Erlaubte Geschwindigkeit mit Anhänger überschätzt: (natürlich) kein Augenblicksversagen bei Geschwindigkeitsverstoß

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.02.2016
Rechtsgebiete: AugenblicksversagenStrafrechtVerkehrsrecht|2375 Aufrufe

Darauf muss man erstmal kommen. Da leiht sich der Betroffene einen Anhänger. Er glaubt: "Damit darf ich 100 km/h fahren." Darf er aber nicht. Nur die "normalen" 80 km/h Höchstgeschwindigkeit sind drin. Er fährt damit dann auch noch so schnell, dass gegen ihn ein Fahrverbot verhängt wird. Seine Verteidigung: "Das war Augenblicksversagen". Klar: Das war es natürlich nicht. Das Amtsgericht hat aber gerade hierauf sein Absehen vom Regelfahrverbot gestützt. Hier das OLG Bamberg dazu:

...Die Begründung, mit der das AG von der Verhängung eines Fahrverbots gegen den Betr. abgesehen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die Erwägungen des AG sind schon deswegen rechtsfehlerhaft, weil es den Irrtum des Betr. über die erlaubte Höchstgeschwindigkeit zum Anlass für ein Absehen vom Regelfahrverbot genommen hat, ohne zu berücksichtigen, dass dieser ohnehin nur wegen fahrlässigen Verhaltens verurteilt wurde und das Regelfahrverbot gerade auch im Falle der Fahrlässigkeit gilt.

b) Der Irrtum des Betr. bei der Übernahme des Anhängers über die erlaubte Höchstgeschwindigkeit stellte auch kein sog. ‚Augenblicksversagen‘ dar, welches ein Absehen von dem Regelfahrverbot rechtfertigen könnte. Hiervon kann nur gesprochen werden, wenn eine momentane Unaufmerksamkeit bzw. ein kurzzeitiges Fehlverhalten vorlag (BGH, Urt. v. 29.01.2003 – IV ZR 173/01 = NJW 2003, 1118...), wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann (BGH, Beschl. v. 11.09.1997 – 4 StR 638/96 = BGHSt 43, 241/249 ff. = NJW 1997, 3252 = NZV 1997, 525). Schon im Hinblick auf den Begriff des Augenblicksversagens ist es kennzeichnend, dass es sich um eine gleichsam spontane Fehlreaktion innerhalb eines Verkehrsgeschehens handelt. Dies scheidet hier schon deshalb aus, weil das Fehlverhalten des Betr. bereits bei Übernahme des Anhängers gegeben war, indem er die gebotene Überprüfung der Fahrzeugpapiere unterlassen hat.

c) Unbeschadet des Umstands, dass demnach keine Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die ein Absehen vom Regelfahrverbot gerechtfertigt hätten, hat das AG die aus seiner Sicht zumindest gebotene Gesamtabwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls gänzlich unterlassen. Es hat stattdessen seine Entscheidung allein auf den (vermeidbaren) Irrtum des Betr. über die erlaubte Höchstgeschwindigkeit gestützt. In diesem Zusammenhang besonders relevante Umstände, die gegen ein Absehen vom Regelfahrverbot sprechen, wie etwa die verkehrsrechtlichen Vorahndungen des Betr. und der Umstand, dass sowohl eine beharrliche wie auch grobe Pflichtverletzung vorlagen, hat es dagegen in seine Erwägungen gar nicht eingestellt.

II. Nach alledem ist auf die Rechtsbeschwerde der StA das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mitsamt der Kostenentscheidung aufzuheben. Wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen (§ 79 III 1 OWiG, § 353 StPO). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG zurückverwiesen (§ 353 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, da in der neuen Verhandlung gegebenenfalls Feststellungen zu der Frage getroffen werden können, ob ein einmonatiges Fahrverbot für den Betr. eine unverhältnismäßige Härte darstellt...

OLG Bamberg, Beschl. v. 04.01. 2016 - 3 Ss OWi 1490/15

Ausführlich natürlich zu diesem Thema: 

Fahrverbot in Bußgeldsachen | Krumm | Buch (Cover)

§ 6

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