Ermittlungen des GBA wegen Landesverrats - Schlag ins Wasser

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 01.08.2015

Gegen die zwei Betreiber des Blogs "netzpolitik.org" hat der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats eingeleitet. Zum Tatvorwurf und dazu, was von der Subsumtion unter § 94 StGB übrig bleibt (= fast nichts) habe ich hier im Beck-Blog schon vorgestern Stellung genommen. Innerhalb kürzester Zeit haben der schon seit zehn Tagen online gestellte Beitrag zum GBA und den Ermittlungen wegen der NSA-Affäre und die mehrfach aktualisierten Updates tausende neue Leser bekommen, die Nachricht und der Link zum hiesigen Beitrag verbreitete sich hauptsächlich über twitter.

Nach und nach haben vorgestern und gestern beinahe alle großen Medienwebsites, Sender und Printmedien weitere juristische Stellungnahmen zum Ermittlungsverfahren publiziert, alle mit demselben Tenor: Der Verdacht des Landesverrats ist geradezu abwegig, ein Ermittlungsverfahren wegen § 94 StGB hat keine Grundlage, die Ermittlungen sind ein Schlag ins Wasser.  Sogar der Justizminister hat sich gestern mit dieser Tendenz geäußert. Deutlich wurde jetzt auch: Die Strafanzeige des Bundesamts für Verfassungsschutz richtete sich gegen "Unbekannt" und zielte vornehmlich darauf, das Leck im Geheimnisschutz aufzudecken. Die fragwürdige Ermittlungsrichtung gegen die Netzpolitik-Blogger Beckedahl und Meister und damit die Bedrohung der Pressefreiheit hat der GBA zu verantworten. Die Empörung ist wohl auch deshalb so groß, weil dieselbe Behörde bei den bekannt gewordenen Spionagevorwürfen gegen die NSA sich so auffällig zurückhält.

Nach dem sehr starken Medienecho und der Reaktion des Bundesjustizministers ruderte der GBA gestern erkennbar zurück und verkündete, es würden vorerst keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen stattfinden. Die FAZ titelte sogar, das Verfahren werde "gestoppt". Aber ein solcher "Ermittlungsstopp" oder ein "Ruhen" der Ermittlungen ist in der StPO nicht vorgesehen.

Wenn erkannt wird, dass die Ermittlungen ohnehin nicht zum Ergebnis einer Strafbarkeit führen können, z.B. weil die Annahme, es handele sich bei den veröffentlichten Dokumenten um Staatsgeheminisse sich als falsch herausstellt, oder andere Voraussetzungen des Tatbestands klar zu verneinen sind, dann kommt nur eine Entscheidung in Betracht: Die umgehende Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO.

Aber auch wenn diese wohl richtige Entscheidung alsbald getroffen wird, wird wohl jetzt die Frage aufgeworfen werden, ob der derzeitige Inhaber des Amts Generalbundesanwalt noch politisch tragbar ist.

 

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228 Kommentare

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Ihr Statement (netzpolitik.us) kann keinesfalls generell bedeuten, dass Artikel 5 GG jedwede Ermittlungen gegen Journalisten und ggf. Anklagen wegen Gesetzesverstoßes zu verhindern hat.

 

Die Privilegierung der Presse hat einerseits Verfassungsrang. Andererseits ist deren Missbrauch Alltag worden.

 

Wenn man jedoch verfolgt und darauf achtet, wie nicht wenige sog. Qualitätsmedien - z.B. im Zusammenhang mit neoliberalen Entwicklungsprozessen der Untergrabung des Sozialstaatsprinzips - ihr verfassungsrechtliches Privileg miss-brauchen, dann wird klar,  dass niemand über dem Gesetz steh(t) (en sollte).

 

Die Nachdenkseiten.de  befassen sich seit vielen Jahren mit dieser Fehlentwicklung der Medienlandschaft. Selbstkontrolle ist  - wie bei der Justiz - eben ein hartes Brot ...

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Sehr geehrter 0815Gast,

Sie schreiben:

Es wurden keine Ermittlungen gegen Personen durchgeführt, sondern erst mal geklärt, ob der objektive Tatbestand überhaupt erfüllt sein kann, indem ein zweites Gutachten über das Vorliegen eines Staatsgeheimnisses in Auftrag gegeben wurde. Ich würde die Sache anders sehen, wenn Ermittlungen gegen die Personen eingeleitet worden wären.

Nein. Es sind Ermittlungen gegen zwei Personen eingeleitet worden, im Mai 2015. Das war Gegenstand der Mitteilung vom 24.07.2015, also zwei Monate später. Das lässt sich wohl kaum bestreiten. welche Ermittlungsmaßnahmen ergriffen wurden, wissen wir nicht.

Wenn Sie schreiben, es hätte das Gutachten auch ohne Ermittlungsverfahren im Rahmen einer Vorprüfung in Auftrag gegeben werden können, so hätte das zur Folge gehabt, dass die Journalisten nie von der Beobachtung durch den Verfassungsschutz erfahren hätten, falls dann eine Einstellung erfolgt wäre.

Der GBA gibt nicht Auskunft über eine Überwachung durch den Verfassungsschutz. Ob überhaupt und wenn ja, wie lange eine solche Überwachung erfolgt ist oder noch weiter erfolgt, ist bisher gar kein Thema der öffentlichen Erörterung. Bisher geht es nur um das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Eine Überwachung durch den Verfassungsschutz ist bzw. wäre eine ganz andere Baustelle..

Der Mann hat sich hingestellt und öffentlich eine Einmischung des Justizministeriums in ein Ermittlungsverfahren angeprangert. Das verdient in meinen Augen Anerkennung.

Nein. Da Sie so lange im öffentlichen Dienst waren, bitte ich Sie einmal kurz nachzudenken: Was würde passieren, wenn Sie eines Morgens eine Pressekonferenz anberaumten und dort vor der versammelten Presse Ihren Dienstvorgesetzten anprangerten und interne Dienstanweisungen kritisierten?

Wie das Ermittlungsverfahren weiter gegangen wäre, wenn ein weiteres Gutachten das Vorliegen eines Staatsgeheimnisses bestätigt hätte, ist fraglich. Vielleicht wäre das Verfahren dann gegen die beiden Journalisten eingestellt worden oder ein Antrag auf Ermittlungsmaßnahmen (Durchsuchung etc.) vom Gericht abgelehnt worden.

Eins ist sehr eindeutig: Für § 94 StGB durch die Journalisten gab und gibt es keine Anhaltspunkte. Die Annahme eines Anfangsverdachts war falsch und die Einleitung von Ermittlungen wegen dieses Delikts hat deshalb nie Substanz gehabt, Staatsgeheimnis hin oder her. Analogie: Bei einem typischen Autounfall mit Getöteten wird ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes eingeleitet und dann erklärt, man habe ja gar nichts gemacht, sondern erst einmal nur einen Sachverständigen beauftragt, um den Unfallhergang aufzuklären.

Für die beiden Journalisten war die Bekanntgabe des Ermittlungsverfahren vermutlich harter Tobak, hatte aber den Vorteil der Information, dass durch den Verfassungsschutz eine Beobachtung stattfindet.

Das ist, Verzeihung, Quatsch.  Die Information über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sagt doch nichts über eine geheimdienstliche Überwachung aus.

In Bayern gibt einen Untersuchungsausschuss, in dem geklärt werden soll, wie die Politik in Ermittlungsverfahren eingegriffen hat. Die Politik soll sich aus Strafverfahren heraushalten, das zeichnet einen Rechtsstaat aus.

Der GBA ist - anders als die Generalstaatsanwälte in den Bundesländern  - ein "politischer" Beamter und eben nicht unabhängig. Dass Range in seinem Fall  auf die Unabhängigkeit der Justiz abstellt und sie der Pressefreiheit als gleichwertig gegenüberstellt, ist selbst eine abwegige und wissentlich falsche Darstellung zu den rechtlichen Verhältnissen. Natürlich weiß Herr Range, dass er weisungsgebunden ist und als politischer Beamter jederzeit entlassen werden kann. Ob Staatsanwälte unabhängig sein sollten, darüber kann man streiten, es gibt gute Argumente dafür und dagegen. Aber die derzeitige Rechtslage ist eindeutig: Der GBA ist nicht unabhängig.

Und wenn es falsche Behauptungen gibt (hier: Vorliegen eines Staatsgeheimnisses), dann braucht es manchmal Zeit, um diese rechtmäßig zu widerlegen.

Ja, das hätte man in einem Ermittlungsverfahren gegen unbekannt tun können - dann wäre alles gut.

 

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

 

Der Mann hat sich hingestellt und öffentlich eine Einmischung des Justizministeriums in ein Ermittlungsverfahren angeprangert. Das verdient in meinen Augen Anerkennung.

 

Nein. Da Sie so lange im öffentlichen Dienst waren, bitte ich Sie einmal kurz nachzudenken: Was würde passieren, wenn Sie eines Morgens eine Pressekonferenz anberaumten und dort vor der versammelten Presse Ihren Dienstvorgesetzten anprangerten und interne Dienstanweisungen kritisierten?

Ja, ich habe nachgedacht und das was passiert ist, würde vielleicht so oder ähnlich geschehen. Gerade weil die Folgen doch absehbar waren, sehe ich es als mutigen Schritt, den Eingriff öffentlich zu machen. Auch wenn es jetzt vielleicht opportun erschien, dass eingegriffen wurde, wie oft oder wann wird still und heimlich eingegriffen (vielleicht nur von einer Seite als Eingriff empfunden) und die öffentliche Meinung - oder auch Juristen - sähe die Sache vielleicht anders ? Es ist mutig, gegenüber der Öffentlicheit zu behaupten, es sei eingegriffen worden. Die politische Willensbildung ist völlig frei und geheim (Staatsgeheimnis), das Ziel muss einer verfassungsmäßigen Prüfung standhalten, die Umsetzung des politischen Willens hat nach Recht und Gesetz zu erfolgen. Das Ermittlungsverfahren ist Umsetzung eines politischen Willens.

Henning Ernst Müller schrieb:

Für die beiden Journalisten war die Bekanntgabe des Ermittlungsverfahren vermutlich harter Tobak, hatte aber den Vorteil der Information, dass durch den Verfassungsschutz eine Beobachtung stattfindet.

Das ist, Verzeihung, Quatsch.  Die Information über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sagt doch nichts über eine geheimdienstliche Überwachung aus.

 

 

 

Das ist Verzeihung, Quatsch. Wenn die Journalisten von einem Ermittlungsverfahren erfahren und wissen, dass Anzeigeerstatter der Verfassungsschutz war, ist es nur ein ganz kleiner Schritt auf die Idee zu kommen, dass eine Beobachtung durch diesen stattfindet ... und diesen Gedanken werden sie gehabt haben ...

Es ist Ihnen zuzustimmen, dass generell eine Einleitung eines Ermittlungsverfahrens keine Aussage über eine geheimdienstliche Überwachung trifft.

 

 

Interessant ist die Frage, was ist ein Staatsgeheimnis? Die politische Willensbildung ist streng geheim. Dienen die Besuche von diversen Unternehmern oder Waffenhändlern der politischen Willensbildung? Wo fängt diese an und wo hört sie auf?

Es gab im Blog schon die Frage, was ist eigentlich ein Staatsgeheimnis? Es muss doch möglich sein, irgendwelche Fakten zu benennen, deren Größe z. B. geheim ist, aber die Tatsache, dass es sie gibt, allgemein bekannt ist. Also was ist ein Staatsgeheimnis? Kann es in der heutigen Zeit, mit NSA-Überwachung u.s.w. überhaupt noch Staatsgeheimnisse geben? Können die Straftatbestände abgeschafft werden?

 

Beste Grüße

 

0815Gast

 

 

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@Gast

Ich stimme Ihnen zu.

Selbstverständlich braucht es eine Kontrolle, ob sich die Justiz an die geschriebenen Gesetze hält oder willkürliche Entscheidungen getroffen werden. Manchmal scheint mir auch ein großer Unterschied zwischen Theorie (geschriebenes Gesetz und Verwaltungsvorschriften) und Praxis (gelebter Gerichtsalltag) zu bestehen.

Demokratie braucht Demokraten, es braucht mündige Beamten, die sich gegen rechtswidrige Weisungen zur Wehr setzen, Richter, die bereit sind, wegen Bestehens auf rechtmäßigem Vorgehen einen "Edeka"-Vermerk (Ende der Karriere) in ihre Personalakte aufnehmen zu lassen, um dann dagegen vorzugehen... und letztendlich eine Öffentlichkeit, die die Politik an ihren Wahlversprechen misst und dafür Sorge trägt, dass die Volksvertretung wirklich die Meinung des Volks vertritt.

Die Öffentlichkeit hat eine wichtige Funktion. Und solche Seiten wie Netzpolitik.org, die durch die Art der Finanzierung unabhängig sind, sind nach meiner Ansicht wichtiger, als sonstige Nachrichtenübermittler, deren Finanzierung von Anzeigen abhängt.

 

 

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@ # 48  GAST

 

RICHTERETHOS

 

 

Sie schreiben:

"Nicht die Fürsten der Justiz regieren, sondern letztlich das Volk. Es wird im Namen des Volkes Recht gesprochen. Das haben offenbar manche Juristenfürsten vergessen."

 

Ich weise an dieser Stelle erneut hin auf

 

Jutta Limbach

"Im Namen des Vokes" - Macht und Verantwortung der Richter

DVA  1999

 

Auf die  Seiten 108 ff sei hingewiesen.

 

Bei der Urteilsformel /Präambel geht es danach nicht um eine Art "Vertretung" des Volkes.

 

Vielmehr, so Limbach, gehe es um einen Appell an die Richterschaft. Deren Mitglieder werden qua Formel vielmehr "in ihrem richterlichen Alltag auf die demokratische Verfaßtheit unseres Staates, auf die daraus folgende Kontrollierbarkeit ihres Tuns sowie auf die schlichte Tatsache [verwiesen], dass sie nicht als Privatgeschöpfe oder gar Seher, sondern als Staatsbürger und Staatsdiener ihres Amtes zu walten haben. Im Lichte des Demokratiegebots, der richterlichen Unabhängigkeit und Bindung an Gesetz und Recht wird eine Geisteshaltung angemahnt, die man als Richterethos im demokratischen Staat auf en Begriff bringen kann". Soweit die ehemalige Präsidentin des BVerfG auf Seite 113.

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@Gastmann

 

Zunächst einmal sollte man auseinanderhalten, ob man vom Thema Weisung spricht (wenn es denn eine gab) oder vom Thema Entlassung. Beide Schritte sind natürlich miteinander verbunden, haben aber nicht dieselben Beweggründe. Ich glaube nicht, daß Sie die Themen vermischen, aber da andere Diskussionsteilnehmer es tun, sollte man klar differenzieren.

 

Also Weisung: Ob es eine gab, ist unklar. Der BMJ widerspricht der Darstellung von GBA Range (http://goo.gl/CG9tSC). Unabhängig davon, wie die Beteiligten es versuchen in Worte zu fassen, wird man davon ausgehen können, daß es am Montag tatsächlich eine Weisung gab, den Gutachtenauftrag zurückzuziehen. Selbst wenn es am Freitag eine "freiwillige" Übereinkunft gegeben hatte, dies zu tun, so fühlte sich Range offensichtlich am Montag nicht mehr daran gebunden, weil mit der mündlichen Auskunft des Gutachters für ihn eine neue Sachlage eingetreten war. Wenn Range rechtlich so unabhängig wäre, wie viele "Progressive" es sich wünschen, dann hätte er am Montag den Gutachtenauftrag aufrechterhalten - ein Triumph der "Unabhängigkeit der Justiz". Der BMJ wollte es anders und so hat Range den Auftrag zurückgezogen.

 

Ist das "ein der Sache völlig unangemessener und für die letzten Jahrzehnte präzedenzloser Übergriff der Politik in die Justiz"? Offenbar gibt es auch Ihrer Meinung nach in der Sache angemessene Übergriffe der Politik in die Justiz. Es handelt sich also um eine Frage der Grenzziehung, wobei Sie sich nicht die Mühe machen, Kriterien aufzuzeigen.

 

Es heißt ja, daß der Minister jedenfalls bei offensichtlich rechtswidrigem Handeln der Staatsanwaltschaft eingreifen soll. Ob diese Grenze hier überschritten ist, lasse ich dahinstehen - obwohl einiges dafür spricht: Die Annahme, ein Dokument, das ursprünglich von der zuständigen Stelle lediglich als "vertraulich" (statt "geheim" oder "streng geheim") eingestuft worden ist, könnte nachträglich - nach der Tat - auf gutachterlichem Wege zu einem Staatsgeheimnis hochgestuft werden zur Begründung einer Strafbarkeit, wäre geradezu eine perfide Anwendung des Strafrechts. Das ist eine Gedankenvernebelung, die nur Personen unterlaufen kann, die sich zur sehr in den selbstreferentiellen Kreisen des Staatsschutzes bewegen (http://goo.gl/fprIzR).

 

Ich lasse das aber dahinstehen, weil hier der Fall anders liegt, als Sie es andeuten ("Das Ergebnis: Ab jetzt ist tatsächlich wieder jeder Minister verantwortlich, was seine Staatsanwälte im Einzelfall so treiben. Die werden es zu spüren bekommen."): Der Fall unterscheidet sich grundlegend von der üblichen staatsanwaltlichen Arbeit, bei der Zweifel auftreten und irgendwie beantwortet werden müssen, ob ein Betrugsschaden eingetreten ist, ob ein ausreichender Tatverdacht in einem Tötungsfall besteht etc.. Hier geht es um "Staatsgeheimnis" und damit um die Frage, ob eine Gefahr für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik entstehen kann. Nach dem Grundgesetz ist die Beurteilung solcher Fragen in erster Linie eine politische Aufgabe der Bundesregierung. Sie gehört zu ihren "Kernkompetenzen". Von Verfassungs wegen kommt der Bundesregierung in dieser Frage eine Art Einschätzungsprärogative zu, jedenfalls ist ihre Einschätzung von entscheidendem Gericht. Daß wir uns nicht falsch verstehen: Wenn die Bundesregierung sagt "Staatsgeheimnis: Ja", dann ist das für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals nicht ausreichend (das wäre ja noch schöner). Es ist aber eine Art Mindestanforderung, daß die politisch zuständigen Instanzen diese Eigenschaft nicht geradezu verneinen. Ist das aber geschehen, ist für ein Strafverfahren wegen Landesverrats (und Anhängsel-Paragraphen) kein Raum. Dann gehen abweichende Gutachten ins Leere, so daß ihre Anforderung unnötig ist.

 

Es ist übrigens witzig, wie Sie versuchen, es als Konsens hinzustellen, das Strafverfahren (das mit einem BJs-, nicht ARP-Aktenzeichen geführt wird) wäre ja nur eine Lappalie ("nicht wegen irgendwas Dramatischem, sondern weil der GBA in einem banalen Fall eine Akte angelegt und ein Gutachten eingeholt hat"). Dabei waren Sie, soweit mir ersichtlich, bislang der Einzige, der das so sah (http://goo.gl/Aa7oWZ). Nicht einmal der GBA hat versucht, dem Fall die Darstellung zu geben, das wäre ja alles nicht so schlimm, sondern nur eine Formalie.

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Sehr geehrter Herr Professor Müller,

beim obigen Kommentar habe ich die Anrede und den Dank für Ihre ausführliche Antwort vergessen, was ich hiermit nachhole: Vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Beste Grüße

0815Gast

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@Gast,

Sie verlinken auf den blog "Bitterlemmer", der sich deutlich kritisch mit dem (bisherigen) Verlauf der Affäre auseinandersetzt unter der überschrift: Machtstaat schlägt Rechtsstaat.

http://www.bitterlemmer.net/wp/2015/08/05/netzpolitik-rechtsstaat-macht-...

Er meint (Auszug):

Es ist schon nicht ganz systemkonform, dass der Justizminister dem Generalbundesanwalt überhaupt Weisungen erteilen darf. Das wäre in noch in Ordnung, wenn es um organisatorische oder technische Dinge ginge. Das ist aber nicht mehr in Ordnung, wenn es um Ermittlungsverfahren geht. Die spielen zu sehr in der dritten Gewalt, der Judikative. Was da passiert geht die Regierung, also die Exekutive, eigentlich nichts an. Justizminister Heiko Maas denkt in seinen Sonntagsreden genauso, denn er hatte ja bei seiner Amtsübernahme angekündigt, er werde von seinem Weisungsrecht keinen Gebrauch machen. Da hätte man schon misstrauisch werden können. Konsequenterweise hätte er den Bundestag (Legislative) bitten können, ihm dieses Recht auf gesetzliche Weise zu nehmen. Hat er aber nicht.

Stattdessen hat er seine Sonntagsrede plötzlich vergessen und in Sachen Netzpolitik doch eine Weisung erteilt. In der Sache mag er mit der zwar richtig liegen (nämlich: Die Ermittlungen gegen die Kollegen zu stoppen), in punkto Rechtsstaatlichkeit liegt er aber falsch. Letzteres wiegt schwerer. Gewaltenteilung ist auch dann sinnvoll, wenn eine Gewalt einen Fehler begeht, weil dann nämlich die Verantwortlichkeit dafür verwirrungsfrei offenliegt.

Klarheit ist aber denen ein Graus, denen es nicht um Rechtstaat, sondern um Machtstaat geht.

Ich habe ihm wie folgt geantwortet:

Ich widerspreche Ihrer Analyse.
Es gibt sicherlich gute Argumente für die Meinung, die Weisungsgebundenheit des GBA sei nicht systemkonform. Aber es gibt auch Gegenargumente, nämlich dass im (hochpolitischen) Staatsschutzstrafrecht auch eine politische Verantwortung der demokratisch legitimierten Regierung bestehen muss, eine Regierung, die dann ggf. politisch auch ihren Kopf hinhalten muss. Sie machen aber im wesentlichen Ausführungen zum „Sollen“. Sie wünschen sich Konformität mit einem System, das Sie für besser halten als das existierende. Man kann hier unterschiedlicher Meinung sein.

In einem Rechtsstaat ist eben das geltende Gesetzesrecht der Maßstab. Daher ist Ihre Meinung, wie das System beschaffen sein „sollte“, nicht ausschlaggebend für die zutreffende Bewertung der rechtsstaatlichen „Ist“-Situation. Nach geltendem Recht existiert nun einmal die Weisungsgebundenheit des ausdrücklich politischen Beamten GBA. Wenn Sie den „Machtstaat“ in einen Gegensatz zum „Rechtsstaat“ bringen wollen, ok. Aber hier bezeichnen Sie tatsächlich ein- und dieselbe Sache mit zwei Namen – der Rechtsstaat ist hier eben (nach Ihrer Diktion) machtstaatlich organisiert, d.h. das Gesetz selbst verteilt hier die Macht auf die demokratisch legitimierte Regierung. Egal ob der JuMin eingreift oder nicht, letztlich wird er zu Recht für das Verhalten des GBA (mit-)verantwortlich gemacht. Er kann sich nach der gesetzlichen (rechtsstaatlichen!) Systematik nicht einfach heraushalten.
Und wenn der GBA selbst machtstaatlich gegen die Presse vorgeht, dann erscheint es mir auch gar nicht falsch, wenn er hier vom JuMin gebremst wird.
Eine Gleichsetzung mit willkürlichen (meist auch aus gutem Grund nicht offen erfolgenden) Eingriffen von Landesregierungen in Einzelverfahren gegen ihre „Spezis“, wie es wane vornimmt, differenziert nicht hinreichend zwischen völlig verschiedenen Situationen.

 

@ OGarcia: Ja, es könnte Fälle geben, in denen die Politik den juristischen Amoklauf eines GBA beenden sollte. Das hier ist aber aus meiner Sicht ganz offensichtlich keiner: Der GBA hat vielmehr auf die Strafanzeige einer obersten Bundesbehörde, die er nun schlecht sogleich der Ablage P überantworten konnte, in Gestalt der Veranlassung eines Rechtsgutachtens in der denkbar niederschwelligsten Weise reagiert (die von Herrn Müller vorgeschlagenen geheimen de-facto-Ermittlungen sehe ich nicht als ernsthafte Alternative  -  abgesehen von der Verjährungsproblematik kann es doch kaum der rechtsstaatlichen Weisheit letzter Schluss sein, den de-facto-Beschuldigten auch noch ihre Mitwirkungsrechte im Ermittlungsverfahren vorzuenthalten). Einen als solchen tadelnswerten Eingriff in die Pressefreiheit kann darin nur sehen, wer schon im Ansatz für unmöglich hält, dass es geheime staatliche Dokumente gibt, die man auch als Blogger nicht mal eben so ins Internet stellen darf  -  tut man das nicht, muss man sich gefallen lassen, dass Vater Staat ab und zu mal nachprüft, ob im Einzelfall Grenzen überschritten sind.

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@Gastmann,

Sie schreiben:

Der GBA hat vielmehr auf die Strafanzeige einer obersten Bundesbehörde, die er nun schlecht sogleich der Ablage P überantworten konnte, in Gestalt der Veranlassung eines Rechtsgutachtens in der denkbar niederschwelligsten Weise reagiert

Bitte, Ermittlungen wegen § 94 StGB soll die "denkbar niederschwelligste Weise" der Reaktion sein?

(die von Herrn Müller vorgeschlagenen geheimen de-facto-Ermittlungen sehe ich nicht als ernsthafte Alternative  -  abgesehen von der Verjährungsproblematik kann es doch kaum der rechtsstaatlichen Weisheit letzter Schluss sein, den de-facto-Beschuldigten auch noch ihre Mitwirkungsrechte im Ermittlungsverfahren vorzuenthalten)

Die Mitteilung an die Beschuldigten erfolgte doch erst zwei Monate nach Einleitung der Ermittlungen. Bis dahin also wurden nach Ihrer Diktion geheime Ermittlungen durchgeführt und den Beschuldigten ihre Mitwirkungsrechte vorenthalten. Es ist also doch keine so "banale" Angelegenheit, wie Sie zuvor schrieben?

Konkret: Ich habe doch nichts gegen die Mitteilung an die Beschuldigten. Wenn man schon  (völlig abwegig) wegen § 94 StGB gegen sie ermittelt, dann hätte man ihnen das doch auch sofort mitteilen können, statt zwei Monate heimlich zu ermitteln. Dann wäre diese Affäre schon zwei Momate früher über die Bühne gegangen und vielleicht auch anders ausgegangen.

Besrten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:
Bitte, Ermittlungen wegen § 94 StGB soll die "denkbar niederschwelligste Weise" der Reaktion sein?
Bitte, was wäre denn noch weniger?? In den Müll werfen oder ignorieren geht ja wohl schlecht. Und erzählen Sie uns bloß nicht, für die Blogger sei schon die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens irgendwie schlimm und geeignet, sie einzuschüchtern  -  die danken doch dreimal täglich ihrem Herrgott auf Knien für die schöne Publicity.

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Artikel 65 Grundgesetz

Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung.

 

Frage:

Wenn der Justizminister meint, kein Staatsgeheimnis, der Innenminister als zuständig für den Verfassungsschutz meint schon ein Staatsgeheimnis, die Kanzlerin sagt dann auch, kein Staatsgeheimnis. Gibt es noch Konsequenzen für den bisher schweigenden Innenminister?

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@Gastmann

Nein, nicht in den Müll werfen und auch nicht ignorieren, sondern ins AR-Register eintragen lassen, solange die Mutter aller Fragen nicht geklärt ist: Bin ich dafür überhaupt zuständig?

@Gastmann:

Bitte, was wäre denn noch weniger?? In den Müll werfen oder ignorieren geht ja wohl schlecht.

Man kann ins Gesetz schauen (sollte man als Jurist gelegentlich tun), oder in einen Kommentar zum StGB,  oder aber hier meine Posts lesen. Ein Anfangsverdacht wegen § 94 StGB war abwegig. Die (bei Vorliegen eines Staatsgeheimnsises plus Vorsatz) naheliegenderen Normen heißen: "Offenbaren von Staatsgeheimnissen" und " Preisgabe von Staatsgeheimnissen". Stimmt, das klingt weniger martialisch als "Landesverrat", sind daber die Normen, die für genau diesen Zweck (um der "Pressefreiheit Rechnung zu tragen"!) geschaffen wurden. Da von einem Vorsatz hinsichtlich einer Nachteilsherbeiführung kaum ausgegangen werden kann., liegt § 97 StGB noch am nächsten (wenn man Staatsgeheimnis obj. udn subj. bejaht). § 94 StGB hat deutlcih höhere tatbestandliche Schwellen. Lesen Sie einfach mal im Kommentar nach, dann wird Ihnen auffallen, WIE absurd dieser Anfangsverdacht war. Ich habe es oben schon gesagt: Es ist etwa so, wie wenn die Staatsanewaltschaft nach einem tödlichen Autounfall wegen Mordes ermittelt statt wegen fahrlässiger Tötung. Würden Sie eine solche Mordermittlung auch als niedrigschwelligste Reaktion bezeichnen?

Und erzählen Sie uns bloß nicht, für die Blogger sei schon die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens irgendwie schlimm und geeignet, sie einzuschüchtern  -  die danken doch dreimal täglich ihrem Herrgott auf Knien für die schöne Publicity.

Der GBA ist der höchste Staatsanwalt der Bundesrepublik. Wenn der wegen Landesverrrats (einem Verbrechen) ermittelt, ist das doch keine banale Angelegenheit. Glauben Sie eigentlich, das Ganze hier ist ein Spiel? Dass es nachher so ausgeht und die Blogger primär gute Publicity bekommen, lässt sich doch nicht von vornherein absehen.

Abgesehen davon ist doch offensichtlich, dass die beiden Blogger Beckedahl und Meister nicht die einzigen Zielpersonen dieses Verfahrens waren, sondern alle anderen, die in die Lage kommen, vertrauliche Dokumnete zu veröffentlichen. Es geht hier darum, andere davon abzuschrecken, geleakte Dokumente ins Internet zu stellen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

@Mein Name,

ergänzend zur Gewaltenteilung und von Herrn Range als grundrechtsgkleich bezeichneten angeblichen Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften hier mein Kommentar im bitterlemmer-Blog: Gewaltenteilung soll zwischen Exekutive, Legislative und Judikative existieren, wer Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften fordert, der verlangt eine Gewaltenteilung zwischen verschiedenen Ebenen der Exekutive (Regierung/Staatsanwaltschaft). Dies kann eine sinnvolle Forderung sein, ist aber keine Notwendigkeit, die aus dem Postulat der Gewaltenteilung folgt.

Viel problematischer als das, was diejenigen kritisieren, die nun von einem Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz sprechen, ist die in Deutschland gegebene enge Verbindung zwischen Judikative und Exekutive, die sich in der örtlichen, karrieristischen, personellen und funktionellen Vereinheitlichung von Staatsanwaltschaften und Gerichten äußert. DAS ist wirklich ein rechtsstaatliches Problem. Und der Erkenntnis dieses Problems wirkt es entgegen, wenn man für die Staatsanwaltschaften die „Unabhängigkeit der Justiz“ in Anspruch nimmt.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

Viel problematischer als das, was diejenigen kritisieren, die nun von einem Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz sprechen, ist die in Deutschland gegebene enge Verbindung zwischen Judikative und Exekutive, die sich in der örtlichen, karrieristischen, personellen und funktionellen Vereinheitlichung von Staatsanwaltschaften und Gerichten äußert. DAS ist wirklich ein rechtsstaatliches Problem. Und der Erkenntnis dieses Problems wirkt es entgegen, wenn man für die Staatsanwaltschaften die „Unabhängigkeit der Justiz“ in Anspruch nimmt.

Sie haben völlig Recht! Das ist unerträglich. Vor allem hier in Bayern sind Richter und Staatsanwälte wie je eine Seite der selben Medaille und keiner tut dem anderen weh und jeder tut nur das, was er auch auf der anderen Seite der Medaille tun würde. Unerträglich! Ich iunterstütze jede Kampagne, die diesen Missstand einmal aufs Korn nehmen würde.

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So ist es! Beim bayerischen Rotationsprinzip stellt sich die Frage der justiziellen Unabhängigkeit in voller Tiefe und Breite von der staatsanwaltlichen Ermittlung, der Anklage und Zulassung derselben bis zum Urteil. Ich habe das übrigens mal in einem Fall bis in letzte Detail nachvollziehen können, dem Fall Peggy. Da war, verkürzt gesagt, exekutives Drängen letztlich die Ursache dafür, dass ein Unschuldiger wegen Mordes verurteilt und zehn Jahre später in der Wiederaufnahme freigesprochen wurde. Allerdings kritisiert zB Eschelbach die für ihn zu große Nähe zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht generell und nicht nur im Freistaat.

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Unabhängigkeit der Justiz. Quatsch mit Ketchup. Was soll das denn sein? Institutionelle Unabhängigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften bzw. ihre organisatorische Selbstverwaltung? Personelle Unabhängigkeit ihrer Entscheidungsträger bzw. Weisungsfreiheit von Richtern, Staats- und Amtsanwälten und Rechtspflegern? Oder gar beides zusammen? Oder nur, dass der GBA seine Entscheidungen soll frei treffen dürfen, frei von Einflussnahme durch den Justizminister und frei von Bindung an Recht und Gesetz? Denn das Vorgehen des GBA steht nicht gerade für Bindung an Recht und Gesetz. Ihn auszubremsen, war dringend geboten und Pflicht des JM. Dann wird der gute Mann auch noch patzig und postuliert im Alleingang über die ahnungslose Presse die Unabhängigkeit der Justiz und moniert einen Eingriff durch den JM. 

Dass aber auch die Presse diese Phrase des GBA vom Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz völlig undifferenziert und unkritisch übernommen hat und sie verbreitet, das nervt. 

Als Ergänzung zu der letzten Äußerung von Prof. Dr. Henning Ernst Müller:

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/staatsanwaltschaft-richter-for...

Dabei sollte die Trennung von Staatsanwaltschaft und Richterschaft im 19. Jahrhundert gerade dem Schutz der Bürger dienen. [...] Es war also eine bewusste Entscheidung, Staatsanwaltschaften und Gerichte nicht zu verschmelzen, mithin die Staatsanwälte auch nicht richterlichen Kontrollgremien zu unterstellen.

Darauf hob auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) ab, der die Forderung des Richterbundes ablehnt. DAV-Präsident Ulrich Schellenberg verwies darauf, dass die Staatsanwaltschaft gemäß der demokratischen Gewaltenteilung zur Exekutive zählt und nicht zur unabhängigen Judikative. Die Staatsanwälte müssten daher der Aufsicht und den Weisungen der Justizminister unterliegen, die dafür die parlamentarische Verantwortung tragen und ihrerseits „durch das Parlament kontrolliert“ werden, sagte Schellenberg. Würde diese Kontrolle wegfallen, drohe eine „nicht zu akzeptierende Demokratielücke“.

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@Gastmann

Aber vielleicht sollten die auch einfach mal ins Gesetz schauen (oder regelmäßig Ihre Posts lesen).

Das sollten sie wirklich. Denn es besteht der Verdacht, daß die Herren Vereins-Bundesrichter und Vereins-Bundesanwälte (hier wieder die bereits angesprochene Verquickung) den Sachverhalt nicht kennen. So liegt es nämlich beim Generalstaatsanwalt von Zweibrücken, ein Chefermittler, der nicht in der Lage war, sich kundig zu machen, bevor er ein Interview gibt und ins Mikrofon etwas von "Dokumenten mit Geheim-Stempel" spricht:

http://www.swr.de/landesschau-aktuell/rp/interview-mit-zweibruecker-gene...

Es handelte sich um den Verschlußsachenstempel "Vertraulich". Daß dies ganz entscheidend für die Einordnung ist, werden auch Sie, lieber Gastmann, nicht leugnen.

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OGarcia schrieb:
Denn es besteht der Verdacht, daß die Herren Vereins-Bundesrichter und Vereins-Bundesanwälte (hier wieder die bereits angesprochene Verquickung) den Sachverhalt nicht kennen.
Das mag schon sein. Ich werde aber trotzdem den Verdacht nicht los, dass Herr Müller und Sie keine rechte Vorstellung davon haben, welche Stärke so ein Anfangsverdacht haben muss (jedenfalls solange man nichts Schlimmeres damit im Schilde führt als mal eine Akte anzulegen und ein Gutachten anzufordern).

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Gastmann schrieb:

OGarcia schrieb:
Denn es besteht der Verdacht, daß die Herren Vereins-Bundesrichter und Vereins-Bundesanwälte (hier wieder die bereits angesprochene Verquickung) den Sachverhalt nicht kennen.
Das mag schon sein. Ich werde aber trotzdem den Verdacht nicht los, dass Herr Müller und Sie keine rechte Vorstellung davon haben, welche Stärke so ein Anfangsverdacht haben muss (jedenfalls solange man nichts Schlimmeres damit im Schilde führt als mal eine Akte anzulegen und ein Gutachten anzufordern).

 

Das Anlegen der Akte hat aber auch Folgen für diverse Datenbanken. Mich würde mal interessieren, was passieren würde, wenn die Journalisten derzeit versuchen würden in die USA einzureisen mit einem laufenden Ermittlungsverfahren wegen Landesverrates. Ich bezweifle, dass ein Visum erteilt würde.

 

Herr Prof. Müller hat das Beispiel schon gebracht, Sie verursachen einen Autounfall mit Todesopfer. Jetzt legt die StA eine Akte mit dem Tatvorwurf "Mord" an. Wie fühlen Sie sich? Ist das noch irrelevant, weil ja nur eine Akte angelegt wurde und nichts weiter passiert ist, oder geht nicht doch etwas das Muffensausen los? (untechnisch gesprochen)

 

Im Übrigen ist § 94 StGB eine der Katalogtaten für die neue VDS. Mein erster Gedanke war, dass hier nur die Voraussetzung für Ermittlungen über die VDS geschaffen werden sollten. Eine effektive Drohung gegen Whistleblower.

 

Apropos Whistleblower. Ich war überrascht, als ich heute ein Interview mit Range aus dem Spiegel vom 25.7.2015 las, wo es um seine Untätigkeit in NSA-Sachen ging. Er sagte:

"Vielleicht tritt ja noch jemand aus der Anonymität heraus und liefert gerichtsfeste Fakten."

 

Um in Sachen NSA tätig zu werden, braucht er also Landesverräter, bettelt förmlich darum. Gleichzeitig ermittelt er in Richtung Whistleblower und beteiligt sich über das Ermittlungsverfahren Landesverrat gegen Journalisten an einer potenten Drohkulisse (wie gesagt, Katalogtat der VDS). Ich finde bigotter geht es nicht.

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Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG)
§ 20 Übermittlung von Informationen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz an Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelt den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeien von sich aus die ihm bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte nach Satz 1 sind die in §§ 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind. Das Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelt dem Bundesnachrichtendienst von sich aus die ihm bekanntgewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. (2) Die Polizeien dürfen zur Verhinderung von Staatsschutzdelikten nach Absatz 1 Satz 2 das Bundesamt für Verfassungsschutz um Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen. Der Bundesnachrichtendienst darf zur Erfüllung seiner Aufgaben das Bundesamt für Verfassungsschutz um die Übermittlung der erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen.     Frage: Wenn jetzt eine Behörde des Bundes schon tatsächliche Anhaltspunkte festgestellt hat, der GBA sieht es anders und beides würde auf die ministerielle Ebene gehoben, dann müsste die Kanzlerin nach Art. 65 Satz 2 GG entscheiden, richtig?      
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@Gastmann

In Bezug auf meine fehlende Praxiserfahrung haben Sie recht. Das lasse ich ohne weiteres gelten. Aber auch hier gilt: Wie immer die Praxis bei der "Wald- und Wiesenkriminalität" auch ist, im Zuständigkeitsbereich des GBA geht es um Straftatbestände, die von vornherein eine besondere Sensibilität haben. Das berücksichtigte GBA Range - nach seinen eigenen Worten - auch in Bezug auf die NSA und in anderen Fällen. Von diesem Maßstab abzuweichen mit Rücksicht auf die immer so vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Anzeigeerstatter (Maaßen), scheint mir doch ein sachfremdes Motiv zu sein.

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Als Rechtstheoretiker ist es einfach, sich einen Überblick über den Sachverhalt zu verschaffen, kurz die Tatbestandsmerkmale durchzugehen und wegen eines fehlenden Tatbestandsmerkmals einen Anfangsverdacht bereits zu verneinen.

Als Schreibtischtäter, aufgefordert aktiv zu werden, und auf Nachfrage nochmal eine "fachkundige" Untermauerung des Sachverhalts zu erhalten, sich dann auf ein fehlendes anderes Tatbestandsmerkmal zu stützen, kann taktisch unklug sein. Und vielleicht gibt es noch Kollegen, die den Sachverhalt so sehen wie der Anzeigeerstatter und dann mangelnde Aktivität - oder Strafvereitelung - vorwerfen. Zum Erhalt des Betriebsklimas kann es sinnvoll sein, ein Verfahren einzuleiten, Ermittlungen - mit Ausnahme der Feststellung des einen objektiven Tatbestandsmerkmal - zu verbieten und dann wieder einzustellen. 

Es gibt immer viele Wege, drei Juristen, fünf Meinungen, in Klausuren steht bei manchen Lösungen vertretbar.

 

Ob der Name des Gutachters wohl jemals an die Öffentlichkeit kommen wird? Und vermutlich falls ja, wird er sagen, es war ein Mißverständnis, selbstverständlich habe er gemeint, es liege kein Staatsgeheimnis vor. Es gibt vermutlich nur persönliche Telefonnotizen und keine schriftlichen Aussagen.

 

Ich will in keinem Fall einen Eingriff der Politik in die Staatsanwaltschaft, egal warum. Über die Anträge der Staatsanwaltschaft entscheidet ein Gericht. Sollte der Justizminister hier Probleme haben, dann könnte er eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Rechtsbeugung erstatten.

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http://www.zeit.de/news/2015-08/05/internet-staatsanwaltschaft-prueft-an...

Wie sieht's aus, lieber Gastmann? Bekommt Maas jetzt von der Berliner Staatsanwaltschaft einen Brief, daß ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet ist oder wird die Staatsanwaltschaft gar nicht erst eines einleiten, weil offensichtlich jedenfalls der subjektive Tatbestand des § 258 StGB ("absichtlich oder wissentlich") nicht gegeben ist?

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OGarcia schrieb:
Wie sieht's aus, lieber Gastmann? Bekommt Maas jetzt von der Berliner Staatsanwaltschaft einen Brief, daß ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet ist oder wird die Staatsanwaltschaft gar nicht erst eines einleiten, weil offensichtlich jedenfalls der subjektive Tatbestand des § 258 StGB ("absichtlich oder wissentlich") nicht gegeben ist?
Wenn der Anzeigeerstatter der Präsident einer Bundesoberbehörde ist, der ein Gutachten seiner Behörde zu den wesentlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen beigefügt hat, sollte man das in der Tat tun (und dann eben nach angemessener Prüfung wieder einstellen). Wenn es irgendein Hallodri ist, dem es nur auf den politischen Gag ankommt, eher nicht.

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Hier die Gegenauffassung von Gerhard Strate:

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-08/netzpolitik-harald-range-...

Sollen Staatsanwälte unabhängig sein wie Richter, dann ist zu fordern, dass Richterschaft und Staatsanwaltschaft organisatorisch und personell vollständig voneinander getrennt werden. Sonst wird die strafprozessuale Gewaltenteilung noch stärker verschben als es derzeit schon der Fall ist. In Ländern mit unabhängigen Staatsanwaltschaften gibt es  meist keine derartige Verquickung der beiden Funktionen wie in Deutschland.

Der Fall Mollath hat gezeigt, dass eine Justiz (Richter plus Staatsanwälte) ohne politische Kontrolle und ohne politische Verantwortlichkeit unfähig ist, eigene Fehler zu korrigieren.

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

 

Sie übersehen bei Ihrer Aussage eines: Ohne politischen Einfluss oder die Sicherheit ungestört Schalten und Walten zu können, wäre Herr Mollath vermutlich nie in Bayreuth gelandet.

 

Genau wie bei der Beurteilung des Sachverhalts um die Strafanzeige in vielen Berichten fehlt, dass der Verfassungsschutz ein Gutachten mitgeliefert hat und sich damit auseinander gesetzt werden muss.

 

Beste Grüße

 

Surfer

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@Surfer:

Dafür, dass die Politik Einfluss genommen hat, damit Herr Mollath 2006 in Nürnberg untergebracht, gibt es keine Anhaltspunkte. Nach Aktenlage und Ergebnissen der Hauptverhandlung in Regensburg 2014 ist das eher auszuschließen. So klare Fehler, die schon zu Beginn des Verfahresn  gemacht wurden, hätte man wohl nicht gemacht, wenn es ein politisch-juristisches Komplott gegeben hätte. 

Aber es gibt natürlich Fälle, in denen Politiker  heimlich Einfluss nehmen (wollen) auf Staatsanwaltschaften und Justiz. Aber solche heimlichen Eingriffe der Politik (nach dem Motto: Mein Spezi wird angeklagt, kann man da irgendwas machen?) sind ohnehin nicht völlig auszuschließen und können nur durch eine aufmerksame Öffentlichkeit (Presse!) eingedämmt werden. 

Bei der Debatte um die Unabhängigkeit geht es um etwas anderes, nämlich um ein offenes Weisungsrecht der Politik gegenüber den Staatsanwälten. Existiert ein solches Weisungsrecht, dann wird der Weisungsbefugte ohnehin für die Handlungen/Unterlassungen des Weisungsuntergebenen (mit)verantwortlich gemacht, wie hier der JuMin Maas. Wird ein Weisungsrecht ausgeübt, dann übernimmt der Politiker quasi die Verantwortung für den Fall und stellt sich in das Licht der Öffentlichkeit. Der Politiker ist dann ggf. austauschbar oder abwählbar. Das wäre ein unabhängiger Staatsanwalt nicht.

Noch einmal: Im Fall Mollath kam es deshalb zur Überprüfung, weil die in der Öffentlichkeit unter Druck stehende Politik relativ offen  eingegriffen hat udn eien Weisung an die Staatsanwaltschaft veranlasste (auch damals gegen erheblichen Widerstand der Richter und Staatsanwälte, deren "Verein"  u.a. auch mir zuvor  "Rechtsbruch" vorwarfen, weil ich die Unabhängigkeit missachtet hätte). Eine "unabhängige" Justiz, wie sie den im Richterverein (mit)organisierten Staatsanwälten vorschwebt, wäre in der Lage gewesen, die Fehler der Justiz im Fall Mollath dauerhaft zu vertuschen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Ich bin mir noch nicht ganz einig, ob die Anweisung (nach anderer Darstellung: "Einigung mit dem Generalbundesanwalt") des Justizministers, das Gutachten zu stoppen, wirklich uneingeschränkt zu begrüßen ist.

Vom Ergebnis her sicherlich ja. Das scharfe Schwert des "Landesverrats" wurde erkennbar zu schnell geschwungen. Von daher war es nötig, dass der Generalbundesanwalt gebremst wird.

Allerdings ist das Abbestellen eines Gutachtens auf Wunsch des Justizministers m.E. kein wünschenswerter Präzedenzfall.

Wenn man bedenkt, dass die richtige Vorgehensweise die Zuständigkeitsprüfung bzgl. § 95 oder § 97 StGB gewesen wäre, kommt es auch dann wegen §§ 120 Abs. 1 Nr. 3, 142a GVG entscheidend darauf an, ob ein Staatsgeheimnis vorliegt oder eben nicht. Auch das Erfordernis einer Strafverfolgungsermächtigung in § 97 Abs. 3 StGB ändert daran m.E. nichts, weil der Generalbundesanwalt wohl erst prüfen muss, ob er überhaupt zuständig ist, bevor er um Ermächtigung zur Strafverfolgung bitten kann.

Vor dem Hintergrund des § 97 Abs. 3 StGB fällt es mir übrigens schwer, die Ansicht, nach der § 94 StGB, weil politisch, ein nur mit dem Willen der Bundesregierung zu verfolgendes Delikt sein soll, nachzuvollziehen. Hätte der Gesetzgeber das gewollt, hätte er es in § 94 StGB geregelt - so wie in § 97 Abs. 3 StGB. Das macht m.E. durchaus Sinn, ist aber nicht Stand des Gesetzes. Wenn nichts anderes geregelt ist, bleibt § 94 StGB Offizialdelikt.

Für die Zuständigkeitsprüfung bleibt die Gretchenfrage, ob der Generabundesanwalt die Zuständigkeitsfrage (und damit das Vorliegen eines Staatsgeheimnisses) aus eigener Kompetenz hätte entscheiden sollen, oder ob es ihm freisteht, dazu ein Gutachten einzuholen. Obwohl ich die Kritik, nach der es sich um eine Rechtsfrage handelt, insoweit gut nachvollziehen kann, meine ich doch, dass die Einholung eines Gutachtens angemessen ist. Auch wenn es sich bei den §§ 95, 97 StGB "nur" um Vergehen handelt, ist es wegen eines möglichen Abschreckungseffekts auf die Pressearbeit wichtig, die eigene Einschätzung extern überprüfen zu lassen.

Allerdings hätte die Zuständigkeitsprüfung wegen § 22 Abs. 1 2. Alt., Abs. 3 Berliner Pressegesetz innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung der Artikel bei netzpolitik.org abgeschlossen sein müssen, weil es sich bei den §§ 95, 97 StGB um Vergehen handelt. Eine Unterbrechung der Verjährung nach § 78c StGB kann nicht herbeigeführt werden, da mangels abgeschlossener Zuständigkeitsprüfung noch keine Ermittlungen im eigentlichen Sinne laufen.

Insgesamt ist es schon seltsam, dass obwohl offiziell noch nicht einmal Ermittlungen laufen, die materiell-strafrechtliche Frage nach dem Staatsgeheimnis schon durch einen Gutachter geklärt wird. Anders lassen sich aber wohl die Abschreckungseffekte auf die Pressearbeit nicht vermeiden. Aus demselben Grund wird man hinnehmen müssen, dass faktisch "Geheimermittlungen" laufen, die die Hauptsache schon weit vorwegnehmen. Wenigstens sind diese zeitlich auf sechs Monate begrenzt, s.o.

Um aber wieder auf die Abbestellen des Gutachtens zurückzukommen: Der Generalbundesanwalt hatte - fälschlich - Ermittlungen wegen § 94 StGB eingeleitet. Aufgabe des Justizministers wäre es gewesen, diese Ermittlungen aufzuhalten, gleichzeitig aber die Zuständigkeitsprüfung nach §§ 95, 97 StGB herbeizuführen. Dafür allerdings ist nach der oben vertretenen Auffassung das Abbestellen des Gutachtens nicht zielführend.

Ich zweifle, ob in diesem Fall der Zweck wirklich die Mittel heiligt. Wenn das Beispiel in anderen Fällen Schule macht, gibt das dem Justizminister erhebliche Möglichkeiten, in Strafverfahren einzugreifen. Dazu muss man m.E. gerade auch bedenken, dass solch ein Eingriff selten so öffentlich wird wie in diesem Fall.

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@MT

Vor dem Hintergrund des § 97 Abs. 3 StGB fällt es mir übrigens schwer, die Ansicht, nach der § 94 StGB, weil politisch, ein nur mit dem Willen der Bundesregierung zu verfolgendes Delikt sein soll, nachzuvollziehen. Hätte der Gesetzgeber das gewollt, hätte er es in § 94 StGB geregelt - so wie in § 97 Abs. 3 StGB. Das macht m.E. durchaus Sinn, ist aber nicht Stand des Gesetzes. Wenn nichts anderes geregelt ist, bleibt § 94 StGB Offizialdelikt.

Falls Sie damit meine Meinungsäußerung von oben ansprechen, die ich der Klarstellung halber hier wiederhole:

Hier geht es um "Staatsgeheimnis" und damit um die Frage, ob eine Gefahr für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik entstehen kann. Nach dem Grundgesetz ist die Beurteilung solcher Fragen in erster Linie eine politische Aufgabe der Bundesregierung. Sie gehört zu ihren "Kernkompetenzen". Von Verfassungs wegen kommt der Bundesregierung in dieser Frage eine Art Einschätzungsprärogative zu, jedenfalls ist ihre Einschätzung von entscheidendem Gewicht. Daß wir uns nicht falsch verstehen: Wenn die Bundesregierung sagt "Staatsgeheimnis: Ja", dann ist das für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals nicht ausreichend (das wäre ja noch schöner). Es ist aber eine Art Mindestanforderung, daß die politisch zuständigen Instanzen diese Eigenschaft nicht geradezu verneinen. Ist das aber geschehen, ist für ein Strafverfahren wegen Landesverrats (und Anhängsel-Paragraphen) kein Raum. Dann gehen abweichende Gutachten ins Leere, so daß ihre Anforderung unnötig ist.

Es geht also um die Tatsachenfrage, ob ein Staatsgeheimnis vorliegt, die entscheidend von Wertungen aus dem Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik abhängt. Es geht nicht darum, ob eine Strafverfolgung gewünscht oder inopportun ist.

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Zu http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/netzpolitik-affaere-berlins-cd... zwei Anmerkungen:

„Ich kann das Verhalten von Minister Maas nicht nachvollziehen“, sagte der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“. „Entweder er versteht sich als vorgesetzte Behörde des Generalbundesanwalts, dann hätte er aber schon seit zwei Monaten eingreifen müssen“, sagte Heilmann. „Oder er ist wie ich der Meinung, dass Politik nicht über politische Strafverfahren entscheiden darf, dann hätte er auch jetzt nicht eingreifen dürfen.“

Das Problem war offenbar, daß Range Ermittlungen eingeleitet hatte, ohne das BMJ vorher zu konsultieren. Das geht jedenfalls aus der bislang veröffentlichten Chronologie hervor. Damit hatte er schon einmal dessen Handlungsmöglichkeiten beschnitten. Wahrscheinlich ging man dann im BMJ davon aus, daß es bei internen Ermittlungen bleibt, die - wie es auf der Hand liegt - zu nichts führen. Ob Range das BMJ davon vorab informiert hat, daß er mit dem Schreiben vom 24. Juli in die nächste Eskalationsstufe gehen würde, ist bislang nicht bekannt. Es ist wahrscheinlicher, daß er auch das nicht tat.

Innen-Staatssekretär Günter Krings (CDU) sagte der „Rheinischen Post“: „Die Weitergabe des Wirtschaftsplans des Verfassungsschutzes, aus dem alle Arbeitsschwerpunkte und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten dieser Sicherheitsbehörde ersichtlich sind, stellt eine neue Dimension des Durchstechens von Geheimnissen dar“. Ein Behördenchef, der undichte Stellen einfach ignoriere, würde falsch und pflichtwidrig handeln.

Dagegen ist in der Tat nichts zu sagen. Es geht hier aber darum, daß Maaßen den Fall aktiv (anders als er kürzlich die Presse glauben machen wollte: "liegt in der Hand der Justiz") den Fall weg von § 353b StGB, wo er hingehört, und hin zu §§ 93 ff. StGB gedreht hat. Wahrscheinlich mit der Absicht, § 353b Abs. 3a StGB zu umgehen.

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Der höchste deutsche Ankläger hat angesichts der womöglich illegalen Abhöraktivitäten des US-Nachrichtendienstes NSA in Deutschland nicht einmal zur Fliegenklatsche gegriffen. Angeblich, weil es ja sowieso nichts nütze, wie Range einmal treuherzig sagte. Dafür brachte er gegen zwei kleine Blogger gleich die grösste ­Kanone in Stellung. Diese Kluft lässt sich auch dem regierungsfreundlichsten Bürger nicht mehr erklären.

 

http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/was-der-buerger-wissen-darf/s...

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Sehr geehrter bitterlemmer,

Sie schreiben:

Ich sehe mich mit meiner Analyse (Machtstaat schlägt Rechtsstaat) mit der Erklärung des Bundesrichter-Vereins recht durchschlagend bestätigt: http://www.bitterlemmer.net/wp/2015/08/06/justiz-unabhaengigkeit-maas-ra...

Ich sehe mich umgekehrt mit meiner Kritik an Ihrer Darstellung bestätigt: Offenbar passt ja zwischen die Vertreter der beiden eigentlich funktional getrennten Gewalten innerhalb der Justiz "kein Blatt", d.h. Bundesanwälte und Bundesrichter sitzen im selben Ver"ein" und vertreten als Lobbyisten dieselbe rechtspolitische Position, sind aber dafür keinem Wähler gegenüber verantwortlich. Ein Verein, in dem rechtsstaatlich streng zu trennende Ankläger und Richter sich übereinstimmend als "Strafverfolger" empfinden.  Das erregt meinen Zweifel, ob die Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft tatsächlich die derzeit richtige Option wäre und man nicht als ersten Schritt Staatsanwaltschaften und Gerichte entflechten müsste.

Noch einmal: Es geht hier  nicht um heimliche Hintertür-Einflussnahmen durch die Politik, die sich sowieso nicht mit offizieller "Unabhängigkeit" beherrschen lassen, sondern nur mit effektivem Leaking.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

@ Prof. Dr. Müller

Ich musste mir Ihren letzten Post zwei Mal durchlesen und frage mich tatsächlich, ob hier nicht ein Missverständnis besteht. Ich spreche doch gar nicht dagegen, Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entflechten – ganz im Gegenteil! Wie käme ich sonst dazu, die bayerische Ämterrotation ständig zu kritisieren, die Richter und Staatsanwälte ja sogar in ihrer Laufbahn zusammenspannt? Warum aber sollte ich mich darüber von dem Gedanken verabschieden, dass die Politik sich aus Ermittlungsverfahren herauszuhalten hat? Das ist doch noch absurder als ersteres, gerade wenn es durch die Hintertür geschieht. Denn da wird nicht nur einfach ein komisches Gesetz gemacht, sondern – im Fall der Hintertür – rechtsfrei oder rechtswidrig gehandelt. Das ist, wenn es die Hüter und Schützer des Gesetzes betrifft, schlicht ein Horror, denn die stehen dann auf der falschen Seite. So gesehen haben die Herrschaften in Karlsruhe schon recht mit ihrer Erklärung. Dass man der eine weitere hinzufügen könnte bleibt unbenommen.

Freundliche Grüße

Christoph Lemmer

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Sehr geehrter Prof. Müller,

ich meine schon, dass die informelle Einflussnahme auf Ermittlungsverfahren durch das Weisungsrecht erleichtert wird. Denn dadurch lässt sich dem Ganzen leichter der Deckmantel der Legalität überstreifen. Nach dem Motto: Im Fall netzpolitik.org war es doch auch in Ordnung, auf das Gutachten zu verzichten. Und da es eh in Ordnung ist, braucht es dann auch keine formelle Weisung mehr.

Ebenso wie Herr Lemmer teile ich Ihre Bedenken, was die Verflechtung von Staatsanwälten und Richtern z.B. durch das Rotationssystem in Bayern angeht.

Viele Grüße,

MT

@OGarcia #43

Es mag sein, dass die Strafverfolgungsermächtigung noch weitergehende Erwägungen zulässt. Trotzdem meine ich es müsste sich ein Anhaltspunkt im Gesetz finden, wenn etwas Ähnliches - wenn auch eingeschränkter - wie § 97 Abs. 3 StGB für § 94 StGB gelten soll.

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