Mord bleibt Mord - oder nicht? Zum Gesetzentwurf des Bundesjustizministers

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 30.03.2016

Seit mehr als zwei Jahren wird über das Projekt des Bundesjustizministeriums diskutiert, die Tötungsdelikte im StGB grundlegend zu reformieren. In einem Beitrag im Januar 2014 hatte ich mich kritisch zu einem Vorschlag des DAV geäußert, der schlicht § 211 StGB ganz streichen wollte.

Bundesjustizminister Maas hat seinerseits im Jahr 2015 eine Expertenkommission weitere Vorschläge beraten und bewerten lassen, hier eine kritische Reflektion von Wolfgang Mitsch dazu.

Der Vorschlag des Justizministeriums, der jetzt durch Spiegel Online öffentlich wurde, dürfte also nicht ganz überraschend kommen. Die von SPON vermittelten Kernpunkte des Vorschlags:

1. Totschlag und Mord werden systematisch als Grunddelikt/Qualifikation organisiert

2. Die überkommenen Beschreibungen „Mörder ist…“ „Totschläger ist…“ entfallen

3. Die zwingende Strafe „lebenslang“ für Mord entfällt, lebenslang ist aber weiterhin eine Option neben einer (hohen) zeitigen Freiheitsstrafe.

4. Das Merkmal Heimtücke wird durch Verzicht auf die Arglosigkeit erweitert.

5. Für minder schwere Fälle des Mordes, etwa „wenn der Täter "aus Verzweiflung" handelte, um "sich oder einen ihm nahestehenden Menschen aus einer ausweglos erscheinenden Konfliktlage" zu befreien, durch eine "schwere Beleidigung" oder "Misshandlung (...) zum Zorn gereizt" wurde oder

von einer "vergleichbar heftigen Gemütsbewegung" betroffen war.“ (Quelle: Spiegel Online) soll das Strafmaß auf dasjenige des Totschlags reduziert werden (fünf bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe).

6. Das Merkmal niedrige Beweggründe wird umformuliert in „besonders verwerfliche Beweggründe“ und soll explizit auch rassistische und fremdenfeindliche Motive einbeziehen.

Die Kritik an dem Vorschlag, der bisher im Wortlaut nicht vorliegt, kam prompt: Es handele sich angesichts der kürzlichen terroristischen Attacken um den falschen Zeitpunkt, die Reform sei ohnehin überflüssig und für das höchste Rechtsgut, das Leben, dürfe die lebenslange Freiheitsstrafe nicht relativiert werden, so sinngemäß der bayerische Justizminister Bausback. Überwiegend kritisch auch die Tendenz vieler Kommentare in den sozialen Medien, in denen oft vermutet wird, mit dem Entwurf sollten insbesondere  Tötungsdelikte von religiösen Fanatikern als weniger schlimm bewertet werden.

Die Reform scheint jedoch die Antwort des Gesetzgebers auf längst gestellte Fragen darzustellen, die in der Rechtsprechung bislang entweder durch Notlösungen („Rechtsfolgenlösung“) oder durch Kasuistik beantwortet werden. Die jahrzehntelange Diskussion zum systematischen Status der §§ 211, 212 StGB wird endlich im Sinne der überwiegenden Strafrechtslehre beantwortet. Überwiegend positiv äußert sich etwa van Lijnden auf LTO.

Ob die Reform aber wirklich der große Wurf ist?

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38 Kommentare

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Wenn das mit der "schweren Beleidigung" tatsächlich ins Gesetz kommt, wird es wohl viele Verteidigungen geben in der Art "Er hat meine Mutter beleidigt!".

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Im Großen und Ganzen sehe ich den Reformvorschlag als positiv an.

Einziger Punkt wo ich Vorbehalte habe ist Nr. 3.

Quote:

3. Die zwingende Strafe „lebenslang“ für Mord entfällt, lebenslang ist aber weiterhin eine Option neben einer (hohen) zeitigen Freiheitsstrafe.

Ich sehe die Notwendigkeit dafür nicht. Die "Notlösungen" der Rechtsprechung wären durch die Einführung minder schwerer Fälle (Nr. 5) abgedeckt. Außerdem bedeutet lebenslang auch "nur" mehr als 15 Jahre, s. § 57a StGB. Schließlich ist m.E. die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bei (außer vielleicht Völkermord) höchstmöglicher Verwerflichkeit allein schon wegen des Unrechtsgehalts angezeigt. Unter diesen Voraussetzungen kann ich nicht erkennen, warum bei Mord die Einführung einer zeitigen Freiheitsstrafe - außer bei minder schweren Fällen -  angezeigt ist. Oder gibt es Fälle, die sich sonst nur wieder mit Notlösungen von der Rechtsprechung beheben lassen?

Interessanter Nebeneffekt von Nr. 3 wäre außerdem, dass ein Delikt das vom Unrechtsgehalt her ggf. nur mit hoher zeitiger Freiheitsstrafe bestraft wird nicht mehr verjährt, § 78 Abs. 2 StPO. Das wirft die Frage auf, wo der Unterschied zum ebenfalls mit hoher zeitiger Freiheitsstrafe belegten Totschlag ist, der ja das gleiche Rechtsgut betrifft. Die Mordmerkmale an sich sind dafür m.E. kein entscheidendes Argument mehr, wenn vom Gesetzgeber dafür eine sehr ähnliche Rechtsfolge und damit ähnlicher Unrechtsgehalt festgelegt wird.

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Der Verzicht auf die Arglosigkeit bei der Heimtücke ist nicht ganz nachvollziehbar. Der Schwerpunkt der Heimtücke liegt auf dem Überraschungsmoment, das in der Arglosigkeit verkörpert wird - die darauf beruhende Wehrlosigkeit soll nur solche Fälle ausschließen, bei denen die Arglosigkeit keine Rolle spielt, weil sich das Opfer trotz des überraschenden Angriffs in ausreichender Weise wehren kann, so dass der Unwertgehalt des Mordes entfällt. 

Wenn man jetzt auf die Arglosigkeit verzichtet, stellt das das Mordmerkmal quasi auf den Kopf - aus einem tatbestandseinschränkenden (Definitions-)Element wird eines, das immer vorliegt. Bei Tötungsdelikten gibt es regelmäßig ein Gefälle in der Leistungsfähigkeit, sonst würde dem Täter die Vollendung nicht gelingen. Soll jetzt bei jedem Bewaffneten Mord gegeben, der einen Unbewaffneten tötet? Oder kommt es - vergleichbar § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB - auf eine Art institutionalisierte Wehrlosigkeit an?

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@MT:

Da, wie gesagt, der Wortlaut des Entwurfs noch nicht bekannt ist, ist die Frage, wie genau das Verhältnis zwischen "lebenslang" und "zeitiger Freiheitsstrafe" bei Mord künftig lt. Entwurf geregelt werden soll, noch nicht ganz klar. Van Lijnden schreibt:

"Nach Informationen des Spiegel, der als erster auf den Entwurf aufmerksam geworden war, sieht er die lebenslange Freiheitsstrafe zwar weiterhin als Normalfall vor, allerdings sollen Strafmilderungen möglich sein – bis auf ein Minimum von fünf Jahren. Ein Milderungsgrund soll etwa dann vorliegen, wenn der Täter "aus Verzweiflung" sich selbst oder ihm nahestehende Personen "aus einer ausweglos erscheinenden Konfliktlage" befreien wollte, durch eine "schwere Beleidigung" oder "Misshandlung [...] zum Zorn gereizt" wurde oder von einer "vergleichbar heftigen Gemütsbewegung" betroffen war."

(Quelle: http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/mord-reform-entwurf-zwingend-leben...)

Man kann den SPON-Artikel  aber auch so verstehen, dass lebenslang insgesamt für Mord nicht mehr zwingend sein soll.

Es kann also einerseits sein,
dass in einem ersten Absatz lebenslang angedroht wird, in einem zweiten Absatz dann bestimmte Fälle genannt werden, in denen nur Freiheitsstrafe von mind. 5 Jahren angedroht wird,

oder andererseits könnte es so geplant sein, dass bei Mord die absolute Freiheitsstrafe von vornherein  nicht mehr angedroht wird ("lebenslang oder Freiheitsstrafe nicht unter...Jahren").

Im erstgenannten Fall bliebe es weiterhin wichtig, die einzelnen Mordmerkmale zu konkretisieren, denn die absolute Strafe bliebe ja im Wesentlichen erhalten. Wird der neue Mordtatbestand hingegen so geregelt, dass von vornherein nicht mehr lebenslang zwingend ist, dann bliebe in der Rechtsfolge genug Spielraum, um dem Einzelfall gerecht zu werden.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

also ich bin kein jurist und kann das daher nur bedingt nachvollziehen.

 

aber wenn ich von einer person ausgehe die wie schon erwähnt sehr religiös ist. die von sich sagt, dass die religion der allesbestimmende identifikationsfaktor im leben ist. und nicht nur im leben der person. die ganze familie, ja sogar die kultur ist seit jahrhunderten so geprägt.

das die person 5 mal am tag beten, ihr ganzes leben danach ausrichtet, im namen der religion armen hilft, essen ausgteilt, schulen baut, religionsunterricht gibt, usw. und dann kommt ein schock comedian wie howard stern um die ecke und macht nen schmutzigen despektierlichen, vielleicht sogar misslungenen, demütigenden, gehässigen witz über die religion dieser person.

was passiert dann wenn das in dieser situation einen mord nach sich zieht?

 

wird der mord dann anders behandelt? hätte er den witz einen atheisten erzählt wär nichts geschehen. blöde sache. zur falschen zeit am falschen ort.

bzw. würde ein atheist den mord begehen wäre seine schuld dann grösser?

 

also ich als laie hab das gefühl da gerät man ins fahrwasser des relativismus. wer beleidigt ist soll beleidigt sein. und?

wie soll das in irgendeinem rechtfertigenden zusammenhang mit der ermordung eines menschen stehen?

viele menschen sind arm. viele menschen werden beleidigt. jeden tag. deswegen muss man nicht von rechtswegen geringere moralische anforderungen an sie stellen.

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Sehr geehrter Herr Lorenzo,

der Ausgangsfall, der bei der jetzigen Entwurfsformulierung Pate stand, ist derjenige, der den Großen Senat des BGH damals bewogen hat, von der gesetzlich vorgeschriebenen absoluten lebenslangen Freiheitsstrafe in § 211 StGB abzuweichen und eine "Rechtsfolgenlösung" zu erfinden. In diesem Fall hatte ein Mann seinen Onkel in den Rücken geschossen  und getötet, nachdem dieser die Ehefrau des Täters mit vorgehaltener Waffe vergewaltigt hatte und sich damit noch öffentlich gebrüstet hatte (hier nachzulesen: BGHSt 30, 105). Der BGH reagierte in seiner Entscheidung auf die vorherige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 45, 187), das die absolute lebenslange Freiheitsstrafe nur dann mit der Verfassung für vereinbar hielt, wenn  im Einzelfall der "Grundsatz sinn- und maßvollen Strafens" gewährleistet werden könne. Der BGH hat sich damals dazu entschlossen, bei Heimtückefällen unter außergewöhnlichen Umständen ausnahmsweise statt der lebenslangen Freiheitsstrafe aus dem gemilderten Strafrahmen 3 bis 15 Jahren eine zeitige Freiheitsstrafe zu entnehmen. Darüber sollten (ohne dass dies im Gesetz steht!), die jeweiligen Gerichte in verfassungskonformer Auslegung des Heimtückemerkmals entscheiden. Als "außergewöhnliche Umstände", die nach Meinung des BGH ein Abweichen von der lebenslangen Freiheitsstrafe ermöglichen sollten, wurden beispielsweise  genannt: "notstandsnahe , ausweglos erscheinende Situation, in großer Verzweiflung begangen, aus tiefen Mitleid oder "gerechtem Zorn" aufgrund einer schweren Provokation verübte Taten ... schwere Kränkungen des Täters durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen" (BGHSt 30, 105 (119). Das war 1981. 35 Jahre lang überließ man es also den Gerichten, eine gesetzlich nicht vorgesehene Lösung zu praktizieren, da eigentlich jeder Jurist der Meinung war, dass die zwingende lebenslange Freiheitsstrafe  bei Mord nicht in jedem Fall gerecht sei.

Wichtig ist, ein Missverständnis zu korrigieren: Es geht NICHT darum, ein Tötungsdelikt zu "rechtfertigen". Es ist und bleibt verboten und wird auch sehr hoch bestraft, jemanden vorsätzlich und rechtswidrig zu töten. Es geht nur darum, ob man beim Mord (einer Tötung mit besonderen Merkmalen), unter bestimmten Umständen nicht zwingend lebenslang bestraft, sondern eine im Einzelfall schuldangemessene niedrigere Strafe bestimmt - eine schuldangemessene Strafe, wie sie bei jedem anderen Delikt im Strafrecht auch bestimmt werden muss, unabhängig vom jeweiligen objektiven Taterfolg. Dies war bisher (wegen der genannten Rechtsprechung von BVerfG und BGH) beim Mord nur außerhalb des Gesetzes möglich. Die absolute Strafe "lebenslang" hat aber dazu geführt, das zum Teil unter erheblichen Verrenkungen die Merkmale des Mordes von Gerichten einengend ausgelegt wurden, damit man gar nicht zur zwingenden lebenslangen Strafe kam. Nun will das Justizministerium dies schon im Gesetz verankern. Dabei geht es aber nicht darum, allgemein Beleidigungen als Tötungsanlass (moralisch) zu rechtfertigen. Im Gegenteil kann derjeinge, der tötet, um sich für eine Beleidigung zu rächen, gerade deshalb ("besonders verwerflicher Beweggrund") überhaupt erst  in den Anwendungsbereich des Mordes gelangen.

Um Ihre Frage zu beantworten:

Zunächst müssten Sie Ihren Fall dahingehend präzisieren, weshalb überhaupt Mord vorliegt. Hat in Ihrem Beispiel der Beleidigte den Beleidiger umgebracht, liegt sonst zunächst nur ein Totschlag vor (Strafrahmen: 5 bis 15 Jahre), das Motiv könnte dann in der Strafzumessung berücksichtigt werden - mildernd oder schärfend. Eine allgemeine Entlastung/Belastung wegen Religionszugehörigkeit wird bislang von der Justiz nicht praktiziert. Es kann nun sein, dass ein Gericht die geschilderte "Rache" für eine bloße verbale Beleidigung der Religion des Täters gerade als verwerflichen Beweggrund einstuft  und deshalb zum Tatbestand des Mordes kommt. Bisher wäre es so, dass dann automatisch nur noch lebenslang als Strafe zu verhängen ist. Nach dem Entwurf des Ministeriums wäre dann u. U. eine Rückkehr zum Strafrahmen des Totschlags möglich (5 bis 15 Jahre), die sich an der Einzeltatschuld des Täters orientieren würde.

Wäre aber z.B. Heimtücke als Mordmerkmal verwirklicht (etwa ein plötzlicher Schuss in den Rücken), so käme nach dem jetzigen Gesetzeswortlaut nur lebenslang, nach der Rechtsfolgenlösung des BGH unter außergewöhnlichen Umständen jedoch eine Reduzierung des Strafrahmens auf 3 bis 15 Jahre in Betracht. Nach der Lösung des Ministeriums (im Entwurf) käme dann ein Strafrahmen von 5 bis 15 Jahren in Betracht.

Jedoch: Ohne nähere Schilderung der genauen Umstände der Tat und des persönlichen Hintergrunds des Täters (Vorgeschichte) können solche Fragen nur oberflächlich beantwortet werden. Die jetzt in den sozialen Medien verbreitete Ansicht: "Mord aufgrund Beleidigung bringt künftig nur noch 5 Jahre Strafe" ist in mehrfacher Hinsicht schlicht falsch.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

danke für diese ausführliche antwort.

ich muss aber sagen dass ich mein gerechtigkeitsempfinden darin nicht wirklich wieder finde.

 

der richter müsste demnach wissen was im kopf des täters zur tatzeit tatsächlich vorgeht, welche einflüsse und erlebnisse aus der vergangenheit sein verhalten wie beeinflussen, und diese zusammenhänge und emotionen genau "abwägen" können. ich glaube nicht, dass diesem hohen anspruch sehr viele menschen bzw. richter gerecht werden können. ich empfinde das urteil aus ihrem ersten fall auch als eine stückweise anerkennung einer gewaltspirale. wenn man möchte bzw. lange genug sucht wird man immer dinge rationalisieren können. das hängt auch davon ab wie gut man sich in jemanden reinversetzen kann, wie nahe man dieser person kulturell steht und somit ähnliche verhaltensweisen teilt.

und welche objektive methode gibt es um diese schwere beleidigung zu messen bzw. daraus einen strafmilderungsgrund abzuleiten? ihr erstes beispiel ist natürlich eine ekelhafte geschichte. aber wenn ich den advocatus diaboli spielen darf ... was wäre in diesem fall gewesen, wäre ihre ehe nicht mehr intakt und der mann hätte keine gefühle mehr für seine frau. sie lebten praktisch emotional getrennte leben und er würde in dieser situation den mann ebenfalls umbringen? was sagen die kinder des getöteten dazu dass sie ihren vater nie mehr sehen werden? wer bestimmt wie die verletztheit eines gefühlslebens? ein religiöser mensch, dessen gesamte identität und dessen gesamtes leben auf seiner religion beruht, ist vielleicht objektiv gesehen genauso verletzt wie der ehemann? kann man das tatsächlich ausschliessen? sind es nicht eher kulturelle normen die das beleidigtsein bestimmen? und diese kulturellen normen variieren von mensch zu mensch.

 

wie auch immer. danke für ihre antwort. ich hoffe man schafft da etwas, das tatsächlich auch zu gerechtigkeit führt. ich habe aber meine bedenken dass das in den einen oder anderen sumpf führen könnte.

schönen tag noch.

 

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Richter, Landes- und Bundesminister, Universitätsprofessoren, und Topjournalisten, die sich darüber Gedanken machen, wie man Straftatbestände fassen und formulieren und ausgestalten sollten, handeln fast immer sehr ehrenhaft und sehr intelligent und sehr überlegt.

Aber ihre Sichtweisen sind durch ihre Erziehung und durch ihr Selbstverständnis und durch ihre gesellschaftliche und berufliche Stellung mitgeprägt.

Daher erarbeiten sie oft Lösungsvorschläge, die für Menschen wie sie und für Menschen aus ihrer Umgebung passend erscheinen.

Solche Lösungsvorschläge sind aber nicht immer unbedingt passend für diejenige Klientel, die unsere Gefängnisse bevölkern, und die oft in einer Art und Weise derart skrupellos drauf sind, daß man es sich als normaler Mensch gar nicht vorstellen kann oder es nicht wahrhaben will.

Im Hinblick auf diese spezielle Klientel bedarf es mehr Spezialprävention (früher teilweise auch Abschreckung genannt, was aber bloß ein Teilaspekt ist), und nicht etwa weniger (wie mir aus meiner früheren Tätigkeit als Strafverteidiger, bei der mich die Angeklagten und Inhaftierten immer wieder fassungslos mit ihrer unglaublichen Rücksichtslosigkeit anderen Menschen gegenüber und mit ihrer unfassbarer Skrupellosigkeit konfrontierten) bekannt ist.

Außerdem bedarf es eines angemessenen Verhältnisses von Schuld und Strafe bzw. Sühne.

Unter anderem auch wegen des Umstandes, daß Taten und Tatumstände oft nicht vollständig aufklärbar sind, und dann im Zweifel für den Angeklagten (der einfach schweigt oder sich Ausreden bedient) entschieden wird, mangelt es derzeit bereits oft an einem angemessenen Verhältnis von Schuld und Sühne, und das würde sich zukünftig wahrscheinlich noch mehr häufen.

Tötungsdelikte zukünftig (noch) weniger hart zu bestrafen wäre ein Weg in die falsche Richtung und ein falsches Signal.

Zu vielen Leuten ist bereits heute ein Menschenleben zu wenig oder gar nichts mehr wert.

Und manche Leute machen sich vor ihren Taten tatsächlich nicht nur Gedanken darüber, wie sie ihre Täterschaft verheimlichen können, sondern auch darüber, wie "billig" sie denn wegkommen, falls sie denn doch erwischt bzw. ganz oder teilweise überführt werden.

Es mag sein, daß ich früher als Strafverteidiger zu viel mit "berufsmäßigen" Betrügern, Hehlern, Türstehern, Bandenkriminellen, Schutzgelderpressern, Zuhältern, Drogenhändlern, teilweise ehemaligen Bürgerkriegsteilnehmern oder Ex-Freischärlern  u.s.w. zu tun hatte, und daher eine pessimistische Sicht auf die Effektivität unseres Strafrechtssystemes und unserer Kriminalitätsbekämpfung habe, aber man darf meiner Meinung nach vor der leider nicht selten besonders problematischen Klientel unseres Strafrechtssystems und unserer Kriminalitätsbekämpfung nicht die Augen verschließen. Und man sollte nicht glauben, daß sich mit Scheuklappen, die sich aus dem wohlbehüteten akademischen Elfenbeinturm, in dem man sitzt, herrühren, wirklich gute und praxisgerechte Lösungen erarbeiten lassen. Die meisten Juristen, die sich über Strafrechtsreformen Gedanken machen, sind sehr human und sehr ehrenwert, aber nicht wenige neigen dazu, zu verkennen, daß die Klientel, um die es in der Praxis oft geht, oft sehr viel weniger human und sehr viel weniger ehrenwert ist.     

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@ #8

Wie gut "tough on crime" funktioniert sieht man in den USA. Für dreimal Kaugummi auf den Bordstein spucken gibts legenslang und deshalb ist die Kriminalitätsrate dort auch so viel geringer als hier. Entschuldigen Sie den Sarkasmus, aber in Sachen Strafrecht scheint das hier in Deutschland ganz gut zu laufen. Soll nicht heissen, dass es nichts zu verbessern gibt. Aber vieles was man in dem angeblichen Entwurf liest ist nur eine Kodifizierung von Krücken, die eh schon ständige Rechtsprechung sind. Das hat mit dem Elfenbeinturm rein gar nichts zu tun.

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#9

Kriminalität und Strafrecht in USA (die Sie vielleicht was die Strafen angeht mit Singapore verwechselt haben?) und Deutschland zu vergleichen passt nur teilweise.

Deutschland müßte man eher mit Dänemark, Holland, Österreich oder der Schweiz vergleichen.

Die USA dagegen eher mit Großbritannien, Ausstralien, Südafrika oder Mexiko.

Auch China, Indien, Russland, Ukraine, Türkei, Japan, Singapore, Israel, Ägypten, wären für uns keine passenden Vergleichsmaßstäbe.

Auch wenn einzelne Aspekte der Verhältnisse dort auch für uns interessant sein könnten.

Jedenfalls sollten wir die Strafzwecke Spezialprävention und Generalprävention sowie Schuld-Sühne-Ausgleich nicht über Bord werfen.

Beim manchen Gesetzesreformbemühungen (zum Beispiel auch bei der Reform der Flensburger Verkehrssünderkartei, die meiner Meinung nach unnötig und überflüssig war) habe ich den Eindruck, daß deren Protagonisten sich ein Denkmal setzen und in die Rechtsgeschichte eingehen möchten, oder nach der Reform als Väter der Reform und als Experten und Kommentarliteraturschreiber sowie als Fortbildungsdozenten besonders gefragt sein möchten, also zu einem guten Stück aus Gestaltungswillen und Eitelkeit motiviert sind, und daher nicht unbefangen und unvoreingenommen und neutral sind. 

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Vielleicht sollte man bei zukünftigen Strafrechtsreformen mal auch Leute wie etwa Fadi Saad, oder Giovanni Strangio, die Bergmann-Boys, Muris Ali (alias „Mehmet“), Frank Hahnebuth, Hans Jürgen Rösner, Dieter Degowski, Željko Ražnatović (alias „Arkan“), Adam Jashari, oder jemanden von  der Kölner Wilden Horde, oder vom Bremer Miri-Clan, oder vom Duisburger Y.S.-Clan, als Berater hinzuziehen.

Wenn der Gesetzgeber sich fragt, wie er z.B. Wilderei besser bestrafen und verfolgen kann, sollte der Gesetzgeber nicht nur Justiz- und Innenminister sowie Universitätsprofessoren und Förster befragen, sondern auch gewerbsmäßige oder gewohnheitsmäßige Wilderer, weil diese nämlich näher dran sind und Kompetenzen haben, die die anderen nicht haben. Ob diese Leute ehrlich antworten steht natürlich auf einem anderen Blatt, aber grundsätzlich braucht man nicht nur Erfahrungen aus Gerichtssäälen und aus universitären Forschungsarbeiten, sondern auch "von der Straße".

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Hier liegt ein Mißverständnis vor.

Es geht den Protagonisten der Strafrechtsreform doch hier gar nicht um Kriminalitätsbekämpfung oder Opferschutz.

Sondern vielmehr um mehr Gerechtigkeit für die Beschuldigten (wobei man wohl in erster Linie an Ehefrauen denkt, die von ihren Ehemännern geschlagen wurden, und die darauf dann erst später - sonst wäre es ja wahrscheinlich meistens sowieso Notwehr - mit der Tötung ihres Ehegatten reagieren), sowie auch darum, ein Gesetz, das vor 1945 formuliert wurde, zu modernisieren.

Vielleicht möchte man auch so zukünftigen Vorverutreilungen und öffentlichen Hexenjagden, wie sie etwa gegen Ingrid van Bergen, Vera Brühne oder Tatjana Gsell stattgefunden  haben, ein Stück weit vorbeugen, und zu mehr Verständnis und mehr Gerechtigkeit und mehr Milde für die mutmaßlichen oder vermeintlichen Täter und Täterinnen beitragen.

 

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Sehr geehrter Herr Ex-Huckarder,

Kriminalität und Strafrecht in USA (die Sie vielleicht was die Strafen angeht mit Singapore verwechselt haben?) und Deutschland zu vergleichen passt nur teilweise.

Deutschland müßte man eher mit Dänemark, Holland, Österreich oder der Schweiz vergleichen.

Die USA dagegen eher mit Großbritannien, Ausstralien, Südafrika oder Mexiko.

Auch China, Indien, Russland, Ukraine, Türkei, Japan, Singapore, Israel, Ägypten, wären für uns keine passenden Vergleichsmaßstäbe.

Ihre Begründung für angeblich passende oder unpassende Vergleichsmaßstäbe  finde ich nicht. Sie nennen uns gar keinen Vergleichsmaßstab, sondern nur dass bestimmte Länder nicht verglichen werden könnten. Ich habe Ihren Vorschlag so verstanden, man solle mit härteren Strafen reagieren, um bessere Verhältnisse zu schaffen. Die USA sind weltweit das Land mit den härtesten und längsten Strafen, die Inhaftierungsrate ist etwa sieben mal so hoch wie in D, bei zugleich wesentlich höheren Tötungsdeliktsraten, die derzeit allerdings tendenziell sinken. Der Einfluss von allg. höheren Strafen auf die Tötungsrate ist (weltweit betrachtet) nirgendwo gesichert, oft gibt es sogar eine starke Vermutung, dass die Strafen zu lang sind, um die erwünschten Effekte zu erzielen. Messbar ist allerdings der Einfluss des Strafbarkeitsrisikos, also des Verfolgungsdrucks. Den aufrecht zu erhalten ist allerdings teurer als bloße Strafandrohungen.

Ich halte im Übrigen (berufsbedingt?) wenig davon, pauschal die Ansicht von Personen, die sich empirisch forschend und nachdenkend mit dieser Materie beschäftigen zu verwerfen und sich stattdessen auf die angeblich wahren Experten zu beziehen, nämlich Straftäter. Es wird übrigens auch (wenngleich zugegeben zu selten) mit Straftätern als Probanden geforscht. Die Befragungsergebnisse sind allerdings nicht so eindeutig wie Sie annehmen. Und sie unterscheiden sich auch wenig von der Allgemeinbevölkerung.

Jedenfalls sollten wir die Strafzwecke Spezialprävention und Generalprävention sowie Schuld-Sühne-Ausgleich nicht über Bord werfen.

Ich bin nicht sicher, ob Sie dasselbe unter diesen Begriffen verstehen wie die Rechstwissenschaft im Allgemeinen. Insbesondere positive Spezialprävention verträgt sich faktisch nicht gut mit langen Strafen, schon gar nicht mit der lebenslangen Freiheitsstrafe, die hier das Thema ist. Der "Schuld-Sühne" Ausgleich orientiert sich an der Einzeltatschuld, die gerade Gegenstand des Gesetzentwurfs ist (im Gegensatz zur absoluten Strafe, die zum Teil nicht mehr schuldangemessen ist).  Niemand will momentan in D die Strafzwecke über Bord werfen. Hingegen ist gerade dies bei Gesellschaften anzunehmen, die ganz oder überwiegend auf "just deserts" bzw. strafzweckfreie absolute Straftheorien setzen (wie z.B. die USA). Aber die fahren damit auch nicht unbedingt so gut, s.o.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller 

 

Was mich wundert ist, dass es doch sehr lange gedauert hat, bis die §§ 211, 212 StGB  vom Gesetzgeber ernsthaft überdacht wurden. Bedenkt man, dass die Literatur und Generationen von Jura Studenten  über die Frage der Qualifikation oder Exklusivität der Vorschriften nachgedacht haben, hat es doch eine ganze Weile gedauert.  Im Wettbewerbsrecht geht so etwas schneller, auch im Urheberrecht, in all diesen Rechtsgebieten  werden lange Erprobte Konzepte, etwa wie der fliegende Gerichtsstand, deutlich schneller und ohne mehr Not über Bord geworfen. 

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Gast schrieb:

Was mich wundert ist, dass es doch sehr lange gedauert hat, bis die §§ 211, 212 StGB  vom Gesetzgeber ernsthaft überdacht wurden. Bedenkt man, dass die Literatur und Generationen von Jura Studenten  über die Frage der Qualifikation oder Exklusivität der Vorschriften nachgedacht haben, hat es doch eine ganze Weile gedauert. 

Darüber habe ich auch schon nachgedacht, denn die aus der Tätertypologie unseliger Zeiten übernommenen Formulierungen hätten doch schon längst von reinen Tatbeschreibungen abgelöst werden können. (Also nicht "Mörder ist ....", sondern "Mord ist .....")

Offensichtlich werden kleine Verbesserungen aber vermieden, um irgendwann einmal "den großen Wurf" sich an die Fahnen heften zu können. Das aber scheint mir weniger ein juristisches Problem zu sein, sondern mehr ein psychologisches bei den Protagonisten (Parlamentarieren) bzw. auch den Juristen.

@"Böll-Leser" (na, das passt ja...):
Schön, dass Sie es so unverblümt und treffend auf den Punkt bringen, worum es eigentlich geht.

Ich empfehle, auch den § 250 Abs. 2 StGB zu erweitern im Sinne: "...es sei denn die Täterin ist körperlich nicht dazu in der Lage, einen Raub ohne Waffengebrauch zu begehen."

Denn Zielsetzung der strafrechtlichen Normenkonzeption ist ja nicht nur, jedem die gleichen Tötungschancen zu einem akzeptablen Strafmaß zu verschaffen. Die Diskriminierung steckt überall: Im Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht bleibt vorerst abzuwarten, was die Frauenquote bewirkt; aber eventuell sollte unser Justizministerchen parallel schon mal strafrechtliche Anreize entwickeln lassen.

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Die Reform ist wahrscheinlich gut gemeint.

Aber sendet sie auch an die Klientel, also an die potentiellen Straftäter (und Straftäterinnen), das richtige Signal?

Oder wird sie nicht mißverstanden werden, in dem Sinne, daß wir weicher werden, und daß es zukünftig ein Stück leichter wird, sich aus der Verantwortung zu ziehen bzw. trotz begangenem Unrecht billig wegzukommen?

Schon jetzt kommen viele Täter billig mit einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge davon, und prahlen gegenüber ihren Kumpels wie schlau sie doch sind und wie billig sie mit einem Mord davongekommen seien.

In Singapore sendet der Staat an potentielle Kriminelle mittels harter Strafen die richtigen Signale - dort gibt es kaum schwere Kriminallität.

Der Staat hat nicht nur die Pflicht, gegenüber Straftätern gerecht zu sein, sondern der Staat hat auch eine Pflicht, daruf hinzuwirken, daß es möglichst selten vorkommt daß seine Bürger Opfer von Verbrechen werden.

Letzteres scheinen manche sich rechtsstaatlich und humanistisch wähnende Politiker gelegentlich zu vergessen, oder als nachrangig zu bewerten.

Wir Juristen hierzulande schmoren all zu oft in unserem eigenen Saft, und denken meist nur in die Richtungen, die der Mainstream uns vorgibt.

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@ Prof. Dr. Müller

Danke für den Hinweis. Ich persönlich würde für eine Aufrechterhaltung der absoluten Strafe im wesentlichen plädieren, aus den genannten Gründen. Aber warten wir ab, wie der Entwurf dann letztendlich aussieht, wenn er denn kommt.

 

@sdfg1234

sdfg1234 schrieb:

In Singapore sendet der Staat an potentielle Kriminelle mittels harter Strafen die richtigen Signale - dort gibt es kaum schwere Kriminallität.

Ein Mini-Staat wie Singapur ist nicht mit Deutschland vergleichbar. Deutschland hat ein Vielfaches der Fläche und Bevölkerung von Singapur, gleichzeitig ist das BIP pro Kopf in Singapur wesentlich höher als in Deutschland. Da scheint es eher wahrscheinlich, dass die allgemeinen Rahmenbedingungen für die niedrige Kriminalitätsrate in Singapur verantwortlich sind.

0

Soll die Nr. 5 etwa auch für Fälle gelten, in denen jemand zum Zorn gereizt wurde durch ein Verhalten, daß er als Beleidigung oder als Kränkung seiner Ehre oder als Kränkung der Ehre seiner Familie oder seiner Religion empfindet?

Soll die Nr. 5 auch sogenannte "Ehrenmorde" umfassen?

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@ Ratloser #20

Das halte ich für ausgeschlossen. Eine ähnliche Formulierung findet sich bereits in § 213 StGB, der nur auf den Totschlag anwendbar ist. Trotzdem ist der "Ehrentotschlag" kein Milderungsgrund, sondern der BGH legt für die Beleidigung einen objektiven Standard zugrunde.

0

§ 211 StGB Mord, aktuelle Fassung

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.

 

§ 211 Mord, Fassung vom 15. September 1941 bis 1. Oktober 1953

(1) Der Mörder wird mit dem Tode bestraft.

(2) Mörder ist, wer
  • aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
  • heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
  • um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

einen Menschen tötet.

(3) Ist in besonderen Ausnahmefällen die Todesstrafe nicht angemessen, so ist die Strafe lebenslanges Zuchthaus.

 

§ 211 Mord, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 bis zum 15. September 1941

Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.

3

Das haben Sie schön aus dem Schönfelder gelesen, Schönfelderleser. Nur was das mit dem Thema zu tun hat verraten Sie uns nicht.

3

Der Änderungsvorschläge zielt leider in Richtung von noch mehr Gesinnungsstrafrecht. Und die heutige Politik hat ganz genau die gleiche Motivation wie die Nazis: das Verknüpfen der Strafhöhe mit der politischen (Un-)Gewünschtheit der Tat und Ermessen, dass ggf. politisch genutzt werden kann.

 

Früher sollte die Tötung von Kommunisten priviligiert werden; heute - ganz entsprechend der Mode - z.B. die Tötung des Ehemanns, der sich nicht vorschriftsmässig feministisch verhalten hat und damit eine "heftige Gemütsbewegung" verursacht hat (Z.B. durch Fremdgehen. Oder fällt das unter Konfliktlage? Naja, "Verzweiflung" passt immer.).

 

Künftig gelten alle Tötungen als Mord, bei denen der Täter die "Wehrlosigkeit" des Opfers "ausnutzt".

Eine elegante Verlagerung, nun ist Mord also ein Merkmal des Opfers: wenn die Frau tot ist, dann war sie offensichtlich wehrlos, zur Not eben "psychisch". Und Männer, die weibliche Wehrlosigkeit ausnutzen; das kennt man ja.

 

Auch präzisiert der Minister das Mordmerkmal der "niedrigen Beweggründe" (künftig: "besonders verwerfliche Beweggründe"), das in der neuen Fassung auch explizit rassistische und fremdenfeindliche Angriffe einbezieht.

Das ist eine schönere Art zu sagen, dass das Leben von Ausländern mehr wert ist als das von Deutschen. Aber immerhin: Wenn die AFD die nächste Wahl gewinnt kann sie das einfach so stehen lassen; politische Flexibilität durch Auslegung.

 

 

Meiner Meinung nach ist jedes Leben gleich viel wert. Und Mord wird nicht dadurch weniger verwerflich, dass man mit dem Opfer noch eine Rechnung offen hat oder sich verzweifelt fühlt. 

Man sollte zum Reichsstrafgesetzbuch zurückkehren (ohne Todesstrafe natürlich):

§. 211.
Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.
§. 212.
Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung nicht mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Todtschlages mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.

 

Das hätte auch den Vorteil, dass der Täter schon vorher weiss, ob er einen Mord begeht, weil das genau dem intuitiven Mordbegriff entspricht, während der Änderungsvorschlag wohl zu völliger Unabsehbarkeit führen dürfte.

 

Zu Haustyrranfällen: Eine geschlagene Frau, die fähig ist ihren Mann zu ermorden, dürfte auch fähig gewesen sein sich an die Polizei zu wenden. Fast alle Mörder dürften (subjektiv) einen gewichtigen Grund haben; da sticht diese Situation meiner Meinung nach nicht heraus. Es geht hier ja um Fälle mit Planung und Bedacht ohne Notwehrlage, also bewusste geplante maximal-intensive Selbstjustiz trotz legaler Alternative.

Häusliche Gewalt gibt es ja auch oft umgedreht. Würde man genauso einen Mann der von seiner Frau geschlagen wurde und sie deshalb ermordet hat besser stellen wollen? 

 

Bei allen anderen Arten Selbstjustiz zu üben, wär so eine Konstellation für mich ein denkbarer Grund für eine geringere Strafe wegen Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn (vorauseilender Täter-Opfer-Ausgleich sozusagen), aber Mord ist nunmal endgültig und total und liegt damit auf jeden Fall (weit) über jeder "ausgleichenden Gerechtigkeit" (denn der sich rächende Täter lebt ja noch). Und das Leben als höchsten Wert kann und darf man nunmal nicht gegen andere Taten aufrechnen; daher die Todesstrafe bzw. heute substitutiv Lebenslänglich. Wenn man Bürgern diese Aufrechnung nicht erlaubt, dann sollte es auch kein Gericht dürfen. Insofern sind 15 Jahre immer bereits ein sehr starkes Entgegenkommen.

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Was ist aus dem Reformprojekt nun eigentlich geworden? Begraben nach Rauschen im Blätterwald und den üblichen CDU-Parolen?

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Gast schrieb:

Was ist aus dem Reformprojekt nun eigentlich geworden? Begraben nach Rauschen im Blätterwald und den üblichen CDU-Parolen?

Im Jahr eines Wahlkampfs und auch nach einigen anderen Aufreger-Themen, die auch Rauschen im Blätterwald erzeugten, hat Herr Maas vemutlich nun auch wieder andere Sorgen.

Und täglich grüßt das Murmeltier, und auch noch das Ungeheuer von Loch Ness.

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Vermuten würde ich das auch. Besonders interessiert wäre ich an - irgendeiner - öffentlichen Stellungnahme eines Beteiligten. Wenn das jetzt alles im Sande verläuft (obwohl man ja ganz genau wissenmusste, dass damit kein Blumentopf zu gewinnen ist) kann man sich eigentlich nur wundern.

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Interessant in dem Zusammenhang ist m.E. auch die aktuelle Debatte um eine "Entrümpelung der Hessischen Verfassung" von 1946, besonders geht es da auch um den Art. 21 (1) der HV:

Art. 21 [Freiheitsstrafe; Todesstrafe]
(1) Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen und beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.
(2) Die Strafe richtet sich nach der Schwere der Tat.

Dazu gibt es dann eine "Enquetekommission „Verfassungskonvent zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen“ (EKV)"

Am Ende ist auch eine Volksabstimmung vorgesehen:

"Schwarz-Grün hat im Koalitionsvertrag angekündigt, man werde „unabhängig von dem Ergebnis des Verfassungskonvents“ der Bevölkerung vier verfassungsändernde Regelungen zur Abstimmung vorlegen."

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/hessen-will-reform-seiner-land...

Die von Maas vorgesehene "Entrümpelung des StGB" mit seinem § 211 wird vermutlich weiter auf sich warten lassen.

Im Gegensatz zum späteren Grundgesetz der BRD gab es in Hessen also 1946 noch eine Volksabstimmung über diese Verfassung, siehe auch den Art. 160 HV:
"Diese Verfassung tritt mit ihrer Annahme durch das Volk in Kraft. Gleichzeitig tritt das Staatsgrundgesetz vom 22. November 1945 außer Kraft."
Bei den damalig noch hohen Wahlbeteiligungen und dem Ergebnis der Volksabstimmung kann von eine absoluten Mehrheit der Abstimmungsberechtigten, nicht nur einer einfachen Mehrheit der Abstimmungsberechtigten, oder der Abstimmenden ausgegangen werden, die dieser Verfassung also zustimmten, diese Verfassung war also in einem sehr hohem Maß noch durch das Volk selber legitimiert gewesen.
Wenn man dann heutige Verhältnisse in der BRD und auch in der EU sich dagegen vor Augen hält, da gab und gibt es ja von der Legitimation her vergleichbare Volksabstimmungen in der ganzen BRD oder der EU nicht.
Und auch heutzutage in Hessen werden solche Ergebnisse vermutlich auch nicht mehr vorkommen.

Gesetzt den theoretischen Fall, die sog. "Wutbürger" lehnen eine Änderung des Art. 21 (1) der HV noch ab, dann aber wäre eine Blamage für die Initiatoren doch ganz offensichtlich. Ob sich das die Berufspolitiker und Initiatoren in Hessen auch noch gut überlegt hatten?

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Was hat das aktuelle gegenständliche Thema mit der atavistischen hessischen Verfassung zu tun? Wo ist der Zusammenhang?

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"Was hat das aktuelle gegenständliche Thema mit der atavistischen hessischen Verfassung zu tun? Wo ist der Zusammenhang?"

Es soll ja pawlowsche Hunde geben, Ihre Reaktion war also für mich sehr erwartbar gewesen.

Der Zusammenhang ist aber doch recht einfach zu verstehen:

Minister Maas ist ja ein Berufspolitiker, er hatte da wieder einmal etwas initiiert ("Bundesjustizminister Maas hat seinerseits im Jahr 2015 eine Expertenkommission weitere Vorschläge beraten und bewerten lassen...."), das machte auch Schlagzeilen, auch hier in diesem Blog, daraufhin gab es auch Kritik, und nun warten doch alle, ob etwas, und was noch  dabei herauskommt.

So wie hier bei der HV, der Zusammenhang hätte Ihnen auch beim Wort "Entrümpelung" doch bereits aufgehen können.

Darüber hinaus hätte mein Kommentar m.E. auch noch zum Thema "EuGH und Roman Herzog", der europäischen Krise, oder zur islamistischen Terrorismus-Bekämpfung nach dem Berlin-Attentat gepasst, ebenfalls unter dem Stichwort einer "Entrümpelung" überkommener Vorstellungen.

Das Generieren von Schlagzeilen durch Berufspolitiker ist ja auch noch nirgendwo ein langfristig wirksames Konzept zur Beseitigung von Problemen gewesen.

Sehen Sie jetzt den Zusammenhang?

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Sehen Sie jetzt den Zusammenhang?

Überhaupt nicht. Sie machen Ihrer Abkürzung "GR" wirklich alle Ehre: "Grosses Rätsel".

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Zusammenhänge zu erkennen, oder auch logisch und stringent zu analysieren, das ist Ihnen ja nicht gegeben, siehe auch die untere Meldung von So, 2020-12-13 07:02.

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Strate hatte sich ja sehr viel Zeit gelassen mit der Veröffentlichung seiner Erklärung der Verteidigung vom 12.12.2020, vorher aber schon seine grossspurige Erklärung der Verteidigung vom 06.06.2020 vom Netz genommen, in der er ja noch meinte, er hätte die juristische Weisheit gepachtet.

Sein Antrag auf Wiederaufnahme war auch nicht gut genug, hatte zu viele Fehler, das aber will er halt nur nicht zugeben.

In Allmystery gaben ja  die meisten Kommentare auch der VB keine Chancen, braucht aber alles nicht mehr auch hier noch wiederholt werden.

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Strate hatte sich ja sehr viel Zeit gelassen mit der Veröffentlichung seiner Erklärung der Verteidigung vom 12.12.2020, vorher aber schon seine grossspurige Erklärung der Verteidigung vom 06.06.2020 vom Netz genommen, in der er ja noch meinte, er hätte die juristische Weisheit gepachtet.

Sein Antrag auf Wiederaufnahme war auch nicht gut genug, hatte zu viele Fehler, das aber will er halt nur nicht zugeben.

In Allmystery gaben ja  die meisten Kommentare auch der VB keine Chancen, braucht aber alles nicht mehr auch hier noch wiederholt werden.

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller, vielleicht finden Sie noch die Zeit, einen mMn interessanten grundsätzlicher Aspekt der Aufbewahrung von Asservaten zu beleuchten.

Die Verjährung beim Mord ist aufgehoben, also wären bei unaufgeklärten "cold cases" sinnvoller Weise die Asservate immer aufzuheben. Mord-Anklagen können nur für Lebende erfolgen, also könnten auch da nach bspw. 100 Jahren Asservate vernichtet werden, jedoch für die Historische Forschung immer bedeutsame Asservate, wie solche aus der NS-Zeit oder andere, davon ausgenommen.

Für eine Wiederaufnahme rechtskräftig gewordener Mordurteile durch alle Instanzen bis zum BGH hindurch auch noch wichtige Asservate können schon vernichtet werden, so berichtete RA Strate jüngst. Wiederaufnahmen können doch auch noch über den Tod hinaus betrieben werden für eine Rehabilitation Verurteiler, wie sehen Sie da die Vernichtung von Asservaten nach relativ kurzen Fristen?

Besten Gruss

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