Bundeskanzlerin Merkel hat sich nicht strafbar gemacht

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 13.10.2015

Mein Kollege Prof. Dr. Holm Putzke von der Uni Passau vertritt die Ansicht, die Bundeskanzlerin habe sich strafbar gemacht, als sie sich Anfang September mit Österreich darauf geeinigt habe, unter Umgehung des eigentlich vorgesehenen Grenzregimes in Europa/Schengenstaaten, Flüchtlinge in Deutschland in großer Zahl aufzunehmen. (Link: Holm Putzke, Ist die Bundeskanzlerin eine Schleuserin?)

Wie nicht anders zu erwarten hat er Beifall (teilweise von zweifelhafter Seite) und auch  Kritik für seine Beurteilung geerntet.

Zwei Dinge vorangestellt:

1. Ich stimme Putzke zu, dass die Frage der Strafbarkeit nach §§ 95, 96 AufenthaltsG nur einhellig beantwortet werden kann: Nur wenn eine Person den Tatbestand der unerlaubten Einreise erfüllt, dann können  diejenigen strafbar sein, die dieser Person bei der illegalen Einreise Hilfe leisten. Dies ist wohl auch die eigentliche Stoßrichtung der Analyse von Putzke: Er will klarstellen, dass es nicht angeht, immer noch "Schleuser" zu bestrafen (selbst solche, die dies aus rein humanitären Gründen  tun), zugleich aber die Handlungen Merkels als strafrechtlich irrelevant anzusehen.

2. Ich stimme Putzkes Antwort, Frau Merkel habe sich wohl strafbar gemacht, nicht zu.  Putzke hat das Pferd von der falschen Seite her aufgezäumt und dabei die Akzessorietätslehre missachtet. Die Strafbarkeit nach § 96 AufenthaltsG steht entgegen seiner Annahme in entscheidenden Punkten ("Passpflicht") eben doch zur Disposition der Exekutive, die von der Bundeskanzlerin angeführt wird. Um die Straflosigkeit zu begründen ist m.E. auch keine Änderung des AufenthaltsG erforderlich, wie Putzke annimmt.

Die Erfüllung des § 96 AufenthaltsG  ist – wie ja auch Putzke betont – akzessorisch orientiert an der tatbestandlichen, vorsätzlichen und rechtswidrigen Erfüllung der „Haupttat“ des § 95 AufenthaltsG.

Dazu gehört die  unerlaubte Einreise eines Ausländers nach § 14 Abs.1 Nr.1 AufenthaltsG. Dies setzt wiederum voraus, dass der Ausländer einen nach § 3 AufenthaltsG „erforderlichen Pass“ nicht besitzt.

Putzke prüft nicht, ob eine unerlaubte Einreise vorliegt – es genügt ihm vielmehr, dass Polizei und Staatsanwaltschaften einen Anfangsverdacht  routinemäßig bejahen, ohne dass dabei die besondere Lage seit Anfang September überhaupt berückichtigt wird. Putzke verkennt dabei, dass das Aufenthaltsgesetz mit seiner Bestimmung der unerlaubten Einreise selbst wieder akzessorisch ist zu dem Pass- und Grenzregime, welches von der Exekutive gestaltet werden kann und wird.

Meines Erachtens spricht alles dafür, dass die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland infolge der von Merkel initiierten humanitären Handlungen gegenüber den in oder bei Ungarn bzw. auf dem Westbalkan feststeckenden Flüchtlingen schon objektiv tatbestandlich (ausnahmsweise) erlaubt war und ist. Aus dem Gesamtverhalten der Exekutive der Bundesrepublik ist erkennbar, dass in dieser gesonderten Situation auf Einreisedokumente verzichtet wurde, also § 3 AufenthaltsG („Passpflicht“) realiter ausgesetzt ist. Der objektive Tatbestand der unerlaubten Einreise hängt direkt an dieser Passpflicht. Diese ist etwa auch § 14 AufenthaltsVO ("Befreiung von der Passpflicht in Rettungsfällen") in Unglücks- und Katastrophenfällen ausgesetzt. Es handelt sich nach ganz verbreiteter Meinung derzeit in und um die Kriegsgebiete in Syrien, Irak und Afghanistan um Flüchtlingskatastrophen, die m. E. durchaus unter  § 14 AufenthaltsVO subsumierbar sind, und bis an die deutsche Außengrenze reichen. Ob bei einer jedenfalls faktischen Aussetzung der Passpflicht die interpretatorischen  Grenzen dieser Verordnung eingehalten wurden, kann einem Ausländer aber strafrechtlich ohnehin nicht vorgeworfen werden, wenn jedenfalls faktisch erkennbar beim Grenzübertritt seitens der deutschen Behörden auf  Pässe bzw. andere Reisedokumente verzichtet wurde.

Zudem müssten, selbst wenn man annimmt, die unerlaubte Einreise bleibe unabhängig vom konkreten Verhalten der Exekutive objektiv unerlaubt, die vielfach von der Bahn im Auftrag der Bundes- bzw. Landesregierungen über die Grenze transportierten und willkommen geheißenen Flüchtlinge auch noch  vorsätzlich und rechtswidrig unerlaubt eingereist sein. Nicht nur die objektiv tatbestandsmäßige, sondern auch die vorsätzliche Handlung ist Gegenstand der Akzessorietät.

Wer eingeladen ist, eine Wohnung zu betreten, der kann nicht wegen Hausfriedensbruch verfolgt werden. Wer vom deutschen Staat nicht nur eingeladen wird, sondern sogar von Personenbeförderungsunternehmen in dessen Auftrag über die Grenze transportiert wird, ohne dass ein Pass von ihm verlangt wird, der reist nicht unerlaubt ein, schon gar nicht tut er dies vorsätzlich. Strafanzeige und Strafverfolgung (auch wenn die Verfahren  in den allermeisten Fällen ohne weiteren Ermittlungen eingestellt werden) stellen ein venire contra factum proprium dar.

Putzke prüft schließlich nicht, ob einreisende Flüchtlinge (wenn denn vorsätzlich unerlaubt) auch „rechtswidrig“ unerlaubt eingereist sind. Putzke spricht zwar § 34 StGB (Notstand) an, jedoch wendet er die Notstandsnorm nur auf das Verhalten der Bundeskanzlerin, nicht aber auf das Verhalten der Flüchtlinge selbst an. Bei diesen ist aber eine Rechtfertigung einer unerlaubten Einreise unter den im September und Oktober 2015 bestehenden Voraussetzungen sogar recht naheliegend, denn ihnen stand nicht zu Gebote, mit Ungarn oder anderen Drittstaaten Verhandlungen aufzunehmen.

Ergebnis: Beim Grenzübertritt der Flüchtlinge in Folge der derzeitigen Politik der Bundeskanzlerin handelt es sich nicht um unerlaubte Einreise im Sinne des § 14 AufenthaltsG. Es handelt sich in den meisten Fällen wohl weder um eine objektiv tatbestandsmäßige, noch um eine vorsätzliche, noch um eine rechtswidrige Handlung nach § 95 AufenthaltsG. Infolge dessen ist auch die Hilfe zu dieser Einreise kein tatbestandliches Handeln im Sinne des § 96 AufenthaltsG. Weder die Bundeskanzlerin noch andere, die Flüchtlingen bei Einreise und Aufenthalt behilflich sind, haben sich strafbar gemacht.

Ergänzung (13.10.2015, abends):

Holm Putzke hat reagiert auf seiner Website, hier.

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489 Kommentare

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@ Max Mustermann

Mir scheint eher Ihre politische Auffassung verklärt Ihre Sicht auf das Recht.

Ich hätte gern mal eine belastbare Quelle für Ihre Behauptung, eine Verordnung bedürfe zur Gültigkeit einer irgendwie gearteten weiteren "Anordnung".

Was den Vorsatz angeht, kommt es nur darauf an, dass Deutschland nachgegeben _hat_. Das kann man politisch für falsch halten, Fakt ist aber wenn mit Wissen und Willen der Regierung Züge zur Verfügung gestellt und keine Pässe kontrolliert werden, darf ein Flüchtling davon ausgehen, dass die Passpflicht jedenfalls gerade ausgesetzt ist. Da können die vorher "ausgeharrt" und "Forderungen gestellt" haben wie sie wollen (was nebenbei bemerkt mangels Gewalt oder Drohung keine Erpressung ist). Die Alternative aus deutscher Sicht wäre gewesen, die Grenze dicht zu machen. Wäre wahrscheinlich sogar rechtlich möglich gewesen. Die Regierung hat sich dagegen entschieden und die Flüchtlinge nicht nur einreisen lassen, sondern die Einreise auch noch aktiv gefördert. Damit entfällt der Vorsatz für § 95 AufenthG beim Flüchtling, und in der Folge mangels "Haupttat" eben auch die Strafbarkeit nach § 96 AufenthG. Das ist die ziemlich nüchterne rechtliche Betrachtung, ob Sie das nun gut finden oder nicht.

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@MT

Weil die Beamten die Leute sonst nicht durchlassen!!!

 

Und zum weiteren, vielleicht überlesen Sie ja in voller Absicht, ein weiteres Mal:

Die Situation in Budapest geht ja von mir aus in Ordnung.

Und plötzlich soll dieser Ausnahmetatbestand zur zeitlich unbefristet Regel werden für jeden der da irgendwo in Deutschland anklopft? (Ausgangspunkt unseres Zwiegesprächs)

 

Mit politischer Sicht hat das wenig zu tun, wer sowas macht, findet nicht mehr zum Recht zurück und das geht unter Garantie in die Hose...sonst hätten wir ja gleich aufs Recht verzichten können.

Alles läuft super! Wir schaffen das! Verantwortlich ist eh niemand und wenn dann, waren alle Entscheidungen konkludend oder realiter schlicht de-facto...ich glaube ich spinne! Und die ganze Welt lacht über uns. Miillionen Menschen in Afrika können das gar nicht glauben und rennen auch los!

 

@ Max Mustermann

Dann sprechen Sie den Polizeibeamten, der Ihren Führerschein kontrollieren möchte, doch bitte mal drauf an welche Anordnung zu § 4 Abs. 2 Fahrerlaubnisverordnung ihn zur Kontrolle berechtigt. Er wird Sie auslachen, weil: Die braucht er nicht.

Verordnungen sind unmittelbar geltendes Recht für die Exekutive. Weitere Anordnungen dazu kann es geben, muss es aber nicht. Wenn die Subsumtion unter Katastrophe zutrifft, entfällt die Passpflicht. So einfach ist das. Sie haben insoweit Recht als die Grenzbeamten das nicht selber entschieden haben werden. Für die Rechtmäßigkeit kommt es auf weitere Anordnungen aber nicht an, weil diese müssen sich innerhalb des von der Verordnung eröffneten Spielraums bewegen. Denn die Verordnung ist das höherrangige Recht.

Kurz gesagt: Wenn Katastrophe nein -> Passpflicht. Wenn Katastrophe ja -> keine Passpflicht. Weitere Anordnungen sind dafür irrelevant. Wenn man Katastrophe verneint, kann die Passpflicht auch nicht durch eine Anordnung entfallen. Wenn man Katastrophe bejaht, entfällt die Passpflicht automatisch, ohne dass es einer Anordnung bedarf (eine Anordnung wäre aber natürlich trotzdem zulässig).

Zur zeitlich unbefristeten Regel hatte ich auch schon geschrieben: Das regelt § 14 Satz 2 AufenthV doch vernünftig. Passpflicht entfällt temporär, bis es zumutbar ist den behördlichen Weg zu gehen. Heisst im Fall der Flüchtlinge das von der Behörde vorgesehene Verfahren für die Massenabfertigung einhalten.

Damit ist noch nichts über den Verbleib der Flüchtlinge in Deutschland ausgesagt. Es geht allein um die Überschreitung der Grenze ohne Pass und die darauf ggf. basierende Strafbarkeit (dabei sollte man noch bedenken, dass ggf. Flüchtlinge auch einen gültigen Pass besitzen - dann ist die Grenzüberschreitung auf jeden Fall zulässig). Allein die Annahme, es bestehe Passpflicht, führt aber auch noch nicht zur Strafbarkeit - dazu bedarf es Vorsatz und Rechtswidrigkeit (Stichwort Notstand), was beides zumindest in Frage steht.

Außerdem nochmal der Vergleich zu den 90ern: Zuwanderung 1 Million in der Spitze. Beispiel Jugoslawien: Von dort 350.000 in der Spitze, jetzt noch ca. 20.000 in Deutschland. Ja das hat Jahre gedauert, aber das ist ein normaler Zeitraum für eine Unternehmung dieser Größenordnung. Deutschland geht es wirtschaftlich besser als in den 90ern. Ich sehe also nicht, warum das nicht schaffbar sein sollte.

Vielleicht ist es selektive Wahrnehmung, aber bei allem was ich gelesen habe wurde Deutschland weltweit für sein Verhalten gelobt (angenehmer Kontrast zu den Nazi-Vergleichen i.S. Griechenland), nicht ausgelacht.

 

 

 

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@MT

Es erscheint wenig fruchtbar, den Dialog fortzuführen.

Anerkennend kann man feststellen, dass Ihnen die Gesetzesbindung als Handlungsgrundlage der Exekutive bekannt ist.

Es mag also sein, dass die Kanzlerin die sich anbahnende humanitäre Katastrophe am Budapester Hauptbahnhof mit ihrer Entscheidung gestützt auf §14 AufVO rechtmässig und straflos gelöst hat.

Diese Situtation war aber eine zeitlich und örtliche begrenzte mit einem endlichen Personnenkreis an Betroffenen bestimmbare Notlage.

Die ist gelöst. (Und wir sehen grosszügig darüber hinweg, dass die Flüchtlinge sich nicht an die festgesetzten Pflichten in der Konvention, auf die die sich berufen wollen, hinweggesetzt haben und dadurch die Notlage herbeigeführt haben.) 

 

Die Frage ist, wie Sie den massenhafte Grenzübertritt an der österreich-bayerischen Grenze nun ebenso unter §14 AufVO subsumieren möchten.

 

@ Max Mustermann

Ich schließe mich Ihrer Einschätzung, was die Fruchtbarkeit des Dialogs angeht, an.

Ich werde die Ausführungen zu Vorsatz und Rechtswidrigkeit, für die es auf § 14 AufenthVO nicht entscheidend ankommt, jetzt nicht noch einmal wiederholen.

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@MT

Na dann ist doch wunderbar. Die in U-Haft sitzenden Schleuser müssen  sich ja dann keine Sorgen machen.

Ich glaube es zwar erst, wenn ich es sehe, stelle mir das aber witzig vor, wenn Selfies der Kanzlerin als Beweismittel zugelassen werden und eine flammende Rede zur Vorsatzlehre gehalten wird.

 

Hier eine Antwort der Bundesregierung (23.10.2015) auf Fragen der Fraktion Die Linke zur  Strafverfolgung wegen unerlaubter Einreise:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/064/1806467.pdf

Offenbar ist es nach wie vor Position der Bundesregierung, dass die Personen, die die Grenze ohne Pass/Visum überqueren ggf. den Tatbestand der unerlaubten Einreise erfüllen. Das widerspricht natürlich meiner Interpretation einer seit Anfang September bestehenden (zumindest faktischen) Aussetzung der Passpflicht mit der Konsequenz, dass schon der Tatbestand des § 95 AufenthaltsG nicht erfüllt wäre. Allerdings müsste dann - sogar nach Auffassung der BReg  - auch eine Strafbarkeit derjenigen in Betracht gezogen werden, die die unerlaubte Einreise befördern. Jedoch gehen die Fragen (und deshalb auch die Antworten) nicht auf die m. E. zu differenzierenden Zeiträume während des Jahres 2015 ein.

Die Frage Nr. 12 nach dem Schutz vor Strafverfolgung nach Art. 31 Genfer Flüchtlingskonvention  ist m. E. so zu beantworten: Der Schutz vor Strafverfolgung nach dieser Konvention besteht auch dann, wenn bei der Pflicht in einer zusammenhängenden Fluchtbewegung bis nach Deutschland (mehrere sichere) Drittstaaten durchquert wurden. Nicht dagegen besteht der Schutz nach dieser Konvention, wenn zwischenzeitlich ein Aufenthalt in einem (sicheren) Drittstaat von gewisser Dauer stattgefunden hat. Die Frage hat aber nicht unmittelbar Bedeutung für die hiesige Fragestellung, weil sie nicht den Tatbestand der "unerlaubten Einreise" betrifft, sondern systematisch einen Strafausschließungsgrund darstellt.

 

 

Hallo Herr Müller,

herzlichen Dank für diesen Beitrag.

Henning Ernst Müller schrieb:

[...]

Offenbar ist es nach wie vor Position der Bundesregierung, dass die Personen, die die Grenze ohne Pass/Visum überqueren ggf. den Tatbestand der unerlaubten Einreise erfüllen. Das widerspricht natürlich meiner Interpretation einer seit Anfang September bestehenden (zumindest faktischen) Aussetzung der Passpflicht mit der Konsequenz, dass schon der Tatbestand des § 95 AufenthaltsG nicht erfüllt wäre. Allerdings müsste dann - sogar nach Auffassung der BReg  - auch eine Strafbarkeit derjenigen in Betracht gezogen werden, die die unerlaubte Einreise befördern. Jedoch gehen die Fragen (und deshalb auch die Antworten) nicht auf die m. E. zu differenzierenden Zeiträume während des Jahres 2015 ein.

[...]

Nun, die Antwort ist datiert vom 18.10.2015. Damit ist offensichtlich, dass die Bundesregierung formal an allen relevanten Gesetzen auch nach dem 25.08. (Aufhebung Dublin-Verfahren) bzw. 04.09. (Einladung Angela Merkel) festhält.  

Das spricht abschließend für die Argumentation von Holm Putzke und dafür, dass sich Angela Merkel hier strafbar gemacht hat und fortlaufend strafbar handelt.

Henning Ernst Müller schrieb:

Die Frage Nr. 12 nach dem Schutz vor Strafverfolgung nach Art. 31 Genfer Flüchtlingskonvention  ist m. E. so zu beantworten: Der Schutz vor Strafverfolgung nach dieser Konvention besteht auch dann, wenn bei der Pflicht in einer zusammenhängenden Fluchtbewegung bis nach Deutschland (mehrere sichere) Drittstaaten durchquert wurden. Nicht dagegen besteht der Schutz nach dieser Konvention, wenn zwischenzeitlich ein Aufenthalt in einem (sicheren) Drittstaat von gewisser Dauer stattgefunden hat.

[...]

 

Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass im Artikel 31 der Genfer Konvention mit "unmittelbar aus einem Gebiet kommen" im Hinblick auf den Landweg im Fall Syrien nur die Türkei, der Irak, der Libanon oder Jordanien als Staaten gemeint sein können. Auch im Sinne der Genfer Konvention ist damit eine Strafverfolgung wegen illegaler Einreise in Deutschland durchaus möglich und nach Gesetzeslage geboten. Andere Interpretationen führen in die Nähe des wirren Rechtsverständnisses der Kanzlerin selbt.

Vor dem Hintergrund, dass ich gerade meine Anzeige gegen Angela Merkel aufsetze, ein durchaus fruchtbarer Hinweis, der dankend aufgenommen wird!

Herzliche Grüße

Gerold Keefer

 

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@ Max Mustermann

Zunächst darf man anerkennend feststellen, dass Sie ja doch mal ins Gesetz gucken.

Genau das war der Grund, warum ich anfangs nach dem Wortlaut der Anordnung gefragt habe. So etwas erleichtert die Rechtsfindung in der Regel erheblich.

Was die Pressekonferenz vom 13.09.2015 angeht habe ich folgende Mitteilung auf der Seite des BMI gefunden:

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2015/09/grenzkontrol...

Das dort wiedergegebene Pressestatement des Ministers enthält aber keine Aussage zu Rückweisungen oder § 18 AsylG.

Ich werde mal weiter schauen, was sich zur Aussetzung der Rückweisungen noch finden lässt.

Hier nochmal der Youtube Link von Herrn Mustermann mit Beginn dort, wo die relevanten Ausführungen anfangen:

https://youtu.be/GmzHtTa7FOM?t=3m45s

Allerdings löst § 18 AsylG die Passpflicht-Problematik nicht von selbst, weil diese ja in § 3 AufenthG geregelt ist und dort nur Einzelfallausnahmen bzw. Ausnahmen aufgrund Rechtsverordnung genannt sind. Ich tendiere aus der Hüfte heraus § 18 AsylG als Rechtfertigungsgrund bei § 95 AufenthG anzusehen. Denn was das Asylrecht erlaubt kann das Aufenthaltsrecht nicht unter Strafe stellen. Da kann es aber auch sein, dass die Anweisung des Ministers Erhellung bringt. Vielleicht weiss ja auch einer der Mitleser mehr als ich.

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Ich zitiere die AfD ja nur ungerne, aber:

Quote:

2.3
Eine Ausnahme von § 18 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AsylVfG könnte allerdings im Fall einer sog. „Ministeranordnung“ nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylVfG vorliegen. Danach könnte von einer Einreiseverweigerung erst dann abgesehen werden, wenn dies das Bundesministerium des Innern aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland angeordnet hat. Möglicherweise hat der Innenminister am 13. September anlässlich der öffentlich verlautbarten Wiedereinführung von Grenzkontrollen eine entsprechende geheime Anordnung erlassen. Damit hätte verhindert werden können, dass die Beamten der Bundespolizei dem Vorwurf einer Straftat oder eines Dienstvergehens ausgesetzt werden, falls die Polizeibeamten die Einreisewilligen aus dem sicheren Drittstaat nicht zurückweisen, sondern passieren lassen. Diese Information war der BILD-Zeitung vom 20.September 2015 zu entnehmen, konnte allerdings weder über seriöse Quellen verifiziert werden noch wurde ihre Existenz offiziell bestätigt.

http://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/2015/10/Strafanzeige_Me...

Das Schreiben datiert vom 09.10.2015, bis dahin scheint es also keine Bestätigung für eine Anweisung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylVfG gegeben zu haben.

Da müsste mal ein findiger Schleuser-Verteidiger das Informationsfreiheitsgesetz bemühen.

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@MT

In unserem Kulturkreis ist es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass die gesamte Befehlskette vom Grenzbeamten bis zum Innenminister hoch sich absichern muss, in Anbetracht der Kenntnis der Ankunft von ganzen Zugladungen von Flüchtlingen.

Nur weil Frau Merkel im Fernsehen mal ihr Herz öffnet, wird kein Staatsbediensteter von einer "konkludenten" Allgemeinverfügung ausgehen können.

 

Im Prinzip hatten wir das Thema im thread schon mal angeschnitten und so fühlt man sich nicht verantwortlich, die Hausaufgaben anderer Diskussionsteilnehmer nachzuholen, auch wenn es den Gedankenaustausch erheblich vereinfachen würde.

 

Wie auch immer scheint mir, dass die Ausgestaltung des Asylrechtes in § 18 uns die Möglichkeit einer zweigleisigen Betrachtungsweise eröffnet. (unter der Voraussetzung die Sonderzüge durch das Innenministerium bereitgestellt wurden.)

 

Über § 18 AsylG wird die Strafbarkeit der unerlaubten Einreise nicht aufgehoben. Nur auf Zurückweisung wird verzichtet und dadurch im Umkehrschluss das Untätigkeitsein der Grenzbeamten straffrei gestellt. 

 

Aus dieser Überlegung heraus könnte man den "Knopf" mit den hauptberuflichen Schleusern lösen, denn nun wäre klar, dass die Strafbarkeit nach § 96 AufhG weiterhin gegeben ist.

 

Nur der staatliche Schleuserbetrieb ist der Strafverfolgung entzogen.

 

Wär zumindest logisch.

 

@ Max Mustermann

Wie bereits ausführlich begründet kam es bei unserem vorigen Austausch auf Anordnungen etc. unterhalb der AufenthV nicht an.

Ebensowenig verantwortlich fühlt man sich für die Überprüfung der von anderen Blogteilnehmern spekulativ in die Diskussion eingebrachte Behauptungen.

Die zweigleisige Betrachtungsweise vermag ich nicht zu teilen. Es mutet geradezu kafkaesk an, Flüchtlingen nicht die Einreise zu verweigern, diese aber dann wegen fehlendem Pass strafrechtlich zu verfolgen (§ 95 AufenthG). Zumal § 18 Abs. 5 AsylVfG die erkennungsdienstliche Behandlung zwingend vorschreibt - die Identifizierbarkeit also sichergestellt werden muss. Da die Strafbarkeit nach § 96 AufenthG zwingend die Strafbarkeit der Flüchtlinge nach § 95 voraussetzt (Akzessorietät, s. Wortlaut § 96 AufenthG), ist auch der Schleuser wiederum straflos.

Das Innenministerium hat auf eine IFG-Anfrage folgendes bestätigt:

Quote:

Richtig ist, dass nach § 18 Abs. 2, Abs. 4 AsylVfG Maßnahmen der Zurückweisung
an der Grenze derzeit mit Bezug auf um Schutz nachsuchende Personen in aller Re-
gel nicht zur Anwendung kommen. Dies ist im Bundesinnenministerium im Einklang
mit dem geltenden Recht so entschieden worden. Eine „geheime Ministeranordnung“
gibt es aber nicht, weshalb auch eine Übersendung derselben nicht in Betracht
kommt.

http://www.blogblick.de/Anfrage%20BMI%20Aussetzung%20Fl%FCchtlingsgesetz...

Eine Entscheidung gibt es also, weswegen man aber kein Anordnung übersenden kann. Nun gut.

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Ist der Tatbestand der unerlaubten Einreise ohne Pass oder Passersatz nicht ein echtes Unterlassungsdelikt, das in der Regel nur dann verwirklicht werden kann, wenn den Täter eine Rechtspflicht zum Handeln trifft und er entgegen dieser Rechtspflicht ihm zumutbare Handlung unterlässt? In diesem Fall hätte sich der Täter nicht strafbar gemacht, wenn ihm eine Pass- oder Passersatzbeschaffung (z.B. bei der Einreise am Grenzübergang) unzumutbar gewesen wäre. 

Ich kann nicht ganz nachvollziehen, welche konkrete Handlung der Bundeskanzlerin ihr als Straftat vorgeworfen wird und sie dadurch mit Schleusern verglichen wird. 

Holm Putzke schreibt:

Angela Merkels Entschluss, zusammen mit Österreich die EU-Abreden über das Weiterreiseverbot von Flüchtlingen außer Kraft zu setzen, stellt sich zweifellos als eine solche Förderung dar

Inwieweit es den (passpflichtigen) Flüchtlingen, die ohne Pass eingereist sind, unter den besonderen Umständen und Massen zumutbar gewesen sein soll, einen gültigen Pass oder Passersatz zu beschaffen, geht Putzke nicht ein. Jedenfalls dürfe die Zumutbarkeitsfrage in Fällen, die unter Schleusertätigkeit fallen, generell anders beantwortet werden können als in den Fällen, die unter die Absprache mit Österreich fallen. 

Mitglieder des Landesverbands Baden-Württemberg der Partei die Republikaner sind anscheinend der Meinung, die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel habe sich wegen Schleusertätigkeit bzw. Anstiftung oder Beihilfe dazu strafbar gemacht. Ein Entwurf eines kurzen Mustertextes für eine entsprechende Strafanzeige findet man hier: xxx

Ein Redakteur der Internetseite Compakt ist anscheiend der Meinung, Angela Merkel habe durch ihr Verhalten im Hinblick auf die sogeannnte Flüchtlingskrise sogar auch Hochverrat begangen, und macht dazu Ausführungen hier: xxx

Der Beitrag von Compakt ist sicherlich übertrieben, und Compakt ist wohl auch extremistisch.

Der Mustertext der Republikaner erscheint dagegen nicht unbedingt extremistisch, bloß etwas dünn und oberflächlich.

Es soll aber wegen Schleuserverdachts wohl auch eine substantiiertere Strafanzeige gegen Frau Merkel aus dem Umfeld der AfD vorliegen, und diese letztere Anzeige scheint zumindest bislang wohl noch nicht von der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu den Akten gelegt worden sein.

Eine staatsanwaltschaftliche Feststellung, daß es keinerlei Anfangsverdacht gäbe, und das es keinerlei Anlass zu Vorermittlungen gäbe, wurde bislang wohl noch nicht abgegeben bzw. jedenfalls wohl noch nicht veröffentlicht.

Erledigt ist die Sache also anscheinend wohl noch nicht.

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Ich bin mir nicht sicher, ob man hier so viel Werbung für das rechte Spektrum (Republikaner, AfD, Compact...) machen dürfen sollte. Wir sind doch hier kein NSU-Ableger...

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Hallo Blogger. Die Vertreter von CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linkspartei vertreten ja nicht die Auffassung, das Angela Merkel sich strafbar gemacht habe. Wenn man sich mit der Auffassung oder Meinungsäußerung, das Angela Merkel sich strafbar gemacht habe, auseinandersetzen und sie wiederlegen will, dann wird man die Stellungnahmen von Vertretern der anderen Parteien wohl schwerlich ignorieren können.

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"Wenn man sich mit der Auffassung oder Meinungsäußerung, das Angela Merkel sich strafbar gemacht habe, auseinandersetzen und sie wiederlegen will, dann wird man die Stellungnahmen von Vertretern der anderen Parteien wohl schwerlich ignorieren können."

Die Beurteilung der Strafbarkeit eines Handelns hängt doch nicht von der Zugehörigkeit zu einer Partei ab. Und ein Gericht ist doch kein Rundfunkrat!

Mir ist nicht ganz klar, warum die unerlaubte Einreise eines passpflichtigen Ausländers ohne Pass ein Begehungsdelikt sein soll, der unerlaubte Aufenthalt eines passpflichtigen Ausländers ohne Pass dagegen ein (echtes) Unterlassungsdelikt ist. Das Schutzgut der Strafnorm folgt aus § 1 AufenthaltsG: Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern. Daran sind vor allem bestimmte Erklärungs- und Verhaltenspflichten von Ausländern geknüpft. Das Schutzgut der Strafnorm wird nicht verletzt, wenn der Ausländer seinen Pflichten nachkommt, so z.B. wenn er sich bei der Einreise am grenzpolizeilichen Übergang der Kontrolle stellt und die damit verbundenen Einreiseerklärungen wahrheitsgemäß vornimmt. Bei Zuwiderhandlung ist es nicht nachvollziehbar, dass es bei der Einreise anders als beim Aufenthalt auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Pflichterfüllung nicht ankommen soll. 

Jedenfalls kann man Flüchtlingen, die sich in Budapest oder Wien in einen von Deutschland bereitgestellten Zug setzen, nicht vorwerfen, sie hätten sich der grenzpolizeilichen Kontrolle entzogen und damit Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern unterlaufen. Das Schutzgut der Strafnorm wird nicht verletzt. Sie gleichwohl einem Strafvorwurf auszusetzen, erscheint absurd. Es dürfte doch offensichtlich sein, dass der Fall anders liegt, wenn sie sich in einen von Schleppern bereitgestellten Transporter setzen. 

WR Kolos schrieb:

[...]

Sie gleichwohl einem Strafvorwurf auszusetzen, erscheint absurd. Es dürfte doch offensichtlich sein, dass der Fall anders liegt, wenn sie sich in einen von Schleppern bereitgestellten Transporter setzen. 

Nichts ist daran absurd, wenn man auf Basis der Faktenlage einsieht, dass die Regierung hier gegen Gesetze verstößt, die sie formal (siehe Anfrage 18.10.) aufrecht erhält.

Die Regierung selbst ist die Schlepperorganisation. So einfach ist das.

Und diesen Zustand wird ein Rechtsstaat nicht lange aushalten. Da bin ich mir recht sicher.

 

Herzliche Grüße

Gerold Keefer

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Vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse könnte man vielleicht das "nicht" aus der Überschrift der Diskussion tilgen-

Herzliche Grüße

Gerold Keefer

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Fakt ist die Maßnahmen der Zurückweisung sind ausgesetzt (§ 18 Abs. 4 AsylVfG). Daher könnte man in der Überschrift eher ein "überhaupt" von dem "nicht" hinzufügen.

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Sehr geehrter Herr Keefer,

Sie schreiben:

Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass im Artikel 31 der Genfer Konvention mit "unmittelbar aus einem Gebiet kommen" im Hinblick auf den Landweg im Fall Syrien nur die Türkei, der Irak, der Libanon oder Jordanien als Staaten gemeint sein können. Auch im Sinne der Genfer Konvention ist damit eine Strafverfolgung wegen illegaler Einreise in Deutschland durchaus möglich und nach Gesetzeslage geboten. Andere Interpretationen führen in die Nähe des wirren Rechtsverständnisses der Kanzlerin selbt.

Vor dem Hintergrund, dass ich gerade meine Anzeige gegen Angela Merkel aufsetze, ein durchaus fruchtbarer Hinweis, der dankend aufgenommen wird!

"Gesunder Menschenverstand" ist nicht immer ein guter Ratgeber. Insbesondere wenn die Strafbarkeit von Menschen davon abhängen soll, habe ich mir angewöhnt, da sehr zurückhaltend zu sein. So aus dem hohlen Bauch heraus Strafrecht zu betreiben ist nicht meine Sache und sollte auch nicht die Ihre sein.

Zum Merkmal "unmittelbar" hier ein Zitat aus der Stellungnahme des UNHCR zu Art. 31 UN-Flüchtlingskonvention:

"Der Anwendungsbereich des Art. 31 Abs. 1 GFK ist nach dem Wortlaut der Vorschrift auf Personen beschränkt, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht war. Von der Vorschrift erfasst werden daher Flüchtlinge, die unmittelbar aus den in Art. 1 A GFK dargelegten Gründen aus ihrem Herkunftsland oder aus einem anderen Land, in dem ihr Schutz nicht gewährleistet war, kommen. “Unmittelbar” iSd Vorschrift reisen aber auch Personen ein, die sich vorher kurzzeitig in einem anderen Staat aufgehalten haben, wenn sie in diesem Drittstaat keine tatsächliche Möglichkeit hatten, zu bleiben, dort vergeblich versucht haben, Schutz zu finden oder wenn sie dort Asyl weder beantragt noch erhaltenhaben. Das Gleiche gilt, wenn die Einreise über den Drittstaat einen “fluchttypischen Umweg” darstellt. Auch der vorübergehende Aufenthalt in einem “sicheren Drittstaat” iSd Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz unterbricht nicht notwendigerweise die Unmittelbarkeit der Einreise in das Zufluchtsland. Die Verfasser der GFK führten den Begriff “unmittelbar kommen” nicht ein, um diejenigen, die durch ein anderes Land gereist waren, von dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszuschließen, sondern diejenigen, die sich in einem anderen Land bereits vorübergehend niedergelassenhatten.  Das heißt, entscheidend ist nicht, ob der Asylsuchende in dem Drittland hätte Schutz finden können, sondern, ob seine Flucht in dem Drittstaat eine gewisse Beendigung gefunden hat. Denn dann ist dem Schutzsuchenden zuzumuten, bei der Einreise in einen weiteren Staat die entsprechenden Einreisevorschriften zu beachten. Die Auffassung,einem Flüchtling könne schon die bloße Möglichkeit, in einem Drittland Schutz zu suchen, entgegengehalten werden, fand in den Verhandlungen zur Annahme der GFK keine Mehrheit. Die Staatenbevollmächtigten waren der Ansicht, dass eine derartige Behauptung jeder Staat erheben könne und befürchteten, dass Art. 31 GFK auf diese Weise ausgehebelt werden könnte."

(Quelle: http://www.unhcr.de/fileadmin/rechtsinfos/fluechtlingsrecht/3_deutschlan...)

Das ist die Interpretation, die ich oben versucht habe, in knappere Worte zu fassen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Lieber Herr Müller,

Henning Ernst Müller schrieb:

"Gesunder Menschenverstand" ist nicht immer ein guter Ratgeber. Insbesondere wenn die Strafbarkeit von Menschen davon abhängen soll, habe ich mir angewöhnt, da sehr zurückhaltend zu sein. So aus dem hohlen Bauch heraus Strafrecht zu betreiben ist nicht meine Sache und sollte auch nicht die Ihre sein.

Nun ja, man kann natürlich auch unter Umgehung der Gesunden Menschenverstandes Strafrecht betreiben. Ich bezweifle aber, dass das Ergebnis im vorliegenden Falle bessere sein wird.

Man muss sich doch einmal den Sinn dieser Konvention klar machen: Es geht darum, dass sich die Unterzeichnerstaaten dazu bereit erklären, Menschen, die durch Kriege und Kriegshandlungen an Leib und Leben bedroht sind, Schutz zu gewähren. Schutz gewähren im Sinne der Konvention bedeutet ganz klar nicht Wohlstand zu ermöglichen.

Denn das würde genau solche Völkerwanderungen auslösen, wie jene, die von Angela Merkel seit 10 Wochen inszeniert wird: Flüchtlinge suchen sich das Land mit den vermeintlich besten Lebensbedingungen heraus und destabilisieren dabei absehbar das Zielland Deutschland und nachweisbar die Transitländer.

Die Weiterreise wird von den Flüchtlingen teilweise erzwungen, obwohl ihnen Schutz in vielen anderen Ländern angeboten wird. In Polen haben viele aufgenommenen Flüchtlinge das Land über Nacht verlassen, nachdem Merkel ihre Einladung aussprach.

Der von Ihnen mühevoll herbeizitierte UNHCR.Kommentar, der in dieser Sache dem deutschen Grundgesetz, dem Asylverahrensgesetz und dem Dublin-Abkommen klar widerspricht, hilft da auch nicht weiter. Artikel 31 wir gegenwärtig nicht von Staaten ausgehelbelt, wie dort vermutet, sondern von vielen Flüchtlingen. Darum geht's.

Henning Ernst Müller schrieb:

Das ist die Interpretation, die ich oben versucht habe, in knappere Worte zu fassen.

Ja, der Versuch ist ja nett. Die Realität sieht aber wie folgt aus und daran zeigt sich, was für bizarre Züge diese "Flüchtlingskrise" mittlerweile annimmt:

"And then we found out that the two Afghans had ended up in Romania by mistake. Apparently, they were trying to get to Hungary via Serbia but took the wrong turn exactly where the Hungarian and the Romanian border meet, ending up in Beba Veche. The Romanian Border Police caught them three meters from the border, and told them they were in Romania. So they did what every Romanian does in his heart every time we come back from a trip to the West: They started crying. The whole country empathized.

Later, at the police station, the two Afghans were told they could not get into Hungary so they asked to be sent back to Serbia, instead of staying in Romania. Which is exactly what happened yesterday, based on the agreement of readmission between Serbia and our country. Romania had just missed its chance to receive its only refugees. "

Quelle: http://www.vice.com/read/afghan-refugees-in-romania-crying-not-hungary-876

Ich will nun nicht alle Flüchtlinge lächerlich machen. Viele haben tatsächliche Verfolgung und Bedrohung erlebt und nicht nur wegen Verträgen ist es unsere Pflicht zu denen zu helfen. Viele andere kommen aber ganz offenischtlich weil sie sich in Deutschland ein besseres Leben versprechen. Das ist verständlich, darauf kann es aber kein Anrecht geben. Auch nicht, wenn Angela Merkel es gerne so hätte.

 

Herzliche Grüße

Gerold Keefer

 

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@MT

Danke für die Einstellung der Anwort nach Informationsfreiheitsgesetz.

Ist doch drollig. Der Innenminister erklärt dem Volk, Schengen erlaubt eine eine strenge Kontrolle der Grenze und die würde er jetzt sichern.

Das Innenministerium erklärt, es gäbe zwar keine Anordnung des Ministers, es wäre aber entschieden worden, erstmal auf Rückweisungen zu verzichten.

Hat der Staat sich jetzt selbstständig gemacht? 

Da in der Realität 10`000 Menschen die Grenze übertreten, wäre es personell schon gar nicht zu stemmen, eine Sortierung vorzunehmen.

Ich verstehe natürlich ihren Ansatz, erstmal reinzulassen und im Anschluss eine Auslese vorzunehmen.

Nur das wird nicht funktionieren:

http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/fluechtlinge-pakist...

 

Die Herkunftsländer werden die Menschen nicht mehr zurücknehmen. Die werden "Intergrationskosten" für ihre eigenen Staatsbürger in Rechnung stellen.

 

Wir werden erpresst: Entweder wir sind hier verantwortlich für die Menschen und sichern ihnen hier ein menschenwürdiges Dasein oder wir bezahlen die Herkunftsländer.

 

Die nehmen die Menschen einfach nicht mehr zurück. Macht Nigeria seit Jahren so.

 

 

Da hier nun auch über die Flüchtlingskonvention diskutiert wird möchte ich darauf hinweisen dass nur ein sehr kleiner Teil der sog. Flüchtlinge überhaupt darunter faellt. Denn es reicht keineswegs aus einem Land zu kommen, in dem Krieg ist!

 

Relevant ist vielmehr dass die Person verfolgt wird wegen Religion, Volkszugehörigeit, politischer Ansichten, usw. und der Herkunftsstaat keinen hinreichenden Schutz bietet. Historisch wollte man es aus naheliegenden Gründen naemlich grade vermeiden allen allgemein Kriegsbetroffenen Flüchtlingsrechte einzuraeumen: Verhindert werden sollten nur Situtionen wie im 2ten WK, wo flüchtende Juden die per Schiff zB in England und den USA ankamen massenhaft nach Deutschland zurückgeschickt wurden.

 

Akut wird diese Problematik zZ in der FAZ und SPON diskutiert, wo es darum geht, dass unser Innenminister angeblich unabgesprochen die Weisung gegeben hat, dass Syriern nur noch subsidaerer Schutz nach EU Recht (und ohne Familiennachzug) und kein Flüchtlingsstatus mehr bewilligt werden darf.

 

In der Sache hat Thomas de Maiziere Recht, allerdings zeigt es nur einmal mehr den Verfall des dt. Rechtsstaats wenn so zentrale Dinge wie Flüchtlingsstatus willkürlich von Ministern vergeben werden. In einem Rechtsstaat würde es aus dem Gesetz hervorgehen ob jemand Anspruch auf Flüchtlingsstatus hat oder nicht. Tatsaechlich laesst es sich ja auch aus dem Gesetz ableiten; es wird nur bisher ignoriert.

Die vorherige Weisung zu Syriern wurde mit der absurden Begründung umgesetzt, dass Verfolgung bei Syriern anzunehmen ist weil Assad mal gesagt haben soll, dass er dagegen ist, dass Syrier flüchten, und somit durch Verlassen des Landes Verfolgungsgefahr entstanden sei. Falls diese neue Weisung echt existiert lehnen sich die Bescheidbegründungen ab jetzt vllt wieder etwas mehr ans Gesetz an.. 

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Und dazu auch noch etwas: 

 

Das sog. Asylgrundrecht aus dem dt. Grundgesetz ist nochmal wesentlich enger als die Genfer Flüchtlingskonvention. Ein Recht auf Asyl nach GG haben nur POLITISCH Verfolgte (Wortlaut!) und damit weit unter 1% der aktuellen Flüchtlinge.

 

Alle anderen können Ansprüche nur aus einfachgesetzlichen Bestimmungen herleiten, die da waeren (soweit ich das aktuell überblicke):

1. völkerrechtliche Vertraege, die als einfache Gesetze gelten: vorallem die modifizierte GFK

2. EU-Recht: v.a. RICHTLINIE 2004/83/EG und 2011/95/EU

3. dt. Auslaenderrecht, welches die genannten Richtlinien umsetzt

4. sonstiges dt. Auslaenderrecht, z.B. die Strafbestimmungen

 

Da die EU-Richtlinien nur in Ausnahmefaellen direkt anwendbar sind bleibt also nur die GFK sowie das dt. Auslaenderrecht als Anspruchsgrundlagen. Und soweit wir über die akute Krise reden kann man sich dabei Diskussionen über Grundrechte wohl weitgehend sparen, weil es fast keine GG-Asylanten gibt.

 

Die Verwischung der Grenzen zw. GG-Asylanten und Flüchtlingen ist natürlich politisch gewollt, aber die Diskussion hier würde von etws mehr begrifflicher Klarheit profitieren, zB könnte man sich die Diskussion über GG 16a und die sichere Drittstaatenklausel komplett sparen.

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Mich würde zB interessieren wie Prof. Müller darauf kommt, dass die Strafbarkeit wg. Schleusung die Strafbarkeit der Geschleusten wg. illegaler Einreise voraussetzt, denn das steht weder im Gesetz noch macht es Sinn.

Warum sollte zB Schleusung von unschuldigen bewusstlosen Flüchtlingen legal sein?

 

Denn wir reden ja hier nicht von Beihilfe sondern von der speziellen Strafnorm in §96. 

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Mich würde zB interessieren wie Prof. Müller darauf kommt, dass die Strafbarkeit wg. Schleusung die Strafbarkeit der Geschleusten wg. illegaler Einreise voraussetzt, denn das steht weder im Gesetz noch macht es Sinn.

Ein Blick  ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung (Nipperdey). Das ergibt sich aus § 96 Abs. 1 S. 1 AufenthaltsG, der aber keine "Strafbarkeit", sondern nur eine "Handlung" voraussetzt, also eine rechtswidrige und vorsätzliche, nicht aber eine schuldhafte Haupttat, voraussetzt (sog. "limitierte Akzessorietät"; vgl. BGH, U. v. 13.1.2015 - 4 StR 378/14, Rdnr. 9).

Dr. Rübenach schrieb:

Mich würde zB interessieren wie Prof. Müller darauf kommt, dass die Strafbarkeit wg. Schleusung die Strafbarkeit der Geschleusten wg. illegaler Einreise voraussetzt, denn das steht weder im Gesetz noch macht es Sinn.

Ein Blick  ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung (Nipperdey). Das ergibt sich aus § 96 Abs. 1 S. 1 AufenthaltsG, der aber keine "Strafbarkeit", sondern nur eine "Handlung" voraussetzt, also eine rechtswidrige und vorsätzliche, nicht aber eine schuldhafte Haupttat, voraussetzt (sog. "limitierte Akzessorietät"; vgl. BGH, U. v. 13.1.2015 - 4 StR 378/14, Rdnr. 9).

 

Gut, das stützt aber nicht die Folgerung dass im hier vorliegendem Fall keine Strafbarkeit wegen Schleusung vorliegt. Denn der Standardflüchtling reist ja weiterhin rechtswidrig und vorsaetzlich ein, auch wenn er sich der Rechtswidrigkeit mglw. nicht bewusst ist.

 

Rechtswidrig ist die Handlung, weil sie den Tatbestand erfüllt: Einreise ohne Pass, etc.

Vorsaetzlich ist die Handlung, weil der Flüchtling einreisen möchte. (Ob er rechtswidrig einreisen will ist irrelevant).

 

Wenn die Schuld bei der Haupttat entfaellt kommt das also nur dem Haupttaeter, nicht dem Schleuser zugute.

 

(Weil ein Irrtum des Flüchtlings über die rechtliche Bewertung allenfalls die Schuld entfallen laesst, nicht aber rechtswidrigkeit und Vorsatz.)

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Sehr geehrter Danny,

Sie schreiben:

Mich würde zB interessieren wie Prof. Müller darauf kommt, dass die Strafbarkeit wg. Schleusung die Strafbarkeit der Geschleusten wg. illegaler Einreise voraussetzt, denn das steht weder im Gesetz noch macht es Sinn.

§ 96 AufenthaltsG setzt die unerlaubte Einreise voraus. Ausgangspunkt ist für mich die von meinem Kollegen Putzke in die Diskussion gebrachte These, Frau Merkel habe sich nach dieser Norm wegen Schleusens strafbar gemacht. Ich habe in meinem Ausgangsbeitrag auf die Zusammenhänge der Regelungen hingewiesen. Dies lässt sich auch leicht nachvollziehen anhand der Gesetzestexte und Kommentare. Es macht wenig Sinn mit Ihnen zu diskutieren, wenn Sie einfach das Gegenteil der Realität behaupten ("steht nicht im Gesetz").

Warum sollte zB Schleusung von unschuldigen bewusstlosen Flüchtlingen legal sein?

"Schuld" ist nicht Voraussetzung. Wer einen "Bewusstlosen" über die Grenze bringt, macht sich ggf. wegen Freiheitsberaubung etc. strafbar. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie für solch einen ausgedachten Fall Frau Merkel verantwortlich machen würden.

aber die Diskussion hier würde von etws mehr begrifflicher Klarheit profitieren,

Ja, das Kompliment gebe ich gern zurück.

Freundliche Grüße

Henning Ernst Müller

 

Neben den gesamten Einwänden gegen eine Strafbarkeit - fehlender objektiver Tatbestandt, Vorsatz, Rechtswidrigkeit (s. Blogbeitrag und Kommentare bis jetzt)- wogegen noch nichts Substantielles vorgebracht wurde, noch ein weiterer Gedanke: Die strafrechtlichen Vorschriften des AufenthG sind gar nicht auf Asylsuchende anwendbar.

Quote:

27.4.2 Besonderheiten bei der Täterschaft
Asylantragsteller, deren Aufenthalt gem. § 55 AsylVfG gesetzlich gestattet ist, benötigen zum legalen
Aufenthalt keinen Pass oder Passersatz. Sie erhalten gem. § 63 I AsylVfG eine Bescheinigung
über die gesetzlich bestehende Aufenthaltsgestattung, die mit den Angaben zur Person und
einem Lichtbild versehen ist. Gem. § 64 I AsylVfG erfüllen Asylantragsteller mit der Bescheinigung
über die Aufenthaltsgestattung während des Asylverfahrens ihre Ausweispflicht. Es handelt sich
hierbei um eine eigenständige Ausweispflicht und nicht die gem. § 48 II AufenthG geregelte
Pflicht. Asylantragsteller unterliegen in aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten grds. nicht dem
AufenthG.
1813 Sollte deshalb die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ungültig werden oder
abhanden kommen, liegt kein Verstoß gegen § 95 I Nr. 1 AufenthG vor.
Gem. Art. 16a I GG oder nach § 60 I AufenthG anerkannte Asylberechtigte haben Anspruch auf
Erteilung eines Reiseausweises nach der GFK1814, somit auf einen Passersatz gem. § 1 III Nr. 2, § 4
I Nr. 4 AufenthV. Damit scheidet eine Strafbarkeit gem. § 95 I Nr. 1 AufenthG aus, auch wenn der
Passersatz noch nicht ausgestellt wurde.

http://www.westphal-stoppa.de/Buchinfo-Dateien/Leseprobe95INr1.pdf

Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Auflage 2007

 

0

MT schrieb:

Neben den gesamten Einwänden gegen eine Strafbarkeit - fehlender objektiver Tatbestandt, Vorsatz, Rechtswidrigkeit (s. Blogbeitrag und Kommentare bis jetzt)- wogegen noch nichts Substantielles vorgebracht wurde, noch ein weiterer Gedanke: Die strafrechtlichen Vorschriften des AufenthG sind gar nicht auf Asylsuchende anwendbar.

 

Ehehe, also ich finde eher die Einwände nicht substantiell. Gehen wir doch mal alle durch.

 

In Bezug auf die Haupttat:

 

1. Vorsatz:

Bezweifeln Sie ernsthaft, dass der Standardflüchtling absichtlich einreist? Wohl kaum. Und auf die Absicht bzgl. der Illegalität kommt es nicht an beim Vorsatz.

 

2. Tatbestand: 

Fangen wir an beim Aufenthaltsgesetz:    

§ 95

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

[..]  3. entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,  [..]

 

Ist der Flüchtling eingereist? Ja.

Ist er entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 eingereist?  Dazu:

§ 14

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.    einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt  [..]

Der Standardflüchtling besitzt keinen Pass oder Passersatz. Aber ist überhaupt ein Pass gemäß § 3 Abs. 1 erforderlich?

§ 3

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

Ein Pass/Passersatz ist also für alle nicht per Rechtsverordnung befreiten Ausländer erforderlich, denn diese dürfen "nur" mit Pass/Passersatz einreisen. Damit erfüllen alle nichtbefreiten Flüchtlinge den obj. Tatbestand, weil Sie als einreisende Ausländer keinen Pass besitzen.

Kann es wohlmöglich eine befreiende Rechtsverordnung gegeben haben? Nein, denn Absatz 2 beschränkt die RV auf Einzelfälle:

(2) Das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen. 

 

3. Rechtswidrigkeit:

 

Ist hier gegeben weil der Tatbestand erfüllt ist ohne das strafrechtliche Rechtfertigungsgründe vorliegen. Denn der Standardflüchtling ist ja z.B. in Österreicht nicht akut bedroht gewesen.

 

Sollte es entgegen § 3 Abs. 2 eine Ultra-Vires-RV gegeben haben würde dadurch die rechtswidrigkeit der Einreise nicht entfallen. Lediglich die Schuld des Flüchtlings und damit die Strafbarkeit der Haupttat könnte entfallen (wg. mglw. unvermeidbarem Erlaubnisirrtum). 

 

Zur Anwendung des § 96 (Schleusung) bedarf es aber garkeiner strafbaren Haupttat, sondern nur einer Handlung, die vorsätzlich ist und den Tatbestand des § 95 erfüllt. Beides liegt, wie grade gezeigt beim den aktuellen Standardflüchtlingen vor. Und die Bundesregierung sieht das offensichtlich genauso, wie sich in der Inhaftierung von politisch nicht-priviligierten Schleusern zeigt.

 

 

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Danny schrieb:

 

Ehehe, also ich finde eher die Einwände nicht substantiell. Gehen wir doch mal alle durch.

 

In Bezug auf die Haupttat:

 

1. Vorsatz:

Bezweifeln Sie ernsthaft, dass der Standardflüchtling absichtlich einreist? Wohl kaum. Und auf die Absicht bzgl. der Illegalität kommt es nicht an beim Vorsatz.

Der Vorsatz wird nicht ohne Grund nach dem objektiven Tatbestand geprüft. Komme ich noch drauf zurück.

Quote:

2. Tatbestand: 

[...]

Ein Pass/Passersatz ist also für alle nicht per Rechtsverordnung befreiten Ausländer erforderlich, denn diese dürfen "nur" mit Pass/Passersatz einreisen. Damit erfüllen alle nichtbefreiten Flüchtlinge den obj. Tatbestand, weil Sie als einreisende Ausländer keinen Pass besitzen.

Kann es wohlmöglich eine befreiende Rechtsverordnung gegeben haben? Nein, denn Absatz 2 beschränkt die RV auf Einzelfälle:

(2) Das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

§ 3 Abs. 2 AufenthG beschränkt nicht die Verordnungsbefugnis. Der § 3 Abs. 2 AufenthG enthält eine originäre Befugnis zur Entscheidung im Einzelfall losgelöst von den in Abs. 1 genannten Rechtsverordnungen. Das ergibt sich aus der Historie der Norm, s. BT-Drs 22/03 S. 156.

http://dipbt.bundestag.de/doc/brd/2003/0022-03.pdf#156

Es würde auch keinen Sinn machen eine Rechtsverordnung auf Einzelfälle zu beschränken. Sinn einer Rechtsverordnung ist es ja gerade, vielfältige ähnlich gelagerte Fälle gleichmäßig zu regeln.

 

Nun zum Vorsatz: Dieser muss sich auf _alle_ objektiven Tatbestandsmerkmale erstrecken, also auch auf die Passpflicht - und nicht nur die Einreise. Das haben andere und ich bereits ausgeführt und ich verweise zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Beiträge.

 

Quote:

3. Rechtswidrigkeit:

 

Ist hier gegeben weil der Tatbestand erfüllt ist ohne das strafrechtliche Rechtfertigungsgründe vorliegen. Denn der Standardflüchtling ist ja z.B. in Österreicht nicht akut bedroht gewesen.

Welcher Rechtfertigungsgrund wird hier geprüft? Ich verweise auch hier zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorherige Diskussion und die dort angesprochenen Rechtfertigungsgründe.

 

Quote:

Zur Anwendung des § 96 (Schleusung) bedarf es aber garkeiner strafbaren Haupttat, sondern nur einer Handlung, die vorsätzlich ist und den Tatbestand des § 95 erfüllt.[...]

Die Rechtswidrigkeit gehört auch dazu (limitierte Akzessorietät), wiederum Verweis auf vorherige Beiträge.

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MT schrieb:

Quote:

2. Tatbestand: 

[...]

Ein Pass/Passersatz ist also für alle nicht per Rechtsverordnung befreiten Ausländer erforderlich, denn diese dürfen "nur" mit Pass/Passersatz einreisen. Damit erfüllen alle nichtbefreiten Flüchtlinge den obj. Tatbestand, weil Sie als einreisende Ausländer keinen Pass besitzen.

Kann es wohlmöglich eine befreiende Rechtsverordnung gegeben haben? Nein, denn Absatz 2 beschränkt die RV auf Einzelfälle:

(2) Das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

§ 3 Abs. 2 AufenthG beschränkt nicht die Verordnungsbefugnis. Der § 3 Abs. 2 AufenthG enthält eine originäre Befugnis zur Entscheidung im Einzelfall losgelöst von den in Abs. 1 genannten Rechtsverordnungen. Das ergibt sich aus der Historie der Norm, s. BT-Drs 22/03 S. 156.

http://dipbt.bundestag.de/doc/brd/2003/0022-03.pdf#156

Es würde auch keinen Sinn machen eine Rechtsverordnung auf Einzelfälle zu beschränken. Sinn einer Rechtsverordnung ist es ja gerade, vielfältige ähnlich gelagerte Fälle gleichmäßig zu regeln.

Ok, Sie haben Recht: Absatz 2 begründet eine zusätzliche Kompetenz für den Einzelfall.

Die Kompetenz zum Erlass allgemeiner Rechtsverordnungen ist dann allerdings in §99 detailliert geregelt und relativ stark beschränkt.

Zur Aussetzung der Passpflicht durch die Exekutive könnte §99 Absatz 1 Nummer 4 berechtigen, aber das würde die Zustimmung des Bundesrats erfordern, welche es in der aktuellen Krise bisher nicht gab. Ansonsten seh ich dort keine passende Ermächtigung. Oder woraus würden Sie die Verordnungsbefugnis herleiten?

 

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MT schrieb:

Nun zum Vorsatz: Dieser muss sich auf _alle_ objektiven Tatbestandsmerkmale erstrecken, also auch auf die Passpflicht - und nicht nur die Einreise. Das haben andere und ich bereits ausgeführt und ich verweise zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Beiträge.

 

Ich verstehe nicht ganz, was es heissen könnte, dass sich der Vorsatz auf die Passpflicht erstrecken muss. Meinen Sie, dass der Ausländer die Absicht haben muss illegal einzureisen um den Tatbestand erfüllen zu können?

Genau genommen steht "Passpflicht" ja auch nur in der Überschrift und ist eigentlich auch nichts was in der materiellen Realität existiert oder nicht existiert, sondern es gehört eher zur rechtlichen Bewertung und damit nicht in den obj. Tatbestand. Ich würde sagen der Vorsatz muss sich beziehen auf die "Einreise ohne Pass", so dass es zB. straffrei wäre den Pass unbemerkt zuhause vergessen zu haben. Der Standardflüchtling weiss aber ja durchaus, dass er keinen Pass besitzt. 

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MT schrieb:

Quote:

3. Rechtswidrigkeit:

 

Ist hier gegeben weil der Tatbestand erfüllt ist ohne das strafrechtliche Rechtfertigungsgründe vorliegen. Denn der Standardflüchtling ist ja z.B. in Österreicht nicht akut bedroht gewesen.

Welcher Rechtfertigungsgrund wird hier geprüft? Ich verweise auch hier zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorherige Diskussion und die dort angesprochenen Rechtfertigungsgründe.

Keiner. Ich dachte dabei im Prinzip an Nothilfe, Notwehr, und ähnliches.

Das muss aber, denke ich, hier garnicht geprüft werden, weil es höchstens auf einen Teil der Flüchtlinge zutrifft. Frau Merkel macht sich bereits strafbar, wenn mind. ein Flüchtling keinen Rechtfertigungsgrund hat.

In der Realität wird die grosse Mehrheit, z.B. die aus Österreich, wohl eher keinen Rechtfertigungsgrund haben. Daher das Konstrukt / die Idee des "Standardflüchtlings". Ich denke nicht, dass Sie der Ansicht sind, dass alle Flüchtlinge einen Rechtfertigungsgrund haben (?). 

   

Quote:

Quote:

Zur Anwendung des § 96 (Schleusung) bedarf es aber garkeiner strafbaren Haupttat, sondern nur einer Handlung, die vorsätzlich ist und den Tatbestand des § 95 erfüllt.[...]

Die Rechtswidrigkeit gehört auch dazu (limitierte Akzessorietät), wiederum Verweis auf vorherige Beiträge.

Dazu zwei Anmerkungen:

  1. Ich verteidige ja auch die Position, dass Rechtswidrigkeit gegeben ist. Soweit ich damit Erfolg habe wär die Strafbarkeit für Schleusung also so oder so gegeben.
     
  2. Den Punkt der Rechtswidrigkeit hab ich nicht genannt, weil ich die BGH Argumentation da nicht so überzeugend finde (oder eventuell nicht anwendbar). Dem BGH scheint es in der von Ihnen zitierten Entscheidung eher darum zu gehen die Strafbarkeit auszuweiten (limitierte statt strenge Akzessorietät) und die Versuchsstrafbarkeit zu begründen.
    Wenn man sich den Wortlaut von §96 anschaut braucht man aber nur Hilfeleistung zu einer "Handlung" wie sie in §95  in den entsprechenden Abschnitten und refenrenzierten Gesetzestexten beschrieben ist. Aus dem Wort "Handlung" kann man denke ich durchaus ableiten, dass "vorsätzliches Verhalten" notwendig ist und einfaches Verhalten nicht ausreicht, weil das eben die Bedeutung von "handeln" im allg. Sprachgebrauch ist. Dass auch Rechtswidrigkeit notwendig ist sieht man imho weder dem Wort "Handlung" noch dem sonstigem Text an. Mglw hat der BGH darüber auch garnicht besonders nachgedacht, weil die rechtswidrigkeit normalerweise ja mit der Erfüllung des Tatbestands gegeben ist.
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Zu der Frage, ob die Flüchtlinge bereits als Asylantragsteller gelten, siehe § 13 AsylVfG (jetzt: AsylG):

Quote:

(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.
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Abs. 3 von § 13 Asyl(Vf)G sollte man dazu zitieren:

Quote:

(3) Ein Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist, hat an der Grenze um Asyl nachzusuchen (§ 18). Im Falle der unerlaubten Einreise hat er sich unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung zu melden (§ 22) oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachzusuchen (§ 19).

Wobei ein Flüchtling, der in einem Sonderzug ankommt, schon allein dadurch der Pflicht nach § 18 Abs. 1 Asyl(Vf)G nachkommt. Denn er kann durch die Behörden als Flüchtling erkannt werden und, wie vom Gesetz vorgesehen, in die Aufnahmeeinrichtung weitergeleitet werden.

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@MT 

So, damit sollten Asylsuchende abgehackt sein. Jetzt bleibt nur noch zu klären, wie es um Kriegs- und Katastrophenflüchtlinge steht, die keinen Asylantrag stellen, sondern nur den subsidiären Schutz in Anspruch nehmen wollen. Sie dürften von der Passpflicht nach § 14 AufenthV befreit sein (, da sie bei Katastrophenfällen Hilfe in Anspruch nehmen wollen). Darauf hatte Professor Müller schon hingewiesen. 

Wenn sie auch nicht von der Passpflicht befreit sein sollten und sich dennoch aber in den Sonderzug nach Deutschland gesetzt hatten, von dem die Grenzbehörden Kenntnis hatten, können sie 
nicht unerlaubt eingereist sein, wenn die Grenzbehörden auf Passkontrolle verzichtet und die Kontrolle den Aufnahmestellen überlassen haben. Auch darauf hatte Professor Müller schon hingewiesen. Sie hatten sich damit auch nicht zweckwidrig (§ 1 AufenthG) verhalten und damit auch nicht strafbar.

Aufenthaltsrechtlich sind die von der Bundeskanzlerin in Gang gesetzten Maßnahmen auch zweckdienlich und nicht zweckwidrig. Sie sind auf Kontrollsicherung gerichtet und nicht auf Kontrollverlust. Es ist doch besser, die von sogenannten sicheren Drittstaaten nicht bewältigten Flüchtlingsmengen kontrolliert in Sonderzügen aufzunehmen als darauf zu warten, dass sie unkontrolliert über die grüne Grenze einreisen und im Vorgarten des einen oder anderen Bloggers kampieren.  

Und was bleibt jetzt noch zu klären?

@ Waldemar Robert Kolos

Der subsidiäre Schutz ist ebenfalls vom Asylantrag umfasst, § 13 Abs. 1 iVm § 4 Asyl(Vf)G. Die Antragstellung würde ich wiederum in dem auf andere Weise geäußerten Willen sehen.

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Die Väter unseres Grundgesetzes haben bei der Schaffung des Asylrechts daran gedacht, politisch verfolgte Freiheitskämpfer oder Widerstandskämpfer (also Leute wie Graf Stauffenberg oder die Geschwister Scholl) aufzunehmen, aber nicht daran, ganze femde Völkerscharen ins Land zu lassen, wie es im Augenblick geschieht.

Die meisten Leute, die dieses Jahr und in den letzten Jahren in Deutschland Asyl beantragen und beantragten, sind nicht asylberechtigt (das belegen amtliche Statistiken), und sie wissen dies auch (habe selber Asylberwerber in Asylverfahren vertreten, und auch die meisten Anwaltskollegen auf dem gebiet tätigen werden das bestätigen können).

Auch ein Großteil der von den Boulevard-Medien pauschal als Flüchtlinge bezeichneten personen sind in Wirklichkeit gar keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konventionen, und auch die meisten dieser Leute wissen das auch selber.

Wenn man manche Leserkommentare hier liest und glauben würde, dann gäbe es wohl überhaupt keine illegale Einreise mehr, sondern immer und überall und ausschließlich legale Einreisen, was aber natürlich nicht zutreffend ist, und jahrzehntelanger Rechtspraxis und Rechtsprechung entgegenstehen würde.

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@ Nicht-Merkel-Anhänger

Ich weiss nicht genau, welche Leserkommentare gemeint sind. Was ich hier lese ist ausschließlich auf die Flüchtlingskrise anwendbar, und führt nicht dazu, dass es nur noch legale Einreisen gibt. Es wird schließlich im Regelfall keine ministerielle Anordnung (§ 18 AsylVfG), keine Flüchtlingskatastrophe (§ 14 AufenthV), keine faktische Aussetzung der Passpflicht, kein rechtfertigender Notstand und auch keine Lebens- bzw. Freiheitsbedrohung (Art. 31 GFK) vorliegen. All das sind Sonderkonstellationen aufgrund der derzeitigen Lage, und die hat mit dem Normalzustand nur sehr wenig zu tun.

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Die Väter unseres Grundgesetzes haben bei der Schaffung des Asylrechts daran gedacht, politisch verfolgte Freiheitskämpfer oder Widerstandskämpfer (also Leute wie Graf Stauffenberg oder die Geschwister Scholl) aufzunehmen, aber nicht daran, ganze femde Völkerscharen ins Land zu lassen, wie es im Augenblick geschieht.

Die "Väter unseres Grundgesetzes" konnten selbstverständlich vor mehr als 60 Jahren auch die Problematik der Globalisierung nicht vorhersehen und den Umstand, dass jeder ein Smartphone und Internet hat, die ihm bei der Planung eines menschenwürdigen Lebens den Weg weisen und die Möglichkeit geben, Kenntnisse zu vermitteln und Strategien zu entwickeln, als unwiderstehliche Masse dorthin zu kommen. Wir werden uns als einzelnes Land dagegen gar nicht mehr wehren können. Das ist wie mit dem Klimawandel. Der Zug ist abgefahren, auch wenn Sie sich als "Nicht-Merkel-Anhänger" in Verkennung der Sachlage noch so dagegen sträuben. An der Flüchtlingsfrage wird Europa endgültig zusammenwachsen oder endgültig zerbrechen.

Abgefahren ist für verständige Zeitgenossen im Übrigen auch der Zug, immer nur von den "Vätern unseres Grundgesetzes" zu reden. Im parlamentarischen Rat gab es wunderbarerweise auch Frauen, nämlich Friederike Nadig (SPD), Elisabeth Selbert (SPD), Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrum). Es handelt sich also um die "Eltern des Grundgesetzes", was auch "Nicht-Merkel-Anhänger" nach vielen Jahrzehnten der Gleichberechtigung demnächst zur Kenntnis nehmen sollten.

Dr. Rübenach schrieb:

(...)

Wir werden uns als einzelnes Land dagegen gar nicht mehr wehren können. Das ist wie mit dem Klimawandel.

(...)

 

Mit Verlaub, Herr Doktor, das ist einfach Unfug. Diese Völkerwanderung ist keine Naturkatastrophe und kein unabwendbares Schicksal. Die viel kleinere Schweiz hat die Lage ganz ausgezeichnet im Griff und zwar ohne "Panzer und Senfgas", aber mit Bewaffnung und Drohung mit Gewalt. Aber ein 80 Millionen Volk schafft das nicht, und verteidigt seine Freiheit staat in Freilassing und Passau lieber taper in Timbuktu und Kundus.

Jedem ist doch klar, dass die Grenzen spätestens dann geschlossen werden, wenn die Gewalt in Deutschland für alle sichtbar eskaliert. Merkels Hoffnung ist offenbar, dass Deutschland dann so weit destabilisiert ist, dass man nach einer starken EU rufen kann. Diese Strategie deuten sie ja bereits selbst an:

Dr. Rübenach schrieb:

An der Flüchtlingsfrage wird Europa endgültig zusammenwachsen oder endgültig zerbrechen.

 

Herzliche Grüße

Gerold Keefer

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Mit den gleichen Arguementen, mit denen sonst Angeklagte verteidigt werden, wird hier auch Frau Merkel verteidigt.

Sp wird, behauptet, auch wenn sie anders gehandelt hätte, wäre es angeblich gleichwohl zu dem gleichen Ergebnis gekommen, und der Eintritt der Situation, daß Hunderttausende oder gar Millionen Ausländer (bzw. Nicht-EU-Bürger ohne Visa) unkontolliert in unser Land strömen, sei angeblich unabwendbar.

Das ist eine sowohl vom Argumentationsmuster (vermeintlicher hypothetischer Kausalverlauf) her, wie auch inhaltlich, eine typische Schutzbehauptung.

Abgesehen von gescheiterten Staaten wie Afghanistan oder Somalia, sind die meisten Staaten der Welt durchaus in der Lage, ihre Grenzen zu schützen, und unerwünschte Personen an den Grenzen abzuweisen, und Grenzverletzer festzunehmen und außer Landes zu schaffen. Es kommt nur auf den politischen Willen der Herrschenden an.

Zum Beispiel schützen die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Israel, Großbritannien, die Schweiz, Japan, Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Russland, Weißrussland, Estland, Lettland, Litauen, Finnland, die Ukraine, Armenien, Georgien, Aserbaidschan, Usbekistan, Kasachstan, China, Hongkong, Singapur, Taiwan, Korea, Vietnam, Saudi-Arabien, Kuweit, die vereinigten arabischen Emirate, Oman, Malaysia, Brunei, Indonesien, ihre Grenzen effektiv, und lassen nicht unbekannte unkontrollierte Massen von Ausländern ohne Visa ihre Grenzen überennen, und lassen sich nicht auch noch zu Sozialleistungen an derartige illegale Immigranten verleiten.

Allen Merkel verteidigenden Leserkommentatoren sei anheimgestellt, es mal zu versuchen, ihre Pässe wegzuwerfen, und ohne Pass und ohne Visa in eines der genannten Länder einzureisen, und dann auch noch von den dortigen Behörden kostenlose medizinische Versorgung, sowie Obdach und Hilfe zum Lebensunterhalt sowie weitere Sozialleistungen zu verlangen.   

Das Ergebnis eines solchen Tests klann ich Ihnen bereits jetzt schon vorhersagen: Es wird nicht funktionieren. Denn in den anderen Ländern existiert bei deren Regierungen schlicht und einfach der politische Wille, so etwas nicht zuzulassen.

Es stimmt alo nicht, daß, wie hier von manchen Leserkommentatoren argumentiert bzw. behauptet wird, Frau Merkel objektiv handlungsunfähig oder objektiv hilflos wäre - ihr fehlt vielmehr bloß der Wille anders zu handeln, und deshalb ist es auch unzutreffend Frau Merkel jedwede Schuld oder Verantwortung abzusprechen (bzw. diese abzustreiten).

2

Hobbes-Leser schrieb:

Sp wird, behauptet, auch wenn sie anders gehandelt hätte, wäre es angeblich gleichwohl zu dem gleichen Ergebnis gekommen, und der Eintritt der Situation, daß Hunderttausende oder gar Millionen Ausländer (bzw. Nicht-EU-Bürger ohne Visa) unkontolliert in unser Land strömen, sei angeblich unabwendbar.

Sehe ich jetzt nicht in der Diskussion. Hier geht es um die Frage ob Frau Merkel sich strafbar gemacht hat, und zwar unter den Bedingungen, wie sie sich tatsächlich zugetragen haben. Mir soll nicht aufgefallen sein, dass einer der Haupt-Diskussionsteilnehmer so argumentiert hätte, wie Sie das beschreiben. Gerne lasse ich mich mit Zitaten vom Gegenteil überzeugen.

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Es stimmt alo nicht, daß, wie hier von manchen Leserkommentatoren argumentiert bzw. behauptet wird, Frau Merkel objektiv handlungsunfähig oder objektiv hilflos wäre...

Das behauptet doch niemand. Selbstverständlich hätte man mit Gewehren, Panzern und Senfgas auf die Flüchtlinge losgehen können und sie alle mit je 1000 Stockschlägen, Steinigung und Hand- bzw. Kopfabhacken bestrafen können, wie es Saudi-Arabien getan hätte, das sie tatsächlich u. a. als Vorbildland zu nennen wagen.

ihr fehlt vielmehr bloß der Wille anders zu handeln

Genau. Das ist das Menschenbild des Grundgesetzes und das sind die Grundsätze des christlichen Abendlandes und das unterscheidet uns zum Glück vom wahabitischen Saudi-Arabien. Aber Abendland und Grundgesetz sind ja bekanntlich nicht jedermanns Sache, weshalb auch nicht jeder solche jedermann das Zeug zum Kanzler und zu verantwortlichem Handeln hat, sondern nur zum grummelnden Zuschauer und zum egoistischen Futterneider.

 

Es wird schließlich im Regelfall keine ministerielle Anordnung (§ 18 AsylVfG), keine Flüchtlingskatastrophe (§ 14 AufenthV), keine faktische Aussetzung der Passpflicht, kein rechtfertigender Notstand und auch keine Lebens- bzw. Freiheitsbedrohung (Art. 31 GFK) vorliegen. All das sind Sonderkonstellationen aufgrund der derzeitigen Lage, und die hat mit dem Normalzustand nur sehr wenig zu tun.

Was Sie übersehen, ist dass man sich schwerlich auf besondere Umstände der Not berufen kann, wenn man eine solche erst selber herbeigeführt hat.

Sie werden wohl widersprechen wollen, dass Frau Merkel für die allgemeine Weltlage nicht verantwortlich wäre, nur, wenn Sie dieses tun, dann erscheint es mir widersprüchlich, gleichzeitig auch noch strafbefreiend zu argumentieren, wer eingeladen wird, kann sich des Hausfriedensbruch nicht schuldig machen.

 

Ja was denn jetzt?

 

Ich glaube, es ist weitgehend Konsens hier im blog, dass der zur Anzeige gebrachten Sachverhalt mit den Sonderzügen aus Budapest nicht strafbar war.

 

Bleibt halt die Frage, wie werden die anderen Fälle behandelt?

Zu unterscheiden sind auch die anderen Sachverhalte zu anderen Zeitpunkten.

Ich glaube es ist unproblematisch, von keiner Strafbarkeit im September auszugehen, wenn Sonderzüge von Budapest nach München fahren und die Menschen "in diesem Zuge" zwar objektiv unerlaubt die Grenze übertreten haben, sich dabei aber an die "Anweisungen" der Behörden gehalten haben.

 

Was aber mit einem Kleinlaster aus Zagreb, der zeitgleich mit Syrern die Grenze übertritt und bis Berlin durchfahren versucht?

 

Die Fälle gibt es. Mir ist bei Ihren Ausführungen nicht klar, resp. erscheint bei Ihren Ausführungen die Abgrenzungen zu den Sachverhalten nicht erkennbar zu sein.

Also doch zweigleisige Bewertung?

 

Deutsche Gerichte scheinen das so zu sehen:

 

Und die Justiz hört die Botschaft. Das Amtsgericht Passau begründete am vorigen Donnerstag sein mildes Urteil, zwei Jahre auf Bewährung, gegen einen serbischen Schleuser so: "Angesichts der Zustände an den Grenzen ist die Rechtsordnung von der deutschen Politik ausgesetzt." Und weiter: "Asylsuchende werden von der deutschen Bundeskanzlerin eingeladen nach Deutschland zu kommen." Der Angeklagte habe Glück, dass seine Verhandlung nicht vor zwei Monaten stattfand. "Eine unbedingte Haftstrafe von zwei Jahren wäre hier wahrscheinlich gewesen." So klingt es, wenn Richter kapitulieren.

http://www.welt.de/politik/deutschland/article148588383/Herbst-der-Kanzl...

 

Wichtig erscheint mir eine geklärte rechtliche Lage. 

Nur wenn diesbezüglich Klarheit herrscht, kann das Primat der Politik übernehmen.

astroloop schrieb:

Es wird schließlich im Regelfall keine ministerielle Anordnung (§ 18 AsylVfG), keine Flüchtlingskatastrophe (§ 14 AufenthV), keine faktische Aussetzung der Passpflicht, kein rechtfertigender Notstand und auch keine Lebens- bzw. Freiheitsbedrohung (Art. 31 GFK) vorliegen. All das sind Sonderkonstellationen aufgrund der derzeitigen Lage, und die hat mit dem Normalzustand nur sehr wenig zu tun.

Was Sie übersehen, ist dass man sich schwerlich auf besondere Umstände der Not berufen kann, wenn man eine solche erst selber herbeigeführt hat.

Sie werden wohl widersprechen wollen, dass Frau Merkel für die allgemeine Weltlage nicht verantwortlich wäre, nur, wenn Sie dieses tun, dann erscheint es mir widersprüchlich, gleichzeitig auch noch strafbefreiend zu argumentieren, wer eingeladen wird, kann sich des Hausfriedensbruch nicht schuldig machen.

 

Ja was denn jetzt?

Da haben Sie doch irgendwo einen Fehler in der Logik. Die aktuelle Weltlage ist die Grundlage dafür, dass die Flüchtlinge (untechnisch gesprochen) eingeladen werden dürfen. Gäbe es keine Flüchtlingskrise, dürfte die Bundespolizei nicht einfach angewiesen werden, jeden Flüchtling durchzulassen (s. § 18 Abs. 4 Nr. 2 Asyl(Vf)G).

 

@ GK

Meinen Sie die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage, die Prof. Müller zitiert hat? Diese datiert vom 23.10.

Ich habe die nochmal überflogen, sehe darin aber keine Versicherung, dass die geltenden Einreisebestimmungen nicht ausgesetzt sind. Vielleicht habe ich da etwas übersehen, Sie können ja ggf. mit Zitaten daraus Ihren Standpunkt darlegen.

Jedenfalls aber hält die Bundesregierung in der Antwort zu Frage 12 eine Rechtfertigung nach Art. 31 GFK für möglich, was hier ja auch so vertreten wurde.

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Nun hat die Bundesregierung aber in einer Mitteilung vom 18.10. selbst versichert, dass die geltenden Einreisebestimmungen keineswegs ausgesetzt sind.

 

Gute Frage.

Denn gleichtzeitig wurde ebenso im Innenministerium entschieden, dass § 18 Abs. 4 AsylG  zur Anwendung kommt.

 

Lieber Professor,

wenngleich Ihr blog- Beitrag nicht auf §18 AsylG aufbaut, sondern Sie sich auf die tatbestandsorientierten Texte des AufenthaltsG und AufenhatlsVO konzentrieren, bringt das Innenministerium den §18 selbst als Rechtfertigunsgrundlage ins "Spiel".

Ist das für Sie bedeutsam?

Zusatzfrage: Mich hat § 18 zur der Lösung geführt, dass ein strafbares Handeln der Strafverfolgung entzogen werden kann.

Ist das Blödsinn? Oder gab es schon einmal einen ähnlich gelagerten Fall?

Über eine Antwort würde ich mich freuen.

Beste Grüße

MM

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