Der neue § 611a BGB - Arbeitnehmerbegriff

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 09.03.2016

Vor kurzem ist an dieser Stelle über den ersten Referentenentwurf berichtet worden, der in einem neuen § 611a BGB einen Kriterienkatalog enthielt. Dieser war allseits auf scharfe Kritik gestoßen. Der nun vorgelegte neue „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ – derzeit allerdings von der CSU blockiert - beschreitet in dieser Frage einen anderen Weg. Man beschränkt sich auf die (wörtliche) Wiedergabe der Rechtsprechung des BAG zum Begriff des Arbeitnehmers. Der neue § 611a BGB soll wie folgt gefasst werden:

㤠611a

Arbeitnehmer

Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines an-deren zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vor-zunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.“

In der Begründung hierzu heißt es auszugsweise:

„Damit sollen missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes durch vermeintlich selbstständige Tätigkeiten verhindert und die Rechtssicherheit der Verträge erhöht werden. Dazu legt die Vorschrift des § 611a BGB unter wörtlicher Wiedergabe der Leitsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung fest, wer Arbeitnehmer ist.“

Ob man diesem selbst gesetzten Ziel damit näher kommt, darf bezweifelt werden. Die jetzt vorgeschlagene Regelung richtet im Gegensatz zum Vorgängerentwurf jedenfalls keinen Schaden an. Etwas unbedacht ist die Formulierung, dass sich das Weisungsrecht auch auf die Dauer der Tätigkeit erstrecken kann. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, da das Volumen der Arbeitszeit regelmäßig im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag festgelegt ist. Flexibilisierungen in diesem Bereich bedürfen ausdrücklicher Vereinbarung und haben Ausnahmecharakter.

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3 Kommentare

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Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen.

 

Windelweicher geht es wohl nimmer. Damit wird doch alles andere derart relativiert, dass man direkt bei der alten Arbeitnehmerdefinition bleiben kann. Es muss wohl eine unausweichliche politische Notwendigikeit in der großen Koalition geben, dass Scheinselbständigkeit klammheimlich weiter ausgebaut werden kann.

Da es dabei grundsätzlich Schwierigkeiten gibt, eine adäquate Alterssicherung aufzubauen, wird schon jetzt eingeplant, dass die Betroffenen im Alter auf Grundsicherung angewiesen sind und damit am Tropf der allgemeinen Steuerzahler hängen. Die damit einhergehenden nicht kostendeckenden Zuschüsse zur Krankenversicherung belastet dabei über höhere Zusatzbeiträge primär lohnabhängige Arbeitnehmer.

 

 

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Netzbürger schrieb:

Es muss wohl eine unausweichliche politische Notwendigikeit in der großen Koalition geben, dass Scheinselbständigkeit klammheimlich weiter ausgebaut werden kann.

Ihnen ist schon klar, dass über die schwammige Definition eine Scheinselbstständigkeit (und damit Sozialversicherungspflicht) leichter zu begründen ist? Und das überhaupt die Scheinselbstständigkeit im Sozialversicherungsrecht verankert ist, und grundsätzlich nicht an der zivilrechtlichen Definition des Arbeitnehmers im BGB hängt?

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