OLG Rostock - Teil 1: Auch erlasswidrige Auswertung einer Messung durch Private ist kein Problem!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.12.2015

Messungen durch Private und auch die Auswertung von Messungen durch eben diese werden seit je her von der Anwaltschaft kritisiert. Ob begründet oder nicht mag hier einmal dahin stehen. Das OLG Rostock hat jetzt aber mal eine  deutliche Ansage gemacht:

Für das weitere Verfahren weist der Senat jedoch darauf hin, dass die Übertragung der Auswertung der anlässlich einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme erhobenen Rohdaten an einen privaten Dienstleister, dessen Mitarbeiter von der Verwaltungsbehörde insoweit als Sachverständige oder als sachverständige Zeugen in Anspruch genommen werden (vgl. zu dieser Möglichkeit auch im verwaltungsbehördlichen Bußgeldverfahren § 46 Abs. 2 OWiG i.V.m. §§ 72 ff., § 161 Abs. 1 Satz 1 StPO: „Ermittlungen jeder Art“), keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Auch in anderen Verfahrensordnungen und zur Klärung anderer Fragestellungen ist die Einschaltung von privaten Sachverständigen oftmals erforderlich und rechtlich unproblematisch. Das gilt auch, wenn es nur darum geht, bestimmte Befunde zu erheben (Tatsachenbekundung), die nur aufgrund besonderer Sachkunde (hier: Auswertung der Rohdaten mittels spezieller Software und unter Einhaltung vorgeschriebener Verfahrensweisen) und/oder mittels spezieller Technik wahrnehmbar gemacht werden können. Lediglich beispielhaft verweist der Senat auf die Entnahme und Auswertung von Blutproben zur Bestimmung der Alkoholkonzentration oder anderer toxikologischer Parameter durch - auch private - Ärzte und wissenschaftliche Institute, die nicht notwendig öffentlich-rechtlich verfasst sein müssen, und die Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Gewebsproben zur DNA-Identitätsfeststellung, die unter bestimmten Voraussetzungen auch durch Sachverständige nichtöffentlicher Stellen vorgenommen werden darf (§ 81f Abs. 2 Satz 4 StPO). Auch zur Auswertung sichergestellter elektronischer Datenträger oder zur Aufspürung und Sicherung bestimmter elektronisch gespeicherter Daten sowie zur Ermittlung von Beteiligten einer mittels des Internets begangenen Straftat ist die Heranziehung privater Sachverständiger rechtlich zulässig.

Ob die Tätigkeit der für derartige Aufgaben herangezogenen Sachverständigen, deren Sachkunde und Verfahrensweisen im konkreten Fall den jeweiligen wissenschaftlichen und technischen Anforderungen genügt, und ob deren Feststellungen und Bewertungen als richtig erscheinen und im weiteren Verfahren verwertbar sind, unterliegt der eigenverantwortlichen Prüfung und Kontrolle des Gerichts bzw. im Vorverfahren derjenigen der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde, die erforderlichenfalls regulierend einzugreifen hat (vgl. § 78 StPO).

Wird die Auswertung von Rohdaten eines Verkehrsüberwachungsvorgangs - wie vorliegend - einem privaten Dienstleister überlassen, wird sich das Gericht und zuvor die Verfolgungsbehörde deshalb im Zweifelsfall davon zu überzeugen haben, dass diese Tätigkeit dort von ausreichend dafür geschulten und regelmäßig hinsichtlich ihrer ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung überwachten Mitarbeitern unter Einhaltung der dafür vorgeschriebenen Verfahrensweisen und mittels der im Zuge der Zulassung eines standardisierten Messverfahrens von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt genehmigten Software erfolgt. Insoweit gilt nichts anderes als für die Prüfung, ob der eigentliche Messvorgang im Straßenverkehr gemäß den dafür bestehenden rechtlichen und technischen Vorgaben durchgeführt worden ist, woran das Gericht im vorliegenden Verfahren keine Zweifel geäußert hat.

Hat sich die Verwaltungsbehörde im vorstehenden Sinne die Überzeugung davon verschafft, dass die Datenaufbereitung und -auswertung durch den privaten Anbieter ordnungsgemäß erfolgt ist, so dass Zweifel an der Richtigkeit des erzielten Resultats nicht bestehen, ist sie nicht daran gehindert, auf der Grundlage dieses für zutreffend erachteten Beweisergebnisses die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen festzustellen und ggf. entsprechenden Bußgeldbescheid zu erlassen. Erst dabei handelt es sich wieder um eine originär hoheitliche Tätigkeit, die ohne gesonderte Beleihung nicht auf Private übertragen werden darf.

Darauf, ob die Verwaltungsbehörde „erlasswidrig“ handelte, als sie die Datenaufbereitung und -auswertung einem privaten Dienstleister übertrug, kommt es entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht an. Selbst wenn diese Einschätzung zutreffen sollte, würde dies für sich genommen nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führen, weil dieser Erlass, der allein dem öffentlichen Interesse der Organisation des Messvorgangs und seiner Auswertung dient, ausschließlich im Binnenverhältnis zwischen Verwaltungs- und Aufsichtsbehörde Bindungswirkung entfaltet, nicht jedoch eine mit der Begründung subjektiver Rechte verbundene Außenwirkung, auf die sich ein Betroffener im Falle der Nichtbeachtung zu seinen Gunsten berufen könnte.

Dass das im Urteil geschilderte zögerliche Auskunftsverhalten der Verwaltungsbehörde während des gerichtlichen Bußgeldverfahrens keinen Einfluss auf die Verwertbarkeit der vorhandenen Messdaten als Beweismittel haben und insbesondere nicht zu einem diesbezüglichen Verwertungsverbot führen kann, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Soweit das Gericht die Einsicht in den zwischen dem Landkreis und dem Dienstleistungsanbieter geschlossenen Vertrag für zwingend erforderlich erachtete, hätte die Möglichkeit bestanden, sich diesen mit den gesetzlich dafür vorgesehenen Ermittlungsmaßnahmen zu beschaffen. Davon wurde jedoch kein Gebrauch gemacht.

OLG Rostock, Beschl. v. 17.11.2015 - 21 Ss OWi 158/15

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