BAG zur Rentenaltersgrenze im Arbeitsvertrag

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 07.03.2016

Die großen Gefechte um die Zulässigkeit von Altersgrenzen sind abgeklungen. Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen erkennen lassen, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen, die auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt zielen, zu dem der Arbeitnehmer eine reguläre Altersgrenze beziehen kann, grundsätzlich keinen europarechtlichen Bedenken unterliegen. Vorgezogene Altersgrenzen hingegen werden offensichtlich deutlich kritischer hinterfragt. Eine endgültige Stellungnahme des EuGH zur Zulässigkeit regulärer Altersgrenzen in Arbeitsverträgen steht indes noch aus.

In einer neueren Entscheidung hat das BAG (9.12.2015 – 7 AZR 68/14, BeckRS 2016, 66798) in dieser Frage eindeutig Stellung bezogen: Das BAG prüft die streitgegenständliche Altersgrenze zunächst nach AGB-rechtlichen Maßstäben. Weder könne der Klausel überraschender Charakter attestiert werden, noch sei ihre Ausgestaltung intransparent. Die in der Altersgrenze liegende Befristung sei im Hinblick auf die Absicherung des Arbeitsnehmers durch die Möglichkeit des Rentenbezugs auch nach § 14 Abs. 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Das schließe dann auch eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) aus. Besonders bedeutsam sind die Ausführungen des BAG zu möglichen Bedenken im Hinblick auf eine von Altersgrenzen in Arbeitsverträgen ausgehende Gefahr einer Diskriminierung wegen des Alters. Die Befristung diene einem legitimen Ziel iSv. Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG. Durch die Altersgrenze solle zumindest auch über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang jüngerer Personen zur Beschäftigung gefördert werden. Dieser Annahme stehe nicht entgegen, dass die Befristung auf einem Einzelvertrag beruhe und keinen unmittelbaren kollektiven Bezug habe. Die Befristung sei als Mittel zur Erreichung der genannten Ziele erforderlich und angemessen. Die Befristung sei erforderlich, um den Zugang jüngerer Personen zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen oder zumindest zu erleichtern und dadurch die Beschäftigungsmöglichkeiten zwischen den Generationen zu verteilen. Die Befristung sei auch angemessen. Der Kläger erhalte nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis an Stelle seiner Arbeitsvergütung einen Einkommensersatz in Gestalt einer Altersrente. In puncto Rentenhöhe bescheidet das BAG den Kläger, dass es ihm möglich gewesen sein, eine etwaige Versorgungslücke beizeiten durch Eigenvorsorge zu schließen. Außerdem hindere die Altersgrenze den Kläger - wenn er es etwa aus finanziellen Gründen wünsche - nicht daran, auch nach dem Erreichen des Rentenalters berufstätig zu sein. Die Altersgrenze beende zwar das in der Vergangenheit begründete Arbeitsverhältnis, enthalte aber kein Verbot der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit. Der Kläger, der das Rentenalter erreicht habe, verliere rechtlich nicht den Schutz gegen Ungleichbehandlungen wegen des Alters. Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedürfe es nicht (Anm.: Das erscheint mutig. Ob das auch die nachgeordneten Arbeitsgerichte unisono so sehen werden, ist noch nicht ausgemacht.). Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs seien die unionsrechtlichen Grundsätze als geklärt anzusehen, die für die Beurteilung von Befristungsabreden auf den Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze maßgeblich sind (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10 - [Fuchs/Köhler] AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21; EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] NZA 2011, 29; EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt], NZA 2012, 785; EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] NZA 2010, 1167; EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 [Palacios de la Villa] EuZW 2007, 762).

Hilfreich für die Praxis ist zuletzt die Klarstellung, dass eine Altersgrenze in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag, nach der das Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahres des Arbeitnehmers enden soll, nach der Anhebung des Regelrentenalters regelmäßig dahin auszulegen ist, dass das Arbeitsverhältnis erst mit der Vollendung des für den Bezug einer Regelaltersrente maßgeblichen Lebensalters enden soll.

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