Kein Mindestlohn für Strafgegangene

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 29.09.2015

Wie flächendeckend ist eigentlich der neue Mindestlohn? Einige Ausnahme und Übergangsregelungen enthält bereits das neue Mindestlohngesetz selbst. Unselbständig beschäftigt sind allerdings nicht nur Arbeitnehmer, sondern z.B. auch Strafgefangene, die in der Justizvollzugsanstalt Arbeiten gegen Entgelt verrichten. Profitieren auch sie vom neuen Mindestlohn? Mit dieser Frage hatte sich jüngst der 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg zu befassen. Der Beschwerdeführer in diesem Verfahren war Strafgefangener in der JVA Fuhlsbüttel. Er arbeitet in der dortigen Bäckerei. Für seine Tätigkeit ab Januar 2015 verlangt er eine Vergütung nach dem Mindestlohngesetz. Das OLG hält das Mindestlohngesetz hingegen nicht für anwendbar. In dem Beschluss heißt es: „Das Mindestlohngesetz findet auf Strafgefangene keine Anwendung, denn es gilt nach § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nach der Begründung des Gesetzes (Bundestagsdrucksache 18/1558 S. 26) hat es zum Ziel, die Tarifautonomie zu stärken und angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sicherzustellen. Es ist allgemein anerkannt, dass die Arbeit im Strafvollzug öffentlich-rechtlicher Natur ist, die Gefangenen nicht Arbeitnehmer sind und zwischen den Gefangenen und der Anstalt kein Arbeitsvertrag geschlossen wird. So ist gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbStVollzG der Strafgefangene verpflichtet, die ihm zugewiesene Arbeit auszuüben. Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Mindestlohngesetzes erlangt der Strafgefangene auch nicht etwa dadurch, dass er bzw. für ihn die Anstalt Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlt. Die Beitragspflicht besteht nicht etwa nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III („Personen, die gegen Arbeitsentgelt ... beschäftigt sind“), sondern wird vom Gesetzgeber in § 26 Abs. 1 Ziff. 4 SGB III ausdrücklich bestimmt.“ Im Übrigen führt der Senat aus, dass die Gefangenenentlohnung nach § 40 HmbStVollzG in Verbindung mit der Hamburger Strafvollzugsvergütungsordnung weder verfassungswidrig (hierzu insbesondere BVerfG 1.7.1998, NJW 1998, 3337) ist, noch gegen die Europäische Grundrechtscharta verstößt.

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4 Kommentare

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Beim arbeiten in einer JVA- Bäckerei ist also
"… allgemein anerkannt, dass die Arbeit im Strafvollzug öffentlich-rechtlicher Natur ist".

Ich denke, der Bäcker in der Nachbarschaft hat da eine völlig abweichende Ansicht und kann nur deshalb seine Brötchen nicht in der JVA verkaufen, weil eben dort aus seiner Sicht Lohndumping betrieben wird.

Vgl. auch:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/199...

Quote:
Ein gesetzliches Konzept der Resozialisierung durch Pflichtarbeit, die nur oder hauptsächlich finanziell entgolten wird, kann zur verfassungsrechtlich gebotenen Resozialisierung nur beitragen, wenn dem Gefangenen durch die Höhe des ihm zukommenden Entgelts in einem Mindestmaß bewußt gemacht werden kann, daß Erwerbsarbeit zur Herstellung der Lebensgrundlage sinnvoll ist.

5

 

 

Dann bliebe abzuwarten, ob auf Strafgefangene auch das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG anwendbar wäre.

3

 

Um sich auf Art. 33 Abs. 2 GG berufen zu können, muss man kein Beamter sein. Daher: keinesfalls verwegener Gedanke, wenn man über den Tellerrand schaut....

4

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