Revisionsentscheidung ändert Urteil komplett - Strafe bleibt!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.11.2015
Rechtsgebiete: OrdnungswidrigkeitenBGHStrafrechtVerkehrsrecht1|3228 Aufrufe

Klingt erst einmal kurios. Blogleser wissen natürlich, dass oftmals Revisionen bei nur geringem Erfolg in rechtlicher Hinsicht gar nicht zu Änderungen an der Strafe führen. Meist sind die Fälle hierbei so gestrickt, dass von hohen Tatzahlen zwei oder drei Taten wegfallen (Bsp.: 250 Taten des § 266a StGB, von denen 3 wegen Doppelverfolgung eingestellt werden). Wie weit der BGH aber geht, sieht man im nachfolgenden fall sehr schön. Es ging um nichtmals 30 Taten, von denen eine Tat durch Einstellung in Wegfall geriet und wesentliche andere Teile rechtlich anders gewürdigt wurden:

  
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 26 Fällen und
Verrats von Geschäftsgeheimnissen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er
die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen
Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO.

1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren
nach § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte im Fall II.26 der Urteilsgründe
wegen Betrugs verurteilt worden ist. Die dazu vom Landgericht getroffenen
Feststellungen belegen nicht, dass dem Angeklagten die von dem gesondert
Verfolgten M. begangene Täuschung zuzurechnen ist. Von einer Aufhebung
und Zurückverweisung war aus verfahrensökonomischen Gründen abzusehen.
In den verbleibenden Fällen hat der Senat die Strafverfolgung mit Zustimmung
des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf
des Betruges beschränkt.

2. In den Fällen II.2, II.3 und II.4, II.14 und II.15 sowie II.21 und II.22 der
Urteilsgründe hat sich der Angeklagte jeweils nur eines Betruges schuldig gemacht.
a) Nach den Feststellungen verkauften der Angeklagte und der gesondert
Verfolgte M. Beteiligungen (Genussrechte) an einem von ihm gegrün-
deten Einzelunternehmen. Dabei spiegelten sie den Käufern vor, mit den vereinnahmten
Geldern Anlagegeschäfte tätigen zu wollen. Tatsächlich war beabsichtigt,
das erlangte Geld für andere Zwecke zu verbrauchen. Im Vertrauen auf
die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten und des gesondert Verfolgten
M. zeichneten die Zeugen B. , H. und A. nach ihrem jeweils ersten
Ankauf (Fall II.2 [B. ], Fall II.14 [H. ] und Fall II.21 [A. ]) noch weitere
Genussrechte (B. in den Fällen II.3 und 4, H. im Fall II.15 und
A. im Fall II.22 der Urteilsgründe). Dabei wurden sie in ihrem Irrtum (teilweise)
noch durch weitere unrichtige Angaben des Angeklagten und des gesondert
Verfolgten M. bestärkt.

b) Damit hat der Angeklagte in den Fällen II.2, II.3 und II.4 (B. ),
II.14 und II.15 (H. ) sowie II.21 und II.22 (A. ) der Urteilsgründe jeweils nur
einen Betrug begangen. Denn er hat den bei den jeweiligen Tatopfern anfänglich
erzeugten Irrtum in der Folge nur noch zur Erlangung weiterer Teilbeträge
ausgenutzt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2013 – 4 StR 288/13, StraFo
2014, 28; BGH, Beschluss vom 21. Juli 1998 – 4 StR 274/98, NStZ-RR 1999,
110).

3. Die Verfahrenseinstellung hinsichtlich Fall II.26 der Urteilsgründe, die
Verfolgungsbeschränkung auf den Tatvorwurf des Betrugs und die abweichende
konkurrenzrechtliche Beurteilung ziehen die aus dem Tenor ersichtliche
Schuldspruchänderung nach sich. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.

4. Infolge der Schuldspruchänderung entfallen die Einzelstrafen von
einem Jahr Freiheitsstrafe im Fall II.3 der Urteilsgründe sowie von jeweils sieben
Monaten Freiheitsstrafe in den Fällen II.2, II.15 und II.21 der Urteilsgründe.
Die Verfahrenseinstellung hat den Wegfall der Einzelstrafe von neun Monaten
Freiheitsstrafe im Fall II.26 der Urteilsgründe zur Folge. Für die aufgrund der
Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StGB in Wegfall kommende
– zu Unrecht tatmehrheitlich erfolgte – Verurteilung wegen Verrats von Geschäftsgeheimnissen
(Fall II.29 der Urteilsgründe) hatte das Landgericht versehentlich
keine Einzelstrafe festgesetzt.
Einer Aufhebung der Gesamtstrafe bedarf es gleichwohl nicht. Die abweichende
Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse lässt den Schuldgehalt insgesamt
unverändert (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2011 – 4 StR 409/10,
NJW 2011, 2149, 2151 mwN). Der Senat schließt aus, dass das Landgericht
vor dem Hintergrund der Zahl und Höhe der verbleibenden 21 Einzelstrafen
zwischen sieben Monaten und einem Jahr Freiheitsstrafe auf eine niedrigere
Gesamtstrafe erkannt hätte.

5. Wegen des lediglich geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht
unbillig, den Beschwerdeführer mit den verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels
zu belasten.

 BGH, Beschluss vom 22.9.2015 - 4 StR 128/15

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1 Kommentar

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Da die Revision eine reine Rechtskontrolle ist, in der das konkrete Strafmaß (innerhalb des richtigen Strafrahmens) nur ausnahmsweise eine Rolle spielt, ist es schon erstaunlich, daß der BGH die Kostenentscheidung am Strafmaß festmacht. Der Erfolg einer Revision bemißt sich doch nicht danach, ob am Ende eine für den Beschwerdeführer günstigere Strafe herauskommt, sondern inwieweit seine rechtlichen Beanstandungen zur Aufhebung oder Abänderung des Schuldspruchs führen.

 

Das erinnert an den ebenso unsinnigen, häufig zu lesenden Zusatz, das Rechstmittel habe "vorläufigen" Erfolg. Nee, das Rechtsmittel hat endgültig Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zurückverwiesen wird. Was im zweiten (oder dritten, vierten) Durchgang beim Tatrichter herauskommt, hat das Rechtsmittelgericht doch nicht zu interessieren. Was bei ihm anhängig war, hatte Erfolg und zwar endgültig (Akte zu, Aktenzeichen abgearbeitet).

 

 

 

 

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