"junges hochmotiviertes Team" altersdiskriminierend?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 23.03.2016
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtDiskriminierungAlter20|6994 Aufrufe

Viele Arbeitgeber versuchen, sich in ihren Stellenanzeigen in bestes Licht zu rücken. Dazu gehört offenbar, dass man den Bewerberinnen und Bewerbern die Mitarbeit in einem "jungen Team" in Aussicht stellt. Nicht zum ersten Male hat sich jetzt eine mittlerweile 52-jährige Bewerberin, die es vor einigen Jahren sogar schon zum EuGH geschafft hatte (EuGH, Urt. vom 19.4.2012 - C-415/10, NZA 2012, 493), wegen ihres Alters diskriminiert gefühlt. Ihre Klage auf Entschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG) in Höhe von 10.000 Euro blieb beim LAG Baden-Württemberg jedoch ohne Erfolg:

1. Die Forderung nach sehr guten Englisch- und Deutschkenntnissen als Voraussetzung für die Einstellung eines Softwareentwicklers oder einer Softwareentwicklerin in einem international agierenden Unternehmen ist im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt.

2. Die Formulierung in einer Stellenanzeige, wonach ein Unternehmen ein "junges hochmotiviertes Team" vorzuweisen habe und die Aufforderung, sich zu bewerben, wenn der oder die Bewerber/in "Teil eines jungen, hochmotivierten Teams" werden wolle, ist nicht eindeutig. "Jung" kann sich in diesem Zusammenhang auf den Zeitpunkt der Zusammensetzung des Teams genauso wie auf das Lebensalter der Teammitglieder beziehen. Da keines der möglichen Verständnisse überwiegend wahrscheinlich ist, fehlt auch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Benachteiligung wegen des Lebensalters.

Die Revision wurde zugelassen.

LAG Baden-Württemberg, Urt. vom 15.1.2016 - 19 Sa 27/15, BeckRS 2016, 67158

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20 Kommentare

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Es wird Zeit und es ist dringend zu hoffen, dass das BAG bzw. die anderen obersten Gerichte dieser völlig verfehlten Instanzrechtsprechung, die das AGG, das als Paukenschlag konzipiert ist zu einem Papiertiger verkommen lässt, endlich ein schnelles Ende bereiten. Diese arbeitgeberhörige Rechtsprechung, die jedem noch so offensichtlich vorgeschobenen Scheinargument bereitwilligst Folge leistet, verleidet es wirklich jedem Stellenbewerber, die ihm gesetzlich zustehenden Rechte geltend zu machen. Der europarechtlich geforderte Effektivitätsgrundsatz wird völlig negiert. Natürlich sucht man für sein "junges Team" nur junge Bewerber. Aber in Baden-Württemberg beherrscht man bekanntlich alles ausser Hoch- (und Gesetzes-) Deutsch.

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Ich halte es langsam für eine gefährliche Entwicklung.

 

Jedes Unternehmen hat eine Vorstellung, was und wie er sucht. Wenn jetzt die Stellenbeschreibung zu verklausiliert geschrieben wird, bewerben sich Personen, die garnicht geeignet sind. Also sich völlig unsinnig bemüht haben.

Dann hat ein Unternehmen auch darauf zu achten, dass die Angestellten zusammen passen und nicht nur Probleme verursachen. Sonst kann man, insbesondere kleinere Unternehmen, schneller kaputt machen, wie irgendwas aufgebaut ist. Und wenn ein "junges Team" vorhanden ist, sollte sich ein älterer Bewerber schon überlegen, ob er sich in einem solchen zurecht findet, da hilft auch alles schönreden nicht viel. Es sollte schon irgendwie passen.

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@LeserII, Ihre Bauchgefühlmeinung widerspricht diametral dem AGG. Ein "junges Team" diskriminiert einen älteren Bewerber ebenso wie ein "männliches Team" eine weibliche Bewerberin diskriminiert und ein "gesundes Team" einen Behinderten. Das alles darf in unserem zivilisierten europäischen Land in dem alle Menschen gleich sind, nicht mehr gelten. Offensichtlich hat das immerhin bereits 10 Jahre alte AGG immer noch nichts bewirkt und an solchen überholten Anschauungen nichts geändert, wie ihre Bauchgefühlmeinung zeigt, und das nicht zuletzt wegen solcher revanchistischer Rechtsprechung des gegenständlichen Urteils.

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 Schönes Argument: Männliches Team, gesundes Team

Mir ist ehrlich gesagt auch nicht klar, warum es den Instanzgerichten so schwer fällt, das AGG anzuwenden. 

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Mir ist ehrlich gesagt auch nicht klar, warum es den Instanzgerichten so schwer fällt, das AGG anzuwenden. 

Beim Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz hat es auch 11 Jahre gedauert, bis es vom BGH ernst genommen wurde. Endlich hiess es dann: "Die Durchsetzung der vom Gesetzgeber mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verfolgten Ziele, die Schwarzarbeit effektiv einzudämmen, erfordert eine strikte Anwendung dieser Vorschrift" (vgl. BGH , U. v. 11.06.2015 - VII ZR 216/14). Na, bitte! So einfach und überzeugend kann klare und lupenrein diamantene Rechtsprechung sein. Man muss nur pflichtgemäß dem Gesetz Folge leisten. Diese 11 Jahre sind beim AGG demnächst auch um.

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Gut dass "hochmotiviert" nicht auch noch eine Benachteiligung von Mindermotivierten darstellt.

 

Im Ernst:

Das AGG trifft nur diejenigen, die sich blöd anstellen. Diejenigen, die diskriminieren wollen, können das ohne weiteres machen, wenn sie ein paar Grundregeln beachten. Nichtssagende Stellenausschreibung, nichtssagende Absagen. Und wenn ich keine Frau, Ausländer oder keinen älteren Menschen einstellen will, lade ich genau so jemand zum Vorstellungsgespräch mit ein.

Kommt dann jemand und klagt, habe ich das Vorstellungsgespräch als Anhaltspunkt, dass eine solche Einstellung für mich durchaus in Frage gekommen wäre, aber der männliche, jüngere, deutsche Kandidat mich halt mehr überzeugt hat. (Damit kann man sogar die Indizwirkung einer ungeschickt formulierten Anzeige in Grenzen wieder aus der Welt schaffen.)

 

Was kommt eigentlich als nächstes? "Auf Ihrer Homepage ist ein Bild vom Team und da sind nur junge Menschen drauf! Sie diskriminieren!"

Das AGG trifft nur diejenigen, die sich blöd anstellen.

Dass man den besonders Schlauen nichts anhaben kann, ist kein Grund, nicht wenigstens die besonders Dreisten zu packen. Weil nicht jeder erwischt wird, der innerorts 80 km/h fährt, ist es nicht sachwidrig, wenigstesn die aus dem dem Verkehr zu ziehen, die mit 150 km/h durch die Stadt brettern und auch noch stolz darauf sind, so tough gegen das Gesetz zu verstoßen.

 

 

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Schön gesagt, "Gast", ich stimme zu. Und das Argument mit dem "männlichen, gesunden Team" ist auch sehr pointiert.

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Ein doch sagen wir sehr uninteligentes Argument ist es doch zu sagen, wir brauchen das AGG nicht, weil das Gesetz auch für einen vorätzlich diskrimminierenden Arbeitgeber (mögliche) Lücken bereit hält.

 

Übrigens ist es doch denkbar, dass sich der an  einem jungen, deutschen, gesunden, männlichen Arbeitnehmer  interessierte Arbeitgeber davon überzeugen lässt, dass auch eine 50-jährige, persische, an Zucker erkrankte  und daher schwer behinderte Bewerberin  für den Job bestens geeignet ist, wenn er ihr die Chance eines Vorstellungsgesprächs einräumt. Sei es auch nur in der Absicht gewesen, sich im Lichte eines diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens  zeigen zu können. 

 

 

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Gast schrieb:
Ein doch sagen wir sehr uninteligentes Argument ist es doch zu sagen, wir brauchen das AGG nicht, weil das Gesetz auch für einen vorätzlich diskrimminierenden Arbeitgeber (mögliche) Lücken bereit hält.

Deshalb hat ja auch bisher keiner behauptet, dass wir Antidiskriminierungsregeln nicht brauchen (ob die nun AGG heissen oder wie auch immer). In der aktuellen Form taugt es aber wenig.

Auf der einen Seite kommen viele, die diskriminieren, ohne Strafe davon, auf der anderen Seite kassieren AGG-Hopper. Das kann beides nicht Sinn der Sache sein. Schön wenns auch mal einen trifft, der tatsächlich diskriminiert, aber zu oft geht der Schuss vorbei.

Die eigentliche Frage ist ja auch nicht rechtlich sondern tatsächlich. D.h. war gemeint dass nur ein junger Bewerber/in Teil des jungen Teams werden kann, oder eben auch ein älterer Bewerber/in in das junge Team Aufnahme hätte finden können. Bei ersterem eindeutig Diskriminierung, bei letzterem nicht. Man kann m.E. beides hier vertreten.

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Das ist doch alles Döckelei, das Gesetz ist nicht gut, weil es sein kann, das es AGG Hopper gibt, woher wissen Sie, wer AGG Hopper ist, woher wissen sie weiter, dass das AGG Hopping wider den Willen des Gesetzgebers ist, der sich ja, explizit und unmissverständlich, dazu entschlossen hat, die Verfolgung von Diskrimminierungen im Wege eines Strafschadensersatzanspruch in private Hände zu geben. 

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Bei uns ist eine Bewerbung im Alter schon als so aussichtslos bekannt, dass sie als Rechtsmißbrauch und Betrug behandelt wird, wenn man sich trotzdem bewirbt. Pervers.

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Hat eigentlich schon jemand einmal außer Gedöns etwas sinnvolles von der oder über die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (§§ 25 ff. AGG) gehört? Was treibt man dort eigentlich außer Selbstbeschäftigung der dort besoldeten Leute? Wo bleibt der Aufschrei?

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Die Antidiskrimiierungsstelle taugt nach meinen Erfahrungen nichts. Ich habe mich einmal für einen Mandanten dort hin gewandt und eigentlich nur mit massiver Arbeitsverweigerungshaltung zu tun gehabt. Gehofft hatte ich, dass man sich dort einem Missstand in einem großen Deutschen Unternehmen - das einen barrierefreien Zugang zu seinem Dienstleistungsangebot nicht bereitstellen wollte/konnte - animmt. Es war wirklich erschütternd.

 

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Ich halte die Auslegung des LAG für abwegig. Wenn man diese Großzügigkeit der angeblichen Nichteindeutigkeit auf andere Dikriminierungstatbestände überträgt, ist in Zukunft jede rassistische Anspielung erlaubt.

Viele Arbeitsrichter haben ein Problem damit, die Grenzen ihres eigenen Wirkens zu akzeptieren. Wird die Rechtslage als unliebsam empfunden, so korrigiert man sie. § 22 AGG ist ein gutes Beispiel für diese Entwicklung.

 

 

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Arbeitsrechtler sind offenbar ganz einfach nicht gewohnt, hart am Gesetz zu arbeiten, weil es für vieles eben leider kein Gesetz gibt. Und wenn es dann doch einmal eine durchnormierte Kodifikation wie das AGG gibt, tun sie so, als ginge sie das nichts an und werkeln weiter völlig ungebunden und ohne Rücksicht auf den Kodex vor sich hin.

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Die Revision wurde zugelassen.

Das - m. E. falsche - Urteil ist jetzt rechtskräftig; die Revision wurde zurückgewiesen, weil sich die Klägerin einer Anwältin als Prozessbevollmächtigte bediente, die u. a. geltend machte, "nicht Schreibmaschine schreiben zu können, weshalb sie vier ausgebildete Büro-Fachangestellte in Teilzeit beschäftige, die für sie nach Diktat die Schriftsätze schrieben. Sie sei auch nicht bereit, selbst Schriftsätze zu schreiben, da dies nicht ihre Aufgabe sei... es sei einleuchtend, dass an einem Freitag, insbesondere eine halbe Stunde vor allgemeinem Büroschluss, keine Ersatzkraft habe herbeigezaubert werden können" (BAG , U. v. 23.11.2017 - 8 AZR 458/16, Rn. 33).  So viel zur "Digitalen Kanzlei" und zum beA etc. Schade, ich denke die Revision hätte erfolgreich sein können. und müssen.

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Na dann viel Spaß beim Regressprozess gegen die Anwältin...Dann kann sich auch ein Zivilgericht mit den arbeitsrechtlichen Fragen befassen.

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