„Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ – Das mag lustig gemeint sein, aber wegen dieses Facebook-Eintrags des Richters flog das Urteil auf

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 27.02.2016


Was war geschehen? Während der mehrtägigen Hauptverhandlung stieß der Verteidiger des Angeklagten an einem Abend erstmals auf den Facebook-Account des Vorsitzenden der Strafkammer. Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Lichtbild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt mit der Aufschrift trägt: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter heißt es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich hatte der Vorsitzende vermerkt: „Das ist mein `Wenn du raus kommst, bin ich in Rente`-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten „ … sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, „geliked“ wurde. Zu Beginn des nächsten Verhandlungstags lehnte der Angeklagte den Vorsitzenden wegen des Inhalts der Facebook-Seite wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zum Ablehnungsgesuch äußerte sich der Vorsitzende wie folgt: „Zum … Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde mich nicht zu meinem privaten Lebensverhältnissen äußern.“ Das Ablehnungsgesuch wies die Strafkammer als unbegründet zurück, weil der Internetauftritt des Vorsitzenden ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich betreffe und offensichtlich humoristisch geprägt sei.

 

Der Revision des Angeklagten, mit der gerügt wurde, bei dem Urteil habe ein Richter mitgewirkt, nachdem dieser wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden sei, hat der BGH mit Beschluss vom 12.1.2016 – 3 StR 482/15 – mit folgender Begründung stattgegeben:

„Die Ablehnung eines Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeklagter … .

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig die innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über den Angeklagten lustig. Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität. Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt. Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvoreingenommenheit eines im Bereich des Strafrechtsgerichtes nicht zu vereinbaren.“

 

Das Strafverfahren musste deshalb vor einem anderen Landgericht neu aufgerollt werden. Weitere Verfahren seien nicht betroffen, so eine Sprecherin des Gerichts. „Es steht jetzt natürlich jedem Angeklagten frei, ein Befangenheitsgesuch zu stellen“, sagte sie. Der zwischenzeitlich gelöschte Facebook-Eintrag läge nun schon fast ein Jahr zurück.

Aus Justizkreisen war am 24.2.2016 zu hören, dass der Fall keine dienstrechtlichen Folgen haben müsse. Der Richter sei für seine seriöse und sachliche Vorgehensweise bekannt. Durch die öffentliche Wahrnehmung sei er bereits hinreichend gestraft. Der Fall sei eher unter der Rubrik „Skurriles“ zu verbuchen.

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37 Kommentare

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Was ist Ihre Meinung als ehemaliger Revisionsrichter?

Was die Sprecherin des Gerichts zu erwähnen unterließ, ist, daß es in den laufenden und noch anhängig werdenden Verfahren nicht nur den Angeklagten, sondern auch der Staatsanwaltschaft freisteht, den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

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Ganz bewusst habe ich ausführlich aus dem Beschluss zitiert. Bei der gegebenen Sachlage kann, auch wenn das alles nur lustig sein sollte, bei einem Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit entstehen. Auch ich möchte nicht vor einem solchen Strafrichter stehen, von dem ich nicht weiß, wie seine Facebook-Seite zu verstehen ist.

 

In der Begründung der Revisionsentscheidung hätte ich mich allerdings auf den Hinweis beschränkt, dass der Facebook-Eintrag die gebotene Neutralität vermissen lässt und damit die Besorgnis begründet, der Richter sei gegenüber Straftätern voreingenommen. Bereits damit ist die Rüge ausreichend begründet. Ein Mehr an Begründung ist nicht erforderlich. Dass die Facebook-Seite "eindeutig die innere Haltung des Vorsitzenden" dokumentiere (wird im Beschluss noch ausgeführt), sehe ich nicht so und hätte deshalb diese zur Begründung nicht mehr erforderliche Festlegung nicht getroffen.

 

Im Nachhinein ist man immer schlauer: Der betroffene Richter hätte mit Blick auf die Revision klüger gehandelt, wenn er zum Ablehnungsgesuch Stellung genommen und dargelegt hätte, dass sein Humor – wie das Ablehnungsgesuch zeigt – nicht jedermanns Sache sein mag und der Facebook-Eintrag sofort gelöscht werde.

Der Richter hat doch lediglich seine ehrliche Meinung öffentlich gemacht. Er hat seine Macht den Facebook-Lesern witzig präsentiert  und die Rechtfertigung von Haftstrafen mit einer angeblichen Resozialisierung parodiert.

Was ist an dieser verbreiteten Meinung von Richtern, anderen Juristen, Politikern und Populisten verwerflich? So denken und handen doch die meisten Richter, nicht nur Strafrichter.

Die meisten Richterinnen und Richter der Pressekammer Hamburg, die Vorsitzenden jedenfalls, welche ich nun seit über zehn Jahre allfreitaglich beobachte, genießen offensichtlich Spaß und Freude, im Auftrag von Prominenten und Mimosen, gestandene Bürger zu demütigen, Medien- und andere Unterrnehmen mit Verboten und Geldauflagen, gegebenenfalls mit Ersatzhaft zu bestrafen.

Die Verhandlungen haben nicht selten -  falls nicht immer - Kabarett-Charakter. Die Richterinnen und Richter lachen laut und ausgiebig. Oft im Chor. Sie genießen ihre Macht. Die Anwälte lachen nicht selten mit. Das ist der Job der Juristen in Robe.

Richterrinnen und Richtern auf Probe wird - falls aus der Kinderstube nicht schon mitgebracht  - wird vordergründig beigebarcht, Spaß am Bestrafen zu haben, alles sportlich zu sehen.

 

Sind die alle befangen?

 

 

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@Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg

In der Diskussion im Burhoff-Blog (http://blog.burhoff.de/2016/02/wir-geben-ihrer-zukunft-ein-zuhause-jva-o...) wurde ebenfalls die Meinung vertreten, daß die Revision womöglich ohne Erfolg geblieben wäre, wenn der Vorsitzende in seiner Stellungnahme nicht so pampig gewesen wäre und die Gelegenheit zur Relativierung genutzt hätte. Das wird man bei den laufenden Verfahren sehen. Allerdings ist fraglich, wie der BGH jetzt noch von seinem "Eindeutig" herunterkommen kann. Der Vorsitzende würde wahrscheinlich gerne die 5 BGH-Richter wegen Befangenheit ablehnen. :-)

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Der VRiLG Rostock W. Str. ist durch Nennung seines vollen namens im SPIEGEL "vorbestraft" genug, von weiterer Strafe sollte abgesehen werden. - Aber seine Facebook-Seite ist weiterhin bedenklich im Hinblick auf potenzieller Spielsucht, Burschenschafts- und CDU-Nähe.

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Klassisch die Sentenz im Richterzimmer des ehemaligen Freiburger Strafichters Ingo Iltis:

Hier verknackt Sie Ingo Iltis, der auf keinen Titel wild is.

Ingo Iltis war übrigens nie befangen, sondern immer nur selbstironisch...

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@Martin Overath

Ich glaube, Sie mißverstehen das Richterablehnungsrecht. Es geht im Strafverfahren um die Bestrafung des Angeklagten, nicht des Richters. Ein Richter kann sogar erfolgreich abgelehnt werden wegen eines Vorgangs, für den er einen Orden verdient.

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OG schrieb:

@Martin Overath

Ich glaube, Sie mißverstehen das Richterablehnungsrecht. Es geht im Strafverfahren um die Bestrafung des Angeklagten, nicht des Richters. Ein Richter kann sogar erfolgreich abgelehnt werden wegen eines Vorgangs, für den er einen Orden verdient.

Im Strafverfahren geht es um die Schuldfeststellung des/r Angeklagten. Bestraft ist Herr Strauß durch seine Zitierung mit vollem Namen im SPIEGEL - eine Ordensverleihung ist noch nicht angedacht.

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Die Gesellschaft legt halt überall ihre guten Manieren ab und pflegt den schlechten Stil. Das macht auch vor der Justiz nicht halt. Ich finde es eines Vorsitzenden Richters einer Strafkammer schlicht unwürdig so einenm Pennälerquatsch öffentlich Zugänflich im Internet bereit zu stellen. Ärgerlich - Punkt Absatz.

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@ OG

Besten Dank für Ihre Diskussionsbeiträge und vorallem auch den Link auf Burhoff! Leider bleibt mir nicht so viel Zeit, um mich in den sonstigen Blogs umzusehen, künftighin will ich aber doch intensiver den "Burhoff" verfolgen.

 

@ Matin Overath

Sehr geehrter Herr Overath,

wie eingangs gesagt, fehlt mir die etwas die Zeit. Den aktuellen SPIEGEL hab ich am Wochenende schon gelesen, rufe aber nur in bestimmten Fällen spiegel online auf. Können Sie einen Link hier im Blog einstellen?

Besten Dank für Ihre Bemühungen!

 

Viel Grüße

Bernd von Heintschel-Heinegg 

 

Nochmals zu fatalen oder besser: "aufdeckenden" Facebook-Einträgen

 

Beck-aktuell Nachrichten vom 26.2.2016 berichtet vom Urteil des VG Karlsruhe Az 1 S 308/16 (http://rsw.beck.de/aktuell/meldung/ehrenamtlicher-verwaltungsrichter-wegen-facebook-eintraegen-entlassen), mit dem ein ehrenamtlicher Richter dieses Gerichts wegen seiner Facebook-Einträge vom Amt entbunden wurde:

>>Ein ehrenamtlicher Richter habe sich so zu verhalten, wie es der Würde des Amts entspreche. Daraus folge auch die Verpflichtung zur Verfassungstreue. Wer eine Facebook-Seite, die die Träger von sprachlich verfremdeten ausländischen Vornamen als geeignetes Futtermittel für Kampfhunde ansehe, weiterleite und sich damit zu eigen mache, verstoße gegen das verfassungsrechtliche Gebot zur Achtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG. Auch die Weiterleitung des Beitrags “Ich bin ein Bürger des Deutschen Reichs und kein Personal der Firma BRD“ gebe Anlass, daran zu zweifeln, ob der ehrenamtliche Richter seiner Verpflichtung zu verfassungstreuem Verhalten nachkommen werde und als ehrenamtlicher Richter des Verwaltungsgerichts Karlsruhe geeignet sei. Der ehrenamtliche Richter habe mit Schreiben vom 12.02.2016 zudem mitgeteilt, dass er vom Amt des ehrenamtlichen Richters zurücktreten wolle.<<

 

So gesehen hat Facebook schon was Gutes: man erfährt wie Mitmenschen denken, die ein wichtiges Amt bekleiden oder deren Denkweise für ihre Arbeit bedeutsam ist.

 

In der Regel wissen die Angeklagten bzw. die Parteien nichts über die Richter. Die dem Angeklagten bzw. den Parteien aufgezwungenen Anwälte kennen die Richter in der Regel doch schon etwas, falls nicht sogar recht/sehr gut.

Die meisten Richter offenbaren sich nach außen nicht. Das gehört zu ihrem Berufsverständnis. Die Richter, welche sich im Internet offenbaren, brauchen  nicht die allerschlechtesten zu sein. Es gibt bestimmt schlimmere, welche aus dem Richteramt entfernt werden müssten. Die StPO bzw. ZPO, verbunden mit der Rechtsptrechung, erweisen sich allerdings als fehlerhafte Filter.

 

 

 

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@ Blogautor:

Nur so aus Interesse: wie hat der BGH eigentlich festgestellt, dass der Account vom betreffenden Richter stammt? Der Richter hat in seiner dienstlichen Stellungnahme ja nichts derartiges eingeräumt.

 

Nicht, dass die Herangehensweise des BGH in Zukunft Angeklagten um die Ohren fliegt, deren Aktivitäten auf Facebook nun einfach anhand des Namens und nicht mehr mit IP-Adressen u.ä. zugeordnet werden können.

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@Nachhaker
Im Ablehnungsrecht gibt es keine eigentliche Beweisaufnahme und es gilt auch nicht der Maßstab, der für die richterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten gilt. Der Ablehnungsgrund ist nur glaubhaft zu machen. Und wenn der Abgelehnte in seiner Stellungnahme (zu der er verpflichtet ist, § 26 Abs. 3 StPO) nichts Gegenteiliges sagt, kommt es nur darauf an, ob der Sachverhalt, den der Ablehnende glaubhaft gemacht hat,  für wahrscheinlich gehalten wird.
 

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# 17

@ Nachhaker

Auf welcher konkreten Grundlage der BGH seine Entscheidung getroffen hat, auf die ich eingangs verlinkt habe, ist mir nicht bekannt.

Revisionsrechtlich wurde jedenfalls der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO geltend gemacht (Mitwirkung eines Richters, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war). Das bedeutet: Der Revisionsführer muss in der Regel wörtlich, zumindest aber dem ganzen Inhalt nach, dass Ablehnungsgesuch und den ablehnenden Gerichtsbeschluss mitteilen, ferner den Inhalt der dienstlichen Äußerungen sowie sonstige zum Verständnis der Rüge erforderliche Umstände. Auf dieser Grundlage überprüft das Revisionsgericht, ob das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen wurde, d.h. das Ablehnungsgesuch sachlich begründet war (siehe hierzu die eingangs zitierten Entscheidungsgründe). – Die Entscheidungsgründe teilen das gesamte Revisionsvorbringen regelmäßig nicht mit, sondern nur das entscheidungsrelevante Vorbringen, so dass wir nicht wissen, was sich da in der Akte findet oder eben auch nicht.

Ich finde den BGH-Beschluss sehr bedauerlich. Ich verstehe diejenigen, deren Geschmack der Facebook-Eintrag nicht entspricht. Aber über Geschmack sollte man nicht streiten, und der Geschmack von BGH-Richtern mag in diesem Falle Rechtskraftwirkung haben, verbindlich wird er damit dennoch auch für keinen Richter. Auch wenn etliche diese Art Humor nicht teilen, ist der Facebook-Eintrag doch offensichtlich humorvoll gemeint. Es ist mir schlicht völlig unverständlich, wie jemand die Auffassung vertreten kann, so etwas könne die Besorgnis der Befangenheit begründen.

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Könnte jetzt nicht auf absehbare Zeit jeder Angeklagte den Richter mit Erfolg ablehnen?

Wie da dienstrechtliche Folgen verneint werden, würde ich gerne mal von den Zuständigen erklärt bekommen. Der gute Mann hat sich ja quasi selbst dienst(teil)unfähig gemacht.

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Befangen ist im Prinzip jeder Richter. Die Befangenheisanträge sollten nicht persönlich, auch nicht als Angriff auf die Richtersachaft  (einen Kollegen) von den anderen Richtern gesehen werden.

Es wäre überlegenswert, Befangenheitsanträge in der Regel zu bestätigen, anstelle mit juristischen Spitzfindigkeiten abzuweisen. Die Parteien sollten im Falle der Richterablehnung sich über den (die) Richter, welcher (welche) entscheiden dürfen, einigen. Das Vetrauen in die Justiz würde nur gewinnen. Die Bereitschaft, Urteile auch innerlich zu akzeptieren, wäre größer.

2

"Es ist mir schlicht völlig unverständlich, wie jemand die Auffassung vertreten kann, so etwas könne die Besorgnis der Befangenheit begründen."

 

Stellen Sie sich vor:

Sie sind mit dem privaten PKW unterwegs und werden im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten. Mit dem Polizisten hatten Sie schon beruflich zu tun und eine für ihn negative Entscheidung gefällt. Er erklärt, er habe schon lange darauf gewartet, sich dafür bedanken zu können und vielleicht ein paar Drogen im Kofferraum zu "finden". Er fuchtelt ein wenig mit der Dienstwaffe im Gesicht ihrer Begleitung herum und erklärt, sie auf Anzeichen von Trunkenheit untersuchen zu wollen. Er wisse, wie subjektiv diese Tests seien, ganz so wie die Entscheidungen vor Gericht. Er aber werde das natürlich rein objektiv handhaben.

Nun stellen Sie sich vor, in Ihnen sprösse die Idee, den anwesenden Kollegen des Polizisten dazubitten zu wollen. Dieser aber verweist darauf, der Kollege mache nur Spaß, und sie sollten sich nicht so anstellen. Es sei unvorstellbar, dass ein Beamter befangen sei, nur weil man seinen Humor nicht teile.

Könnten Sie sich vielleicht einen ganz kleinen Anflug von Enttäuschung vorstellen, den in dieser Situation jemand empfinden würde, der weniger Vertrauen in die Objektivität des Staates hat?

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@Leser #22

Leider hinkt Ihr Vergleich schon deshalb ganz gewaltig, weil Sie eine ganz konkrete individuelle Verkehrskontrolle und gezielte Äußerungen des Polizisten dem Betroffenen gegenüber mit einem konkreten Rachemotiv (frühere negative Entscheidung) schildern. 

Im Fall des Rostocker Richters ging es um nichts dergleichen, sondern um seine (angebliche) aufgrund des T-Shirts und des likes zum Ausdruck kommende  "allgemeine Haltung" zu (allen? nur schuldigen?) Angeklagten.

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@ gaestchen #23

Ausgangspunkt ist aber nicht wie die Facebook-Einträge bei wohlwollender Auslegung gemeint sein könnten, sondern wie sie ein verständiger bzw. vernünftiger Angeklagter auffassen durfte. Der kann m.E. bei der gegebenen Tatsachenlage (T-Shirt, Kommentar und "like" des Richters) schon an der Neutralität des Richters zweifeln, auch wenn es möglicherweise tatsächlich alles ganz anders gemeint war. Es hilft also nichts, auf die Angeblichkeit der Haltung zu verweisen. Es gilt schlicht und ergreifend ein anderer Maßstab bei der Beurteilung.

 

4

@ 23

"Richter" #18 stellte gerade nicht darauf ab, dass kein Bezug zwischem dem Facebook-Post und dem konkreten Fall zu erkennen sei, sondern dass es um Geschmacksfragen gehe. Und das ist, bei allem Respekt, in diesem Fall m. E. kein besonders gutes Argument.

Über den Fallbezug kann man gesondert diskutieren, dazu mag man auch unterschiedliche Ergebnisse haben.

Ist für die Befangenheit eines Richters erforderlich, dass er erklärt

a.) generell keine Ausländer zu mögen,

b.) keine Trapezianer zu mögen oder

c.) den Trapezianer Herrn Muck nicht zu mögen?

Ähnliches gilt dann für "Angeklagte". Reicht es, wenn er generell meint, keine Angeklagten zu mögen, oder muss das näher konkretisiert sein?

Alles diskutabel.

Aber "anderer Geschmack" ist einfach ein unglückliches Argument. Als Amtsträger sollte man sich nach Möglichkeit so weit zurückhalten, dass es auf Geschmack gar nicht erst ankommt - sage ich als Amtsträger. Und Facebook-Posts der hier geschilderten Art sind m. E. nicht zurückhaltend in diesem Sinne.

5

Gäbe es einen Bezug zum konkreten Fall, wäre die Befangenheit ja klar. Den gibt es aber nicht, und so geht es eben nur um die Verletzung des Geschmacks von BGH-Richtern.

Im Übrigen: " Ein angeklagter ausländischer Schwarzafrikaner kann ein Ablehnungsgesuch nicht auf ein angebliches Viorurteil des betroffenen Strafrichters gegenüber ausländischer Schwarzafrikaner stützen. Abgesehen von der Haltlosigkeit dieses Gerüchts kann und muß ein verständiger Angeklagter davon ausgehen, daß ein Richter sich durch frühere in anderen Verfahren gefällte Entscheidungen für die in seinem Fall zu treffende Entscheidung nicht festgelegt hat." (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04. Mai 1993 – 5 Ss 78/93 - 35/93 I).

1

Dagegen Meyer-Goßner, 55. Auflage, § 24 Rn. 9:

Quote:

Beim Verdacht dedizierter Ausländerfeindlichkeit des Richters kann aber die Ablehnung durch einen Angeklagten ausländischer Herkunft begründet sein (Karlsruhe NJW 95, 2503; AG Köln StV 07, 127).

Ganz konkret muss der Fallbezug also nicht sein.

Außerdem noch interessant:

Quote:

1. Ein Richter kann in der Reichweite seiner zutage getretenen Voreingenommenheit abgelehnt werden, selbst wenn dies zu seinem praktischen Ausschluß von bestimmten Tätigkeitsfeldern führt und Anlaß zu einer Änderung der Geschäftsverteilung gibt.[...](Leitsätze der Redaktion) BVerfG ( 2. Kammer des 2. Senats ), Beschluß vom 19-08-1996 - 2 BvR 115/95

Volltext für mich leider nicht einsehbar.

5

ad 1) Aus der Entscheisdung:

"Diese öffentlichen Äußerungen begründen in der gebotenen Gesamtschau bei den vier Angeschuldigten ausländischer Herkunft, denen aus linksgerichteten politischen Motiven heraus begangene Straftaten vorgeworfen werden, die Besorgnis der Befangenheit A's."... "Zwar hat A in seiner dienstlichen Äußerung vom 01.02.95 betont, daß er ausländischen Beschuldigten, auch wenn sie kurdischer Herkunft und politisch linksorientiert seien, völlig unvoreingenommen gegenüberstehe, wie sich in vielen Verfahren erwiesen habe. Der Senat bezweifelt diese Selbsteinschätzung nicht."  "Desweiteren war zu beachten, daß im Grundsatz die Zugehörigkeit zu einer Partei oder auch nur die als Richter öffentlich geäußerte Sympathie zu einer Partei, die andere Ziele als der Ablehnende oder gleiche Ziele mit anderen Mitteln oder auf anderen Wegen verfolgt, die Ablehnung nicht rechtfertigt, und zwar regelmäßig auch dann nicht, wenn dem Ablehnenden Straftaten mit politischem Hintergrund vorgeworfen werden."..."Anderes gilt aber dann, wenn die politische Betätigung oder Einstellung des Richters in einem besonders scharfen Gegensatz zu der des Angeklagten steht."..."Gerade diese Besorgnis können die Angeschuldigten vorliegend haben."

Sie haben also recht damit, dass Äußerungen von Richtern nicht immer einen konkreten Fallbezug haben müssen, um die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Sie müssen dann aber schon ein einen ziemlichen krassen Gegensatz begründen.

ad 2) Bei der BVerfG-Entscheidung hatte der Richter sehr massive Vorwürfe gegen die Leitung einer bestimmten JVA veröffentlicht.

"Die Weite des Vorwurfs jedoch, die der abgelehnte Richter gegen die Anstaltsleitung erhoben hat, kann, wovon das Oberlandesgericht offenbar als selbstverständlich ausgegangen ist, gerade auch auf die vorliegende Strafvollzugsmaßnahme bezogen werden, denn diese hat eine Frage der Anstaltssicherheit zum Gegenstand."

Dass die Anstaltsleitung die Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht hat, ist ohne Weiteres nachvollziehbar.

 

3

"Sie müssen dann aber schon ein einen ziemlichen krassen Gegensatz begründen."

Es toll finden, Leute in den Knast zu schicken. <------> Nicht in den Knast geschickt werden wollen.

Weiß nicht. Finden Sie den Gegensatz nicht krass?

Ich muss ehrlich sagen: Es entstehen Zweifel an mir, ob Sie die Suppe selbst würden auslöffeln wollen, die sie anderen hier gönnen. Denken Sie daran, wie die andere Seite die Verfahren wahrnimmt.

5

Nein, denn der Gegensatz liegt darin, dass der eine die Aufgabe hat, bei Nachweis der Schuld zu strafen, und der andere derjenige ist, der möglicherweise bestraft ist. Dass der Gegensatz nun dadurch erheblich größer wird, dass ein Richter seinen Beruf -möglicherweise- gern ausübt. wage gich mal zu bezweifeln.

Ganz ehrlich: Als Angeklagter wäre mir dieser Richter mit Humor (über den sie denken mögen, was Sie wollen) erheblich lieber als ein formal korrekter, kommunikativ unzugänglicher Richter.

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Richter schrieb:

Ganz ehrlich: Als Angeklagter wäre mir dieser Richter mit Humor (über den sie denken mögen, was Sie wollen) erheblich lieber als ein formal korrekter, kommunikativ unzugänglicher Richter.

Dann steht es Ihnen als Angeklagtem frei, trotz Vorliegen der Voraussetzungen keinen Befangenheitsantrag zu stellen. Dass der Angeklagte im entschiedenen Fall über den Witz nicht lachen konnte, ist offensichtlich. Und das musste er vernünftigerweise auch nicht.

5

Muss nach Ihrer Auffassung ein Befangenheitsantrag erfolgreich sein, wenn den Betroffenen etwas am Richter stört? Der Richter z.B. dick ist und der Angeklagte dünn oder umgekehrt? Schließlich könnte ja der dicke wegen Betrugs angeklagte  Angeklagte annehmen, dass der asketische Richter ihm gegenüber voreingenommen ist (was im realen Leben weit wahrscheinlicher als eine Befangenheit des Strafkammervorsitzenden mit der Facebook-Seite ist).

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Die Frage ist kann der Angeklagte es vernünftigerweise annehmen, wie bereits x-Mal erwähnt. Also wenn der Richter in Ihrem Beispiel ein Foto von sich bei Facebook mit T-Shirt "JVA - und die Pfunde purzeln" einstellt, darunter "Wenn du rauskommst hast du meinen BMI" kommentiert und einem Beitrag mit Inhalt "Schwedische-Gardinen-Fitnesstrainer" ein "like" gibt, dann ist das vergleichbar mit dem vom BGH entschiedenen Fall. Wenn der Richter das alles dagegen für sich behält, kann der Angeklagte auch keine Befangenheit geltend machen, weil er keine vernünftigen Gründe dafür nachweisen kann.

3

Ihren Vergleich finde ich ganz gut - und ich komme dabei genau zu dem Ergebnis, dass gerade beim humorigen Richter eher weniger Besorgnis der Befangenheit besteht.

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Was ich nicht verstehe:

Es heisst doch, wenn vernünftigerweise angenommen werden kann, dass der Richter gegen ihn (den Angeklagten) eine voreingenommene innere Haltung hat...

Der Zusammenhang ist doch hier nicht ersichtlich.

Das Abstellen auf allgemeine Scherze zur eigenen Berufstätigkeit dürfte, wenn man es denn nun zu Ende denkt, fatale Folgen haben.

Der facebook Eintrag ist aktenkundig. Seine Existenz also durch Löschen nicht mehr aus der Welt zu schaffen.

Der Befangeheitsantrag in dieser Sache zulässig, ansonsten halt Revisionsgrund.

Das kommt ja einem Berufsverbot gleich für den guten Mann. Wie soll das denn jetzt für ihn weitergehen? 

@ Max Mustermann

Dazu s.o.:

Quote:

1. Ein Richter kann in der Reichweite seiner zutage getretenen Voreingenommenheit abgelehnt werden, selbst wenn dies zu seinem praktischen Ausschluß von bestimmten Tätigkeitsfeldern führt und Anlaß zu einer Änderung der Geschäftsverteilung gibt.[...](Leitsätze der Redaktion) BVerfG ( 2. Kammer des 2. Senats ), Beschluß vom 19-08-1996 - 2 BvR 115/95

Volltext für mich leider nicht einsehbar.

[/quote]

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Er ist meines Wissens weiter im Strafrecht tätig.

Sollte noch ein Befangenheitsgesuch gestellt werden und sollte es Erfolg haben, müsste er wohl Zivilrecht machen; darüber entscheidet das Präsidium seines Gerichts. Er scheint aber als Strafkammervorsitzender recht angesehen zu sein.

 

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