OLG Köln: Zurückverweisung nur wegen der Tagessatzhöhe von bisher 5 Euro

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.02.2016

Da wird ein Angeklagter verurteilt und bekommt eine Geldstrafe mit Tagessätzen zu je 5 Euro. Manch einer denkt sicher: Damit war der Tatrichter auf der sicheren Seite. Jedenfalls hat er den Angeklagten offensichtlich nicht überfordert. Von wegen:

Im Ausspruch über die Höhe des einzelnen Tagessatzes kann hingegen das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Urteilsgründe erweisen sich hier vielmehr als materiell-rechtlich unvollständig und belegen daher nicht, dass dieser Entscheidungsteil auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht (§ 337 StPO).

a)

Bei der Verhängung einer Geldstrafe sind konkrete Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und insbesondere zu den monatlich erzielten Einkünften eines Angeklagten zu treffen (vgl. BGH bei Detter NStZ 2000, 188; SenE v. 24.03.2009 – 83 Ss 13/09 = StV 2009, 592; SenE v. 09.02.2015 – III-1 RVs 101/15 = NStZ-RR 2015, 336). Solche sind auch bei Sozialhilfeempfängern und diesen vergleichbaren Personen für die Bemessung der Tagessatzhöhe und für die Entscheidung über etwaige Zahlungserleichterungen (§ 42 StGB) erforderlich (SenE a.a.O.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 109 [110]). Hieran fehlt es in dem angefochtenen Urteil.

b)

aa)

Soweit der Tatrichter ausführt, der Angeklagte habe eine Immobilien GmbH gegründet, bleibt offen, ob diese Gesellschaft überhaupt noch werbend tätig ist und - bejahendenfalls – welche Einkünfte der Angeklagte aus ihr erzielt.

bb)

Für die Bemessung der Tagessatzhöhe unzureichend ist aber auch die Angabe, dass der Angeklagte sich in Strafhaft befindet. Bei einem in Haft befindlichen Täter sind vielmehr Feststellungen dazu erforderlich, welches Einkommen er tatsächlich erzielt bzw. als Gefangener erzielen könnte, wenn er während des Vollzugs der Haft einer Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt nachgehen würde. Da der Angeklagte jedenfalls grundsätzlich über den Haftkostenbeitrag (§ 39 StVollzG NW) an den Kosten für Unterkunft und Verpflegung beteiligt wird, haben hingegen etwaige durch den unfreiwilligen Aufenthalt des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt ersparte Aufwendungen bei der Einkommensbemessung außer Betracht zu bleiben (BayObLG NJW 1986, 2842; OLG Hamm NStZ-RR 2015, 139; OLG Frankfurt StV 2015, 178; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Auflage 2014, § 40 Rz. 11a; zur Berücksichtigung von Sachleistungen in anderen Fällen vgl. SenE v. 24.03.2009 - 83 Ss 13/09 - = StV 2009, 592; SenE v. 08.06.2010 - III-1 RVs 70/10 -).

Die Urteilsgründe geben indessen keinen Aufschluss darüber, ob der Angeklagte in der Justizvollzugsanstalt – insbesondere nach erfolgter Ablösung aus dem offenen Vollzug (zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt Fischer, StGB, 63. Auflage 2016, § 40 Rz. 6a) – einer entlohnten Tätigkeit nachgeht oder nachgehen könnte und – bejahendenfalls – welches Einkommen er aus dieser erzielt oder erzielen könnte. Damit bleibt offen, ob selbst der geringe Tagessatz von fünf Euro von dem Angeklagten aufgebracht werden kann. Das ist nämlich dann zweifelhaft, wenn der Angeklagte etwa nur im gesetzlichen Umfang von drei Monaten pro Vollstreckungsjahr Hilfstätigkeiten in der Anstalt nach § 29 Abs. 3 StVollzG NW verrichtete oder gar wegen unverschuldeter Bedürftigkeit nur ein Taschengeld erhielte (§ 35 Abs. 1 StVollzG NW; vgl. LK-StGB-Häger, 12. Auflage 2006, § 40 Rz. 43). Die Urteilsgründe belegen auch nicht, dass diesbezügliche Feststellungen nicht möglich gewesen wären.

c)

Lebt der Angeklagte von Bezügen am Rande des Existenzminimums so kann es darüber hinaus geboten sein, unter Berücksichtigung der nach § 42 StGB möglichen, zeitlich grundsätzlich nicht beschränkten Zahlungserleichterungen und unter Beachtung der Notwendigkeit der Wahrung der Strafe als ernsthaft fühlbares Übel die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels der monatlichen Bezüge festzusetzen, wobei sich auch dieser ermessensähnlich ausgestaltete Strafzumessungsakt einer schematischen Behandlung entzieht (s. insgesamt SenE v. 09.02.2015 – III-1 RVs 101/15 = NStZ-RR 2015, 336; s. weiter SenE v. 24.03.2009 – 83 Ss 13/09 = StV 2009, 592; SenE v. 30.10.2007 - 82 Ss 123/07 -; OLG Stuttgart, StV 2009, 131;  OLG Hamburg VRS 101, 106 = NStZ 2001, 655; OLG Stuttgart, NJW 1994, 745; OLG Celle NStZ-RR 1998, 272; Fischer a.a.O. § 40 Rz. 24; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, a.a.O., § 40 Rz. 8). Die Urteilsgründe belegen nicht, dass der Tatrichter diese Grundsätze berücksichtigt hat.

Die Sache bedarf daher hinsichtlich der Tagessatzhöhe neuer Verhandlung und Entscheidung.

Oberlandesgericht Köln,  Besch. v. 22.1.2016 - 1 RVs 3/16

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen