Was so passiert: Verteidiger legt Rechtsmittel ein - Betroffener legt per Telefon Rückwärtsgang ein...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.08.2015

Schon etwas komisch. Der Verteidiger legt Rechtsmittel ein - der Betroffene ruft bei Gericht an und möchte dieses Rechtsmittel zurücknehmen. Was nun?

Der entgegenstehende Wille des Mandanten ist nach der gesetzlichen Wertung des § 297 StPO über den auf die Einlegung des Rechtsmittels abstellenden Wortlaut hinaus auch bei einem später eintretenden Widerspruch zu beachten. Verfolgt der Verteidiger ein Rechtsmittel gegen den ausdrücklichen Willen des Betroffenen weiter, ist es als unzulässig zu verwerfen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juli 2015 -  III-2 Ws 300/15

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7 Kommentare

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Ich halte den Beschluss für falsch. Wenn eine Form einzuhalten ist, dann ist eine Form einzuhalten. Und wenn der Proband in einem Telefonat mit dem Richter formlos etwas erklärt, dann ist die Form eben nicht eingehalten. Das gilt um so mehr, wenn die niedergelegte Erklärung des Probanden, wie hier, keineswegs eindeutig ist. Die Erklärung muss nämlich nicht bedeuten, dass der Proband das Rechtsmittel "zurück nimmt", sondern dass der Verteidiger, ggf. nach erneuter Besprechung mit dem Probanden, das Rechtsmittel (demnächst) zurücknehmen werde. Gerade um derartige Missverständnisse auszuschliessen, ist die Form gesetzlich vorgeschrieben. Eindeutig falsche Entscheidung und contra legem. So fahrlässig darf man mit dem Recht als Richter nicht umgehen!

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@Blogger: Genau das ist Aussage der Entscheidung. Deshalb wurde die Beschwerde nicht als zurück genommen betrachtet, sondern als unzulässig. Als Anhaltspunkt für den entgegenstehenden Willen reicht die telefonische Erklärung.

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Man sollte es mit der Rabulistik nicht übertreiben. Das Ende der Rabulistik ist erreicht, wenn die gesetzliche Form der Rücknahme dadurch umgangen wird, dass die Beschwerde gegen den Formverstoss formfrei zurückgenommen werden darf. Der rabulistikverbietende Ernst der diesbezüglichen Formvorschriften folgt auch aus § 302 Abs. 2 StPO.

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Wenn ich das alles richtig verstanden habe, sieht es jetzt so aus:

  • Der Anwalt kann eine Beschwerde (nur) unter Einhaltung der Formvorschriften zurücknehmen, egal ob er selbst oder der Mandant sie eingelegt hat.
  • Der Mandant kann eine Beschwerde (nur) unter Einhaltung der Formvorschriften zurücknehmen, egal ob er selbst oder der Anwalt sie eingelegt hat.
  • Der Mandat hat zusätzlich die Möglichkeit, eine vom Anwalt eingelegte Beschwerde nachträglich unzulässig zu machen, indem er formlos erklärt, er sei damit nicht (mehr) einverstanden.

Das kommt mir gar nicht so schlecht vor. Einem Anwalt kann man zumuten, die Formvorschriften einzuhalten. Einem Mandanten, der nicht durch eigenes Einlegen der Beschwerde gezeigt hat, dass er das auch kann, ist das eher nicht zuzumuten. Deshalb darf er auch formlos die Notbremse ziehen. Allerdings weiß ich als Laie nicht, worin ggf. der Unterschied in den Folgen zwischen einer Rücknahme und einer Erklärung als unzulässig liegt. Ist letzteres teurer?

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Hans A. schrieb:
Ist letzteres teurer?

Wie Sie in den Kommentaren zwischen den Zeilen lesen können: Für den Verteidiger, ja!

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Was ist, wenn der Rechtsanwalt ohne Rücksprache mit seinem Mandanten Rechtsmittel eingelegt hat ?

Reichen die Vollmachten, dass der Rechtsanwalt handeln darf , ohne Rücksprache ?

 

 

 

 

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Wenn der Rechtsanwalt entsprechend bevollmächtigt ist, hat das nach Außen Rechtswirkung. Möglicherweise ist die Einlegung im Innenverhältnis absprachewidrig, aber das müssen Rechtsanwalt und Mandant dann unter sich ausmachen (ggf. mit zivilgerichtlicher Hilfe).

Eigentlich.

Der oben zitierte Beschluss stellt dann alles auf den Kopf, was man bisher zu Vollmachten wusste.

Das tollste daran ist noch: Der Richter kann zu Existenz und Inhalt von Gesprächen mit dem unvertretenen Mandanten doch mehr weniger behaupten, was er will. Qua Amtes wird seine Glaubwürdigkeit als höher eingeschätzt (man warte auf Kommentare, dass Richter doch nie lügen würden...), und in der Darstellung wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch besser sein als der typischerweise untrainierte Angeklagte.

Angeklagter hat Rechtsmittel gegen schwaches Urteil eingelegt? Angst vor einer Klatsche durch das Berufungsgericht? Kein Problem, einfach behaupten, der Angeklagte habe mündlich zurückgenommen, weg ist das Rechtsmittel, und das auch noch auf Kosten des Rechtsanwalts. So etwas macht der nicht noch einmal.

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Zur Form: Wenn ein Blogbeitrag ein Urteil nicht nur teilweise zitiert, sondern bespricht, erläutert, Sachverhalt/Rechtslage erklärt o. ä., kann man damit mehr anfangen.

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