alles im Original zu veröffentlichen, so verkennt das offenkundig den Kern der Problematik. Abgesehen davon, dass die Erfüllung eines Straftatbestands im konkreten Fall nach Ansicht sehr vieler Juristen ziemlich fernliegend ist, sollte man grds. eine Staatsanwaltschaft (unabhängig davon, ob es sich um den GBA handelt) nicht einfach verurteilen, wenn sie Ermittlungen aufnimmt. Wenn sie im Hinblick auf die NSA-Affäre aber trotz einer großen Anzahl von Hinweisen den Standtpunkt vertritt, nicht tätig werden zu müssen/können, da es sich ja nicht um Originaldokumente handele, wohingegen sie nach der Anzeige durch Herrn Maaßen nicht nur hinsichtlich eines wohl eher fernliegenden Tatbestandes ermitttelt, der zudem Tatsachen betraf, die zuvor schon durch andere Medien verbreitet wurden, ist dies m.E. der eigentliche Skandal. Jedenfalls wenn man berücksichtigt, dass im hinsichtlich der NSA-Affäre massenhafte Grundrechtsverletzungen zu befürchten sind, wohingegen beim BfV wohl der Standtpunkt vertreten wird, dass selbst die Kantinenpläne eine Verschlusssache sind und die Presse- und Meinungsfreiheit zwar auf dem Papier existiert, aber in der Praxis jedenfalls hinter den Interessen der Exekutive anzustehen habe.

Eine andere Frage ist allerdings, inwieweit der GBA nicht aufgrund der zuvor erwähnten Verträge/Vereinbarungen  oder sonstiger Abreden sowie der Angst unserer Regierung faktisch daran gehindert ist, irgendwelche ergebnisorientierten Ermittlungen gg. unsere "amerikanischen Freunde" aufzunehmen. Das dürfte nach m.E. das tatsächliche Problem sein. So lange sich aber niemand öffentlichkeitswirksam damit befasst und die Politik zwingt, dazu Stellung zu nehmen, wird sich am status quo nichts ändern. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Aktion Merkel und Konsorten bei der nächsten Wahl auf die Füße fällt.

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1. Warum ist Haushaltstransparenz eine Gefahr für die Sicherheit?

 

2. Werden schriftliche, offizielle Weisungen in der Staatsanwaltschaft durch vorauseilenden Gehorsam ersetzt?

 

3. Wenn die Mitteilung über die Anzeige dazu dienen sollte, Ermittlungen des Verfassungsschutzes zu ermöglichen, weil ein offizielles Ermittlungsverfahren in Strafsachen läuft, so wäre das für mich eine freudige Überraschung. Ich vermute, dass über uns alle wesentlich mehr gespeichert ist, als wir vermuten. Diente die Veröffentlichung vielleicht dazu, Enthüllungen über das Nachspionieren bei JournalistInnen zu vermeiden, indem noch schnell eine Rechtfertigung gebastelt wird?

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Horst schrieb:

 

1. Warum ist Haushaltstransparenz eine Gefahr für die Sicherheit?

Weil es fremden Mächten, Terroristen und der Organisierten Kriminalität erlaubt, die Fähigkeiten und die interne Schwerpunktsetzung ihrer rechtsstaatlichen Gegenspieler in Form der Sicherheitsbehörden abzuschätzen.
Leider wird auf Seiten von Aktivisten und Enthüllungsjournalisten nicht verstanden, dass die angestrebte Diskussion in diesem öffentlichen Rahmen nicht stattfinden kann. Die Dokumente und weitere Details sind nach objektiven Kriterien für Verschlusssachen eingestuft. Die Behörden können sie deshalb faktisch nicht besprechen, ohne aus eben denselben Gründen, welche die Einstufung begründen, ihre Arbeitsfähigkeit zu gefährden. Von der Diskussion schreckt zudem die Erfahrung ab, dass selbst Außenstehende, die in geheimen Darstellungen der Zusammenhänge förmlich ertrinken und sich teil in Vollzeit damit beschäftigen, erstaunlich wenig davon verstehen und keinerlei Lernkurve erkennbar ist.
Alle "Geheimdienstdebatten" laufen daher selbstreferenziell innerhalb eines bestimmten politischen und publizistischen Spektrums ab und drehen sich größtenteils um dessen ideologischen Befindlichkeiten und sachlichen Fehlinterpretationen. Ein Selbstdarstellungstheater mit geschützten Informationen als Requisite. Im internationalen Publikum sitzen allerdings Leute, die im Gegensatz zu den Protagonisten genug Ahnung haben, diese Informationen richtig zu interpretieren und mit weiteren Erkenntnissen zusammen zu führen.

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@Gast

 

Bleiben Sie auf dem Boden des geltenden Rechts, anstatt ins Schwärmen zu geraten! Beim Rechtsgut "Staatsgeheimnis" (§ 93 StGB) geht es nur um "fremde Mächte", nicht um Terroristen und Organisierte Kriminalität.

 

Und warum eigentlich "rechtsstaatliche Gegenspieler"? Gegenspieler im Sinne des Gesetzes kann auch eine fremde Macht sein, die als Rechtsstaat gilt. Paradebeispiel: USA. Aber wenn FDP-Maulwürfe in die Botschaft der USA einbestellt werden, um über vertrauliche Regierungsgespräche Bericht zu erstatten, ist der Gedanke an "Exekutivmaßnahmen" der letzte, den der GBA hat. Ich erwähne dies nur zur Illustration des Gummiparagraphen-Charakters, den die §§ 93 ff. StGB haben.

 

 

 

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Gast schrieb:
Horst schrieb:

 

1. Warum ist Haushaltstransparenz eine Gefahr für die Sicherheit?

Weil es fremden Mächten, Terroristen und der Organisierten Kriminalität erlaubt, die Fähigkeiten und die interne Schwerpunktsetzung ihrer rechtsstaatlichen Gegenspieler in Form der Sicherheitsbehörden abzuschätzen. Leider wird auf Seiten von Aktivisten und Enthüllungsjournalisten nicht verstanden, dass die angestrebte Diskussion in diesem öffentlichen Rahmen nicht stattfinden kann. Die Dokumente und weitere Details sind nach objektiven Kriterien für Verschlusssachen eingestuft. Die Behörden können sie deshalb faktisch nicht besprechen, ohne aus eben denselben Gründen, welche die Einstufung begründen, ihre Arbeitsfähigkeit zu gefährden. Von der Diskussion schreckt zudem die Erfahrung ab, dass selbst Außenstehende, die in geheimen Darstellungen der Zusammenhänge förmlich ertrinken und sich teil in Vollzeit damit beschäftigen, erstaunlich wenig davon verstehen und keinerlei Lernkurve erkennbar ist. Alle "Geheimdienstdebatten" laufen daher selbstreferenziell innerhalb eines bestimmten politischen und publizistischen Spektrums ab und drehen sich größtenteils um dessen ideologischen Befindlichkeiten und sachlichen Fehlinterpretationen. Ein Selbstdarstellungstheater mit geschützten Informationen als Requisite. Im internationalen Publikum sitzen allerdings Leute, die im Gegensatz zu den Protagonisten genug Ahnung haben, diese Informationen richtig zu interpretieren und mit weiteren Erkenntnissen zusammen zu führen.

 

Sehr geehrter Gast,

 

Sie scheinen sich mit dem Thema befasst zu haben und können mir vielleicht weiterhelfen.

Sie schreiben "sind nach objektiven Kriterien für Verschlussachen eingestuft". Was sind bitte objektive Kriterien, damit etwas eine Verschlussache wird?

Glauben Sie wirklich, dass die Frage der Haushaltmillionen oder der Personalstärke für die Internetüberwachung durch den Verfassungsschutz vor anderen Staaten geheim sein muss?

Vielleicht können Sie mit Ihren Argumenten, gut aufbereitet, die gesamte Bloggemeinde einschließlich Professor Müller davon überzeugen, dass es sich um wichtige, geheimhaltungsfähige (wohl nur grundsätzlich, das Gegenteil ist bewiesen) und geheimhaltungsbedürftige Unterlagen gehandelt hat.

 

Sie schreiben zwar, dass von der Diskussion die Erfahrung abschrecken würde, dass es schon oft vergeblich versucht worden sei. Es liegt an Ihnen, die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Dokumente so verständlich zu erklären, dass es die Schwarmintelligenz auch versteht.

 

Freundliche Grüße

 

Horst

 

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Der folgende Kommentar stammt von "OG" bzw. OGarcia, der aufgrund technischer Schwierigkeiten momentan nicht posten kann:

 

@tizian

Im Prinzip richtig, aber der Gutachtenauftrag dürfte hier in Ordnung sein. Tatbestandsvoraussetzungen können nun einmal auch schwierige tatsächliche Fragen sein, die ein Richter oder Staatsanwalt ohne besondere Sachkunde nicht beantworten kann. Die Neuheit eines Erfindung ist im Patentrecht auch ein Tatbestandsmerkmal, kann aber von einem Juristen nicht einfach so subsumiert werden. Oder Haftungsrecht: Ist ein Schaden entstanden? Da muß oft ein Ingenieur ran. Ähnlich ist es bei den Tatbestandsmerkmalen Staatsgeheimnis und schwerer Nachteil für die äußere Sicherheit.

 

@Prof. Dr. Henning Ernst Müller

Zu § 94 oder § 353b StGB: Sie haben recht. Wenn man Anhaltspunkte dafür hat, daß objektiv ein Staatsgeheimnis vorliegt (was ich, wie Sie, hier für hanebüchen halte), dann kann man auf der subjektiven Ebene bei verschiedenen Beteiligten unterscheiden. Ich würde nicht bei der "überschießenden Innentendenz" der Nachteilsabsicht ansetzen. Denn wenn die fehlt, dann greift anstelle von § 94 StGB § 95 ein. Und wenn sogar der einfache (zumindest bedingte) Vorsatz hinsichtlich der Nachteilsgefahr fehlt, dann gibt es noch den "Auffangtatbestand" des § 97 StGB. Was im Falle der Betreiber von netzpolitik.org hingegen mit Sicherheit fehlt, ist der (auch nur bedingte) Vorsatz, daß das veröffentlichte Material ein Staatsgeheimnis ist (§ 93 Abs. 1 StGB). Und insoweit ist Fahrlässigkeit nicht strafbar (aber auch die würde m.E. fehlen). Denn wenn die Unterlagen sogar amtlicherseits die Geheimhaltungsstufe (https://de.wikipedia.org/wiki/Geheimhaltungsstufe ) "Vertraulich" erhalten haben im Unterschied zu der Stufe "Geheim" oder "Streng geheim", dann muß niemand auch nur damit rechnen, daß "die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" besteht (es sei denn, er hat ein Sonderwissen gegenüber dem Fachmann, der die Einstufung vorgenommen hat). Zur Klarstellung: Die Geheimhaltungsstufe gehört nicht unmittelbar zu den Voraussetzung einer Strafbarkeit, auch gar nicht eingestufte Dokumente können sicherlich Staatsgeheimnisse sein. Wenn sie aber eingestuft sind, dann schlägt dies jedenfalls im subjektiven Tatbestand durch. 

Von 1936 bis 1969 war es strafbar, als vertraulich gekennzeichnete amtliche Schriftstücke zu veröffentlichen, wenn dadurch ein Gefährdungserfolg eintritt (http://lexetius.com/StGB/353c,4). Dann wurde dies entkriminalisiert und nur noch die Strafbarkeit für die Veröffentlichung von als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichnete amtliche Schriftstücke beibehalten (http://lexetius.com/StGB/353c,3). 1980 wurde auch sie abgeschafft (http://lexetius.com/StGB/353c) und es blieb nur noch die Strafbarkeit der Veröffentlichung eines "Staatsgeheimnisses". Auch wenn es sich um einen materiellen Begriff handelt und keine Einstufung vorausgesetzt ist, zeigt bereits die Gesetzgebungsgeschichte, daß es ein Stufenverhältnis gibt, auf das man sich im Normalfall verlassen können muß. Alles andere wäre geradezu Willkür in der Anwendung des Strafgesetzes. Und wer will die schon? 

Ein Gedanke zum Innehalten mit dem Ermittlungen durch den GBA, zu dem Prof. Müller schon gesagt hat, daß die StPO ein solches Vorgehen nicht kennt. Die "Exekutivmaßnahmen" haben allesamt enge Voraussetzungen und sind nur bei besonderer Notwendigkeit zulässig. Wegen des Legalitätsprinzips dürfte in diesen Fällen zwischen Zulässigkeit und Gebotenheit dieser Maßnahmen keine oder nur eine kleine Lücke sein, wenn man schon den entsprechenden Verdacht einer Straftat bejaht hat. Dann stellt sich aber die Frage, ob der GBA nicht nach seinen eigenen Vorstellungen eine Strafvereitelung im Amt begeht, wenn er die gebotenen Ermittlungen unterläßt und durch Zeitablauf und Verdunkelungsmöglichkeiten den endgültigen Verlust von Beweisen in Kauf nimmt. Demzufolge müßte der GBA eigentlich bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vorsprechen und eine Selbstanzeige erstatten.

Um mal einen Schritt zurückzutreten, um das ganze Bild zu erfassen: Wie auch in zahlreichen Kolumnen vermutet wird, ist klar, daß das Vorgehen von Maaßen und Range nicht so sehr eine ernsthafte Strafverfolgung sein soll als eine eindringliche Botschaft an die Öffentlichkeit, in der überwiegend Edward Snowden als Vorbild wahrgenommen wird. Das war immer schon vielen Akteuren in Leitungsstrukturen (bis hin zum Bundespräsidenten) ein Ärgernis. Anhand von netzpolitik.org konnten diese Kreise nun ein Exempel statuieren und mit einem Knalleffekt an den deutschen Straftatbestand des Landesverrats (Strafe von einem Jahr bis Lebenslänglich) erinnern. Wenn schon für den Pipifax im Fall netzpolitik.org ein Strafverfahren eingeleitet wird, wie "richtig" ist es dann, wenn Snowdon von den transatlantischen Freunden weniger für eine Ordensverleihung als für eine lebenslange Einkerkerung gesucht wird? 

Dies ist die Denkstruktur eines Mannes wie Hans-Georg Maaßen, der nicht so sehr nach dem binären System rechtmäßig/rechtswidrig als nach dem binären System Freund/Feind funktioniert 
(http://blog.delegibus.com/2012/07/22/hans-georg-maasen-und-seine-physikalische-ungultigmachung/).

 

@Gastmann

Sie müssen besser aufpassen, manche Leser finden sonst die Ironie in Ihrem Beitrag nicht. Wäre es an dieser Stelle nicht Ihr Part, darauf hinzuweisen, daß in der Spiegel-Affäre sowohl der BGH als auch das BVerfG die Maßnahmen für rechtmäßig befunden haben? Ich bin enttäuscht, Sie schwächeln. :-)

 

Soweit der Kommentar von OG.

 

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Der folgende Kommentar stammt von "OG" bzw. OGarcia, der aufgrund technischer Schwierigkeiten momentan nicht posten kann:

 

@tizian

Im Prinzip richtig, aber der Gutachtenauftrag dürfte hier in Ordnung sein. Tatbestandsvoraussetzungen können nun einmal auch schwierige tatsächliche Fragen sein, die ein Richter oder Staatsanwalt ohne besondere Sachkunde nicht beantworten kann. Die Neuheit eines Erfindung ist im Patentrecht auch ein Tatbestandsmerkmal, kann aber von einem Juristen nicht einfach so subsumiert werden. Oder Haftungsrecht: Ist ein Schaden entstanden? Da muß oft ein Ingenieur ran. Ähnlich ist es bei den Tatbestandsmerkmalen Staatsgeheimnis und schwerer Nachteil für die äußere Sicherheit.

 

 

Ich stimme bei den genannten Beispielen zu, aber die besondere Sachkunde, ob ein Staatsgeheimnis vorliegt oder nicht, sehe ich bei der Generalbundesanwaltschaft verortet, das müssen die aus meiner Sicht selber entscheiden können. Ich persönlich sehe diesen Gutachterauftrag eher in die Richtung zielen, dass hinterher niemand für dieses Chaos verantwortlich zeichnet, weil man ja erst durch das Gutachten wissen konnte, ob ein Staatsgeheimnis vorliegt oder nicht. Aber sei es wie es sei, mich würde noch interessieren, ob wie Range behauptet, erst ein förmliches Ermittlungsverfahren für ein solches Gutachten eröffnet sein muss.

 

@Henning Müller

 

Sie haben öfter geschrieben, dass das Bundesamt nicht ausdrücklich gegen die Journalisten Anzeige gestellt hat. Wenn man die aktuellen Artikel wie z.B. hier liest

 

http://www.sueddeutsche.de/politik/anzeigegegenblogger-skandalstueck-mit...

 

drängt sich aus meiner Sicht der Eindruck auf, dass die Anzeige vielleicht gegen unbekannt war, die entsprechenden mitgelieferten Stellungnahmen aber ausdrücklich davon sprachen, dass die Journalisten ein Staatsgeheimnis verbreitet haben. Aus meiner Sicht ein sehr subtiles Verfahren, recht eindeutig die Ermittlungen gegen bestimmte Personen zu richten, ohne diese in der Anzeige ausdrücklich zu benennen. 

 

Und ist es nicht so, dass der gewählte Tatbestand nur gewählt wurde, um die neue Vorratsdatenspeicherung nutzen zu können? Landesverrat ist ja eine der Katalogtaten.

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Die Meinung von Historikern und Zivilrechtswissenschaftlern (Prof. Dr. Volker Rieble in der Frankfurter Allg. Sonntagszeitung von heute), dass man doch nicht alles publizieren dürfe und dass Geheimhaltung durchaus wichtige Funktionen haben kann, gehen an der Sache vorbei: Natürlich gibt es Grenzen der Publikation - auch in einem freiheitlichen Rechtsstaat mit einer freiheitlichen Presse. Die strafrechtlichen Grenzen ergeben sich aus dem StGB, die moralischen Grenzen stehen hier nicht zur Debatte. Im konkreten Fall geht es darum, ob die strafrechtlichen Grenzen überhaupt verletzt wurden. Die Argumentation von Hoeres und Rieble, es sei nicht legitim, alles zu veröffentlichen, trägt  wenig zu einer Klärung bei, ob Ermittlungen des GBA wegen "Landesverrats" legitim sind oder nicht. Man kann sich ja gern für eine Gesetzesänderung einsetzen, die künftig ein ähnliches Verhalten von Beckedahl und Meister strafbar erklärt. Wenn sie dies auf demokratischen Wege durchsetzen und auch das BVerfG keine Einwände hat, nun gut. Aber für den jetzt diskutierten Fall haben solche Äußerungen kaum Relevanz. Zivilrechtlich (und historisch) kann man mit Gesetz und  Recht viel anstellen, strafrechtlich nicht - nulla poena sine lege.

 

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

sehen Sie die Grenzen der Publikation z. B. auch bei der staatlichen Verwaltung oder nur zum Schutz von Personen?

Viele Grüße und Dank für den Blog

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Henning Ernst Müller schrieb:

Die Meinung von Historikern und Zivilrechtswissenschaftlern (Prof. Dr. Volker Rieble in der Frankfurter Allg. Sonntagszeitung von heute), dass man doch nicht alles publizieren dürfe und dass Geheimhaltung durchaus wichtige Funktionen haben kann, gehen an der Sache vorbei... Zivilrechtlich (und historisch) kann man mit Gesetz und  Recht viel anstellen, strafrechtlich nicht - nulla poena sine lege.

Rieble ist doch Arbeitsrechtler. Als Arbeitsrechtler hat man keinerlei Übung darin, sich an geschriebenem Recht zu orientieren. Die lex scripta ist für einen Arbeitsrechtler vergleichbar mit der Bedeutung der Bibel für den Agnostiker. Als Arbeitsrechtler ist man der geborene Richterkönig und orientiert sich nur an seiner eigenen Rechtsmeinung und an nichts sonst.

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Sehr geehrter Blogfan,

die hier diskutierten strafrechtlichen Grenzen drehen sich insbesondere um § 93 StGB: Danach sind Staatsgeheimnisse geschützt, bei deren Bekanntwerden die Gefahr eines Nachteils für die äußere Sicherheit Deutschlands entstünde. Des Weiteren gibt es noch den Schutz des Dienstgeheimnisses, die Verschwiegenheitspflichten, Datenschutz, wo jeweils bestimmte Bereiche gegen eine Transparenz auch strafrechtlich geschützt werden. Meist ist das der persönliche Geheimbereich, aber es sind nicht nur Individualinteressen, sondern auch teilweise Interessen der Verwaltung (und meist damit auch Interessen der verwalteten Bürger in ihrer Gesamtheit) geschützt. Das Schalten und Walten der Verwaltung selbst ist aber in unserem Staat nicht generell geheim. Transparenz ist selbst wieder eine wichtige Grundlage der Demokratie.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

 

vielen Dank für Ihre Antwort.

Kennen Sie überhaupt ein Beispiel für eine Information über unseren Staat, "bei deren Bekanntwerden die Gefahr eines Nachteils für die äußere Sicherheit Deutschlands entstünde"?

 

Über wieviele Panzer die BRD verfügt?

Wo eine Atombombe gelagert ist - oder vielleicht Teile zum Zusammenbau?

Wieviel Geld auf der hohen Kante liegt?

 

Was kann es sein, was für vernünftig denkende Menschen die Sicherheit gefährdet? Welche Information kann für einen anderen Staat so wichtig sein, dass die BRD als so schwach erscheint, dass sie übernommen werden will?

Die Fragen stelle ich an alle ...

 

Glaubt im Ernst jemand aus der deutschen Regierung, wenn eine Information über den Staat, den Verfassungsschutz oder sonst ein Verwaltungsinterna an eine ausländische Staatsregierung gemeldet wird, dass dann dort schnell entschieden wird, wenn es so ist, dann übernehmen wir jetzt die BRD ... wir marschieren mal eben ein und annektieren ...

 

 

 

 

 

 

 

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Entgegen dem, was Maaßen heute vormittag in der Presse insinuiert hat ("Alles Weitere ist nun eine Angelegenheit der Justiz." - http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/netzpolitik-org-verfassungsschutz-chef-maassen-verteidigt-strafanzeige-13730852.html), stellt sich mit der Pressemitteilung des GBA (http://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?newsid=559) nun heraus, daß er die treibende Kraft ist, den Fall auf die Schiene "Staatsgeheimnis" zu bringen.

 

Maaßen scheint, wie "Gast" oben, dem Irrglauben aufzusitzen, die Staatsgeheimnis-Tatbestände hätten etwas mit dem "Kampf gegen Extremismus und Terrorismus" zu tun (fehlt nur noch der "Krieg gegen die Drogen" und "Denkt den niemand an die Kinder?"):

 

"Um die weitere Arbeitsfähigkeit meines Hauses im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus sicherzustellen, war es notwendig, gegen die Herausgabe von als vertraulich oder geheim eingestuften Dokumenten des BfV juristisch vorzugehen."

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Auch der von Blogfan verlinkte Artikel in der SZ kommt nicht ohne Annahmen aus, die strafrechtlich wenig überzeugen.

Zudem sei das Verfahren nur in Gang gekommen, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem Gutachten zwei Veröffentlichungen von Netzpolitik.org zum Staatsgeheimnis erklärt habe. Die Verfassungsschützer waren zu dem Fazit gekommen, dass die Blogger ein Staatsgeheimnis nach Paragraf 93 des Strafgesetzbuches verletzt haben. Dieses Gutachten lag auch dem Bundesjustizministerium in Kopie vor. Daraufhin hatte die Bundesanwaltschaft einen externen Gutachter beauftragt, über die Frage Staatsgeheimnis und Landesverrat ein weiteres Gutachten zu fertigen.

(Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/ermittlungen-gegen-journalisten-maas-...)

Denn danach sieht es so aus, als seien dem GBA praktisch die Hände gebunden, sobald der Verfassungsschutz "Staatsgeheimnis" ruft. Dass der Verfassungsschutz sich selbst als gefährdet begreift, kann doch nicht ausschlaggebend sein. Man braucht doch nur einen der vorhandenen Kommentare zum StGB zu lesen, um festzustellen, dass der Wortlaut tatsächlich so aufzufassen ist, wie es dort im Gesetz steht:

und vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden

und nicht etwa je nach Befindlichkeit der selbst betroffenen Behörde ("wie sollen wir denn arbeiten, wenn Blogger alles ins Netz stellen?") ausgelegt werden kann.

Statt selbst umgehend zu prüfen, ob überhaupt ein Staatsgeheimnis vorliegt, wurde vom GBA gegen Beckedahl und Meister ein Anfangsverdacht wegen § 94 StGB bejaht, obwohl die tatbestandlichen weiteren objektiven und subjektiven Merkmale noch fernliegender sind als die Annahme eines Staatsgeheimnisses:

subjektiv: Vorsatz der beiden Blogger hinsichtlich der Eigenschaft Staatsgeheimnis, obwohl der Verfassungsschutz selbst (fahrlässig?) nur eine relativ schwache Geheimnisstufe für die Dokumente vorgesehen hat

objektiv: durch die Veröffentlichung verursachte konkrete Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit des Budnesrepublik

subjektiv: Absicht, die Bundesrepublik zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen.

Sehr geehrter Horst,

ich fürchte, Sie haben die satirische Absicht von "Gast" nicht erkannt.

Eine satirische Absicht erkenne ich in dem Kommentar auch nicht. Das klingt durchaus ernst, ohne übertrieben ernst zu wirken.

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Ich bin jedenfalls dem Generalbundesanwalt und dem Präsidenten des BfV sehr dankbar, dass sie ein bei mir zuvor nicht vorhandenes Interesse für die Arbeit und Kosten des BfV geweckt haben. Das stetige Wachstum dieser Behörde und der benötigten "Zuschüsse" werfen Fragen auf. Der Bedarf an Spionageabwehr, der Bekämpfung von Links- und Rechtsextremismus sowie des Terrorismus muss entsprechend gewachsen sein. Eigentlich kaum vorstellbar. Aber so weit bin ich noch nicht. Eigentlich hänge ich immer noch an dem Aufgabenbereich des BfV.

Die auch als "Grundordnungshüter" bezeichnete Behörde soll mit dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes befasst sein. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass es sich doch um die innere Sicherheit handelt. Wenn ich mich nicht irre, dann verstehe ich grundsätzlich nicht, wie ein Dokument, das mit der dritten von vier Geheimhaltunsstufen ausgewiesen wurde und einzelne Haushaltsposten für eine Behörde zum Schutz der inneren Sicherheit enthielt, zum Schutze der äußeren Sicherheit geheim gehalten werden sollte. Oder irre ich mich und das BfV hat auch etwas mit der äußeren Sicherheit zu tun? Oder kann man das gar nicht so trennen? Jedenfalls stellt das Tatbestandsmerkmal "Staatsgeheimnis" nur auf die äußere Sicherheit ab.

 

 

http://www.geheimdienste.org/mad.html

"Hauptaufgabe des MAD ist die Sammlung von Erkenntnissen über verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Bundeswehr und von Bestrebungen gegen die Bundeswehr von außen, zum Beispiel durch Spionage"

 

Sind Bestrebungen gegen die Bundeswehr von außen Beeinträchtigungen der äußeren Sicherheit?

 

Welche Rolle spielt der BND?

 

Und: Kann ein Landesamt für Verfassungsschutz überhaupt ein Staatsgeheimnis haben, welches die äußere Sicherheit beeinträchtigt?

Wie muss die Behörde beschaffen sein, dass sie taugliche Geheimnisträgerin ist?

 

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Herr Range nutzt das offizielle Portal des GBA, um Kritik an einer Weisung des BMJ zu veröffentlichen?

Das scheint dienstrechtlich problematisch. Steht da ein Disziplinarverfahren wg. Verletzung der Treuepflicht durch "Whistleblowing" bevor? Das hätte ja fast eine poetische Gerichtigkeit (je nachdem, wie man zu dem Verfahren steht, versteht sich).

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Wenn ich mich richtig erinnere, wurde das Gutachten doch in Auftrag gegeben, weil der GBA entgegen der Meinung des Verfassungsschutzes kein Staatsgeheimnis gesehen hat, deshalb wurde zunächst nur ein Prüfvorgang angelegt.

Ist die Information an die beiden Journalisten ein Hilferuf, um weiteren Gängeleien, bzw. Weisungen entgehen zu können?

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Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Dieses Freiheitsrecht gilt aber nicht auch nicht im Internet schrankenlos.

http://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?newsid=560

Die Grundsätze der doppelten Verneinung scheinen für den GBA auch ein Staatsgeheimnis zu sein. Ich verzichte deshalb zur Vermeidung strafrechtlicher Schritte vorläufig auf weiteren Geheimnisverrat...

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Leser schrieb:

Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Dieses Freiheitsrecht gilt aber nicht auch nicht im Internet schrankenlos.

http://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?newsid=560

Die Grundsätze der doppelten Verneinung scheinen für den GBA auch ein Staatsgeheimnis zu sein. Ich verzichte deshalb zur Vermeidung strafrechtlicher Schritte vorläufig auf weiteren Geheimnisverrat...

 

Hat er halt zwei Komata oder zwei Gedankenstriche vergessen: "gilt aber nicht - auch nicht im Internet - schrankenlos". Sei es drum.

Interessenter ist doch die Frage, ob der GBA einfach mal so Interna ausplaudern darf, wie z.B. Dienstanweisungen seines Vorgesetzten. Damit zeigt er die gleiche Geschwätzigkeit, die er anderen vorwirft. Außerdem schadet er mit diesem Ausplaudern dem Ansehen seiner "Firma".

 

 

 

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Maas stoppt Gutachten - Generalbundesanwalt Range beklagt Einflussnahme

Der mit dem Gutachten betraute Sachverständige war laut Range zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass es sich bei den veröffentlichten Unterlagen tatsächlich um ein Staatsgeheimnis handelt. Dies habe der Sachverständige ihm am Montag mitgeteilt; er selbst habe dann das Ministerium informiert. "Mir wurde die Weisung erteilt, das Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen. Dieser Weisung habe ich Folge geleistet.".

 

http://www.focus.de/politik/deutschland/netzpolitik-org-maas-laesst-gutachten-zu-stoppen-generalbundesanwalt-beklagt-einflussnahme_id_4857846.html

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@Blogfan

Wenn ich mich richtig erinnere, wurde das Gutachten doch in Auftrag gegeben, weil der GBA entgegen der Meinung des Verfassungsschutzes kein Staatsgeheimnis gesehen hat, deshalb wurde zunächst nur ein Prüfvorgang angelegt.

So war auch nach meiner Wahrnehmung die Darstellung bis gestern durch den GBA oder Personen aus seinem Bereich gegenüber der Presse. Nun kommt die neue Nachricht vom "unabhängigen Gutachter" und der GBA läßt triumphierend die Maske fallen? Nun ist "die Rechtsauffassung der Bundesanwaltschaft bestaetigt"? Tut mir leid, aber das klingt nach Schmierentheater.

Zu "unertraeglicher Eingriff in die Unabhaengigkeit der Justiz" in der Pressemitteilung des GBA: §§ 146, 147 Nr. 1 GVG wurden hier schon angesprochen. Kurz vor seiner Pensionierung träumt GBA Range noch einmal den alten Traum der Generalstaatsanwälte davon, daß auch ihnen (nicht aber, bitte schön, den ihnen untergebenen Staatsanwälten) die richterliche Unabhängigkeit gebühren soll. Hoffentlich kommt es nie zu einer solchen Gesetzesänderung, die m.E. gegen die Grundsätze der parlamentarischen Demokratie verstoßen würde. Aber wer weiß, wie lange die Politik diesem Prestigeprojekt der "Richter- und Staatsanwaltsvereine" noch standhalten wird? Immerhin haben inzwischen alle Landesgesetzgeber, dem Zeitgeist hinterherhechelnd, die Stellung des Generalstaatsanwalts als politischen Beamten abgeschafft (der Generalbundesanwalt ist es noch).

@Leser

Zur doppelten Verneinung: Hier fehlt ein Komma. Auch der Rest der Nachricht (Schreibweise der Umlaute wie auf einer ausländischen Schreibmaschine aus dem letzten Jahrhundert) vermittelt den Eindruck (soll demonstrativ vermitteln?), daß hier ganz atemlos eine Nachricht herausgehauen wurde, eventuell bevor es nicht mehr geht.

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OGarcia schrieb:

@Blogfan

Wenn ich mich richtig erinnere, wurde das Gutachten doch in Auftrag gegeben, weil der GBA entgegen der Meinung des Verfassungsschutzes kein Staatsgeheimnis gesehen hat, deshalb wurde zunächst nur ein Prüfvorgang angelegt.

So war auch nach meiner Wahrnehmung die Darstellung bis gestern durch den GBA oder Personen aus seinem Bereich gegenüber der Presse. Nun kommt die neue Nachricht vom "unabhängigen Gutachter" und der GBA läßt triumphierend die Maske fallen? Nun ist "die Rechtsauffassung der Bundesanwaltschaft bestaetigt"? Tut mir leid, aber das klingt nach Schmierentheater.

Zu "unertraeglicher Eingriff in die Unabhaengigkeit der Justiz" in der Pressemitteilung des GBA: §§ 146, 147 Nr. 1 GVG wurden hier schon angesprochen. Kurz vor seiner Pensionierung träumt GBA Range noch einmal den alten Traum der Generalstaatsanwälte davon, daß auch ihnen (nicht aber, bitte schön, den ihnen untergebenen Staatsanwälten) die richterliche Unabhängigkeit gebühren soll. Hoffentlich kommt es nie zu einer solchen Gesetzesänderung, die m.E. gegen die Grundsätze der parlamentarischen Demokratie verstoßen würde. Aber wer weiß, wie lange die Politik diesem Prestigeprojekt der "Richter- und Staatsanwaltsvereine" noch standhalten wird? Immerhin haben inzwischen alle Landesgesetzgeber, dem Zeitgeist hinterherhechelnd, die Stellung des Generalstaatsanwalts als politischen Beamten abgeschafft (der Generalbundesanwalt ist es noch).

 

 

Aus der PM: "Daraufhin hat die Bundesanwaltschaft nach kritischer Prüfung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine möglicherweise strafbare öffentliche Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses gesehen. Nach § 152 Abs. 2 StPO war sie daher gehalten, ein Ermittlungsverfahren auch gegen die bislang unbekannten, ihr Dienstgeheimnis verletzenden Geheimnisträger einzuleiten."

 

Nach dem Gutachten des Verfassungsschutzes hat der GBA "Anhaltspunkte für eine möglicherweise strafbare öffentliche Bekanntgabe gesehen". Deshalb wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und ein Gutachten in Auftrag gegeben. Nur so kann er sich dem Vorwurf der Strafvereitelung entziehen.

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OGarcia schrieb:

[...]

Zu "unertraeglicher Eingriff in die Unabhaengigkeit der Justiz" in der Pressemitteilung des GBA: §§ 146, 147 Nr. 1 GVG wurden hier schon angesprochen. Kurz vor seiner Pensionierung träumt GBA Range noch einmal den alten Traum der Generalstaatsanwälte davon, daß auch ihnen (nicht aber, bitte schön, den ihnen untergebenen Staatsanwälten) die richterliche Unabhängigkeit gebühren soll. Hoffentlich kommt es nie zu einer solchen Gesetzesänderung, die m.E. gegen die Grundsätze der parlamentarischen Demokratie verstoßen würde. Aber wer weiß, wie lange die Politik diesem Prestigeprojekt der "Richter- und Staatsanwaltsvereine" noch standhalten wird? Immerhin haben inzwischen alle Landesgesetzgeber, dem Zeitgeist hinterherhechelnd, die Stellung des Generalstaatsanwalts als politischen Beamten abgeschafft (der Generalbundesanwalt ist es noch).

[...]

Für ein Prestigeprojekt der genannten Vereine halte ich die staatsanwaltschaftliche Unabhängigkeit nicht. Immerhin verlangt die EU diese von neueren Beitrittskandidaten*, und Deutschland wurde zu ihrer Einführung durch die Parlamentarische Versammlung des Europarats aufgefordert**.

Eine Einführung macht m.E. auch Sinn, weil es ohne eine unabhängige Staatsanwaltschaft zu Problemfällen im Überschneidungsfeld zwischen Verfolgungszwang und Weisungsgebundenheit kommen kann. Inwiefern die parlamentarische Demokratie tangiert ist, vermag ich ohne Weiteres nicht zu erkennen.

Insgesamt sollte man m.E. nicht vorschnell vom vorliegenden Fall, in dem sicherlich einiges im Argen liegt, auf die Gesamtproblematik der Unabhängigkeit schließen.

 

*

Quote:

[...]

What has Croatia done to reform its justice system?

Croatia completely reformed its justice system over recent years, starting with the country's application for EU membership in 2003. Croatia changed its Constitution to guarantee the independence of public prosecutors [...]

europa.eu/rapid/press-release_MEMO-13-629_de.htm

 

**

Resolution 1685 (2009) schrieb:

[...]

5.4. The Assembly calls on Germany to:

[...]5.4.3. abolish the possibility for ministers of justice to give the prosecution instructions concerning individual cases;[...]

assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=17778&lang=en

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Die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wurden wieder aufgenommen. Der GBA hat das entschieden. War damit die Politik einverstanden? Wurde die Entscheidung veröffentlicht, bevor eine Weisung erteilt werden konnte?

 

Letztendlich muss doch ein Gericht entscheiden, ob ein Staatsgeheimnis vorliegt. Die Frage ist, welchem Einfluss unterlag der Gutachter? Werden sich Richter davon überzeugen lassen, dass der Inhalt der Dokumente geheimhaltungsbedürftig ist?

 

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Anzeige erstattet. Der GBA muss sie bearbeiten. Er wollte sich über ein Gutachten bestätigen lassen, dass Ermittlungen angebracht sind und hat die beiden Journalisten über das Verfahren informiert. Jetzt wird gegen den GBA geschossen, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das die ganze Sache angestossen hat, ist völlig aus der Schusslinie verschwunden.

 

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45597/1.html  Maaßens Landesverrat 2.0

 

Wie kommt es nur, dass das Justizministerium mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz solch einen Schulterschluss hat und gegen den GBA vorgeht?

 

 

 

 

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