Loveparade Duisburg 2010 - Fahrlässigkeiten, 21 Tote, keine Hauptverhandlung?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 05.04.2016

Wie soeben berichtet wird (Spiegel Online), hat das LG Duisburg im Zwischenverfahren die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in der Sache Loveparade Duisburg 2010 abgelehnt. Diese Entscheidung kann zwar noch angefochten werden, bedeutet aber erst einmal einen Schlag ins Gesicht der vielen Opfer und Angehörigen. Meines Erachtens gibt es genug Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit (siehe die Links unten) für fahrlässiges Verhalten bzw. Versagen auf allen drei Ebenen - Veranstalter, Genehmigungsbehörden, Polizei. Und aus meiner Sicht hätte es auch eine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit gegeben. Allerdings zielte schon der Auftrag für das Gutachten von Keith Still, das als entscheidendes Beweismittel betrachtet wurde (und offenbar jetzt vom Gericht verworfen wird) in eine falsche Richtung. Auch dass die Staatsanwaltschaft sehr frühzeitig alle Polizeibeamten aus der Reihe der Verdächtigen ausschloss, war kaum zu vereinbaren mit den zu beobachtenden Fakten am Tag der Katastrophe (siehe ebenfalls die Links zu meinen früheren Beiträgen, die unten angehängt sind).

Nach einer Presseerklärung des LG Duisburg (Link) waren die entscheidenden Gründe für die Nichteröffnung:

1.  Inhaltliche und methodische Mängel des Gutachtens - die in der Erklärung im Einzelnen konkretisiert werden

2.  Besorgnis der Befangenheit gegen den Gutachter Keith Still

3.  Zweifel an den der Anklage zugrundeliegenden Kausalitätserwägungen

Nach der Anklageerhebung hatte ich am 9.9.2014 schon ungute Vorahnungen geäußert:

"Wenn die Staatsanwaltschaft (in der Pressekonferenz zur Anklage, ich denke das ist so auch in der Anklage enthalten) nun sagt: "Insbesondere die polizeilichen Maßnahmen waren nach den Feststellungen eines international anerkannten Sachverständigen weder für sich genommen noch insgesamt ursächlich für den tragischen Ausgang der Loveparade", dann wird m. E. erstens das Gutachten nicht zutreffend wiedergegeben. Und zweitens widerspricht diese Aussage (was das Errichten der Kette 3 angeht) eklatant dem, was jeder mit offenen Augen erkennen kann: Ohne diese Kette wäre der konkrete Erfolg an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt  nicht eingetreten. Die Kette 3 war erkennbar ursächlich für die Menschenverdichtung im unteren Drittel der Rampe zu diesem Zeitpunkt. Das entlastet nicht diejenigen, die bei der Planung und Genehmigung der Veranstaltung fahrlässig gehandelt haben und die mit ihren Handlungen eben auch wichtige Ursachen gesetzt haben für die Katastrophe. Das bedeutet auch nicht notwendig, dass einzelne Beamte "schuld" sind, denn dafür müssten auch noch subjektive Merkmale nachgewiesen werden.

Aber die Polizeiketten ganz herauszulassen aus der Erklärung des Unglücks kann schlimme Folgen haben, denn dann bleibt der konkrete Erfolg letztlich unerklärlich."

Das scheint jetzt zumindest einer der wesentlichen Gründe zu sein, weshalb das LG die Eröffnung ablehnt: Die Kausalität der (möglichen) Planungsfehler zum konkreten Unglücksgeschehen bleibt in der Anklage offen. Ein Vorwurf, der sowohl der Staatanwaltschaft als auch dem Gutachter recht deutlich gemacht wird, neben anderen Erwägungen zu den (vorgeworfenen) Pflichtverletzungen der Angeschuldigten.

Die soeben beendete Pressekonferenz des LG Duisburg hat über die Presseerklärung hinaus keine wesentlich neuen Erkenntnisse gebracht. Natürlich war man seitens des Gerichts vorsichtig, was die Bewertung der Staatsanwaltschaft oder die Prognose eines evtl. OLG-Beschlusses angeht. Momentan wird m. E. etwas einseitig allein dem Gutachter die Schuld am Scheitern der Anklage zugewiesen. Dahinter steht aber klar der Vorwurf an die Staatsanwaltschaft, nicht rechtzeitig erkannt zu haben, dass es mit diesem Gutachten nicht möglich sein würde, die Verantwortlichkeit nachzuweisen. Die Staatsanwaltschaft hätte also ggf. noch einen weiteren Gutachter beauftragen müssen. Da m. E. kein Weg daran vorbeiführt, den konkreten Taterfolg (auch) mit dem Verhalten der Mitarbeiter des Veranstalters und der Polizei am Tag der Loveparade zu erklären, war es letztlich fatal für die Anklage, die polizeilichen Maßnahmen als Ursache auszuschließen.

(Update, 16.00 Uhr):

Die Staatsanwaltschaft hat sofortige Beschwerde eingelegt!

Einige strafprozessuale Erwägungen:

Die strafprozessuale Streitfrage wird sich u.a. zu § 202 StPO ergeben. Danach kann das Gericht durchaus "ergänzende" "einzelne" Beweiserhebungen im Zwischenverfahren anordnen. Die Rechtsprechung sieht dies aber als Ausnahme an - nur Lücken in der Beweisführung der Staatsanwaltschaft dürfen geschlossen werden. Darauf wird sich das LG Duisburg berufen. Udo Vetter meint dennoch:

"Zwar wird immer betont, das Gericht dürfe natürlich nicht das komplette Ermittlungsverfahren neu aufrollen. Aber spätestens nachdem der Sachverständige sich durch seine Auftritte auch noch der Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt hat, hätte es nach meiner Meinung juristisch ausreichend Spielraum gegeben, um auch nach Erhebung der Anklage ein vernünftiges Gutachten einzuholen."

(Quelle: Law Blog)

Das Gericht wird sich demgegenüber darauf berufen, man habe ja in diesem Sinne den Gutachter umfassend ergänzend befragt. Ein neues Gutachten einzuholen, sei auf Grundlage des § 202 StPO nicht zulässig gewesen, da es eine so zentrale Rolle in der Anklage gespielt habe.

Auch ist zu erwägen, ob das Gericht die Sache frühzeitig an die Staatsanwaltschaft informell zurückgeben hätte können. Solche Fälle sind in der Praxis bekannt. Aber ob so ein "großer" Strafprozess eine solche informelle Behandlung vertragen hätte?

Zu  211 StPO: Ja, ein neues Gutachten kann als neues Beweismittel eine neue Anklageerhebung stützen. So z.B.  das OLG Köln.

Update (06.04.2016)

Drei Fragen

Bei der Beurteilung der derzeitigen Situation sind m.E. drei Fragen zu unterscheiden. Ich habe diese Fragen einmal zusammengestellt und ein paar mögliche Antworten formuliert. 

1. Wer bzw. was ist die Ursache des Anklage-Dilemmas? 

a) Die Staatsanwaltschaft, die eine unschlüssige Anklage formuliert hat und als zentrales Beweismittel ein nicht tragfähiges Gutachten präsentierte

b) Ein Gutachter, der methodisch/inhaltlich fehlerhaft gearbeitet hat und noch dazu sich unprofessionell verhalten hat (in Bezug auf Auslösen einer Besorgnis der Befangenheit)

c) Eine Kombination von a) und b)

d) Keine dieser Möglichkeiten, das LG Duisburg liegt falsch, die Anklage hingegen  ist plausibel genug, um das Hauptverfahren zu eröffnen.

2. Konnte das LG Duisburg (und prognostisch: kann das OLG Düsseldorf) das Anklagedilemma selbst lösen?

a) Ja, die Anklage hätte einfach zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet werden können. Streitfragen hätte man im Hauptverfahren klären können.

b) Ja, die Strafkammer hätte - nach § 202 StPO - selbst ergänzende Beweiserhebungen durchführen können, um sodann auf besserer Grundlage zu eröffnen.

c) Ja, die Kammer hätte die Staatsanwaltschaft rechtzeitig veranlassen müssen, ein besseres Gutachten vorzulegen und die Anklage besser zu konkretisieren, um sodann auf besserer Grundlage zu eröffnen.

d) Nein, das Gericht konnte nicht selbst die Anklage verbessern oder die Staatsanwaltschaft von ihrem falschen Pfad abbbringen, die Nichteröffnung war konsequent/richtig, da die Anklage grundlegend verfehlt war.

3. Was folgt nun für die weitere strafrechtliche Aufarbeitung der Loveparade 2010?

a) Das OLG wird das LG Duisburg korrigieren und doch noch das Hauptverfahren eröffnen

b) Die Staatsanwaltschaft wird ein neues Gutachten vorlegen (§ 211 StPO), erneut anklagen, und dann kann eröffnet werden.

c) Die strafrechtliche Aufarbeitung ist voraussichtlich völlig gescheitert und wird auch nicht wieder aufgenommen.

Vielleicht möchten Sie in der Diskussion Ihre Auffassung dazu bzw. Ihre weiteren Antwortmöglichkeiten darlegen.

_________________________________________________________________________________________

Wer sich über die bisherigen Diskussionen informieren möchte, kann sie hier finden - unmittelbar darunter einige Links zu den wichtigsten Informationen im Netz.

Juli 2015: Fünf Jahre und kein Ende – die Strafverfolgung im Fall Loveparade 2010 (98 Kommentare, ca. 9000 Abrufe)

Februar 2015: Was wird aus dem Prozess? (72 Kommentare, ca. 5900 Aufrufe)

August 2014: Zweifel am Gutachten (50 Kommentare, ca. 6900 Abrufe)

Februar 2014: Anklageerhebung (50 Kommentare, ca. 12300 Abrufe)

Mai 2013: Gutachten aus England (130 Kommentare, ca. 14200 Abrufe)

Juli 2012: Ermittlungen dauern an (68 Kommentare, ca. 11600 Abrufe)

Dezember 2011: Kommt es 2012 zur Anklage? (169 Kommentare, ca. 26000 Abrufe)

Juli 2011: Ein Jahr danach, staatsanwaltliche Bewertung sickert durch (249 Kommentare, ca. 36000 Abrufe)

Mai 2011: Neue Erkenntnisse? (1100 Kommentare, ca. 28000 Abrufe)

Dezember 2010: Fünf Monate danach (537 Kommentare, ca. 21500 Abrufe)

September 2010: Im Internet weitgehend aufgeklärt (788 Kommentare, ca. 35000 Abrufe)

Juli 2010: Wie wurde die Katastrophe verursacht - ein Zwischenfazit (465 Kommentare, ca. 42000 Abrufe)

Ergänzend:

Link zur großen Dokumentationsseite im Netz:

Loveparade2010Doku

speziell: Illustrierter Zeitstrahl

Link zur Seite von Lothar Evers: DocuNews Loveparade Duisburg 2010

Link zur Prezi-Präsentation von Jolie van der Klis (engl.)

Weitere Links:

Große Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag NRW

Kurzgutachten von Keith Still (engl. Original)

Kurzgutachten von Keith Still (deutsch übersetzt)

Analyse von Dirk Helbing und Pratik Mukerji (engl. Original)

Loveparade Selbsthilfe

Multiperspektiven-Video von Jolie / Juli 2012 (youtube)

Multiperspektiven-Video von Jolie / September 2014 (youtube)

Interview (Januar 2013) mit Julius Reiter, dem Rechtsanwalt, der eine ganze Reihe von Opfern vertritt.

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252 Kommentare

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Jürgen Rohn schrieb:

§ 1
Anwendungsbereich für Versammlungsstätten

(1) Die Vorschriften des Teils 1 gelten für den Bau und Betrieb von

2. Versammlungsstätten im Freien mit Szenenflächen, deren Besucherbereich mehr als 1 000 Besucher fasst und ganz oder teilweise aus baulichen Anlagen besteht;

 

Die Loveparade in Duisburg fand nicht ganz oder teilweise in baulichen Anlagen statt. Die Frage nach der Entfernung der Rettungswege "ins Freie" kann ich nicht nachvollziehen, da die Veranstaltung im Freien stattfand. 

Das würde ich aber anders sehen:
zunächst fallen mir die Vereinzelungsanlagen und Zäune ein, die in unterschiedlicher Qualität an allen möglichen Stellen des Veranstaltungsgeländes im Wege standen.
Dann natürlich auch die Altbauten auf dem Bahnhof, inclusive der (Flucht)treppe. Dann die Aufbauten für Licht und Lautsprecher. Weiter die diversen Container für Veranstaltungsmanagement, Sanitätsdienste und Polizei.
Hätte irgendjemand an der Eigenschaft "Versammlungsstätte" gezweifelt, hättre das Bauamt gleich mit einem freundlichen " mach mal" die Lopa 2010 "durchwinken" können.

"Ins Freie" bedeutet hier nicht "an der frischen Luft".
Sondern:
"nicht durch Aufbauten des Veranstaltungsgeländes begrenzt.
Ohne Wartezeiten, Staus und Gefährdung Flucht nach Hause möglich....

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Ergänzender Rechtsvortrag, diese verlinkte Entscheidung des BVerfG bitte unbedingt nachlesen, sie ist grundlegend:

Der Anspruch der Eltern der Getöteten auf effektive Strafverfolgung gründet sich auf die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 (sowie die drei Nachfolge-Entscheidungen Gorch Fock vom 6.10.2014, Lokalderby vom 23.3.2015 und Kundus vom 19.5.2015):

http://www.bverfg.de/e/rk20140626_2bvr269910.html 

Die Eltern der Getöteten haben den Anspruch oder sie haben ihn nicht. Der Anspruch ist auf jeden Fall in keiner Weise teilbar. Es ist deshalb ohne jede Bedeutung, gegen wie viele Beschuldigte sich der Anspruch richtet (Sauerland, Schaller etc.) oder in welchem Stadium sich das Verfahren gegen den jeweiligen Beschuldigten befindet. Anspruch ist Anspruch.

 

 

 

Über den aktuellen Verfahrensstand und den weiteren - allerdings nur äußeren - Verfahrensablauf gibt Auskunft der Artikel in der Online-Ausgabe der WAZ mit dem Titel "Justizmitarbeiter hatten am Mittwoch schwer zu tragen ..."

@Max Mustermann,

Sie schreiben:

Eine solche Regelung würde m.E. eine Großveranstaltung wie die Love Parade unmöglich machen, ausser man griffe auf den - von Lothar Evers monierten- Kunstgriff zurück, dass man die Flächen filitiert.

Herr Evers hat den Kunstgriff moniert, die hunderte Meter langen und zu einem großen Teil  tunnelartigen Zugangswege einerseits als zum Veranstaltungsgelände gehörig zu definieren (so dass dort hinter dem Einlass keine Polizei mehr zuständig ist) andererseits als "freies Straßenland", das keine Notausgänge/Rettungswege benötigt. In dieser Planung war die Katastrophe "angelegt", sobald irgendwo in den Tunneln oder auf der Rampe etwas passiert. Und so ist es leider gekommen. Dass man auch ein großes Freigelände durchaus intelligent mit Rettungswegen versehen kann, zeigen die Planungen/Sicherheitskonzepte zum Papstbesuch in Deutschland. Hier ist ein Luftbild (Nähe Köln):

https://de.wikipedia.org/wiki/Weltjugendtag_2005#/media/File:WJT-Marienf...

Oder auf diesem Foto, ebenfalls Papstbesuch, diesmal Papstwiese in Regensburg halb gefüllt:

http://mobil.berchtesgadener-anzeiger.de/cms_media/module_img/183/91552_...

Dass das bei der Loveparade nicht geht, weil die Leute sich nicht nur in ihrem Feld aufhalteen wollen, um einer Predigt zuzuhören, ist ein anderes Problem und hätte konsequent dazu führen müssen, die Loveparade woanders zu planen, nicht auf einem alten Güterbahnhof

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Grüß Gott Herr Prof. Müller,

die Akten liegen also jetzt wieder bei der StA. Was meinen Sie? Ich meine, die StA muss jetzt

1.) In Hinblick auf die Verjährung retten, was noch zu retten ist. Das betrifft insbesondere die Beschuldigten Sauerland und Schaller

2.) Einen technischen Sachverständigen beauftragen, der zu Rettungswegen, Alarmierungsanlagen und Veranstaltungstechnik die StA sachverständig beraten kann und

3.) Die bisherige Anklageschrift kassieren, weil entschieden zu kurz - und z.T. auch vorbei - gesprungen.

Was meinen Sie?  

Sehr geehrter Dr. Müller,

ob das der richtige Weg ist,
eine mangelhafte Planung  bei der Loveparade 2010 zu behaupten und dann als „gutes intelligentes“ Beispiel
eine Planung anzuführen, die nach den gleichen Prinzip angelegt worden ist?

Die Anlage in Köln sollte ausgelegt sein auf 1,5 Millionen Besucher.
Der Abschluss Gottesdienst hatte vermutlich 1,1 Millionen Besucher.
Reale Menschen, keine Werbezahlen wie bei der Loveparade.

Die Planung hätte Fluchtwege mit einer Gesamtbreite von 3 Kilometern
erfordert.
Nach den angegebenen realen Besucherzahlen zumindest eine Gesamtbreite
von 2,2 Kilometern.
Ich weiß nicht ob sie auf dieser Veranstaltung anwesend waren, aber selbst das Luftbild, das Sie posten, macht deutlich, dass
diese Vorgaben zu keiner Zeit eingehalten worden sind.
Was eben zeigt, dass es eine Planung für derartige Veranstaltungen gibt, die entsprechenden Gefährdungsanalysen gemacht werden und dann wird von den gesetzlichen Vorgaben (die im Übrigen für Innenräume entwickelt und definiert worden sind) entsprechend abgewichen.
Auf dem Weltjungendtag 2005  ist es glücklicherweise zu keinem Schadensereignis gekommen.
An den von Ihnen so genannten „intelligentem“ Design hat das nicht gelegen.
Das Luftbild zeigt deutlich, dass der Veranstalter das Gelände in Zonen aufgeteilt hat, für jede Zone die Entfluchtung auf den
Zulaufwegen angedacht war.
Anders als in Duisburg gab es in diesem Sinne in Köln überhaupt keine Rettungswege.
Wenn Sie sich Bilder der Veranstaltung ansehen, werden Sie feststellen, dass die Beschilderung für etwaige Notausgänge offensichtlich vollständig fehlen.
Ich gehe trotzdem davon aus , dass die Planer dieser Veranstaltung in völliger Übereinstimmung mit den zuständigen Behörden gearbeitet haben.

Für vernünftige Einschätzungen und Bewertungen  der Geschehnisse von Duisburg empfehle ich folgenden sehr klugen Artikel.

http://sui-generis.ch/16

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@lothar@lotharevers.com

Hätte irgendjemand an der Eigenschaft "Versammlungsstätte" gezweifelt, hätte das Bauamt gleich mit einem freundlichen " mach mal" die Lopa 2010 "durchwinken" können.

Nein, die Rechtslage ist da ein wenig komplexer - siehe dazu ab Seite 20

http://www.bezreg-arnsberg.nrw.de/themen/g/grossveranstaltungen/projektbericht.pdf

 

Diese Diskussion zeigt eigentlich nur, dass sich die StA dringend von einem Sachverständigen zu technischen Fragen beraten lassen sollte.

Sehr geehrte Fachfrau,

vielen Dank für Ihren Kommentar, insbesondere den Link zu dem sehr interessanten Artikel (dazu weiter unten)

Sie schreiben:

ob das der richtige Weg ist,
eine mangelhafte Planung  bei der Loveparade 2010 zu behaupten und dann als „gutes intelligentes“ Beispiel
eine Planung anzuführen, die nach den gleichen Prinzip angelegt worden ist?

Meine beiden Papst-Besuch-Beispiele für Aufteilung von Freiflächen; Unterbrechung durch Fluchtrouten, habe ich erkennbar lediglich als Antwort auf Herrn Mustermanns Einwand, man könne solche Veranstaltungen im Freien dann gar nicht durchführen, gepostet. Sie hat ansonsten mit der LoPa-Planung wenig zu tun, das ist mir klar. Und ob auch beim Papstbesuch Sicherheitsanforderungen eingehalten oder verletzt wurden, kann ich nicht beurteilen. Ob auf dem Veranstaltungsgelände der LoPA jeweils ein Notausgang in max. 60m Entfernung zur Verfügung stand, ist auch gar nicht relevant, da es gar nicht um ein Katastrophenereignis auf der Freifläche geht. Bei der Loveparade kam es ja nicht auf der Freifläche, sondern auf dem Zugangsweg (aber innerhalb des Veranstaltungsgeländes) und innerhalb einer existierenden baulichen Anlage (Tunnel/Rampe) ohne Rettungsweg/Notausgang zu dem Schadensereignis. Zu beachten ist auch, dass die LoPa-Katastrophe ganz ohne äußeren Anlass (Bombe, Feuer, Unwetter etc.) entstand, nämlich allein beim Zulauf auf dem vorgesehenen Weg. Auch wenn Sie möglicherweise zutreffend bezweifeln, dass die von mir als "intelligent" bezeichneten Planungen zum Papstbesuch bei einer Katastrophe hilfreich gewesen wären, der bloße Zulauf und Aufenthalt auf dem Gelände war doch jedenfalls intelligenter geplant als bei der LoPa. Und wenn sich rundherum Felder und Wiesen befinden, müssen weniger dringend Notausgänge vom Gelände ausgewiesen werden als dann, wenn das Veranstaltungsgelände von Bahnlinien und Autobahn vollständig eingehegt ist wie in Duisburg.

Wenn man sich den von Ihnen verlinkten Artikel zu Herzen nimmt, was ich allen Mitdiskutanten empfehle

http://sui-generis.ch/16

, dann kommt es bei der Beurteilung der Vorhersehbarkeit und Sorgfaltspflicht v.a. darauf an, nicht rückwirkend vom Schadensereignis her zu "denken". Hat das Schadensereignis stattgefunden und findet man von dort aus den Fehler, dann ist man leicht geneigt,  das Ereignis für vorhersehbar zu halten und eine entsprechende Sorgfaltspflichtverletzung zu bejahen. Dies wäre - und darin hat der Autor des Artikels recht - eine fehlerhafte Herleitung, die den Beschuldigten zu Unrecht belastet.

Man muss vielmehr versuchen, bei der Beurteilung der Planung den Eintritt des konkreten Schadensereignisses auszublenden und sich fragen: Was konnte tatsächlich als Gefahr vorhergesehen werden, wurde dies vorgesehen, wie konnte man in der Planung darauf reagieren und hat man entsprechend reagiert?

Es finden sich in der Planungsphase keineswegs nur "Werbezahlen", sondern durchaus realistische Zahlen. Die Planung hat dabei die Kapazitäten des ÖPNV berücksichtigt und die maximale Kapazität des Geländes und sie hat sich auch über den entsprechenden Besucherstrom Gedanken gemacht. Und es gab auch den Hinweis darauf, dass die Tunnelzugänge hinsichtlich crowd-disaster ein Schwachpunkt sind, der nur dadurch kontrolliert werden könne, dass man durch intelligentes Zugangsmanagement Stauungen dort unbedingt vermeidet. Dies sind Überlegungen IN der Planungsphase, also OHNE dass das Ereignis bereits stattgefunden hat. Man war sich in der Planungsphase über bestimmte Gefahren (von denen eine eingetreten ist) bewusst. Es gab vorab entsprechende Warnungen, auch massive, die sich genau darauf bezogen. Die zur Eindämmung der Crowd-Disaster-Gefahr im Sicherheitskonzept vorgesehenen Maßnahmen oder Annahmen (z.B. Crowd-Manager, ELA, Vereinzelungsanlagen, Ordner als Pusher, Wegziehen durch Floats) waren aber z.T. ungeeignet (Pusher), z.T. wurden sie auch am Tag der LoPA gar nicht zur Verfügung gestellt (ELA, funktionierender Polizeifunk, hinreichende Ordnerzahl), z. T. enthielten die Berechnungen gravierende Fehler (z.B. passte der max. Durchfluss der Tunnelzugangswege nicht zu den in der Planung angenommenen realistischen Besucherzahlen, die den Eingangsbereich dort innerhalb der angenommenen Zeit in beiden Richtungen passieren sollten).

Es handelt sich demnach nach meinem Dafürhalten bei dem eingetretenen Ereignis nicht um ein solches, das erst rückwirkend als vorhersehbar angesehen wird, sondern um eines, das vorhergesehen wurde und auf das die Planung auch jedenfalls in Absichtsbekundungen Rücksicht genommen hat. Dass es für eine solche erstmals an diesem Ort und erstmals in dieser Form durchzuführende Veranstaltung keine geschriebenen Regeln gibt, sondern dass die bestehenden Regeln nur Anhaltspunkte dafür geben können, wie man eine solche Veranstaltung möglichst sicher plant (oder es im Falle der Unmöglichkeit unterlässt), ist klar. Deshalb gibt es ja auch behördliche Genehmigungen, Besprechungen mit Polizei und Feuerwehr, Sicherheitskonzepte und Auflagen an den Veranstalter. Und deshalb muss in diesem Fall die Sorgfaltspflicht gerichtlich formuliert werden. 

Ich meine im Ergebnis, dass der im Artikel enthaltene Einwand, man dürfe sich nicht aus der Rückschau zur (voreiligen)  Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung verleiten lassen, bei der LoPa nicht zur Entlastung der Beschuldigten führt.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Rohn,

bereits ein Zaun oder eine Mauer ist eine bauliche Anlage. Bereits mit Einzäunung eines Geländes für eine Veranstaltung entsteht eine Versammlungsstätte. Eine Versammlungsstätte muss kein Dach haben.

Die Loveparade fand statt in einem Gelände mit Gebäuden (den Hallen auf dem Gelände), massiven Umzäunungen sowie Tunnelanlagen. All dies sind bauliche Anlagen.

Rettungswege müssen auf freie Verkehrsflächen führen. Diese sind dann auch zu bezeichnen (in Rettungswegeplänen) und frei zu halten - dürfen also nicht für die Veranstaltung genutzt werden. Genau diese freien Verkehrsflächen, auf die Menschen sich hätten retten können, gab es nicht.

Bei der Loveparade sind Menschen zerquetscht worden. Es war kein Platz zum Überleben da. Rettungswege sind dazu da, diesen Platz zum Überleben (freie Verkehrsfläche) erreichen zu können.

 

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... "Übersetzung" des Kommentars Nr. 8 für die Damen und Herren Kollegen im Publikum: Es geht um die objektivierte ex-ante-Betrachtung

Der Aufsatz ist nicht uninteressant. Bei Bauvorhaben und technisch entstehenden Gefahren tritt das Problem der nachträglich anderen Betrachtung aber so nicht auf. Konstrukteure sind z.B. nach EU-Richtlinie 2006/42 und/ oder 2014/35/EU gesetzlich verpflichtet, eine Risikobeurteilung vorzunehmen und diese zu dokumentieren. Das ist seit MItte der 90er Jahre Stand der Technik und damit notwendig, um der Sorgfaltspflicht nach zu kommen. Betreiber von Betrieben müssen nach Betriebsicherheitsverordnung eine Gefährdungsanalyse vornehmen und dokumentieren. Eine Versammlungsstätte wird betrieblich genutzt. Wenn wie gesetzlich vorgeschrieben die Gefährdungen für die Beschäftigten erfasst werden, dann hat man auch eine Gefährdungsanalyse für die Besucher. Es gibt ja schließlich Beschäftigte, die sich zwischen Besuchern bewegen und damit deren Gefahren teilen. Der Zuschauerbereich ist immer auch Arbeitsstätte. Demzufolge gelten alle Bestimmungen für Arbeitsstätten. Die Vorgaben für Risikobeurteilungen und Gefährdungsanalyse sind sehr detailliert. Wenn eine Betrachtung nach dem Ereignis Lücken in Risikobeurteilungen oder Gefährdungsanalyse aufdeckt, handelt es sich im Regelfall um Versäumnisse bei der Erstellung dieser Dokumente. Nicht bekannte Ursachen, die zum ersten Mal auftreten, sind extrem selten.

Ich erinnere mich, dass Prof. Still festgestellt hat, es habe nicht einmal ein Risikokataster gegeben. Erst mit einer solchen Auflistung kann man beginnen, die Risiken zu beurteilen und Gefährdungen zu analysieren. Es wäre interessant gewesen, im Prozess zu erfahren, ob der Veranstalter seinen gesetzlichen Pflichten zur Gefährdungsanalyse überhaupt nachgekommen ist.

In technischen Bereichen ist es üblich und bei sicherheitsrelevanten Prozessen notwendig und vorgeschrieben, sehr tiefgehende Nachweise zur Sicherheit zu liefern. Es wird auch die Verkettung mehrerer Ursachen berücksichtigt. Wegen des hohen Risikos ist die Sicherheit bühnentechnischer Einrichtungen in der Veranstaltungstechnik und Anlagen wie Notbeleuchtung, Brandschutz und ELA derart nachzuweisen. Die Vorhersagbarkeit ist sehr hoch.

Bei aller Dynamik und menschlichen Einflüssen ist aufgrund jahrhundertelanger Erfhrung mit vielen Unglücken vorhersehbar, dass Versammlungsstätten so gebaut werden müssen, dass Besucher sich jederzeit von jedem Ort aus in Sicherheit bringen können. Es kamen und kommen immer wieder Ereignisse vor, an denen Besucher aus Versammlungsstätten flüchten mussten. Gibt es dazu keine oder nur eingeschränkte Möglichkeiten, gab und gibt es Tote. Das ist so elementar wie die Tatsache, dass Schiffe Rettungsboote brauchen und zwar für alle Menschen an Bord.

 

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Sehr geehrter Dr. Müller,

der von mir gepostete Artikel sollte mitnichten zur etwaigen Entlastung von im Verfahren Angeschuldigten dienen.
Ich finde den Artikel wichtig im Hinblick auf die Darstellung der Geschehnisse von Duisburg in der Presse und im Netz,
eben auch in Ihrem Blog.
Zum Beispiel beschreiben Sie in Ihrer Antwort angebliche straffähige Planungs- und Durchführungshandlungen von den Bauamts- und
Veranstaltermitarbeitern, die das Gericht eben gerade nicht als bewiesen ansieht.
Sie stellen die Sachlage aber so dar , als seien die Vorwürfe unzweifelhaft.
Wenn ich dann davon ausgehe, dass dem Gericht ungleich mehr und differenziertere Unterlagen und Ermittlungsergebnisse zur Verfügung standen, als der interessierten Öffentlichkeit, finde ich Ihre sachliche Argumentation ziemlich verwegen.
Sehen Sie bitte an Ihrer eigenen Argumentation,wie leicht man von den bestehenden Verordnungen abzuweichen bereit ist.

Quote:
sich rundherum Felder und Wiesen befinden, müssen weniger dringend Notausgänge vom Gelände ausgewiesen werden als dann, wenn das Veranstaltungsgelände von Bahnlinien und Autobahn vollständig
eingehegt ist wie in Duisburg.

Auch Sie widersprechen hier dem geltendem Recht, Rettungswege sind vorgeschrieben, die technische Auslegung ist im Gesetz
festgeschrieben, und ob die Umgebung eine Wiese oder eine Autobahn ist, ist völlig unerheblich.
Wobei ich Ihnen aus praktischer Sicht natürlich zustimmen würde.
Ein Beispiel an dem sich zeigt, wie unsinnige Presseinformationen sich zu vorgeblich bewiesenen Tatsachen verdichten,
sind die, auch von Ihnen angeführten  „Pusher“…die angeblich geplant aber nie eingesetzt worden sind.

Ich bin seit fast 30 Jahren in der Branche tätig, noch niemals habe ich von einem Securityeinsatzkonzept gehört, wo Sicherheitsmitarbeiter Besucher mit körperlicher Gewalt ( pushen)  in Bewegung halten sollten.
Das war eine Zeitungsente, ich habe mich seiner Zeit, bei den beauftragten Sicherheitsunternehmen, die allesamt in der Branche namhaft sind und einen guten Ruf haben, erkundigt.
Es gab im Einsatzkonzept bei keinem der aktiven Unternehmen  die Position „ Pusher“.
Dies nur als ein „lebendiges“ Beispiel.

Natürlich wollen wir wissen, wie es zu den Geschehnissen in Duisburg kam.
Es ist das Recht der Öffentlichkeit und nicht zu letzt das Recht aller dort geschädigten Personen.
Ich habe allerdings den Glauben verloren, dass eine ernsthafte juristische Aufarbeitung von Seiten der Politik erwünscht war bzw. ist.
Jetzt sollen die Gerichte die offensichtlich unzureichenden Ermittlungen ausbaden.

Es ist zwar schwer vorstellbar, dass in unserem Land Ermittlungen diesbezüglich derart beeinflussbar sind.
Aber ich gebe einen Fakt zu bedenken.
 Der Innenminister NRW hat bereits am 28.07.2010 gewußt und es in seiner Pressekonferenz verkündet, dass die Polizei keine Fehler gemacht hat und dass allein der Veranstalter schuldhaft verantwortlich war.

Ich werde die Formulierung nie vergessen: „….aus Gründen der Neutralität wurde die polizeiliche Aufarbeitung in das Polizeipräsidium Essen gegeben und die polizeiliche Ermittlung ins Polizeipräsidium Köln…."

Die Loveparade-dokuGruppe auf Wordpress hat damals ermittelt, dass Beamte aus Essen die Loveparade betreut haben und zur Zeit der Todesfälle waren überwiegend Beamte aus Köln und Bochum in diesem Bereich eingesetzt.

Eben aus Gründen der Neutralität.

Ich fühle mich in Sachen Loveparade 2010 an die Tragödie von Hillsborough erinnert.
Ich hoffe inständig, dass die Angehörigen der Opfer nicht 27 Jahre auf die Wahrheit warten müssen.

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Fachfrau schrieb:

Ein Beispiel an dem sich zeigt, wie unsinnige Presseinformationen sich zu vorgeblich bewiesenen Tatsachen verdichten,
sind die, auch von Ihnen angeführten  „Pusher“…die angeblich geplant aber nie eingesetzt worden sind.

Ich bin seit fast 30 Jahren in der Branche tätig, noch niemals habe ich von einem Securityeinsatzkonzept gehört, wo Sicherheitsmitarbeiter Besucher mit körperlicher Gewalt ( pushen)  in Bewegung halten sollten. Das war eine Zeitungsente, ich habe mich seiner Zeit, bei den beauftragten Sicherheitsunternehmen, die allesamt in der Branche namhaft sind und einen guten Ruf haben, erkundigt.
Es gab im Einsatzkonzept bei keinem der aktiven Unternehmen  die Position „ Pusher“.
Dies nur als ein „lebendiges“ Beispiel.

Definitiv:
Der Begriff "Pusher" ist nicht nach der Katastrophe von der Presse erfunden worden. Sondern in der Planung von den Verantwortlichen der Lopavent.
In Ihren 30 Jahren Branchenerfahrung haben sie wahrscheinlich auch noch keinen grob gewalzten Schotter eines Güterbahnhofs als Veranstaltungsfläche erlebt. Wahrscheinlich auch nicht einen Verzoicht auf jeder Trennung von zu- und abwandernden Besucherströmen. Vor allem aber dürfte es Ihnen noch nicht passiert sein, das just an einer der engsten Stellen des Eingangs. schwere LKWs den Weg der Besucher auf einem Rundkurs kreuzen.

Diese Planung hatte mit professioneller Erfahrung und Gefahrenabwehr eben nichts zu tun.
An verschiednen Stellen ist eine Begehung des Geländes mit Beteiligten von Veranstalter, Polizei , Feuerwehr und Ordnungsamt am 22. 6 beschrieben.
Ein leitender und später an entscheidender Stelle tätiger Polizeiführer, bringt seine Erfahrung aus dem Kölner Karneval ein. Er könne nicht glauben, dass das Gelände zu befüllen sei, wenn am Ende der Rampe LKWs auf die Besucher zukämen.  Da müsse es zu erheblichen Stockungen kommen. Der Vertreter der Lopavent antwortet man werde die Besucher mit starken Kräften zur Südbühne "pushen".  Kann sein, dass es sichauch an anderer Stelle noch findet. Die Suche ist mir im Moment zu zeitaufwendig.

Dass die mit Ihnen kommunizierenden Sicherheitsfirmen davon nichts wissen, ist kein Widerspruch. 
Man hat diese Strategie zur Beruhigung kommuniziert. Sie aber nicht umgesetzt. Auch weil man viel weniger Ordner vor Ort hatte, als in der Planung vorgesehen:
http://docunews.org/loveparade/analyse/ordner-auf-der-loveparade-duisbur...

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Sehr geehrte Fachfrau,

Sie schreiben:

Zum Beispiel beschreiben Sie in Ihrer Antwort angebliche straffähige Planungs- und Durchführungshandlungen von den Bauamts- und
Veranstaltermitarbeitern, die das Gericht eben gerade nicht als bewiesen ansieht.
Sie stellen die Sachlage aber so dar , als seien die Vorwürfe unzweifelhaft.
Wenn ich dann davon ausgehe, dass dem Gericht ungleich mehr und differenziertere Unterlagen und Ermittlungsergebnisse zur Verfügung standen, als der interessierten Öffentlichkeit, finde ich Ihre sachliche Argumentation ziemlich verwegen.

Die Diskussion hier läuft nicht erst seit gestern, sondern seit fast sechs Jahren, die Links zu meinen vorherigen Beiträgen finden Sie oben am Ende des Beitrags. Ich kann nun nicht in jeder Antwort die ganze Diskussion und Darlegung wiederholen, die sich zum Teil aus vielen Dokumenten und Beiträgen ergeben hat. Übrigens habe ich nur relativ wenig aus Zeitungsberichten entnommen - das meiste stammt aus Unterlagen, die auch den Ermittlungsbehörden zur Verfügung standen. Sie können mir glauben, dass ich nicht nur  die der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stehenden Unterlagen eingesehen habe. Ob es alle sind, die auch das Gericht hat, weiß ich allerdings nicht. Bestimmte Abläufe in der Planungsphase ergeben sich  unzweifelhaft aus den Protokollen, Berichten, Gutachten. Ob dies zugleich "straffähige" Vorwürfe sind,  habe ich nicht geschrieben; es ist ja nur EINE von mehreren Voraussetzungen der Strafbarkeit, dass man Gefahren vorhergesehen hat bzw. vorhersehen konnte.

Ich bin seit fast 30 Jahren in der Branche tätig, noch niemals habe ich von einem Securityeinsatzkonzept gehört, wo Sicherheitsmitarbeiter Besucher mit körperlicher Gewalt ( pushen)  in Bewegung halten sollten.
Das war eine Zeitungsente, ich habe mich seiner Zeit, bei den beauftragten Sicherheitsunternehmen, die allesamt in der Branche namhaft sind und einen guten Ruf haben, erkundigt.
Es gab im Einsatzkonzept bei keinem der aktiven Unternehmen  die Position „ Pusher“.
Dies nur als ein „lebendiges“ Beispiel.

Das Wort "Pusher" ist kein offizielles Wort für die Funktion von Ordnern; es hat sich in der Loveparade-Debatte eingebürgert für diejenigen Ordner, die zum "crowd-handling" eingesetzt werden sollten, um "Stauungen und Pfropfbildungen" im Tunnel- und Eingangsbereich  und auf dem Gelände zu verhindern bzw. aufzulösen, um u.a. den "reibungslosen Besucherfluss im Eingangsbereich zu gewährleisten". Diese Funktionsbeschreibungen stammen wörtlich aus der Veranstaltungsbeschreibung der Lopavent GmbH, in der auch von einer "Mobilisierung von Ordnerkräften zur Entzerrung  von Publikumsstauungen" die Rede ist. Von körperlicher Gewalt ist nirgendwo die Rede und das habe ich nirgendwo geschrieben. Diese (geplante) Funktion der Ordner ist völlig unstreitig und weder eine bloße Behauptung von mir noch eine Zeitungsente.

Natürlich wollen wir wissen, wie es zu den Geschehnissen in Duisburg kam.
Es ist das Recht der Öffentlichkeit und nicht zuletzt das Recht aller dort geschädigten Personen.
Ich habe allerdings den Glauben verloren, dass eine ernsthafte juristische Aufarbeitung von Seiten der Politik erwünscht war bzw. ist.
Jetzt sollen die Gerichte die offensichtlich unzureichenden Ermittlungen ausbaden. Es ist zwar schwer vorstellbar, dass in unserem Land Ermittlungen diesbezüglich derart beeinflussbar sind.
Aber ich gebe einen Fakt zu bedenken.
 Der Innenminister NRW hat bereits am 28.07.2010 gewußt und es in seiner Pressekonferenz verkündet, dass die Polizei keine Fehler gemacht hat und dass allein der Veranstalter schuldhaft verantwortlich war.

Ich bin mit dem, was Sie hier schreiben, einverstanden. Die genannte Pressekonferenz und das Verhalten der Protagonisten dort war im Übrigen der Auslöser, warum ich mich überhaupt mit der Loveparade näher befasst habe und seit fast sechs Jahren nicht damit aufhöre.

Ich fühle mich in Sachen Loveparade 2010 an die Tragödie von Hillsborough erinnert.
Ich hoffe inständig, dass die Angehörigen der Opfer nicht 27 Jahre auf die Wahrheit warten müssen.

Auf die äußere Wahrheit muss man  nicht so lange warten, denn die ist in diesem Fall schon relativ gut ermittelbar. Ob die strafrechtliche Verantwortung einzelner Personen allerdings noch festgestellt werden kann, ist leider fraglich geworden.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Zuerst einmal herzlichen Dank für die Definition der baulichen Anlage. Den Gedanken von Herrn Rechtsanwalt Alexander Würdinger, mittels Ermittlungs-Erzwingungsverfahrens durchzusetzen, dass die StA zur Einholung eines zweiten Gutachtens verpflichtet werden kann, würde ich persönlich gerne weiter und zwar in allen Einzelheiten behandelt sehen. Mit anderen Worten, wie kann man sinnvoll auf die weitere Entwicklung einwirken?

.... Mit anderen Worten: Es wird höchste Zeit, Bewegung in den Laden zu bringen.

Der Papstbesuch zum XX. Weltjugentag 2005 in Kerpen ist nicht problemlos abgelaufen. Die geschätzt 1,2 Mio. Besucher sind über einen langen Zeitraum verteilt angereist. Das "Einlassystem" war durchaus absichtlich weitgehend als Pilgerweg mit langen Fußmärschen angelegt. Das Problem war das Ende der Veranstaltung. Die 1,2 Mio Pilger haben sich alle gleichzeitig aufgemacht. Das "Auslass-System" hat versagt. Mitglieder von Hilfsorganisationen haben mir berichtet, dass die Menschen derart dicht gedrängt kamen, dass sie selber in Einsatz-LKWs geflüchtet sind, um nicht überrannt und zerdrückt zu werden. Die Menschenmengen sind derart eng an die Fahrzeuge gepresst worden, dass diese anschließend blankpoliert waren. Vermutlich hat nur die Ermüdung der Pilger nach dieser langen Veranstaltung Schlimmeres verhindert. Die Menschenmengen haben sehr lange benötigt, um die Veranstaltung zu verlassen. Unbeleuchtete Bereiche und Wege haben viele umher irren lassen.

Die Fa. Traffgo hat ein Gutachten zum Weltjugendtag erstellt. Im späteren Gutachten zur Loveparade sind hier offensichtlich einige Passagen per "Copy and Paste" übernommen worden. Das ist aufgefallen, weil im Loveparade-Gutachten teilweise von Pilgern die Rede ist.

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Als am 24. Juli 2010 21 Menschen bei der Loveparade in Duisburg starben, hatte ich wenige Tage zuvor meine Mutter beerdigt und war mit meiner eigenen Trauer beschäftigt. Anders als die überlebenden Betroffenen und die Angehörigen der Toten vergaß ich auch schnell, was passiert war. Vor wenigen Wochen las ich, dass das Landgericht Duisburg keine Hauptverhandlung zulassen würde. In mir regte sich nun das Bedürfnis, verstehen zu wollen, was passiert war und wie es rechtlich einzuordnen ist. Ich bin Jurist, aber kein Strafrechtler. Ich bin kein Experte für Crowd Management, aber ich war Risikomanager in einem Unternehmen. Als interessierter Laie begann ich nun, Blogs zu lesen, mir Videos anzuschauen (die teilweise schwer erträglich waren) und auch den Beschluss des Landgerichts zu studieren. Ich begann den chronologischen Ablauf zu verstehen. Von vielen Unglücken kennt man es, dass nicht das Verhalten oder der Fehler eines Einzelnen die Katastrophe auslöst, sondern dass es kaskadenartige Entwicklungen und Feedbackschleifen. Das Duisburger Rathaus trieb offenkundig Geltungsdrang; den Veranstalter kommerzielle Interessen. Doch dies ist nach meiner Erfahrung mit Politik und Unternehmen der Regelfall, nicht die Ausnahme; zur Katastrophe führt das allein nicht. Politischer Druck, Planungsfehler, Abweichungen von der Planung, Überforderung, fehlende Kommunikation, fehlender Überblick und Fehlentscheidungen im Moment der Katastrophe wirkten zusammen. Es steht mir nicht zu, jemanden freizusprechen - dies können nur die Gerichte. Es steht mir auch nicht zu, jemandem zu vergeben - dies können nur die Betroffenen und Angehörigen. Die Arbeit der Justiz kann ich aber kritisieren. Da wäre zunächst die Staatsanwaltschaft, die mit einem zunehmend angegriffenen Gutachten eines britischen Experten arbeitete und keine Alternative in Betracht zog. Hier stellt sich die Frage, ob es nicht generell angeraten sei, in solchen Fällen eine ortsfremde Staatsanwaltschaft mit der Ermittlung zu beauftragen. Die Polizei tat dies und übertrug die Arbeit an das Polizeipräsidium Köln. Der Beschluss des Landgerichts, die Hauptverhandlung nicht zu eröffnen, muss die Betroffenen und Angehörigen geschockt haben. Und doch scheint es mir die bessere Alternative als ein Freispruch nach Jahren des Prozesses auf Basis der schlecht vorbereiteten Anklage. Auch das Landgericht ist nicht ohne Fehler, wenn es z.B. Sachverhalte als unbedeutend abtut, die aber von anderen Experten in der Kausalkette aufgeführt werden (so sagt das LG, die Einengung in der Rampenmitte sei irrelevant, weil die Polizeikette ohnehin die gesamte Rampenbreite geschlossen hätte. Tatsächlich wählte die Polizei aber mit knapper Mannschaft genau diese Stelle, da sie die einzige war, die geschlossen werden konnte). Der rechtliche Prozess nimmt nun weiter seinen teilweise eigentümlichen und möglicherweise unbefriedigenden Lauf. Was tatsächlich passiert ist, scheint mir durch Experten, Amateurvideos und engagierte Blogbetreiber so weit geklärt wie es derzeit möglich ist. Ich werde das Thema weiter mitverfolgen. Es geht vielen um ihren Seelenfrieden - diesen zu finden wünsche ich allen Betroffenen und den Angehörigen der Toten.

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So wie ich den Beschluss verstehe erklärt das Landgericht nicht die Verengung durch die Zaundreiecke selbst für irrelevant, sondern die Verantwortung der Angeschuldigten für diese Verengung, da sich nicht die Verengung auf gut 10m, sondern die Sperrung dieser verbleibenden 10m durch die Polizei als eine Ursache der Menschenverdichtung darstellt und nicht die Sperrung an dieser Stelle, sondern die Sperrung des Einlassen dem Sicherheitskonzept entsprochen hätte.

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Leser schrieb:
So wie ich den Beschluss verstehe erklärt das Landgericht nicht die Verengung durch die Zaundreiecke selbst für irrelevant, sondern die Verantwortung der Angeschuldigten für diese Verengung, da sich nicht die Verengung auf gut 10m, sondern die Sperrung dieser verbleibenden 10m durch die Polizei als eine Ursache der Menschenverdichtung darstellt und nicht die Sperrung an dieser Stelle, sondern die Sperrung des Einlassen dem Sicherheitskonzept entsprochen hätte.

 

Auf Seite 42 des Beschlusses führt das LG aus, dass die Verengung der Rampe auf 10,59m irrelevant sei, da die Polizeitkette 3 ohnehin die gesamte Breite der Rampe (hier unter Zuhilfenahme der Zaundreiecke) auf dieser Höhe abgesperrt hätte.

 

Dies ist m.E. aber spekulativ, denn die Polizei wählte diese Höhe für ihre Kette ja gerade deshalb, weil sie technisch am Leichtesten absperrbar schien. Der unter Crowd-Management-Gesichtspunkten ideale Ort wäre aber das obere Ende der Rampe gewesen.

Eine Polizeitkette weiter oben auf der Rampe hätte m.E. zwei Effekte gehabt:

(1) Das Zusammentreffen der Besucherströme hätte sich weiter von den neuralgischen Punkten Treppe und Container nach oben verlagert und damit möglicherweise die vor allem am Fuß der Treppe herrschenden physikalischen Verhältnisse entlastet.

(2) Eine höher gelegene Sperrung hätte auch psychologische Effekte gehabt. So hätte sie den Blick der Wartenden stärker auf den eigentlichen Zugang am Ende der Rampe gelenkt und die alternativen Zugänge Container, Lichtmast und vor allem Treppe in den Blick gerückt.

 

Weiter habe ich gelesen, finde aber die Quelle nicht mehr, nachdem die Polizeikette 3 aufgrund geringer Mannstärke tatsächlich nur auf Höhe der Verengung machbar war. Für Zwecke der Argumentation soll das mal dahin stehen.

 

http://www.lg-duisburg.nrw.de/2C03DC6D-132B-4417-A127-A10992904694/FinalDownload/DownloadId-377B107981178047513822B033584465/2C03DC6D-132B-4417-A127-A10992904694/dokumente/LG_Duisburg_Loveparade.pdf

(Achtung: 800 MB - leider hat das LG die Scaneinstellungen unglücklich gewählt)

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Wir waren stehengeblieben bei der Frage: Was kann man jetzt machen? Wie kann man die juristische Aufarbeitung in irgendeiner Weise weiter betreiben?

Nochmal mein Gedankengang: Ausgangspunkt ist die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014. Diese Entscheidung - und vor allem ihre Auswirkungen! - wurde praktisch eineinhalb Jahre lang allgemein ignoriert. Aber die Entscheidung hat für die Verfahrensrechte der Eltern der Getöteten eine immense Bedeutung: Denn erst seit der Tennessee Eisenberg-Entscheidung haben die Eltern der Getötenen Ernst zu nehmende  eigene Verfahrenrechte.

Jetzt gilt es für die Eltern der Getöteten, die Verfahrensrechte, die ihnen die Tennessee Eisenberg-Entscheidung gegeben hat, in die Hand zu nehmen! Dieses In-die-Hand-Nehmen geschieht am besten durch das Betreiben des Ermittlungs-Erzwingungsverfahrens. Mit dem Ermittlungs-Erzwingungsverfahren kriegt man den zweiten Gutachter her, der etwas zu Rettungswegen, Alarmierungsanlagen und Veranstaltungstechnik sagen kann. Das muss jetzt endlich betrieben werden!       

@_#13

Sehr geehrter Dr. Müller,
ich möchte keineswegs eine seit fast 6 Jahren laufenden Diskussion wiederholen.
Sie haben sich ihre Meinung gebildet, ich habe meine Einschätzung der Vorgänge um die Ereignisse von Duisburg.
Sie verwechseln Henne und Ei.
Die Diskussion wird neu aufgeworfen durch den Beschluss des Landgerichts und der darin veröffentlichten Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft.
Ich sehe mich mit meinen Einschätzungen in dem Beschluss bestätigt, Sie kritisieren den Beschluss als mit Mängeln behaftet.
Interessant ist die inhaltliche Darstellung Ihrer Argumente.
Hier ein Beispiel:

Henning Ernst Müller schrieb:
Das Wort "Pusher" ist kein offizielles Wort für die Funktion von Ordnern; es hat sich in der Loveparade-Debatte eingebürgert für diejenigen Ordner, die zum "crowd-handling" eingesetzt werden sollten, um "Stauungen und Pfropfbildungen" im Tunnel- und Eingangsbereich  und auf dem Gelände zu verhindern bzw. aufzulösen, um u.a. den "reibungslosen Besucherfluss im Eingangsbereich zu gewährleisten". Diese Funktionsbeschreibungen stammen wörtlich aus der Veranstaltungsbeschreibung der Lopavent GmbH, in der auch von einer "Mobilisierung von Ordnerkräften zur Entzerrung  von Publikumsstauungen" die Rede ist.

Hier die Passagen aus denen Sie zitieren:

Veranstaltungsbeschreibung schrieb:
Zur Publikumssteuerung (crowd handling) sind im gesamten Eingangs-/Tunnelbereich ca. 100 Sicherheitskräfte des Veranstalters im Einsatz. Sie führen nicht nur die Sicherheitskontrollen an den Einlass-Schleusen durch, sondern überwachen auch den Publikumsfluss im Eingangsbereich. Sollte es zu Stauungen oder Pfropfbildungen kommen, fordern sie die statischen Besuchergruppen auf weiter zu gehen.
Im mittleren Tunnelbereich (auf Höhe der Haupteingangsrampe) befindet sich die Security- Abschnittsleitung, die für die Eingangsbereiche zuständig ist. Von hier aus wird ständig die Eingangssituation überwacht und kontrolliert. Sollten sich Rückstauungen vom Veranstaltungsgelände bis zum Tunnel abzeichnen wird hier umgehend die temporäre Sperrung der Einlass-Schleusen veranlasst.

Sie sehen, Ihre Methode Zitate anzubringen stellt den Textzusammenhang in veränderter Weise dar.

Hier ein zweites Beispiel:

Veranstaltungsbeschreibung schrieb:
Durch die ständige Überwachung des Veranstaltungsgeländes ist es der Veranstaltungsleitung im
Lagezentrum jeder Zeit möglich die Gesamtauslastung des Geländes zu bewerten und je nach Bedarf
entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Beispielsweise die Mobilisierung von Ordnerkräften zur
Entzerrung von Publikumsstauungen
, oder die temporäre Schließung der Einlass-Schleusen auf der
Karl-Lehr-Str. - Hierzu ist die Veranstaltungsleitung über ein umfassendes Bündelfunksystem, das alle
Veranstaltungsbereiche inkl. der angrenzenden Flächen abdeckt, jeder Zeit mit allen relevanten
Ordnerpositionen verbunden.

Hier ein drittes Bespiel:
Veranstaltungsbeschreibung schrieb:
..hat die Besuchersteuerung in diesem Bereich besondere Bedeutung. Ziel ist es, sowohl den reibungslosen Besucherfluss im Eingangsbereich zu gewährleisten, als auch auf Ereignisse auf dem Veranstaltungsgelände flexibel reagieren zu können. Das setzt die Möglichkeit voraus, den Zustrom in den Tunnel zu regulieren und die Zugänge ggf. komplett zu sperren. Im Straßenraum vor dem Einlassbereich ist kurzzeitig mit Besucherkonzentrationen zu rechnen.

Sie zitieren aus unterschiedlichen Abschnitten einer Veranstaltungsbeschreibung des Veranstalters und geben den Zitaten den Sinnzusammenhang, den Sie darstellen wollen.

Ob dieses Vorgehen der Wahrheitsfindung dienlich ist, wage ich zu bezweifeln.

Es wird in den dargestellten Passagen eindeutig dargestellt, dass offensichtlich ein wesentliches  Element der Sicherheitsplanung für den Eingangsbereich eine Sperrung der Zugänge war.

Alle mir bekannten Fachleute sind sich darüber einig, dass dieses Konzept richtig war. Aber aus bisher ungeklärten Gründen nicht konsequent umgesetzt worden ist.

Sämtliche bekannten Fakten deuten darauf hin, dass die Polizeiführung dieses Konzept durch eigene Aktivitäten konterkariert hat.

Genau diese Frage sieht das Gericht als nicht geklärt an.

Weder die Staatsanwaltschaft noch der Gutachter haben dem Anschein nach dazu ausreichend Stellung genommen.

Bei dieser Sachlage von einer „gut ermittelbaren äußeren Wahrheit“ zu sprechen halte ich mit Verlaub für einen Ausdruck einer recht oberflächlichen Betrachtungsweise.

Die Öffentlichkeit wartet auf die Wahrheit. Fraglich ist,ob der Wille sie sauber zu ermitteln vorhanden ist.

Nochmals zu dem Wort „Pusher"

Pusher ist  kein Begriff aus der Sicherheitsindustrie in Deutschland.

Dieser Begriff hat sich auch nicht wie Sie es darstellen in der „Loveparade-Debatte“ eingebürgert.

Er ist  als Funktionsbeschreibung weder in Deutschland noch im englischsprachigen Bereich gebräuchlich.

Weil Sicherheitsdienstleistungen in der Veranstaltungsbranche als Service für den Besucher angesehen wird.

To push bedeutet „schieben, stoßen,drücken, schubsen, drängeln, treiben, etc. alles Tätigkeiten, die eben nur mit körperlicher Gewalt im weitesten Sinne ausgeführt werden können.

Dieses Konzept ist weder zielführend, noch wird es bei Veranstaltungen jeglicher Art eingesetzt.

Der Begriff „Pusher“  ist im Spiegel, in der Bild-Zeitung und in der Zeitung  DerWesten  das Erstemal aufgetaucht.

In dem veröffentlichten Gerichtsbeschluss wird es 9 mal im Zuge von Zitaten der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und in Zitaten des Gutachters verwand.

Von daher ist es eben doch zu einem „offiziellen Wort“ geworden.

Mit herzlichen Grüßen

 

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Ich will mich ja nicht ständig wiederholen, aber allein schon die - inzwischen ziemlich kontroverse - Diskussion zwischen Fachfrau und Prof. Müller zeigt doch, dass ein zweiter, technischer, Gutachter jetzt schleunigst her muss. Die bei der StA sind Juristen. Juristen müssen sich eben externen technischen Sachverstand erst noch beschaffen. Ich weiß wirklich nicht, worauf die StA noch warten will.  

Sehr geehrte Fachfrau,

die Zitate dienten einfach zur Erläuterung, dass Ordner u.a. dafür eingesetzt werden sollten, Stauungen aufzulösen. Das Wort "Pusher" ist mir überhaupt nicht wichtig. Wichtig ist mir allerdings, dass die Planung von bestimmten Aufgaben der Ordner ausging, die auch eine bestimmte Anzahl von Ordnern erforderlich machte, diese Anzahl von Ordnern am Tag der Loveparade aber weit unterschritten wurde. Das hat mit dazu geführt, dass die Polizei um Hilfe gerufen wurde, als es - oben auf der Rampe - eng wurde und dann fatale Entscheidungen getroffen hat.

Sie schreiben:

Sie verwechseln Henne und Ei.

Ich weiß nicht, was Sie mit Henne und was Sie mit Ei meinen. Das so genannte Henne-Ei-Problem besteht nicht in einer "Verwechslung" von Henne und Ei, sondern in der Unentscheidbarkeit einer Ursache-Wirkung-Konstellation (Wer war zuerst da?). DIESES Problem gibt es hier nicht: Zuerst wurde die Veranstaltung geplant, dann wurde sie genehmigt, dann fand sie statt. Es gab Probleme bei der Besuchersteuerung  und die Polizei hat eingegriffen. Eine ganze Reihe möglicher Ursachen (Planung, Genehmigung, Auflagenerfüllung, Funklöcher, Crowd-Management, Ordneranzahl, ELA, Polizeiketten etc.). Und als  "Wirkung" das Schadensereignis, eine Massenturbulenz mit 21 Toten und vielen Verletzten. Sie wollen doch sicher nicht die Reihenfolge zwischen möglichen Ursachen und Wirkung umdrehen? Wenn Sie aber damit meinen, dass nur die eine Seite (Polizei), nicht aber die andere (Veranstalter, Genehmigungsbehörden) Fehler gemacht haben, die für den Schaden ursächlich geworden sind, dann bin ich in der Tat anderer Auffassung und habe diese hier über die sechs Jahre hinweg mit nur wenigen Abweichungen konsequent vertreten und begründet.

Die Diskussion wird neu aufgeworfen durch den Beschluss des Landgerichts und der darin veröffentlichten Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft.
Ich sehe mich mit meinen Einschätzungen in dem Beschluss bestätigt, Sie kritisieren den Beschluss als mit Mängeln behaftet.

Ich kenne Ihre Einschätzungen nicht. Zur Auffassung der Staatsanwaltschaft habe ich die meine  vor zwei Jahren hier aufgeschrieben:

http://blog.beck.de/2014/02/11/loveparade-2010-anklageerhebung-nach-fast...

und habe mich noch mal konkreter so geäußert:

http://blog.beck.de/2014/08/31/loveparade-2010-zweifel-am-gutachten

Dort habe ich geschrieben: "Aber die Polizeiketten ganz herauszulassen aus der Erklärung des Unglücks kann schlimme Folgen haben, denn dann bleibt der konkrete Erfolg letztlich unerklärlich." Mit schlimmen Folgen, die eintreten könnten, meinte ich, dass daran der Strafprozess letztlich scheitern könnte.

Sie schreiben:

Es wird in den dargestellten Passagen eindeutig dargestellt, dass offensichtlich ein wesentliches  Element der Sicherheitsplanung für den Eingangsbereich eine Sperrung der Zugänge war. Alle mir bekannten Fachleute sind sich darüber einig, dass dieses Konzept richtig war. Aber aus bisher ungeklärten Gründen nicht konsequent umgesetzt worden ist.

Dass eine Besuchersteuerung eigentlich über die Schließung des Zugangs erreicht werden sollte, ist mir und allen anderen bewusst. Dieses Konzept war fahrlässig schlecht geplant (und genehmigt), denn es berücksichtigte nicht den erheblichen Rückfluss der Besucher, die (lt. Planung) die Veranstaltung am Nachmittag wieder verlassen wollten, während gleichzeitig die meisten Besucher noch kommen sollten. Und außerdem nicht, dass durch den (vom Veranstalter zu vertretenen) verzögerten Einlass von Anfang an erheblicher Druck auf den Einlass gegeben war. Bitte nennen Sie mir einige der "Fachleute", die Sie kontaktiert haben; er oder sie kann dann gern hier an der Diskussion teilnehmen (auch unter Pseudonym). Wir wissen momentan ja nicht einmal, welches Fach Sie vertreten.

Sämtliche bekannten Fakten deuten darauf hin, dass die Polizeiführung dieses Konzept durch eigene Aktivitäten konterkariert hat.

Die Polizei hat gravierende Fehler gemacht, da sind wir uns einig. Aber die Polizei ist doch nicht von sich aus auf freiem Feld und aus eigenem Antrieb tätig geworden.

Genau diese Frage sieht das Gericht als nicht geklärt an.

Weder die Staatsanwaltschaft noch der Gutachter haben dem Anschein nach dazu ausreichend Stellung genommen.

Genau so ("nicht ausreichend Stellung genommen") ist es. Und genau das habe ich seit Anklageerhebung kritisiert, also lange vor dem Nichteröffnungsbeschluss. Aber ich habe auch erhebliche prozessrechtliche Kritik an der jetzigen Entscheidung des Gerichts. Ich weiß nicht, ob Sie im Prozessrecht auch Fachfrau sind.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Die StA geht davon aus, dass ohne polizeiliche Massnahmen es an der 10m Stelle früher oder später zu einer Durchflussproblematik gekommen wäre mit gleicher oder sehr ähnlicher Folge wie durch die Polizeisperrtaktik verursacht. Sprich die ankommenden Besucher hätten sich im unteren Rampenteil aufgestaut. Als Laie denke ich nicht das diese "hypothetische" Sichtweise der StA korrekt ist. Das Gericht befand, ähnlich ist nicht gleich, weshalb der Eingriff Dritter hätte berücksichtigt werden müssen.

Ps: In Hilsborough gab es eine ähnliche Problematik. Da gab es Fehler im Stadiondesign insbesondere waren die Eingänge zu wenige, weshalb es vor dem Stadion ein gefährliches Gedränge gab, die Polizei wies daraufhin an ein Ausgangstor zu öffnen um die Leute reinzulassen, mit den bekannten Folgen.

Denke in einer solch vielschichtiger Fehlerkette ist es am einfachsten das Verfahren vom letzten "Dominostein" ( hier Polizeikette und Öffnen des Eingangs)her aufzubauen, und erst dann zu früheren Versagen zu kommen.

Gaudenz schrieb:
Denke in einer solch vielschichtiger Fehlerkette ist es am einfachsten das Verfahren vom letzten "Dominostein" ( hier Polizeikette und Öffnen des Eingangs)her aufzubauen, und erst dann zu früheren Versagen zu kommen.

Die Polizeikette ist doch gar nicht der letzte Dominostein der Fehlerkette. Danach kommen noch die drängelnden Raver selbst, die falschen optischen Anreizen gefolgt sind und aufgrund der fehlenden ELA auch nicht mehr gesteuert werden konnten. Die Polizeiketten haben selbstverständlich zur Enge beigetragen; gestorben ist dadurch aber niemand.  Egal in welche Richtung man die Kausalkette auch drehen will ... an beiden Enden steht dick und fett zunächst mal "Lopavent".

3

Die Petition von Gabi Müller in dieser Angelegenheit ist absolut unterstützenswert. Gabi Müller argumentiert in ihrem Petitionstext rein moralisch. Gabi Müller wusste bei Abfassung ihres Petitionstextes natürlich noch nicht, dass sie nicht nur einen moralischen, sondern auch einen juristischen Anspruch auf Aufklärung der Angelegenheit hat. Der juristische Anspruch ergibt sich aus der Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 und den Nachfolgeentscheidungen Gorch Fock, Lokalderby und Kundus.    

Mich treiben zwei Fragen um, die ich gerne hier im fachkundigen Blog diskutieren würde.

 

Zunächst zu Prof. Stills Gutachten. Das LG wirft dem Gutachter in seinem Beschluss u.a. vor, öffentlich von Planungsfehlern auf dem Niveau von Grundschulmathematik zu sprechen.

Meine Frage: Wenn Experten und Laien (in Foren, Blogs) gleichermaßen zu dem Ergebnis kommen, dass ein Planungsfehler so offensichtlich und fundamental ist, handelt es sich an dieser Stelle überhaupt noch um eine gutachtliche Stellungnahme? Oder handelt es sich um "stating the obvious".

Anderes Beispiel dazu: Ein Gebäude kollabiert und der mit einem Gutachten betraute Statiker stellt fest, dass der für die Gebäudeerrichtung verantwortliche Bauingenieur bei seinen Berechnungen zur Statik zwei Gebäude verwechselt hat. Jeder Laie würde dies bei Einsichtnahme in die Planungsunterlagen erkennen. Wieder die Frage: Handelt es sich dann überhaupt noch um ein Gutachten oder ist es nur der Gutachter, der einen für Jedermann erkennbaren Fehler gefunden hat.

Bejahte man die Offensichtlichkeit, wären persönliche Ausschlussgründe des Gutachters (z.B. hinsichtlich der Unabhängigkeit) m.E. unbeachtlich. Man würde zwar die konkreten Feststellungen des Gutachters verwerfen, aber die für Jedermann offensichtlichen Erkenntnisse verwerten können.

 

 

4

Im Falle von Professor Still geht es um seine Tätigkeit als Hochschullehrer.
Er hat zum Thema Loveparade in seinen Vorlesungen gesprochen und Vorträge zum Thema als mp3 auf seiner Website zum anhören bzw downloaden zur Verfügung gestellt.

Muss also ein Hochschullehrer Erkenntnisse als Gutachter in einem Strafprozess in seiner Lehrtätigkeit grrundsätzlich bis zum Urteil letzter instanz beschweigen, um sich nicht der Besorgnis der Befangenheit auszusetzen?

Die angekündigte zweite Frage, diesmal zur Kausalität:

 

In einem schematischen Beispiel hat ein Veranstalter einen Sternmarsch einer Menschenmenge durch 5 Korridore ohne Ausweichflächen auf einen geschlossenen Platz organisiert; die zuständigen Stellen haben die Veranstaltung genehmigt. Sowohl der zentrale Platz, die 5 Korridore als auch der Zutrittsbereich zu den Korridoren ist in erheblichem Maße für die erwartete sowie die tatsächliche Teilnehmerzahl unterdimensioniert. Durch Verzögerungen im Ablauf bleibt der Korridor 5 zunächst leer. Aus dem bereits überfüllten Platz strömen Menschen in den freien Korridor.

(1) Die Ordnungskräfte können nun den Zugang zum Korridor 5 von Außen weiter absperren, es kommt zur crowd turbulence im Wartebereich.

(2) Der Zugang zu Korridor 5 wird geöffnet, die Massen treffen im Korridor 5 frontal aufeinander

(3) Der Korridor 5 wird zum Platz hin geräumt. Crowd turbulence entsteht auf dem Platz und den Einmündungen aus den anderen Korridoren.

 

Das konkrete Schadensereignis und dessen Ort wird maßgeblich von den Ordnungskräften bestimmt. Ohne den zugrundeliegenden Planungsfehler würde der Erfolg aber gar nicht eintreten.

Wäre in diesem Fall die Planung kausal für den Schaden?

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Ich schließe mich mit einer weiteren Frage an: Von der Rechtsfigur "Täter hinter dem Täter" war ja schon die Rede. Jetzt meine Frage: Sind die Tatbeteiligten nicht ganz einfach die klassischen "Nebentäter"? Jeder der Nebentäter wäre dann ganz alleine - und jeder für sich - voll verantwortlich für den eingetretenen Taterfolg.

Noch eine Ergänzung zum Ansatz "Nebentäter": Fischer weist in Rn. 53 zu § 25 StGB auf die Entscheidung des BGH in der Sache "Reichenhaller Eissporthalle"  (BGH NJW 2010, 1087) hin. Danach ist Nebentäterschaft auch im Falle einer fahrlässigen Tötung möglich. Muss also die Entscheidung des BGH in der Sache "Reichenhaller Eissporthalle" hier nicht ebenso angewendet werden? 

Sehr geehrte Kommentatoren,

mit Ihren Fragen berühren Sie natürlich einen wichtigen (wenn nicht sogar "den") Punkt der Problematik der Anklageerhebung und des vom Gericht zu beurteilenden "hinreichenden Tatverdachts". 

Zunächst einmal: Im Strafrecht (etwas anders als im Zivilrecht) gilt die Kausaliät nach dem Äquivalenzprinzip (jede Ursache ist gleichwertig), d.h. auch die Planung und Genehmigung sind kausal für den Tod der Loveparadebesucher, denn ohne Planung/Genehmigung hätte die Veranstaltung gar nicht stattgefunden. Das Problem ergibt sich also nicht auf dieser Stufe, sondern in der nächsten, der Zurechenbarkeit.  Diese ist immer dann schwierig zu beantworten, wenn verschiedene "frei" handelnde Akteure nacheinander Ursachen für ein Ereignis gesetzt haben, hier die Planer, die Genehmiger und dann die Polizei. Denn dann könnte es zu Zurechnungsunterbrechungen kommen - die früher Agierenden wären nicht mehr verantwortlich für den konkreten Schaden, der erst durch den später Agierenden konkret verursacht worden ist.

Um ein Beispiel zu bemühen: Jemand verursacht fahrlässig einen Unfall, das verletzte Unfallopfer wird ins Krankenhaus gebracht, um dort operiert zu werden, und der dortige Anästhesist macht einen Fehler, der letztlich zum Tode des Verletzten führt. In solchen Fällen sind beide Akteure (der Unfallverursacher und der Anästhesist) für den Tod des Opfers kausal geworden. Die Frage ist, ob dem Unfallverursacher die  fahrlässige Tötung  des Opfers auch dann noch zugerechnet werden kann, wenn der Arzt einen Behandlungsfehler gemacht hat. Zwei Aspekte sind für die Zurechnung in solchen Fällen entscheidend: Erstens: Hat die frühere Fahrlässigkeit die Gefahr der späteren mit enthalten, also war der Fehler des ersten Akteurs derart, dass das Risiko des Todes durch einen Behandlungsfehler eines anderen vorhersehbar zugleich mit erhöht wurde? Zweitens: Wie schwer war die Fahrlässigkeit des späteren Akteurs? Es ist schwierig, hierzu ganz generelle Aussagen zu treffen, aber  in der Strafrechtslehre  herrschend wird etwa danach differenziert, ob der zweite Akteur "nur" einfach fahrlässig gehandelt hat oder ob er grob fahrlässig gehandelt hat.

Im Loveparade-Fall gibt es einen erheblichen Unterschied zum obigen Unfall-Beispiel: Während bei dem Zusammenhang Unfall - Krankenhaus die beiden Akteure auf je eigenem Feld selbständig und unter verschiedenen Normen (z.B. Straßenverkehrsordnung, ärztliche Kunst) agieren, sind im Loveparade-Fall die Akteure auf demselben Feld tätig und es hängt die polizeiliche Reaktion ganz unmittelbar mit der Gesamtlage (Großveranstaltung mit nur einem gemeinsamen Ein- Ausgang durch Tunnel-Rampen-Anlage) zusammen, da die Polizei auf die von den Planern und Genehmigern vorbereitete Situation - hoher Besucherandrang mit Stauungen - reagiert hat. Auch gibt es für die polizeiliche Reaktion in solchen Fällen keine Standards, so dass man viel eher mit dem Risiko von Fahrlässigkeiten rechnen muss.

Nach meinem Dafürhalten hat deshalb das fehlerhafte Agieren der Polizei zwar den konkrerten Erfolg mitverursacht, es spricht aber viel dafür, dass dadurch der Zurechnungszusammenhang nicht "unterbrochen" wurde.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

P:S.: Mit "Täter hinter dem Täter" hat das nicht viel zu tun, weil diese Konstruktion nur auf Vorsatzdelikte angewendet wird. Bei Fahrlässigkeitsdelikten gibt es den Einheitstäter, so dass alle einzelnen Täter je für sich mit ihrer Fahrlässigkeit verantwortlich sind. Man kann hier natürlich auch zwischen Mittäter-Konstellationen und Nebentäter-Konstellaltionen unterscheiden, aber die Bedeutung ist nicht dieselbe wie bei vorsätzlicher Begehung.

Ich muss zugeben, dass das die beste Erklärung eines strafrechtlichen Problems ist, die ich seit meinen Strafrechts-Vorlesungen bei den Münchner Professoren Roxin und Volk im Studium vor 30 Jahren gehört habe.

RA Würdinger schrieb:

Ich muss zugeben, dass das die beste Erklärung eines strafrechtlichen Problems ist, die ich seit meinen Strafrechts-Vorlesungen bei den Münchner Professoren Roxin und Volk im Studium vor 30 Jahren gehört habe.


Ich kann das zwar als Nichtjurist nicht beurteilen, aber bedanke mich hier noch einmal  bei Herrn Professor Müller für die Klarheit, Offenheit und Präzision der Debatte die er hier seit bald sechs Jahren moderiert und leitet.

Bei der Gelegenheit noch eine Frage:
Bei dem vorliegenden Handeln einer Genehmigungsbehörde:
Ist immer auch der Einreicher fehlerhafter Unterlagen in einem Genehmigungsverfahren verantwortlich.
Oder:
Trifft die prüfenden Mitarbeiter der Verwaltung eine viel höhere Verantwortung, solche Fehler nicht "durchgehen zu lassen"?

Ich verstehe die Erklärung so, dass im Endeffekt alle Tatbeteiligten als Nebentäter dran sind, weil sich keiner der Nebentäter mit Aussicht auf Erfolg darauf berufen kann, der - zeitlich ihm nachfolgende - weitere Nebentäter habe eine eigene weitere Ursache für den Taterfolg gesetzt.  

Sehr geehrter Dr. Müller,

ein klassisches Missverständnis. „Henne und Ei" bezog sich auf das Wiederaufwerfen einer langjährigen Diskussion,
Nicht ich bin die Ursache dieser Wiederaufnahme der Diskussion,sondern der Gerichtsbeschluss.

Egal.

Jetzt verstehe ich auch den Grund Ihrer Zitats-Zusammenstellungen.
Tut mir leid, aber eine Ihrer grundsätzlichen Fehleinschätzungen beruht anscheinend auf mangelnder Sachkenntnis.
Nach Ihrer Darstellung gehen Sie davon aus, dass das Schließen der Zugänge im  Eingangsbereich gleichzeitig die Besucher am Verlassen des Geländes hätte hindern können.

Ihnen ist offensichtlich entgangen, dass es an der Einmündungen der Karl-Lehr-Straße neben den Zugängen auf beiden Seiten einen separaten Ausgang gab, der jederzeit ohne Behinderungen  für die Besucher nutzbar war.
Die Einsatzleitung der Polizei hat erst durch die Sperren auf der Karl-Lehr-Straße und der Rampe ohne die gleichzeitige Öffnung der Notausgänge oben an der Rampeneinmündung die Besucher am Verlassen des Geländes gehindert.
Jetzt kommt eine Schlussfolgerung aus meinen Kenntnissen der Luftbilder und Videos von der Loveparade an diesem Tag.
Die Notausgänge im Bereich der Rampe waren zum Zeitpunkt der Ereignisse komplett mit Einsatzfahrzeugen der Polizei verstellt.
Den Grund dafür kenne ich natürlich nicht, aber allein diese Tatsache stellt, selbst wenn es Einsatzfahrzeuge waren, eine Ordnungswidrigkeit dar.

Notausgänge und Rettungswege müssen jederzeit betriebsbereit sein.
Das darf auch die Polizei nicht eigenmächtig regeln. Hat sie aber. Die Frage nach dem WARUM wurde bisher anscheinend nicht gestellt.

Kontrollstellen für Veranstaltungen  werden  im öffentlichen Straßenbereich übrigens nirgends in Deutschland genehmigt, oder wären genehmigungspflichtig.
Sonst hätten alle Sperrstellen der Polizei bzw. des Veranstalters , die es in Duisburg ja offensichtlich in großer Zahl gab, genehmigt werden müssen.

Ich weiß, dass das Gericht die baurechtliche Einordnung des Bereichs auf der Karl-Lehr-Straße anders einschätzt, als es Veranstalter und Bauamt offensichtlich getan haben.
Das scheint mir aber eben ein Phänomen des Anfangs erwähnten „hindsight bias“ zu sein.
Hätten Veranstalter und Bauamt die Karl-Lehr-Straße zum Zeitpunkt der Planung der Versammlungsstätte zugeordnet, hätte die Veranstaltung meines Erachtens nicht stattfinden können.
Ob Veranstalter und Bauamt dies so hätten tun müssen, darüber kann man eben unterschiedlicher Ansicht sein.

Von den diesbezüglich oft angeführten „Verschwörungstheorien“ der Veranstalter hätte „Druck“ gemacht um für sich „Sonderregeln“ heraus zuhanden, oder hätte argumentative Tricks angewandt, um die  Aufteilung des Geländes in verschiedene Bereiche durchsetzen zu können,  halte ich überhaupt nichts.
Diese Theorien entbehren bei genauem Hinsehen jeder Grundlage.

Die Planung einer Großveranstaltung war in der BRD auch vor 2010 bereits ein Vorgang, der von allen beteiligten Institutionen und auch von den diversen Veranstaltern sehr ernst genommen wurde.
Mit „trickreichen Argumentationen“ kam und kommt man in solchen Fällen nicht zu einer behördlichen Zustimmung.

Dass der Zugangsbereich vom Bauamt nicht kontrolliert wurde,  als fahrlässigen Fehler der Angeschuldigten darzustellen, scheint mir ein von anderen Motiven gesteuertes Argumentieren der Ermittlungsbehörden zu sein.
Ich denke bei der Beurteilung der Katastrophe von Duisburg, ist man gehalten, die zum Zeitpunkt der Vorbereitung getroffenen Absprachen in Betrach zu ziehen und nicht „neue“ Zustände zu definieren, die gegebenenfalls unterschiedliche Verantwortlichkeiten hervorrufen würden.

Woher Sie im Übrigen Ihre Vermutung nehmen, der Veranstalter hätte nicht genug Ordnerpersonal eingesetzt, ist mir ebenfalls nicht klar.
Kennen Sie das Ordnerkonzept? Wissen Sie wie viele Ordner notwendig gewesen wären?
In der zitierten Veranstaltungsbeschreibung spricht der Veranstalter lediglich von etwa 100 Ordnern im Eingangsbereich.

Ausserdem gilt für jede Veranstaltung, wenn es im Verlauf einer Veranstaltung zu einem Polizeieinsatz kommt, ist die Ordnerstruktur eines Veranstalters irrelevant, weil sie sich in das Einsatzgeschehen nicht einbringen darf.

Soweit ich den Ausführungen des Gerichts folgen kann (Sie haben natürlich recht, ich maße mir nicht an Expertin für die Jurisprudenz zu sein) läßt sich aus der Anzahl der eingesetzten , bzw. nicht eingesetzten Veranstaltungssicherheitskräften kein Fahrlässigkeitsdelikt herleiten
Mit dieser Betrachtungsweise sind die befassten Richter ein Schritt weiter als die interessierte Öffentlichkeit, sie bewerten wirklich nur die juristisch relevanten Vorgänge und äussern nicht , was ihrer Meinung nach gut—und oder schlecht gewesen sein könnte.

Im Übrigen Herr Dr. Müller leiten Sie Ihre juristischen Schlussfolgerungen aus Zusammenhängen her, die insgesamt vom Gericht und auch von der Staatsanwaltschaft als weder ursächlich für die Katastrophe noch als strafbar angesehen werden.
Der Beschluss des Gerichts zitiert, als von der Staatsanwaltschaft begründetet Fahrlässigkeit allein ein „ unzureichend geplantes Zugangssystem“. Dieser Tatbestand wird von dem Gutachter unter der Annahme hergeleitet, die nach dem Unglück veröffentlichten Besucherzahlen und die daraus zu folgernden Personenströme seien Grundlage für diese Planung gewesen.
Einen Beweis für diese Annahme kann offensichtlich weder der Gutachter noch die Staatsanwaltschaft vorlegen.

Genau diesem Vorgehen verweigert sich das Gericht.

Auffällig ist, wenn man dem Beschluss folgt, dass die Staatsanwaltschaft alle anderen „angeblichen Versäumnisse“ des Veranstalters nicht als kausal ansieht, und von daher diese „Versäumnisse“ aus der Anklage zurückzieht.
Nun sind dies allesamt Punkte, bei denen die Polizeikräfte  selbst aktiv geworden sind. ( Verweis auf Seite 70-Seite 72 des veröffentlichten Gerichtsbeschlusses)

Angeblich nicht vorhandene Durchsage Möglichkeit.
Es waren Polizeisprecher vorgesehen, die diese Anlage auf dem Gelände einsetzen sollten.
Mir wurde berichtet, dass die Polizeisprecher  niemals an dem verabredeten Bürocontainer erschienen sind.
Ich kenne im Übrigen von den Technikern der Firma Pool die technische Auslegung dieses Systems, ich muss sagen „genial"- gespart wurde an dieser Stelle nicht.
Interessant ist, warum niemand die Frage stellt, wieso diese Anlage nicht genutzt worden ist?
Angeblich endet die polizeiliche Ermittlung diesbezüglich mit dem Vermerk, ..“ an welcher Stelle in der polizeilichen Vorbereitung die Information, die Durchsageanlage betreffend, verloren gegangen ist, läßt sich nicht mehr nachvollziehen…“  tja dumm gelaufen.
Das Zaunfeld, dass über den Gullydeckel gelegt worden ist. Es war offensichtlich  ein Polizeibeamter, der diese völlig unverständliche Maßnahme befürwortet und wohl auch selbst dabei mitgeholfen hat.
Auf verschiedenen Videos ist zu erkennen, dass die Ausgangsrampe aus ungeklärten Gründen durch Polizeibeamte von Beginn an gesperrt worden ist.

Aber der Polizeieinsatz war nach Ansicht der Ermittler nicht ursächlich für die Katastrophe.

Genau an dieser Stelle sehr geehrter Dr. Müller bin ich eben völlig anderer Ansicht als Sie.

Ohne die Anordnung der Polizeieinsatzleitung  die Polizeiketten einzusetzen würden die Menschen noch leben.

Das hat zwar Herr Schaller auch von sich gegeben, aber soweit ich die Zusammenhänge überblicke, wo der Mann Recht hat, hat er Recht.

Ach , im Übrigen bin ich „Fachfrau“ seit 1992 mit dem Erwerb des Ing. (FH) für Veranstaltungstechnik. Ich habe zur Zeit meines Studiums bis ins Jahr 1999 auf allen Loveparade Veranstaltungen in Berlin gearbeitet.

Ich kann Ihnen sagen, auch in Berlin am 17. Juni gab es mehrfach das Phänomen der Massen-Turbulenz , weil sich Menschen zwischen Besuchern und Umfassungswänden am Großen Stern eingekeilt sahen.
In Berlin hat die Polizei , in der Regel mit etwa 800 Einsatzkräften aufgestellt (in Duisburg waren es , wenn der Presse zu glauben ist 5000) eben „richtig“ reagiert, so dass es glücklicherweise nie zu Personenschäden oder gar Toten gekommen ist.
Bei den Veranstaltungen in Berlin waren jeweils in etwa 500 bis 600 Ordner aktiv.
Was wäre „genug“ gewesen?
Die Besucherzahlen von Berlin wurden in den Ankündigungen und bei den nachträglichen Presseveröffentlichungen wie in Duisburg maßlos übersteigert dargestellt.
Die Insider wissen ,dass es nur einmal in Berlin, nämlich 1999, annähernd 1 Million Besucher real gegeben hat.

@Herrn Evers,
nehmen Sie es bitte nicht persönlich, aber aus Ihren Kommentaren und den Darstellungen auf Ihren verschiedenen Seiten im Netz entnehme ich, dass Sie an einer unvoreingenommenen Sachaufklärung nicht interessiert zu sein scheinen.
Sie kommen mir vor wie bestimmte Sorte Journalist, heute finden Sie: Einen Veranstaltungsort auf Schottergestein verantwortungslos.
Aber wenn es eine Wiese gewesen wäre, es Starkregen mit der entsprechenden Verschlammung gegeben hätte  und auf schreckliche Weise Besucher vor der Bühne im Schlamm erstickt wären, hätten Sie diesen Vorgang genutzt um die Verantwortungslosigkeit eines Veranstalters anzuprangern, weil man ja seit Roskilde 2000 weiß, dass Bühnenabsperrungen auf Wiesen bei Regen zu Toten führen können.

Das Unglück in Roskilde wäre nicht geschehen, wenn es vor der Bühne einen Untergrund mit der nachgewiesenen  Regenversickerungsfähigkeit wie in Duisburg gegeben hätte.
Haben die Verantwortlichen in Roskilde nun fahrlässig gehandelt?

@Dr. Müller
Ich lese seit dem Vorliegen des Gerichtsbeschlusses Ihren Blog wieder mit Interesse, weil es  für mich eben nicht juristisch
eindeutig klar ist, wie das Geschehen von Duisburg zu beurteilen wäre.
Da ich zu der juristischen Diskussion fachlich nichts beitragen kann, werde ich fortan weiter mitlesen.
Mit freundlichen Grüßen

 

3

Fachfrau schrieb:

In Berlin hat die Polizei , in der Regel mit etwa 800 Einsatzkräften aufgestellt (in Duisburg waren es , wenn der Presse zu glauben ist 5000) eben „richtig“ reagiert, so dass es glücklicherweise nie zu Personenschäden oder gar Toten gekommen ist.

 

Lt. Tagesspiegel waren es z.B. im Jahr 2001 3.700 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz. 

http://www.tagesspiegel.de/berlin/loveparade-weniger-raver-mehr-polizist...

 

Im Übrigen scheint mir ein Vergleich einer offenen Veranstaltung mit einer baulich Geschlossenen wenig zielführend. 

4

Fachfrau schrieb:
Kontrollstellen für Veranstaltungen werden im öffentlichen Straßenbereich übrigens nirgends in Deutschland genehmigt, oder wären genehmigungspflichtig.
Sonst hätten alle Sperrstellen der Polizei bzw. des Veranstalters , die es in Duisburg ja offensichtlich in großer Zahl gab, genehmigt werden müssen.

Sehr geehrte Fachfrau,

das müssen Sie mir mal erklären. Wenn Sie die Straße des 17. Juni in Berlin als Veranstaltungsort kennen - was sind denn dann die Fanmeile und die Silversterparty genau für Veranstaltungen? Spontanversammlungen?

Bei beiden Veranstaltungen (Fanmeile kenne ich aus eigener Anschauung - ein Mal und nie wieder...) gibt es im öffentlichen Straßenland (Kreisel an der Goldelse, Tiergarten und rund um das Brandenburger Tor) Zugangskontrollen, und beide Veranstaltungen werden "bei Überfüllung" für weiteren Zustrom gesperrt.

Wie geht das, wenn so etwas doch "nirgends in Deutschland genehmigt wird"?

 

Fachfrau schrieb:
Angeblich nicht vorhandene Durchsage Möglichkeit.
Es waren Polizeisprecher vorgesehen, die diese Anlage auf dem Gelände einsetzen sollten.
Mir wurde berichtet, dass die Polizeisprecher  niemals an dem verabredeten Bürocontainer erschienen sind.
Ich kenne im Übrigen von den Technikern der Firma Pool die technische Auslegung dieses Systems, ich muss sagen „genial"- gespart wurde an dieser Stelle nicht.
Interessant ist, warum niemand die Frage stellt, wieso diese Anlage nicht genutzt worden ist?

Was sind denn "Polizeisprecher"? Den Begriff kenne ich nicht. Und wie hätten die auf die Veranstaltung einwirken sollen?

Ich lese Ihre Einwände ja mit Interesse, aber: Wo ist denn belegt, dass es diese (Lautsprecher-)Anlage tatsächlich gab, und dass mit ihr die Besucher hätten gesteuert werden können, wie es eigentlich geplant war?

 

Sehr geehrte "Fachfrau,  etwas spät dran, trotzdem und auch zur Präzision folgende kurze Einwände:

Fachfrau schrieb:

Ihnen ist offensichtlich entgangen, dass es an der Einmündungen der Karl-Lehr-Straße neben den Zugängen auf beiden Seiten einen separaten Ausgang gab, der jederzeit ohne Behinderungen  für die Besucher nutzbar war.

Nein, das ist nieman entgangen, der sich mit Planung und Realität der Loveparade 2010 beschäftigt hat.
Auf Höhe der Vereinzelungsanlagen gabe es eine separierung mit sog "Löwengängen". Das musste auch sein, wollte man eine Einbahnstraße auf das Veranstaltungsgelände sicher stellen. Aber erst dort, fand eine Separierung von zu- und abströmenden Besuchern statt. Da hatten die die Veranstaltung verlassenden aber schon hunderte Meter ohne jeden Notausgang hinter sich. Mit Gegenverkehr an folgenden Engstellen:
Oben an der Floatstrecke. Weil es da nicht weiter geht gehen hier die Ankommenden Zuschauer erstmalig "die Wände hoch" über die Heras Zäune.

Auf Höhe der Fluchttreppe die Rampenverengung inklusive nur notdürftig abgedeckten Gullideckel.

Weiter im Gegenstrom um die Kurven am Rampenfuß in die Unterführungen unter Exbahnhof, Autobahn und Gleisen. Nach Osten länger nach Westen etwas kürzer.
Erst nach mehreren hundert Metern mit Gegenverkehr erreicht man die "Löwengänge im Westen und Osten.

Fachfrau schrieb:

Die Einsatzleitung der Polizei hat erst durch die Sperren auf der Karl-Lehr-Straße und der Rampe ohne die gleichzeitige Öffnung der Notausgänge oben an der Rampeneinmündung die Besucher am Verlassen des Geländes gehindert.

Die Blockade oben an der Rampe war lange for dem Polizeieinsatz manifest. Genau weil nichts mehr vor (und zurück geht am Rampenkopf, holt der für den Eingangsbereich zuständige Sicherheitsdienstleiter den Polizeiführer des Abschnitts Schutz der Veranstaltung zu sich.
Die Alternative wäre gewesen, auf höherer Ebene eine Telfonkonferenz. der Gesamtleitungen für Veranstaltungen Sicherheit und Polizei einzuleiten.

Fachfrau schrieb:
Jetzt kommt eine Schlussfolgerung aus meinen Kenntnissen der Luftbilder und Videos von der Loveparade an diesem Tag.
Die Notausgänge im Bereich der Rampe waren zum Zeitpunkt der Ereignisse komplett mit Einsatzfahrzeugen der Polizei verstellt.
Den Grund dafür kenne ich natürlich nicht, aber allein diese Tatsache stellt, selbst wenn es Einsatzfahrzeuge waren, eine Ordnungswidrigkeit dar.

Es gibt an der Rampe keine Polizeifahrzeuge die Notausgänge zustellen. Einfach weil es auf der Rampe (und inTunneln keine Notausgänge gibt.
Wegen deren Fehlen gehen die Zuschauer Treppe, Lichtmasten Böschungen und niedrigere Rampenteile plus dahinter stehenden Heraszäunen hoch.

Fachfrau schrieb:
Kontrollstellen für Veranstaltungen  werden  im öffentlichen Straßenbereich übrigens nirgends in Deutschland genehmigt, oder wären genehmigungspflichtig.
Sonst hätten alle Sperrstellen der Polizei bzw. des Veranstalters , die es in Duisburg ja offensichtlich in großer Zahl gab, genehmigt werden müssen.

Genau da setzt das Filetierungskonzept an. Man teilt das Veranstaltungsgelände willkürlich in Eingangsbereich und eigentliches Veranstaltungsgelände. Die Vereinzelungsanlagen als zentraler Eingangsberich stehen nun mal mitten auf der Karl Lehr Straße. Dafür gibt es aber nur eine Sondernutzungserlaubnis des Bezirksamtes Mitte und keine Abnahme des Bauamtes. Die gleiche Aufteilung finden sie in der Fachwidrigen Aufteilung der Sicherheitskräfte mit zwei verschiedenen Einsatzleitern für Eingang und für Veranstaltungsgelaände mit zwei separaten geschlossenen Bündelfunksystemen.

Fachfrau schrieb:
Woher Sie im Übrigen Ihre Vermutung nehmen, der Veranstalter hätte nicht genug Ordnerpersonal eingesetzt, ist mir ebenfalls nicht klar.
Kennen Sie das Ordnerkonzept? Wissen Sie wie viele Ordner notwendig gewesen wären?

Alles recherchiert und auch oben schon gepostet:
http://docunews.org/loveparade/analyse/ordner-auf-der-loveparade-duisbur...

Fachfrau schrieb:
@Herrn Evers,
nehmen Sie es bitte nicht persönlich, aber aus Ihren Kommentaren und den Darstellungen auf Ihren verschiedenen Seiten im Netz entnehme ich, dass Sie an einer unvoreingenommenen Sachaufklärung nicht interessiert zu sein scheinen.
Sie kommen mir vor wie bestimmte Sorte Journalist, heute finden Sie: Einen Veranstaltungsort auf Schottergestein verantwortungslos.
Aber wenn es eine Wiese gewesen wäre, es Starkregen mit der entsprechenden Verschlammung gegeben hätte  und auf schreckliche Weise Besucher vor der Bühne im Schlamm erstickt wären, hätten Sie diesen Vorgang genutzt um die Verantwortungslosigkeit eines Veranstalters anzuprangern, weil man ja seit Roskilde 2000 weiß, dass Bühnenabsperrungen auf Wiesen bei Regen zu Toten führen können.

Vielleicht sollten sie die Recherchen trotzdem lesen. Sie basieren nämlich auf Studium von Dokumenten und nicht auf "oral history" und Hörensagen.
Glauben Sie mir:
sowohl Lopavent Schaller als auch Stadt Duisburg haben Millionen in die Abwehr von Kritikern gesteckt und dutzende von Rechtsanwälte gesteckt.
Mit so potenten Gegnern dürfen Sie als Journalist nicht schludern, sonst wird es sofort teuer, weil Ihnen die Gegendarstellungen und Unterlassungsklagen nur so um die Ohren fliegen. In der Tat werden on mir (und auch anderen) steile Fakten publiziert. Würden die nur auf Meinung  beruhen und nicht auf "Fakten, Fakten, Fakten" hätte ich sie längst vom Netz nehmen müssen.

Sehr geehrte Fachfrau,

 

Im Einzelnen schreiben Sie:

Nach Ihrer Darstellung gehen Sie davon aus, dass das Schließen der Zugänge im  Eingangsbereich gleichzeitig die Besucher am Verlassen des Geländes hätte hindern können.

Nein, das habe ich nicht so dargestellt. Die Planung ging davon aus, dass während des gesamten Nachmittags einige zigtausend Personen pro Stunde das Gelände verlassen sollten und damit auf dem Gelände Platz machen sollten für neue Besucher. Diese Personen hätten einen ähnlichen Personenstrom Richtung Ausgang verursacht wie diejenigen, die gleichzeitig reingehen wollten. Für diese Personen gab es an der oberen Rampe, wo sie - wie geplant - auf eine große Menge ankommender Besucher stießen und in den beiden Tunnels keinerlei Steuerung. Eine Steuerung durch die Vereinzelungsanlagen gab es nur für die Richtung der Hineinströmenden. Das zum Sicherheitskonzept gehörende Entfluchtungsgutachten lässt die Folgerung zu, dass die geplanten Besucheranzahlen pro Stunde (in beiden Richtungen) während der Nachmittagsstunden die maximale Besucheranzahl pro Stunde, die in nur einer Richtung fließen könnten, bei Weitem übertreffen sollte. Richtig ist, dass die Staatsanwaltschaft (und Herr Still) des nicht für nötig befanden, die realen Zahlen der Besucher zu zählen bzw. zu schätzen. Das ist ein Vorwurf, den ich dem Gutachter von Anfang an gemacht habe: Die reale Situation am Tag der LoPa durfte nicht ignoriert werden.

Die Notausgänge im Bereich der Rampe waren zum Zeitpunkt der Ereignisse komplett mit Einsatzfahrzeugen der Polizei verstellt.
Den Grund dafür kenne ich natürlich nicht, aber allein diese Tatsache stellt, selbst wenn es Einsatzfahrzeuge waren, eine Ordnungswidrigkeit dar.

Notausgänge und Rettungswege müssen jederzeit betriebsbereit sein.
Das darf auch die Polizei nicht eigenmächtig regeln. Hat sie aber. Die Frage nach dem WARUM wurde bisher anscheinend nicht gestellt.

Dass auf der Rampe auf der rechten Seite von unten gesehen alles voller Einsatzfahrzeuge stand, habe ich in meinem ersten Posting im Juli 2010 bereits angeführt und kritisiert:

"Dass in dem einzigen Zu- und Abgang auch noch wesentliche Breitenmeter von Polizeifahrzeugen hinter Absperrgittern blockiert wurden, dafür kann wohl nur der Polizei die Verantwortung gegeben werden. Jeder verkehrsbehindernde Falschparker würde abgeschleppt werden von eben den Polizeikräften, die hier ihre Fahrzeuge mitten in den Zugangsstrom abstellten, der aus den beiden Tunnels kommen sollte. Die Genehmigung, die der Lopavent für die Love Paade erteilt wurde, enthielt die Auflage, dass  "die Fluchtwege an keiner Stelle durch Einbauten oder sonstige Hindernisse beschränkt werden".Zwar ist  der Veranstalter zuständig für die Einhaltung der Auflage, aber es ist wohl kaum zumutbar, dass der Veranstalter die Polizei auffordert, die Fahrzeuge dort wegzufahren."

(http://blog.beck.de/2010/07/28/love-parade-wie-wurde-die-katastrophe-ver...)

Dass mit den Fahrzeugen (angeblich) Notausgänge versperrt wurden, habe ich aber noch nie gehört oder gelesen.  Die Frage nach dem WARUM ist längst gestellt und beantwortet worden. Es ist inzwischen völlig unstreitig, das diese Einsatzfahrzeuge dort platziert wurden, um ggf. bei einem Unwetter den zu erwartenden Strom von schutzsuchenden Besuchern in den Tunnel zu versperren. Die Einsatzfahrzeuge waren also Teil der Überlegungen, die die Sicherheit der Besucher erhöhen sollten. Dass sie zugleich einen erheblichen Teil der Rampe selbst versperrten, hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit schon im Vorfeld die Geeignetheit des Geländes bzw. des Geländezugangs in Frage stellen müssen. Unmittelbar ursächlich für die Katastrophe wurden diese Fahrzeuge entgegen meiner Auffassung vor sechs Jahren nicht, denn die Massenturbulenz fand auf der anderen Seite statt - zu gleicher Zeit befand sich neben den Einsatzfahrzeugen kein Gedränge.

Woher Sie im Übrigen Ihre Vermutung nehmen, der Veranstalter hätte nicht genug Ordnerpersonal eingesetzt, ist mir ebenfalls nicht klar.
Kennen Sie das Ordnerkonzept? Wissen Sie wie viele Ordner notwendig gewesen wären?
In der zitierten Veranstaltungsbeschreibung spricht der Veranstalter lediglich von etwa 100 Ordnern im Eingangsbereich.

 

Seit ca. 2011 ist bekannt, dass mehr als ein Drittel der 1300 Ordner am 24.07.2010 nicht erschienen sind.

Ausserdem gilt für jede Veranstaltung, wenn es im Verlauf einer Veranstaltung zu einem Polizeieinsatz kommt, ist die Ordnerstruktur eines Veranstalters irrelevant, weil sie sich in das Einsatzgeschehen nicht einbringen darf.

Da Sie Fachfrau für Veranstaltungen sind, kann ich Sie nur vor dem Missverständnis warnen, man könne allein damit, dass ein Polizeieinsatz ausgelöst wird, die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Ordnerstruktur loswerden. Dem ist nicht so. Angenommen, es werden bei einer Veranstaltung  zu wenig Ordner eingesetzt, um z.B. die im Sicherheitskonzept vorgesehene Aufgabe zu erfüllen, Stauungen und "Pfropfe" zu beseitigen, und sieht sich deshalb genötigt, die Polizei um Hilfe zu bitten. Dadurch wird man keineswegs entlastet, im Gegenteil. Ich will aber nicht unterstellen, dass es so war. Interessanterweise wenden Sie genau im umgekehrten Sinne dieselbe Argumentation an, die hier vor ein paar Jahren "Ein Polizist" in die Diskussion einbrachte: Die Polizei sei doch auf dem Gelände gar nicht zuständig gewesen, deshalb sei sie auch nicht verantwortlich, so seine ebenfalls verfehlte Argumentation. Weder Ihrem Argument als "Fachfrau" noch dem des "Polizisten"  kann ich hier besonders viel abgewinnen. Sie haben uns richtig auf den "hindsight bias" hingewiesen. Bei Ihnen habe ich allerdings den Eindruck, dass Sie eine andere Art von "bias" pflegen, nämlich den zugunsten einer bestimmten Seite in diesem Konflikt.

Im Übrigen Herr Dr. Müller leiten Sie Ihre juristischen Schlussfolgerungen aus Zusammenhängen her, die insgesamt vom Gericht und auch von der Staatsanwaltschaft als weder ursächlich für die Katastrophe noch als strafbar angesehen werden.

Ja, so ist es. Meine Überlegungen beruhen darauf, dass sowohl die staatsanwaltliche Anklageerhebung ("Polizeikette nicht ursächlich") als auch die Nichteröffnung nicht völlig zutreffend sind. Ich bin so frei und bemühe mich dann um Begründungen, die überzeugen.

Angeblich nicht vorhandene Durchsage Möglichkeit.
Es waren Polizeisprecher vorgesehen, die diese Anlage auf dem Gelände einsetzen sollten.
Mir wurde berichtet, dass die Polizeisprecher  niemals an dem verabredeten Bürocontainer erschienen sind.
Ich kenne im Übrigen von den Technikern der Firma Pool die technische Auslegung dieses Systems, ich muss sagen „genial"- gespart wurde an dieser Stelle nicht.
Interessant ist, warum niemand die Frage stellt, wieso diese Anlage nicht genutzt worden ist?

Interessant. Sind Sie oder Ihre Quellen denn als Zeugen gehört worden?

Aber der Polizeieinsatz war nach Ansicht der Ermittler nicht ursächlich für die Katastrophe.

Genau an dieser Stelle sehr geehrter Dr. Müller bin ich eben völlig anderer Ansicht als Sie.

Ohne die Anordnung der Polizeieinsatzleitung  die Polizeiketten einzusetzen würden die Menschen noch leben.

Das hat zwar Herr Schaller auch von sich gegeben, aber soweit ich die Zusammenhänge überblicke, wo der Mann Recht hat, hat er Recht.

Liebe Fachfrau, seit fast sechs Jahren habe ich es geschrieben und auch in dieser Diskussion mehrfach wiederholt: Die Polizei war AUCH ursächlich für die Katastrophe!  Aber das entlastet eben nicht diejenigen, die für den Polizeieinsatz den Anlass gegeben haben. Herrn Schaller kann man antworten: Ja, aber ohne die Veranstaltung so zu organisieren wie sie von Lopavent organisiert wurde, würden die Menschen  auch noch leben.  Ich habe es heute morgen versucht, noch einmal zu erläutern, s.o.

Ich lese seit dem Vorliegen des Gerichtsbeschlusses Ihren Blog wieder mit Interesse, weil es  für mich eben nicht juristisch
eindeutig klar ist, wie das Geschehen von Duisburg zu beurteilen wäre. Da ich zu der juristischen Diskussion fachlich nichts beitragen kann, werde ich fortan weiter mitlesen.

Ja, das freut mich. Aber dann müssen Sie akzeptieren, dass ich hier gelegentlich eine dezidiert andere Meinung äußere als Staatsanwaltschaft, Gericht, Polizei, Innenminister, Stadtverwaltung, Veranstalter, Anwälte. Ich werde von niemandem für eine bestimmte Meinung in dieser Sache bezahlt und stehe auch nicht beruflich/fachlich auf irgendeiner Seite. Ich habe aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich in der Sache eine strafrechtliche Aufarbeitung für notwendig halte, wobei es mir im Übrigen nicht um eine (hohe) Bestrafung bestimmter Personen geht.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrter Herr  Oehlmann,

Sie schreiben:

Auf Seite 42 des Beschlusses führt das LG aus, dass die Verengung der Rampe auf 10,59m irrelevant sei, da die Polizeitkette 3 ohnehin die gesamte Breite der Rampe (hier unter Zuhilfenahme der Zaundreiecke) auf dieser Höhe abgesperrt hätte. Dies ist m.E. aber spekulativ, denn die Polizei wählte diese Höhe für ihre Kette ja gerade deshalb, weil sie technisch am Leichtesten absperrbar schien. Der unter Crowd-Management-Gesichtspunkten ideale Ort wäre aber das obere Ende der Rampe gewesen.

Sie hätten zu diesem Einzelpunkt nicht besser dokumentieren können, worin sich Staatsanwaltschaft einerseits und Gericht andererseits irren: In diesem Punkt lässt sich Planung bzw. Gestaltung des Zugangs und späterer Polizeieinsatz gar nicht so trennen, dass das eine verursachend, das andere aber nciht verursachend sei. Ganz genau so ist es: Irgendwer ist verantwortlich für die Verengung der Rampe und irgendwer ist verantwortlich für die Polizeikette 3 an dieser Stelle. Aber die Polizeikette 3 wurde eben nicht zufällig oder aus reiner Polizeiwillkür an dieser Stelle errichtet. Und deshalb ist auch die Verengung durch die Zaundreiecke eine Ursache für die Katastrophe. Ich bin ziemlich sicher, dass es noch andere Punkte gibt, an denen sich zeigen lässt, dass sich das Ineinandergreifen verschiedener Akteure und ihrer (möglciherweise fahrlässigen) Handlungen nicht auseinanderreißen lässt, um die eine oder andere Seite zu entlasten.

Meine Frage: Wenn Experten und Laien (in Foren, Blogs) gleichermaßen zu dem Ergebnis kommen, dass ein Planungsfehler so offensichtlich und fundamental ist, handelt es sich an dieser Stelle überhaupt noch um eine gutachtliche Stellungnahme? Oder handelt es sich um "stating the obvious".

Anderes Beispiel dazu: Ein Gebäude kollabiert und der mit einem Gutachten betraute Statiker stellt fest, dass der für die Gebäudeerrichtung verantwortliche Bauingenieur bei seinen Berechnungen zur Statik zwei Gebäude verwechselt hat. Jeder Laie würde dies bei Einsichtnahme in die Planungsunterlagen erkennen. Wieder die Frage: Handelt es sich dann überhaupt noch um ein Gutachten oder ist es nur der Gutachter, der einen für Jedermann erkennbaren Fehler gefunden hat.

Bejahte man die Offensichtlichkeit, wären persönliche Ausschlussgründe des Gutachters (z.B. hinsichtlich der Unabhängigkeit) m.E. unbeachtlich. Man würde zwar die konkreten Feststellungen des Gutachters verwerfen, aber die für Jedermann offensichtlichen Erkenntnisse verwerten können.

Ja, für offensichtliche Rechenfehler oder Verwechslungen benötigt man keinen Gutachter, wenn die Sachkunde des Gerichts genügt, den "Fehler" als solchen zu erkennen. Will man Beweis für den "Fehler" erheben, müsste man das den Fehler enthaltende Dokument selbst (nicht das SV-Gutachten) im Urkundenbeweis in den Prozess einführen. Das gilt aber nicht für etwa die Feststellung, wie viele Personen mit einem bestimmten Tempo den Tunnel maximal durchqueren können, denn das ist keine Tatsache, die man ohne Sachkunde erkennen könnte.

In einem schematischen Beispiel hat ein Veranstalter einen Sternmarsch einer Menschenmenge durch 5 Korridore ohne Ausweichflächen auf einen geschlossenen Platz organisiert; die zuständigen Stellen haben die Veranstaltung genehmigt. Sowohl der zentrale Platz, die 5 Korridore als auch der Zutrittsbereich zu den Korridoren ist in erheblichem Maße für die erwartete sowie die tatsächliche Teilnehmerzahl unterdimensioniert. Durch Verzögerungen im Ablauf bleibt der Korridor 5 zunächst leer. Aus dem bereits überfüllten Platz strömen Menschen in den freien Korridor.

(1) Die Ordnungskräfte können nun den Zugang zum Korridor 5 von Außen weiter absperren, es kommt zur crowd turbulence im Wartebereich.

(2) Der Zugang zu Korridor 5 wird geöffnet, die Massen treffen im Korridor 5 frontal aufeinander

(3) Der Korridor 5 wird zum Platz hin geräumt. Crowd turbulence entsteht auf dem Platz und den Einmündungen aus den anderen Korridoren.

Das konkrete Schadensereignis und dessen Ort wird maßgeblich von den Ordnungskräften bestimmt. Ohne den zugrundeliegenden Planungsfehler würde der Erfolg aber gar nicht eintreten.

Wäre in diesem Fall die Planung kausal für den Schaden?

Ja, kausal wäre es in jedem Falle. Auch die Zurechenbarkeit wäre in ihrem Beispiel wohl unproblematisch, wenn die crowd turbulence an allen Stellen gleich gefährlich wäre. Das Beispiel trifft aber nur unzureichned die LoPa 2010, denn dort haben - etwas verkürzt ausgedrückt - Ordnungskräfte (Polizei) dafür gesorgt, dass sich die Menschen an einem Ort drängelten, der lebensgefährlich war und nicht an einem Ort, an dem es voraussichtlich glimpflicher ausgegangen wäre. Es kommt daher darauf an, ob auch der Fehler der Polizei noch den Planern / Genehmigern zugerechnet werden kann bzw. ob die Polizei durch ihr Verhalten die Zurechnung unterbrochen hat.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrte Herren,

eigentlich habe ich gar keine Zeit mehr, um hier mit zu diskutieren, aber einige Fragen will ich nicht ungeklärt lassen.

 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Müller,

leider haben Sie meine Äusserungen wiederum falsch verstanden, die Notausgänge befanden sich am oberen Teil der Rampe.
Die Rampe war zwar  Zu - und Abgang, aber es gab zusätzlich eben die, dem Anschein nach von der Polizei gesperrte, Ausgangsrampe.

Die Rampe selbst war sicherlich kein Notausgang, noch kann sie ein Rettungsweg gewesen sein.
Sie war der Zu - und Abgang und dafür gibt es baurechtlich eben keine gesetzlichen Vorgaben.
Man geht in der praktischen Umsetzung davon aus, dass Zugänge und Ausgänge zweckdienlich ausgestaltet sein müssen.
Dass die Einsatzfahrzeuge dort auf dem begehbaren Bereich des Zugangs abgestellt worden sind, ist sicherlich ein eigenmächtiges Vorgehen der Polizei.
Sie haben recht, dagegen ist ein Veranstalter machtlos, Einsatzvorgaben der Polizei sind in jeden Fall umzusetzen, die Polizei diskutiert mit niemanden.

Hoch interessant sind in diesem Fall die Vorgänge der letzten Tage am Duisburger Fußballstadion.
Falls die Presse hier sachlich richtig berichtigt.

Und, Nein, es ist nicht geklärt worden, dass die wirklichen Notausgänge zugestellt waren.
Leider ist das Internet doch vergesslich, die Links zu den entsprechenden Luftbildern sind leider nicht mehr aktiv.
Ich sehe nach, ob ich die Bilder in meinem Datenmüll noch irgendwo finden kann.
Dann würde ich mir erlauben Ihnen die betreffenden Photos als Email zu schicken.
Dass Sie noch nie davon gehört haben, kann ja auch bedeuten, dass Sie die Vorgänge nicht mit dem Blick einer „Fachfrau" betrachtet haben, sondern als Jurist.

Das Entfluchtungsgutachten untersucht nach meiner Erinnerung weder den Zulauf noch die Zirkulation von Besuchern, sondern weist lediglich nach, dass
eine Personenmenge bis zu 250tsd Personen das Gelände innerhalb einer simulierten Zeit verlassen können.
Nicht mehr aber eben auch nicht weniger.

Eben falls zur Wiederholung: Wenn im Verlauf einer beliebigen Veranstaltung ein Polizeieinsatz angeordnet wird, muss das Veranstalterpersonal sich zurückziehen, weil es im dem Moment keine „hoheitliche" Aufgaben mehr wahrnehmen darf.

Das angebliche Hilfeersuchen des Veranstalters ist am 28.07.2010 vom Innenminister und seinem Polizeiinspekteur verbreitet worden.
Ausser dieser Quelle ist mir persönlich dafür kein weiterer Hinweis bekannt.
Wenn Sie einen Hinweis für einen Hilferuf des Veranstalters an die Polizeiführung haben, bitte, wo könnte ich das nachlesen?
Aus meinen praktischen Erfahrungen der letzten Jahre halte ich diesen Vorgang für absolut unglaubwürdig.

Mein Zweifel an den bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft lassen sich kurz zusammenfassen:
Gutachter und Staatsanwaltschaft weigern sich aus mir unerfindlichen Gründen den Polizeieinsatz als Ganzes zu untersuchen und zu bewerten.
Ich frage mich lediglich WARUM?

Ich kann übrigens  nicht Zeugin sein, weil ich im Sommer 2010 nicht in Deutschland war.

Aber soweit ich mich erinnere, sind die betreffenden Tontechniker vernommen worden und haben meines Erachtens  unter anderem ausgesagt, dass sie einen Polizeibeamten in die Bedienung der Anlage eingewiesen hätten.
Sollten Sie Einblick in die Ermittlungsakten haben, müssten Sie diese Aussagen wohl finden können.

Die Ordner betreffend bitte ich Sie einmal zu untersuchen, welche Vertragsverhältnisse in der Veranstaltungsbranche bestehen.
Die Sicherheitsunternehmen haben in der Regel keine „Arbeitnehmerüberlassung“ es handelt sich bei der Auftragsübernahme um Werkverträge.
Ein Veranstalter beauftragt die Serviceleistung Sicherheit in einem definierten Bereich und Umfang.
Der Veranstalter ist den Ordnern gegenüber nicht weisungsbefugt, sondern hat die von den Unternehmen gestellten Einsatzleiter als Ansprechpartner.
Diese setzen die gestellten Aufgaben nach eigenem Ermessen mit ihren Kräften um.
Von daher ist ein Veranstalter auch nicht verantwortlich, welche Qualifikation die Ordner haben und mit welcher Kräfteanzahl ein Unternehmen seine Aufgaben abwickelt.
Es wird in der Regel Kräfteeinsatz mit Zulassung nach §34 Gewerbeordnung beauftragt.
Ob die Ordner dies vorweisen können, kann ein Veranstalter nicht kontrollieren.
Von daher ist vorstellbar, dass der Veranstalter eine Systematik aufgesetzt und eine Anzahl Ordner vorgeplant hat, bei der Umsetzung die beauftragten Unternehmen mit einer anderen Kräftedisposition die Aufgaben abgewickelt haben.
Das bedeutet aber,  wenn die beauftragten Unternehmen zu wenig Einsatzkräfte stellen, ihre Aufgaben deshalb nicht erfüllen können,  sie ihren Werkvertrag nicht erfüllt hätten und  auch nicht bezahlt werden müssten.
Das hätte man sicher in der Presse lesen können. Super Schlagzeile: Schaller bezahlt nach Todesparade Sicherheitsunternehmen nicht.

Ich unterstelle, dass die Staatsanwaltschaft genau diese Art der Vertragssituation herausgefunden hat und deshalb den von Ihnen angeführten Vorwurf nicht als relevant ansieht.

@Herrn Oehlmann

Bester Herr Öhlmann, ich sprach von 1990 bis 1999, wenn Sie aufmerksam lesen würden.
2001 habe ich bereits nicht mehr in Deutschland gearbeitet.
Aber wenn Sie richtig gelesen hätten, war es der BGS und nicht die Bundespolizei die 2001 eingesetzt wurde.
Seit 1999 ist der Bereich der Loveparade in Berlin fast vollständig eingezäunt worden.
 Von daher verstehe ich Ihren Einwand nicht wirklich.

@Herrn Eßer

Sehr geehrter Herr Eßer,
das haben Sie falsch verstanden, bzw. ich habe mich missverständlich ausgedrückt.
Mit „nicht genehmigt“ war meinerseits gemeint, dass es für diese Aufbauten keine genehmigende Stelle im deutschen Behörden Dschungel gibt.
So ist  in Berlin ist z.b das Tiefbau Amt Mitte für den 17 Juni und das Brandenburger Tor zuständig .
Bauamtliche Abnahmen gibt es nur für die dort aufgestellten fliegenden Bauten.

Ich habe einige ältere Zeitungsartikel gefunden, die Sie vielleicht aufschlussreich finden werden.

http://www.taz.de/!5051770/

und

http://www.taz.de/1/archiv/?dig=/2013/12/31/a0105

Es ist ein völlig normales Vorgehen,  sogenannte „Polizeisprecher“  einzusetzen.
Bei einer Großveranstaltung wie einer LP hätten besucherbeeinflussende Durchsagen
möglicherweise Einfluß auf die angrenzenden Bereiche der Stadt.
Von daher ist es einsichtig, dass die Besatzung der Durchsageanlage durch die Polizei besetzt wird.
Die Polizei hat üblicher Weise dafür ausgebildeter Beamte, eben die erwähnten Polizeisprecher.

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Sehr geehrte Fachfrau,
argumentieren wir kleinräumig weiter

Fachfrau schrieb:

Dass die Einsatzfahrzeuge dort auf dem begehbaren Bereich des Zugangs abgestellt worden sind, ist sicherlich ein eigenmächtiges Vorgehen der Polizei.
Sie haben recht, dagegen ist ein Veranstalter machtlos, Einsatzvorgaben der Polizei sind in jeden Fall umzusetzen, die Polizei diskutiert mit niemanden.

Dafür dass sie wenige Dokumente gelesen haben, ist Ihr "sicherlich" zu schnell.

Professor Müller hat ausgeführt, warum die Polizeifahrzeuge da stehen. Da man sonst glaubte, eine anikartiges Flüchten bei Unwetter runter in die Tunnel mit reinen Menschenketten oben an der Floatstrecke nicht verhindern zu können. Die rechts geparkten Fahrzeuge sollten so auf die Rampe gezogen werden, dass feste Sperren mit den Fahrzeugen einen geringeren Ordner und Polizeieinsatz ermöglichten. Anders kann man auch nicht erklären dass schon an den Vortagen die Parknische für die Polizeifahrzeuge zur Rampe mit Heraszäunen abgetrennt wurde.

Fachfrau schrieb:
Wenn im Verlauf einer beliebigen Veranstaltung ein Polizeieinsatz angeordnet wird, muss das Veranstalterpersonal sich zurückziehen, weil es im dem Moment keine „hoheitliche" Aufgaben mehr wahrnehmen darf.

Das war bei der Loveparade 2010 erst nach 17:00 der Fall. In den hier beschriebenen Zusammenhängen geht es um Unterstützung durch die Polizei eben weil die erforderlichen Ordner nicht da waren.

Fachfrau schrieb:
Das angebliche Hilfeersuchen des Veranstalters ist am 28.07.2010 vom Innenminister und seinem Polizeiinspekteur verbreitet worden.
Ausser dieser Quelle ist mir persönlich dafür kein weiterer Hinweis bekannt.

Der für den Einsatzbereich zuständige Sicherheitsleiter hat im Gegensatz zu den meisten anderen Lopaventmitarbeitern hat ausführlich ausgesagt. Ebenso der von ihm herbeigeeilte Polizeiabschnittsleiter "Schutz der Veranstaltung". Die beiden haben einen Dissens über die Platzierung der Polizeiketten. Sonst stimmen die Aussagen weitgehend überein. An einer "Bitte um Unterstützung durch die Polizei seitens des Veranstalters kann man eigentlich nicht zweifeln. 

Fachfrau schrieb:
Wenn Sie einen Hinweis für einen Hilferuf des Veranstalters an die Polizeiführung haben, bitte, wo könnte ich das nachlesen?
Aus meinen praktischen Erfahrungen der letzten Jahre halte ich diesen Vorgang für absolut unglaubwürdig.

z.B. schon heire im ersten Interview des "Crowd Managers, als er noch gegenüber der Polizei die Aussage verweigert:
"Walter: Schon Stunden zuvor war eine Kommunikation über Handy wegen Netzüberlastung kaum mehr möglich. Und es wurde immer voller. Wir mussten nun handeln. Ich brauchte, den Absprachen gemäß, nun die Unterstützung der Polizei. Ich brauchte den zuständigen Polizeiführer, und zwar ganz schnell.(...)
Der Zulauf hatte sich enorm verstärkt. Oben, am Ende der Hauptrampe, stauten sich die Leute und kamen nicht mehr aufs Gelände. Ich habe die Ordner draußen an den Tunneleingängen gebeten, so viele Schleusen wie möglich zu schließen. Als der Polizeiführer in meinem Container war, habe ich ihm Maßnahmen vorgeschlagen - unter anderem sollte die kleine westliche Rampe freigegeben werden, die eigentlich als Ausgang gedacht war. So sollte ein zusätzlicher Eingang geschaffen werden. Gleichzeitig sollten die Beamten helfen, die Einlassschleusen vor den Tunneleingängen Ost und West zu sichern."

http://www.spiegel.de/spiegel/a-710875-2.html

Oder auch hier:
"Spätestens ab 15.30 Uhr bittet Crowd-Manager Walter die Polizei um Hilfe. Mit dem Abschnittsführer der Polizei an der Rampe entscheidet er, die beiden Eingänge zu schließen, den im Westen und den im Osten, mit Sicherheitskräften des Veranstalters. So soll die Rampe entlastet werden."
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79652688.html

Fachfrau schrieb:
Aber soweit ich mich erinnere, sind die betreffenden Tontechniker vernommen worden und haben meines Erachtens  unter anderem ausgesagt, dass sie einen Polizeibeamten in die Bedienung der Anlage eingewiesen hätten. Sollten Sie Einblick in die Ermittlungsakten haben, müssten Sie diese Aussagen wohl finden können.

Escgab keine ELA Anlage. Die Sprecher der Polizei, die frür deren Bedienung eingestzt waren, gingen wieder. Da hätte die Einsatzleitung der Polizei die Veranstraltung absagen sollen. Wie gesagt: ein Bundesligaspiel in einem Stadion mit defekter Lautsprecheranlage fände mit einiger Sicherheit nicht statt.

Nochmal zurück zu meinem prozessualen Vorschlag eines Ermittlungs-Erzwingungsverfahrens: Der Erfolg steht und fällt damit, ob das OLG bereit sein wird, richterliche Hinweise gem. § 86 III VwGO analog zu erteilen oder nicht. Können wir uns darauf verständigen, dass solche richterlichen Hinweise schlicht und ergreifend der prozessualen Fairness geschuldet sind? Gut. Dann lautet mein Kalkül: Das OLG kann es sich - zumindest in dem vorliegenden Fall - "politisch" gar nicht leisten, richterliche Hinweise gem. § 86 III VwGO analog zu versagen: Das würde derart eklatant gegen den Anspruch der Eltern der Getöteten auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) verstoßen, das würde den Justizskandal vollends komplettieren.    

Offenbar haben Sie meinen Aufsatz gelesen. denn Sie verwenden das Wort "Zeitenwende".  Das "Legalitätsprinzip", das Sie ansprechen, bestand - bis zur Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 -  in der Tat nur in einer Verpflichtung des Staates, ohne dass dem ein vollwertiger Rechtsanspruch des Bürgers gegenübergestanden wäre. Das Neue an der Tennessee Eisenberg-Entscheidung ist nun, dass seither dem Verletzten ein vollwertiges subjektiv-öffentliches Recht auf effektive Strafverfolgung des Beschuldigten zusteht. Und diesen vollwertigen Rechtsanspruch kann der Verletzte in vollwertige Verfahrensrechte im Rahmen der Verfahren nach den §§ 172 ff StPO ummünzen. Darin eben besteht - wie in meinem Aufsatz näher dargelegt - die Zeitenwende für die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO.   

Und nochmal zurück zu dem Thema Anfangsverdacht gegen Sauerland und Schaller: Mir fallen zwei Stichworte ein:

1.) Organisationsverschulden und

2.) Einheit der Rechtsordnung

Es leuchtet mir immer noch nicht 100%ig ein, wieso in diesem Fall im Strafrecht völlig andere Wertungen - es geht nämlich letzten Endes um Wertungen - gelten sollen als im Zivilrecht oder im öffentlichen Recht. Sowohl zivilrechtlich als auch öffentlich-rechtlich wird wohl jeder sofort in Hinblick auf Sauerland und Schaller auf den Begriff "Organisationsverschulden" kommen. Und an dieser Stelle kommt das Stichwort "Einheit der Rechtsordnung" ins Spiel: Welchen Inhalt, welches Anwendungsgebiet soll denn der Begriff "Einheit der Rechtsordnung" überhaupt noch haben, wenn nicht hier?

Ich bin immer noch der Überzeugung, dass jedenfalls ein Anfangsverdacht gegen Sauerland und Schaller vorlag. Daraus folgt, dass die StA verpflichtet war, "vorsichtshalber" die Verjährung zu unterbrechen. Das scheint sie aber nicht getan zu haben.       

 

RA Würdinger schrieb:

Und nochmal zurück zu dem Thema Anfangsverdacht gegen Sauerland und Schaller: Mir fallen zwei Stichworte ein:

1.) Organisationsverschulden und

2.) Einheit der Rechtsordnung

Es leuchtet mir immer noch nicht 100%ig ein, wieso in diesem Fall im Strafrecht völlig andere Wertungen - es geht nämlich letzten Endes um Wertungen - gelten sollen als im Zivilrecht oder im öffentlichen Recht. Sowohl zivilrechtlich als auch öffentlich-rechtlich wird wohl jeder sofort in Hinblick auf Sauerland und Schaller auf den Begriff "Organisationsverschulden" kommen. Und an dieser Stelle kommt das Stichwort "Einheit der Rechtsordnung" ins Spiel: Welchen Inhalt, welches Anwendungsgebiet soll denn der Begriff "Einheit der Rechtsordnung" überhaupt noch haben, wenn nicht hier?

Ich bin immer noch der Überzeugung, dass jedenfalls ein Anfangsverdacht gegen Sauerland und Schaller vorlag. Daraus folgt, dass die StA verpflichtet war, "vorsichtshalber" die Verjährung zu unterbrechen. Das scheint sie aber nicht getan zu haben.   


Juristisch kann ich dazu nichts sagen. 
Aber wenn schon Organisationsverschulden, dann gilt das genauso für die Polizeiführung und die Feuerwehr.

Zu Schaller und Sauerland:
zur Kommunikation zwischen seinem Duisburger Team und der Zentrale der Lopavent und Schaller  ist durch die breite Aussageverweigerung der Lopavent nur wenig bekannt. Praktisch war es sogar oft so, dass die Kommunikation mit der Stadt Duisburg über die Kanzlei "Härting Rechtsanwälte" abgewickelt wurde. Das erschwert es zusätzlich einzelne Taten verantwortlichen Personen zuzuordnen.

Sauerland war weit von Planung und Ausführung entfernt. Er steuerte über den früheren Duisburger Ordnungsdezernenten Raabe, der ja vom Eröffnungsbeschluss bis zur Anklageerhebung zum Kreis der Beschuldigten gehörte. Das Genehmigungsverfahren lag nun mal bei der Bauverwaltung. Die ist vom Dezernent über die Bauamtsleiterin bis zum Sachbearbeiter von der Staatsanwaltschaft angeklagt worden.
Wenn Sauerland versucht hätte Entscheidungen der Bauverwaltung zu drehen oder zu verändern, könnte man das anders sehen. Das war aber nicht nötig. Dort herrschte nie der ernsthafte Wille, die Loveparade nicht zu genehmigen. 
Kein Beteiligter macht es sich zur Aufgabe aus seinen Bedenken einen Grund zur persönlichen Intervention zur Verhinderung der Lopa 2010 zu machen. Das unterscheidet Duisburg von Bochum ein Jahr zuvor. Das ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die Katastrophe in Duisburg ihren Lauf nimmt.

Wie die Frage von "OStA 50" zeigt, scheint die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 immer noch auf grundlegende Verständnisschwierigkeiten hinsichtlich ihrer Bedeutung und hinsichtlich ihrer Tragweite zu stoßen. Das Verständnis der Entscheidung ist aber für das Verständnis der sich bietenden prozessualen Optionen eminent wichtig. Versteht man die Entscheidung nicht, versteht man auch nicht, welche prozesualen Möglichkeiten die "Verletzten" i.S.d. §§ 172 ff StPO nunmehr haben. Deswegen noch einmal der Link auf die Entscheidung:    http://www.bverfg.de/e/rk20140626_2bvr269910.html 

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