Schadensersatz wegen Nichtgewährung von Urlaub

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 24.02.2016

Erstaunlich, auf was für Ideen manche Arbeitgeber kommen: Im vorformulierten Arbeitsvertrag mit einer geringfügig Beschäftigten (450-Euro-Job) aus dem Jahre 2008 hatte die Arbeitgeberin den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub abbedungen. Das verstößt natürlich gegen § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG und ist daher unbeachtlich. Die Klägerin hat sich allerdings lange Zeit nicht gewehrt und während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses keinen bezahlten Urlaub erhalten. Erst einige Monate nach seiner Beendigung hat sie im August 2014 Klage auf Urlaubsabgeltung für die Vergangenheit erhoben. Den Teilanspruch für 2014 hat die Beklagte nach Klageerhebung erfüllt, im Streit standen damit noch die Jahre 2010 bis 2013.

Das LAG Rheinland-Pfalz hat der Klage hinsichtlich der Jahre 2011 bis 2013 stattgegeben und sie (nur) hinsichtlich 2010 wegen Verjährung abgewiesen. Die Beklagte schulde der Klägerin Schadensersatz für den nicht gewährten Urlaub, dieser Anspruch unterliegt nicht der Befristung des § 7 Abs. 3 BUrlG:

Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers wandelt sich in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt (§ 275 Abs. 1, Abs. 4, § 280 Abs. 1, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 BGB). Dieser Schadensersatzanspruch unterliegt nicht der gesetzlichen Befristung gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG. Kann der als Schadensersatz geschuldete Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden, ist der Arbeitnehmer gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen (BAG v. 11.4.2006 - 9 AZR 523/05, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28; BAG v. 15.9.2011 - 8 AZR 846/09, NZA 2012, 377).

Die Revision wurde nicht zugelassen.

LAG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 5.8.2015 - 4 Sa 52/15, BeckRS 2016, 65093

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4 Kommentare

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Ich halte das Urteil für falsch. Der Abgeltungsanspruch bezieht sich nur auf Urlaubsansprüche, die bei Ende des Arbeitsverhältnisses noch bestanden und nicht schon verfallen waren (BAG, U. v. 15.9.2011 - 8 AZR 846/09, Rdnr. 62).  Insoweit unterliegt zwar der Abgeltungsanspruch nicht der gesetzlichen Befristung des § 7 Abs. 3 BUrlG, aber ein solcher entsteht wegen des Verfalls gar nicht erst.  Neben diesem (verfallenen) Abgeltungsanspruch hat kein weiterer Schadensersatzanspruch Bestand, der anderen Regeln und einem anderen Verfallsdatum unterliegen würde.

Ausserdem kann ich dem Urteil keine Feststellung entnehmen, dass "der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt" habe, was nach Ansicht des Urteils angeblich zu einem Schadensersatzanspruch führe. Es spricht nach meiner Lektüre des Urteils sehr viel dafür, dass die Arbeitnehmerin entsprechend der (unwirksamen) Vertragsbestimmung keinen Urlaub verlangt hat und schon gar nicht "rechtzeitig". Ihr Anwalts trägt nämlich ausdrücklich vor, "Erst infolge der Konsultierung ihres Rechtsanwalts am 06.05.2014 habe sie Kenntnis von der tatsächlichen Rechtslage erlangt". Ein Recht, das man nicht kennt, kann man auch nicht "rechtzeitig verlangen".

Das LAG urteilt also am Gesetzestext und Gesetzeszweck schlicht und einfach wieder einmal einfach nach Gutsherrenart völlig vorbei.  Selbstverständlich wurde dann auch die Revision nicht zugelassen.

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Ich kann Ihnen in keiner Weise zustimmen. Zum einen handelt es sich bereits nicht um einen wie von Ihnen angenommenen "Abgeltungsanspruch", sondern um einen Schadensersatzanspruch. Wenngleich auch Letzter auf Gewährung von Urlaub gerichtet sein kann, handelt es sich um einen dogmatisch völlig anderen Anspruch als der Urlaubsanspruch mit sämtlichen im Urteil genannten Konsequenzen.
Zum anderen kann man dem Urteil durchaus entnehmen, "dass "der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt" habe." Unter Rn. 21 führt das LAG m.E. sauber aus, dass eine Geltendmachung nicht erforderlich war, da in der arbeitsvertraglichen Klausel bereits eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu sehen war. Selbstverständlich kann man an dieser Stelle eine andere Ansicht vertreten - dann aber bitte mit der entsprechenden Dogmatik und ohne den Vorwurf, das LAG urteile "am Gesetzestext und Gesetzeszweck".

Mit freundlichen Grüßen

D.R.

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Entschuldigen Sie, aber dass "der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt" ist etwas ganz anderes, als dass angeblich "in der arbeitsvertraglichen Klausel bereits eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung" liegt. Im letzten Fall müsste nämlich ein Urlaub gar nicht "rechtzeitig verlangt" werden; es würde alleine eine rechtswidrige Klausel reichen. Das ist weder aus dem Gesetz noch aus irgendwelcher Rechtsprechung zu entnehmen, insbesondere im Hinblick darauf, dass Schadensersatz in der Regel Verschulden voraussetzt, und nicht jede Rechtswidrigkeit sofort zu einem Schadensersatzanspruch führt. Dann könnte man einen Grossteil des deutschen Rechts mit all den fein ziselierten Rechtsfolgen rechtswidrigen bzw. rechtsunwirksamen Handelns sofort entsorgen. So geht das nicht.

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Ich würde genauer darüber nachdenken wollen, ob sich nicht aus § 823 II iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 BUrlG ein Schadenersatzanspruch ergibt. Der würde dann aber gem. § 199 Abs. 3 BGB erst zehn Jahre nach seiner Entstehung verjähren.

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