Nichtteilnahme der Schwerbehindertenvertretung am Vorstellungsgespräch indiziert nicht die Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 05.04.2016

Nimmt die Schwerbehindertenvertretung trotz rechtzeitiger Einladung zu den Vorstellungsgesprächen an diesen nicht teil, indiziert dies i.S. von § 22 AGG nicht die Benachteiligung eines schwerbehinderten Menschen, der zwar eingeladen wurde, die Stelle aber nicht bekommen hat. Das hat das LAG Hamm entschieden.

Die Klägerin war aufgrund mehrerer befristeter Verträge bei der beklagten Universität beschäftigt. Aufgrund einer Umstrukturierung innerhalb der Fakultät fiel ihre alte Stelle weg, die Befristung lief aus. Sie bewarb sich auf eine andere an der Universität ausgeschriebene Stelle und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch. Die beklagte Universität lud die Klägerin zum Vorstellungsgespräch ein. Die rechtzeitig ebenfalls eingeladene Schwerbehindertenvertretung machte von ihrem Teilnahmerecht keinen Gebrauch. Die Universität entschied sich für einen anderen Bewerber und sagte der Klägerin ab.

Diese fühlte sich wegen ihrer Behinderung benachteiligt (§§ 1, 7 AGG) und klagte auf Entschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG). Ein ausreichendes Indiz für ihre Benachteiligung wollte sie darin erblicken, dass die Schwerbehindertenvertretung an dem Vorstellungsgespräch nicht teilgenommen hat. Dem folgte das LAG Hamm – wie schon zuvor das Arbeitsgericht – nicht:

Die vorliegende Nichtteilnahme der Schwerbehindertenvertretung an dem Bewerbungsgespräch vom 27.05.2014 stellt kein im Rahmen des § 22 AGG zu berücksichtigendes Indiz für ein diskriminierendes Verhalten der Beklagten dar. Unstreitig hatte die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung über den Termin des Vorstellungsgesprächs rechtzeitig in Kenntnis gesetzt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin selbst hat insoweit im Sitzungstermin der Berufungsverhandlung eingeräumt, dass die Schwerbehindertenvertretung über den Termin des Vorstellungsgesprächs informiert war. Die Beklagte war darüber hinaus nicht gehalten sicher zu stellen, dass die Schwerbehindertenvertretung von ihrem Teilnahmerecht gemäß § 95 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 81 Abs. 1 SGB IX tatsächlich Gebrauch macht. Die Schwerbehindertenvertretung entscheidet vielmehr autonom, ob und auf welche Art und Weise sie sich in das Bewerbungsverfahren einschaltet. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hat die Beklagte eben nicht eine Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung an Vorstellungsgesprächen zu erwirken. Die insoweit gegebene Eigenständigkeit der Schwerbehindertenvertretung erschließt sich zudem aus § 89 SGB IX, der die enge Zusammenarbeit und Unterstützung der dort genannten Personen und Vertretungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben bezweckt.

LAG Hamm, Urt. vom 26.11.2015 – 15 Sa 803/15, BeckRS 2016, 67324

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