Tayyip Erdogan versus Jan Böhmermann wegen Beleidigung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 11.04.2016

In den nächsten Tagen will die Bundesregierung „sorgfältig und so zügig wie möglich“ das Verlangen der türkischen Regierung vom vergangenen Wochenende nach einer Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann prüfen. Gegen ihn waren bereits in der vergangenen Woche mehrere Strafanzeigen nach § 103 StGB „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ bei der Staatsanwaltschaft Mainz eingegangen. Das ZDF hat die ZDFneo-Sendung mit dem als „Schmähkritik“ annoncierten Spottgedicht Böhmermanns zwischenzeitlich aus der Mediathek entfernt.

Man darf gespannt sein, wie die Bundesregierung, die sich in einer Zwickmühle befindet, entscheidet. Darüber wurde gestern Abend intensiv bei Anne Will diskutiert.

Das Spottgedicht isoliert betrachtet, erfüllt in meinen Augen den Tatbestand der Beleidigung. Allerdings stellte Böhmermann das Gedicht in den Zusammenhang von Satire einerseits und strafbarer Schmähkritik andererseits. Nach seinen Worten wollte er gerade belegen, was in Deutschland strafbare Schmähkritik wäre. Was da in der Gesamtschau noch straflose Satire oder schon strafbare Schmähkritik war, ist alles andere als einfach zu beantworten. Der subjektive Tatbestand des § 103 StGB erfordert jedenfalls ein zumindest bedingt vorsätzliches Handeln.

Ich vermute, dass die Bundesregierung – schon um den schwarzen Peter auf die Strafverfolgungsorgane weiterzuschieben– dem Verlangen der türkischen Regierung nachgeben und nach § 104a StGB die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen wird. Dann muss sich die Staatsanwaltschaft Mainz endgültig mit der im vorliegenden Fall rechtlich schwierigen Grenzziehung zur Strafbarkeit bei Satire befassen.

Zum aktuellen Stand hier.

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342 Kommentare

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Ich meine im Zweifel für die Meinungsfreiheit. Zwar war es m.E. richtig, dass das Gedicht nicht weiter verbreitet wird - es schlägt einfach zu sehr über die Stränge. Aber im Kern und unter Berücksichtigung des Kontexts kann man dem Gedicht trotz des niveaulosen Inhalts einen Bezug zu aktueller Politik und Diskussion nicht absprechen. Das sollte unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit nicht mit Strafe belegt werden.

 

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Außerdem müsste auch die Art und Weise des Vortrages mehr berücksichtigt werden, da bei mir eher der Eindruck schellmischer statt böswillig vereltzender Motivation entstand. Das sind wirklich interessante Abwägungsfragen, bei denen ich mich frage, warum sie von Erdogan nicht in einem einstweiligen Verfügungsverfahren einem deutschen Gericht vorgelegt werden. Würde ich Ihn vertreten, würde ich eine EV vor dem LG Hamburg beantragen, die verstehen nach meiner Erfahrung weniger Spaß als etwa ihre münchner Kollegen

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Gast schrieb:

Das sind wirklich interessante Abwägungsfragen, bei denen ich mich frage, warum sie von Erdogan nicht in einem einstweiligen Verfügungsverfahren einem deutschen Gericht vorgelegt werden.

Vermutlich ist in der Türkei unbekannt, dass auf Beleidigung auch etwas anderes als Gefängnis stehen kann.

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Mir persönlich bereitet Böhnermanns Einalssung, er wolle zeigen, was strafbare Schmähkritik ist, insoweit Mühe als das ich nicht verstehe, wie sich daraus eine strafbefreiende Wirkung entfalten sollte.

 

Umgekehrt wird doch m.E. ein Schuh daraus: Wer seinen Vorsatz noch herausstreicht, kann doch nicht hoffen, aufgrund dessen dem Richter durch die Finger zu gleiten.

 

@ Max Mustermann

Vorsatz kann der Mann so viel haben wie er möchte, wenn die Geschichte von der Meinungsfreiheit bzw. Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) gedeckt ist.

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So schwarz ist der Peter gar nicht. Ich meine, dass man einen Anfangsverdacht im Sinne der Norm ohne Weiteres bejahen kann. Politische Gründe dürften einer Strafverfolgung eher nicht entgegenstehen. Soll die Bundesregierung doch ihre Ermächtigung geben. So bietet sie Erdogan nicht unnötig die Stirn und lässt dem regulären Ermittlungsverfahren seinen Gang. Am Schönsten, weil mit größtmöglicher Schmach für Erdogan verbunden, wäre doch wohl ohnehin eine Anklageerhebung und ein anschließender Freispruch...

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BV schrieb:

Am Schönsten, weil mit größtmöglicher Schmach für Erdogan verbunden, wäre doch wohl ohnehin eine Anklageerhebung und ein anschließender Freispruch...

Bis dahin hat sich in der Türkei doch längst der Eindruck verfestigt, dass Deutschland doch auch Journalisten mit drei Jahren Haft verfolgt. Das "bis zu" wird dabei genauso unter den Tisch fallen wie der Freispruch, wenn er dann frühestens nach Monaten, eher Jahren, kommt. Das kommt Erdogan doch viel mehr gelegen als alles andere. Deshalb wäre das "non" der Bundeskanzlerin (bzw. -regierung) zu § 104a StGB die einzig klare Ansage in Richtung Türkei.

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Erdoğan stellt Strafantrag gegen Böhmermann

Jan Böhmermann hat sich mit seinem Schmähgedicht doppelten Ärger eingehandelt. Der türkische Präsident Erdoğan hat zusätzlich zum Strafverlangen der türkischen Regierung einen persönlichen Strafantrag gegen Böhmermann wegen Beleidigung gestellt.

 

http://www.migazin.de/2016/04/11/erdogan-stellt-strafantrag-gegen-boehme...

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" Wenn ich ihnen sagen würde, dass sie ein ***** sind, der ******* und

******* ( Unbeschreibliches ), dann würde ich mich einer Beleidigung schuldig machen …" = Beleidigung ?

 

 Oder, wenn im Staatsfernsehen begangen, sogar Kunst ?  Oder einfach nur ein gelungener Werbegag ?  Oder ein Fall für die Bundesprüfstelle ? 

 

Sind wir auf dem Weg zu einer Staatskrise ?  Immerhin geht es, wenn überhaupt um etwas, nur um einen Geldbußen - Fall.

 

 

 

 

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Ich habe die Sendung nicht gesehen. Aber wenn Böhmermann Erdogan wirklich als Zi****fi**** bezeichnet hat, dann hat er eine Strafe verdient. Über deutsches Politikpersonal hätte er das auch nicht zu sagen gewagt. Das, was hier in Deutschland unter Satire läuft, ist - mit ganz wenigen Ausnahmen - ohnehin ohne jegliches Niveau und lebt nur von Haudrauf. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

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# 11: wenn man spaßeshalber einmal Merkel Hitler googelt, dann kommt doch wirklich Erstaunliches zutage. Die europäische Medienlandschaft ist mittlerweile mit Merkel-Hitler-Vergleichen reichlich gesegnet. Auch wurde der eine oder andere Politiker schon als Hund dargestellt, an der Leine der Merkel hängend.

 

 Bisher ist von einer einzigen Verurteilung nichts bekannt.

 

 Der Act, der sich im Einflussbereich eines eher christlich-konservativen Senders abgespielt hat , ist vermutlich das Werk eines Verschwörers, der verhindern möchte, dass die Türkei in die EU eintritt.

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Hätte Böhmermann das Gleiche mit Obama oder mit Netanjahu gemacht, dann würde man ihn verurteilen.

Da die Boulevardmedien den Mainstream aber gegen Erdogan (und ähnlich auch gegen Putin) lenken, will man Böhmermann lieber als Held feiern.

Double-Standards zerstören das Vertrauen in Rechtsstaat, Recht und Gerechtigkeit.

Das Recht muß einheitlich und gleichmäßig angewandt werden.

Nicht bloß wegen Artikel 3 GG.

Die Scheinheiligkeit und die Heuchelei und die Willkür und die Double-Standards der Boulevardmedien (welche die Politik beeinflussen uns unser Land mehr und mehr zu einer "gelenkten Demokratie" machen) dürfen sich nicht in der Justiz etablieren.

Die Justiz muß unabhängig und souverän genung sein, sich dem Boulevardmedien gesteuerten Mainstream zu entziehen.

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Merkel, Obama etc werden täglich durch den Kakao gezogen und auch beleidigt. Ein souveräner Regierungschef/Präsident nimmt das gar nicht zur Kenntnis. Wenn man aber klagen möchte, gibt es den Paragraphen 185. Das ist Sache des Zivilrechts und der Richter. Paragraph 102 des StGG und eine Einmischung der Politik braucht kein Mensch. Das Recht für Alle ohne "Double-Standards" sichert der Paragraph 185. Ob für Obama, Netanjahu oder Erdogan. Eine Sonderbehandlung (die nicht einheitlich und gleichmäßig für Alle gilt) stellt hingegen der Paragraph 102 StGG dar! Dieser gleicht einer Sonderbehandlung Erdogans, auch wenn er u.a.die aussenpolitischen Interessen der BRD schützen soll. 

 

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# 15:  Springer - Chef Döpfner hat sich die  Ausführungen Böhmermanns voll und ganz zu eigen gemacht... und dies auch noch in einem offenen Brief veröffentlicht . 

 

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@MT

Natürlich stelle ich die Meinungsfreiheit nicht in Abrede.

 

Es erscheint mir nur so zu sein, dass ein Skandalon dazu dienen sollte, einer Schmähkritik eine entschuldigende Metaebene zuzusprechen.

 

Diese Metaebene ist aber vom Kontext nicht abgedeckt. 

Auch wenn aufgrund der aktuellen Lebenswirklichkeit eine politische Dimension hieneiprojeziert werden kann.

 

Andererseits wurde am Anfang der Geschichte in den Medien verlautbart, dass sich das Böhnermann Gedicht aus Zitaten von Herrn Erdogan zusammengesetzt ist.

 

Wenn also dies wirklich eine Zitatsammlung von Herrn Erdogan sein sollte, würde ich darin doch eine künstlerische Leistung sehen können.

 

Wenn Herr Böhnermann nachweisen kann, dass Herr Erdogan selbst den Begriff "Z*****f*****r" gebraucht hat, möchte ich nicht Richter in der Sache sein.

astroloop schrieb:

 

Es erscheint mir nur so zu sein, dass ein Skandalon dazu dienen sollte, einer Schmähkritik eine entschuldigende Metaebene zuzusprechen.

 

 

Diese Metaebene ist aber vom Kontext nicht abgedeckt. 

Das sehe ich anders.

Quote:

Auch wenn aufgrund der aktuellen Lebenswirklichkeit eine politische Dimension hieneiprojeziert werden kann.

Die politische Ebene kann man hier nicht außer Acht lassen. Wenn Böhmermann tatsächlich an Tourette bzgl. Erdogan leiden sollte, hätte er schon viel früher mit so einer Schmähkritik um sich geschmissen - ohne den Kontext Extra 3. Es ist doch vielmehr so: Wir haben hier einen jedenfalls vordergründig überempfindlichen Staatschef, der (neben vielen anderen Dingen) den Beleidigungstatbestand in seinem Land dazu verwendet, politische und jegliche sonstige Opposition zu diskreditieren. Dazu aus SPON (meine Hervorhebung):

Quote:
Verwunderlich ist das Verhalten Erdogans in diesem Fall keineswegs. In der Türkei sind etwa 2000 Fälle wegen angeblicher Präsidentenbeleidigung anhängig. Angezeigt werden selbst Jugendliche wegen Kommentaren auf Facebook oder Twitter bis hin zum Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, der es gewagt hatte, Erdogan einen "Diktatorenverschnitt" zu nennen.

Oder die Schriftstellerin Perihan Magden, die geschrieben hatte, Erdogan benehme sich wie ein "in die Enge getriebener wilder Tiger". Oder Journalist Onur Erem, der in einem Artikel geschrieben hatte, Google schlage bei der Eingabe von "Erdogan" automatisch als Ergänzung die Wörter "Dieb" und "Mörder" vor - also das, was die Leute am häufigsten im Zusammenhang mit Erdogan suchten.

[...]

Aber gemessen an der Zahl der Verfahren wird Erdogan am meisten beleidigt: Präsidentenbeleidigung ist inzwischen der häufigste politische Straftatbestand in der Türkei.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/boehmermann-a-1086640.html

Allein die Zahlen sprechen für sich. Herr Erdogan hat offenbar kein Gefühl dafür oder will keines dafür haben, was der Unterschied zwischen harter, aber im Rahmen von politischem Diskurs gerechtfertigter Kritik und Schmähkritik ist. So einem Staatschef, der aus einem harmlosen Extra 3 Liedchen schon einen großen diplomatischen Aufguss macht, muss man einfach mal vor Augen führen, was strafbare Schmähkritik eigentlich ist bzw. bezogen auf die Türkei sein sollte. Und das ist dann in dieser Sonderkonstellation auch von der Meinungsfreiheit bzw. Kunstfreiheit gedeckt.

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Lieber Herr Kollege von Heintschel-Heinegg,

ob es sich tatsächlich um eine Beleidigung handelt oder vielleicht doch wegen des Kontexts aus verfassungsrechtlichen Gründen eine gerade noch zulässige Meinungsäußerung - das BVerfG lässt da ja relativ viel zu -  ist eine offene Frage. Herr Böhmermann ist offensichtlich das Risiko, strafrechtliche Grenzen (zumindest des § 185 StGB) austestend zu überschreiten, bewusst eingegangen, um angesichts der Auseinandersetzung mit Erdogan und extra3 eine Diskussion zu provozieren bzw. zu verschärfen. 

Der Kernpunkt der entsprechenden strafrechtlichen Bewertung wird sich also um die Frage drehen, die Herr Thiele im Verfassungsblog

http://verfassungsblog.de/erlaubte-schmaehkritik-die-verfassungsrechtlic...

aufbereitet hat. Er kommt zu folgendem Ergebnis:

Geht es also darum, die angehende Debatte zu bereichern und damit neben der deutschen Öffentlichkeit gerade dem türkischen Präsidenten aufzuzeigen, wie Meinungsfreiheit unter dem Grundgesetz interpretiert wird, liegt es geradezu nahe, diesen auch zum Gegenstand seines edukatorischen Gedichtes zu machen. Auch insoweit erweist sich das Vorgehen Böhmermanns damit als gerechtfertigt.

 

Allerdings ist dieses Ergebnis m. E. nicht eindeutig und zwingend. Gegenargumente: Das Gedicht wurde nicht nur beispielhaft angeführt, sondern in sechs Strophen länglich vorgetragen, so dass der Kontext wie ein "Trick" erscheinen musste. Zudem wurde nur das Gedicht, nicht aber der Kontext, türkisch untertitelt, so dass ein nur türkischsprachiges Publikum nur die Schmähung, nicht aber die Kontext-"Edukation" verstehen konnte. Wenn aber das Ergebnis "Straflosigkeit" nicht zwingend ist, dann ist die Bundesregierung  - entgegen Thieles Argumentation - nicht schon festgelegt, die Ermächtigung verweigern zu müssen.

Meines Erachtens sollte die Bundesregierung als erstes  - sehr schnell - die Ermächtigung erteilen, weil ein Anfangsverdacht gegeben ist und dann sollte sie sich keinesfalls mehr in die juristische Affäre einmischen, also den Staatsanwälten und ggf. Richtern die Sache zur Entscheidung überlassen. 

Als zweites sollte die Bundesregierung  zeitnah darauf hinwirken, § 103 StGB aus dem Gesetz zu streichen. Es gibt in einer Demokratie mit Meinungsfreiheit als konstituierendem Element überhaupt keinen Grund, Staatschefs anderer Nationen (einschließlich undemokratisch agierender Diktatoren) vor Beleidigungen besser zu schützen als jeden anderen Menschen. Wer sich beleidigt fühlt kann  Strafanzeige erstatten, aber § 103 StGB, das sieht man jetzt, ist geeignet, auch relativ lächerliche Fälle zu Staatsaffären hochzuspielen, eine kaum zu legitimierende Sonderstellung, die dazu geeignet ist, das Strafrecht aus politischen Provokationsgründen missbrauchsanfällig zu machen. Wenn der Gesetzgeber schnell ist, könnte Böhmermann sogar noch davon profitieren, wenn man vor dem Urteil § 103 StGB streicht (§ 2 Abs. 3 StGB). Dann wäre er - wenn überhaupt - nur wegen § 185 StGB strafbar. Am Ende hätte Böhmermann rechtspolitisch tatsächlich etwas bewegt und ginge (trotz evtl. Verurteilung wg. § 185 StGB) als Sieger vom Platz.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Meines Erachtens sollte die Bundesregierung als erstes  - sehr schnell - die Ermächtigung erteilen, weil ein Anfangsverdacht gegeben ist und dann sollte sie sich keinesfalls mehr in die juristische Affäre einmischen, also den Staatsanwäten und ggf. Richtern die Sache zur Entscheidung überlassen. 

Als zweites sollte die Bundesregierung  zeitnah darauf hinwirken, § 103 StGB aus dem Gesetz zu streichen.

Diese Logik verstehe ich nicht ganz. Wenn der § 103 StGB abgeschafft werden soll, was ich in vollem Umfang unterstütze, wäre es das falsche Signal jetzt noch die Zustimmung zur Verfolgung zu geben.

Es geht doch nichts verloren: Die Frage nach der Strafbarkeit als Beleidigung, inkl. Rechtfertigung durch Meinungsfreiheit, wird im Rahmen des § 185 StGB wegen des von Herrn Erdogan gestellten Strafantrags genauso durch die Gerichte geklärt als ginge es um § 103 StGB. Die Verschiebung des Strafrahmens würde die Situation aber schon erheblich entschärfen (es sei denn man bejaht §§ 188 iVm 186, 187 StGB). Gleichzeitig wird die ganze Sache nicht mehr als Staatsaffäre deklariert, sondern für Herrn Erdogan gelten die gleichen Regeln wie für jeden anderen. Das wäre ebenfalls ein positives Signal.

Wenn es in der Bundesregierung also tatsächlich Überlegungen geben sollte, den § 103 StGB zeitnah abzuschaffen, wäre m.E. folgerichtig die Zustimmung zur Verfolgung jetzt zu versagen.

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Nicht ausser Betracht bleiben sollte mE der Umstand, dass § 103 StGB – anders als die §§ 185 ff. StGB – nicht die „Ehre“ der individuellen Person, sondern das kollektive Rechtsgut der „Ehre ausländischer Staaten“ schützt. Dieses wird aber – anders als das Rechtsgut der §§ 185 ff. StGB – vom grundrechtlichen Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG nicht erfasst. Da Eingriffe in den Schutzbereich der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG nach der Rspr. des BVerfG nur auf Grundlage von Gesetzen gerechtfertigt sein können, die dem Schutz verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter dienen, müsste zunächst begründet werden, wieso § 103 überhaupt geeignet sein soll, die Kunstfreiheit einzuschränken. Im Münchener Kommentar zum StGB (Rn 11 zu § 103) wird diese Frage jedenfalls als „(b)islang nicht praktisch geworden und in der Sache ungeklärt“ bezeichnet.

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Als zweites sollte die Bundesregierung  zeitnah darauf hinwirken, § 103 StGB aus dem Gesetz zu streichen.

Nach Kommentarmeinung Fischers trifft §103 StGB den vorliegenden Fall tatbestandsmäßig gar nicht. Geschützt sind wohl nur Staatsoberhäupter, die sich bei der Beleidigung (ggf. in amtlicher Eigenschaft) im Bundesgebiet aufhalten. Das folgt nach Meinung Fischers (103 StGB Rdnr.1) daraus, daß die möglichen Opfer im Sinne des § 103 StGB denen des § 102 StGB entsprechen.

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Gast schrieb:

Als zweites sollte die Bundesregierung  zeitnah darauf hinwirken, § 103 StGB aus dem Gesetz zu streichen.

Nach Kommentarmeinung Fischers trifft §103 StGB den vorliegenden Fall tatbestandsmäßig gar nicht. Geschützt sind wohl nur Staatsoberhäupter, die sich bei der Beleidigung (ggf. in amtlicher Eigenschaft) im Bundesgebiet aufhalten. Das folgt nach Meinung Fischers (103 StGB Rdnr.1) daraus, daß die möglichen Opfer im Sinne des § 103 StGB denen des § 102 StGB entsprechen.

So sehr ich das positiv fände, spricht m.E. der Wortlaut des § 103 StGB dagegen. Der nimmt im Gegensatz zu § 102 StGB ausdrücklich Staatsoberhäupter vom Erfordernis des Aufenthalts in Deutschland während der Tathandlung aus. Im Gegensatz dazu gilt in § 103 StGB nur für ein Mitglied einer ausländischen Regierung das Erfordernis des Aufenthalts im Inland während der Beleidigung. Das ist schon sehr deutlich und wäre wohl nur anders zu beurteilen, wenn es sich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt.

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Sehr geehrter MT,

Sie schreiben:

Diese Logik verstehe ich nicht ganz. Wenn der § 103 StGB abgeschafft werden soll, was ich in vollem Umfang unterstütze, wäre es das falsche Signal jetzt noch die Zustimmung zur Verfolgung zu geben.

Die Logik ergibt sich aus der Gewaltenteilung: Die Bundesregierung kann § 103 StGB nicht selbst abschaffen, das ist Aufgabe des Parlaments, das vor über 60 Jahren übrigens schon einmal genau diese Frage, den möglichen "Diktatorenschutz", diskutiert hat (Stenografische Niederschriften des 23. Ausschusses, 246. Sitzung und 248. Sitzung vom 13.3.1953 bzw. 26.3.1953). Die Ermächtigung zu verweigern mit der Begründung, man halte § 103 StGB nicht mehr für zeitgemäß, hieße, das Parlament zu übergehen. Will man § 103 StGB abschaffen, kommt man am Bundestag nicht vorbei.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

@Gast,

Sie schreiben:

Nach Kommentarmeinung Fischers trifft §103 StGB den vorliegenden Fall tatbestandsmäßig gar nicht. Geschützt sind wohl nur Staatsoberhäupter, die sich bei der Beleidigung (ggf. in amtlicher Eigenschaft) im Bundesgebiet aufhalten. Das folgt nach Meinung Fischers (103 StGB Rdnr.1) daraus, daß die möglichen Opfer im Sinne des § 103 StGB denen des § 102 StGB entsprechen

Das Zitat trifft NICHT zu, Sie geben die Meinung Fischers FALSCH wieder. Fischer ist (ebenso wie andere Strafrechtskommentare, die ich hier im Zimmer habe: MüKo, Schönke/Schröder, SSW) derselben Ansicht, die auch im Gesetzestext erkennbar ist: Staatsoberhäupter werden überall geschützt, sie müssen sich nicht im Inland aufhalten. Die Inlandseinschränkung gilt nur für ausl. Regierungsmitglieder.

 

 

 

Sehr geehrter Prof. Dr. Müller,

gut, das ist ein Argument. Die Bundesregierung kann nicht den § 103 StGB über das Zustimmungserfordernis aushebeln, indem sie ganz generell jede Zustimmung verweigert.

Allerdings bleibt immer noch die Prüfungskompetenz im Einzelfall, § 104a StGB. Da müsste es doch über die reine Prüfung der Strafbarkeit an sich hinaus möglich sein, politische Aspekte in die Entscheidung mit einzubeziehen (so jedenfalls Thiele im Verfassungsblog). Sonst macht das gesonderte Zustimmungserfordernis wenig Sinn. Wenn es in der Bundesregierung wirklich konkrete Pläne zur Abschaffung des § 103 StGB geben sollte, könnte m.E. ein solcher politischer Aspekt sein nicht Herrn Böhmermann der Gefahr einer Verurteilung auszusetzen für den Fall das § 2 Abs. 3 StGB zu spät kommt. Zumindest wäre das ein Argument, mit der Zustimmung abzuwarten. Da hat die Bundesregierung aber schon signalisiert, dass eher Tage bis zu einer Entscheidung vergehen werden, nicht Wochen.

Das lässt mich vermuten, dass mit einer Abschaffung des § 103 StGB zeitnah eher nicht zu rechnen ist. Ich bin aber auch kein Insider, was das angeht.

Viele Grüße,

MT

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Auch wenn ich es persönlich sehr aufschlussreich finde, dass hier darüber diskutiert wird, ob es wirklich den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt sein könnte, so hat dieses Thema offiziell mehr mit Politik zu tun als mit Jura.

Herr Böhmermann hat noch viele Andere beleidigt, aber darüber regt sich niemand auf. Selbst der Verbrecher Putin wurde beleidigt. Aber hier ist die Welt in Ordnung. Aber bei Erdogan, der kritischen Journalismus den Mund extrem gern verbietet, sieht die Sache anders aus. Er ist ja sehr eng mit unserer Kanzlerin "verbunden". Das ist reine Politik, die schon wirklich in Richtung Dikatur geht. Rechtlich ist es mehr am Rande.

 

Aber wie gesagt, spannend, das zu diskutieren. Ich würde daher schon sagen, dass das Gedicht beleidigend ist. Es geht hier auch - würde ich sagen - um die Würde des Menschen.

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Sofern Fischer das überhaupt so sieht, steht er damit sicherlich alleine da. Das Erfordernis des Aufenthalts in Deutschland bezieht sich lediglich auf die anderen von § 103 erfassten Personen, Staatsoberhäupter (wie Erdogen) sind zeitlich und örtlich umfassend geschützt (s. nur MüKoStGB/Kreß Rn. 4, schönke/Schröde/Eser Rn. 3, BeckOK StGB/Valerius Rn. 1, NK-StGB/Wohlers/Kargl Rn. 1).

Viel interessanter zu wissen wäre es allerdings, ob die weitere Verfolgungsvoraussetzung des § 104a gegeben ist: Nämlich, dass die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war. Mit anderen Worten: Eine Beleidigung von Herrn Gauck, Frau Merkel, dem deutschen Botschafter u.a. müsste in der Türkei genauso unter Strafe stehen, wie es § 103 hier bei uns vorsieht. Nach Auffassung des Reichsgerichts (RGSt 38, 75, 89) reicht dabei eine entprechende Norm allein nicht aus, die Strafverfolgung muss auch in der Praxis gesichert sein.

Hat sich bereits jemand die Mühe gemacht, herauszufinden, ob dies in der Türkei gegeben ist?

Falls die Verbürgung nicht gegeben ist, wäre das sicherlich die amüsanteste Variante der Erledigung, die gleichzeitig den schwarzen Peter zur Türkei zurückschiebt.

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bernd.heintschel-heinegg schrieb:

 

Das Spottgedicht isoliert betrachtet, erfüllt in meinen Augen den Tatbestand der Beleidigung. Allerdings stellte Böhmermann das Gedicht in den Zusammenhang von Satire einerseits und strafbarer Schmähkritik andererseits. Nach seinen Worten wollte er gerade belegen, was in Deutschland strafbare Schmähkritik wäre.

 

Wenn es Herrn Böhmermann nur um ein Beispiel von Schmähkritik gegangen wäre, so hätte er sein Gedicht ja problemlos ohne Nennung eines Namens vortragen können. Oder es eben Herrn XY widmen. Das hätte zur Demonstration genügt. Es war nicht notwendig, den Namen Erdogan zu nennen.

So aber hat er beleidigen wollen. Und das muss bestraft werden, schon aus präventiven Gründen. Man stelle sich vor, das nächste Mal macht er ein solches Gedicht über den Propheten Mohammed. Nicht auszudenken. Am nächsten Tag wird dann der ganze öffentliche Rundfunk in die Luft gebombt.

(Was soooo schlimm nun auch nicht wäre ...)

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Den Gesetzestext kann man m. E. durchaus so verstehen, daß sich das Staatsoberhauot im Inland aufhalten muß,  vgl.:

Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt...

Daraus schließt Fischer möglicherweise zu Recht, daß sich nur der Missionsleiter nicht in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhalten muß, die anderen geschützten Personen aber schon.

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Lieber Professor Müller,

 

ich schliesse mich Ihrer Auffasung an, dass die Bundesregierung gut beraten wäre, zu einer raschen Entscheidung zu kommen und den Fall der Justiz zu überlassen. Alleine schon um die Skandalisierung eines minderaufregenden Falles einzudämmen.

 

Ich würde nach jetzigem Stand der Dinge dann einen Richtspruch bevorzugen, der Böhmermann zu einem symbolischen Betrag von bspw. 1 Euro pro Verbalinjurie verurteilt.

 

Herrn Böhmermann aber zum Anlass zu nehmen, den § 103 zu streichen, dem möchte ich nicht unbedingt folgen.

 

Der Paragraph mag zwar wirken, als wäre er aus der Zeit gefallen, dennoch können sich die Verhältnisse auch ändern. Wenn die innen- und aussenpolitischen Spannungen zu groß werden, bis hin zu einer möglichen Kriegsgefahr, könnte eine derartige Norm m.E. durchaus auch ihre Vorteile haben.

 

Denn ob die Bildzeitung sich in solchen Zeiten deeskalierend äußert, resp. die politische Stimmungsmache nicht noch anheizt, ist fraglich. Und ob es dann opportun erscheint auf den Privatklageweg zu verweisen, wage ich ebenso zu bezweifeln.

 

Und ob dann Beleidung und Volksverhetzung alle möglichen Konstellationen abdeckt, dessen bin ich mir auch nicht sicher.

 

Was ich sagen will, eine solche Norm könnte durchaus Sinn machen.

 

Mit bestem Gruß

 

 

Seit vielen Jahren hat kein Künstler mehr politisch so viel aufgewirbelt wie Böhmermann. Er hat uns allen doch sehr deutlich aufgezeigt, wie heruntergekommen unser Land unter Merkel ist. Der Pakt mit Erdogan wird Merkels politisches Ende sein.

Natürlich verdient Böhmermann dafür das Bundesverdienstkreuz. Die juristische Bewertung und ob ein Strafverfahren eingestellt wird, maximal eine Verwarnung mit Strafvorbehalt von 5 Tagessätzen erfolgt oder  Böhmermann freigesprochen wird, scheint mir eher nebensächlich zu sein.

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Der Begriff der "Ehre" ist hierzulande bis 1945 schlimm mißbraucht worden.

Seitdem nimmt hierzulande die Mehrheitsgesellschaft den Begriff "Ehre" nicht mehr wirklich ernst.

In manchen anderen Gesellschaften hat die "Ehre" aber traditionell und auch heute noch einen hohen Stellenwert.

Der Aufbau einer friedlich-harmonischen multikulturellen Gesellschaft wird uns nur gelingen, wenn wir die Werte der Anderen auch ernst nehmen und respektieren. 

Kulturchauvinismus ist wenig hilfreich.

Und was man von Leuten zu halten hat, die anderen etwas antuen, und sich anschließend mit den Worten "war doch bloß Satire" oder "war doch bloß Spaß" rechtfertigen wollen, wird jeder, der als mit dem Strafrecht befasster Jurist einige Berufserfahrung hat, einzuschätzen wissen. 

Als "Sieger" sehe ich Herrn Böhmermann nicht.

Irgendjemand scheint ein Interesse zu haben, Deutschland und die Türkei gegeneinander aufzubringen, und wer diesem Interesse (bewußt oder unbewußt) dient, ist in meinen Augen von vorneherein kein "Sieger".

Leute, die sich in den Dienst fremder Angelegenheiten stellen, sind niemals "Sieger".

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Anmerkung zu § 103 von ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam: "Beim Lesen von § 103 StGB könnte man über die Formulierung 'im Inland aufhält' stolpern und denken: Erdogan war doch gar nicht in Deutschland, die Vorschrift passt gar nicht. Sie passt aber doch. In den juristischen Kommentaren zum Strafgesetzbuch ist ausdrücklich klargestellt: Der Aufenthalt im Inland bezieht sich nur auf die zweite Alternative 'Mitglied einer ausländischen Regierung', nicht auf das zuerst genannte 'ausländische Staatsoberhaupt'."

http://www.tagesschau.de/inland/tuerkei-boehmermann-111.html

 

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Um mal einen unterdiskutierten Aspekt zu benennen: Erdogan wurde nicht privat beleidigt sondern öffentlich-rechtlich beleidigt, unter Einsatz von Steuergeldern (bzw. Beiträgen) und durch einen Staatsbediensteten.

 

Man mag im Zweifelsfall darüber diskutieren, ob das ZDF von der CDU oder der Regierung kontrolliert wird. Aktuell läuft es aufs gleiche raus. Wer nun mit der vorgeblichen Unabhängigkeit vom Staats-TV anfängt sollte sich klar machen, dass das mittlerweile nichtmal mehr im Inland ernst genommen wird. Man wird also wohl erwarten dürfen, dass die Bundesregierung für eine ausreichende Fachaufsicht sorgt. Silvester hat es ja schliesslich auch geklappt.

 

M.E. müsste und sollte eine unpolitische Justiz in diesem Fall MIND. zu einer Geldstrafe am oberen Rahmen kommen. Die Beleidigung hätte kaum schlimmer ausfallen können und der Kreis der Empfänger ist enorm gross. Wenn nicht hier, in welchem Fall gibt es denn die 3 Jahre? Wenn die AFD Merkels Konferenzkleid kritisiert?

 

In dem Fall wäre Herr Böhmermann dafür zu danken seine persönliche Freiheit riskiert zu haben, um zu zeigen, dass in Deutschland ebenfalls keine Meinungs-, Satire- oder Pressefreiheit existiert bzw. (wie auch fast überall sonst auf der Welt) unter dem Vorbehalt politischer Gefälligkeit steht. Gute Satire ist in der Regel immer auch Beleidigung. Selbst wenn es möglich wäre hier objektive unpolitische Unterscheidungskriterien zu entwickeln: man würde sie ohnehin nicht anwenden, wenn es darauf ankäme.

3

Und der § 103 sollte auf auf Beamte, Amtsträger und sonstwie öffentlich Beauftragte eingeschränkt werden. Schutzziel wäre da auch weniger die Ehre von Staaten sondern die äussere Sicherheit, genauer gesagt: verhindert werden sollten unsystematisch Unfälle in der Aussenpolitik.

 

M.E. gehört die Kompetenz zur Beleidigung ausländischer Politiker ins Auswärtige Amt. Dort kann man abschätzen welche Folgen es hat und die Beleidigung in eine integrierte Gesamtstrategie einbetten.

 

Es würde mich nicht wundern, wenn Beleidigungen dieser Art in der Vergangenheit Auslöser von Kriegen gewesen sind. Insbesondere bei Beleidigungen durch das offizielle Propagandaorgan des Staates, wie in diesem Fall.

Die Herabwürdigung des zukünftigen Gegeners in den staatlichen Medien gehört zu den typischen Vorbereitungshandlungen eines Angriffskriegs. Es ist sicher nicht zuviel verlangt hier etwas mehr Zurückhaltung oder besser gesagt Kontrolle zu fordern. Natürlich müsste man sich dann auch bei Russland und Putin etwas zurückhalten; oder ein Massenbeleidigungsgenehmigungsverfahren einrichten mit Dauerermächtigungen für Beleidigungen was bestimmte Themen und Personen betrifft, weil Einzelgenehmigung da, zumindest was das ZDF betrifft, kaum effizient genug wäre. Alternativ könnte man natürlich auch zu objektiver Berichterstattung und zivilisierter Sprache zurückfinden; nur offenbar ist das gegenwärtig politisch nicht gewollt.

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Bisher war ja der Paragraf 103 StGB nur eine Dunkelnorm, ohne jede praktische Bedeutung. Gerichtsentscheidungen gibt es kaum, und wenn, dann betreffen Sie versammlungsrechtliche Aspekte. So wurde 1981 die Entfernung eines Spruchbandes mit der Aufschrift "Mörderbande" vor der chilenischen Botschaft 1975 vom Bundesverwaltungsgericht für rechtmäßig erklärt - im Interesse ungetrübter diplomatischer Beziehungen. 2010 erkannte ausgerechnet der bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass man den Papst als Homosexuellen darstellen dürfe, niedlich geschminkt und mit den Härchen getönt.

 

Da es anscheinend womöglich noch keine einzige Verurteilung eines Täters wegen einer Tat nach Paragraf 103 StGB gibt, vermutlich weil die vermeintlich oder tatsächlich Geschädigten sich nicht im Inland aufgehalten haben, als die Tat begangen wurde, bleibt jetzt zu klären, ob eine Verteilung wegen Beleidigung erfolgen kann. Dies berührt den sensiblen Bereich der internationalen Anwendbarkeit deutschen Strafrechts. Ob nun ausgerechnet eine Beleidigung, begangen in Deutschland, zum Nachteil eines nicht anwesenden Ausländers, der nur über mehrere Geheimdienste von der Tat Kenntnis erhalten haben dürfte, überhaupt verfolgbar ist, darüber kann man sicher nachdenken. 

 

Es bleibt in jedem Fall der Eindruck eines weitgehenden Kontrollverlusts. 

 

Die ganze Show hat also mit rechtlichen Erwägungen herzlich wenig zu tun.  Womit hat sie also zu tun? 

 

 

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Arne Rathjen RA schrieb:

Dies berührt den sensiblen Bereich der internationalen Anwendbarkeit deutschen Strafrechts. Ob nun ausgerechnet eine Beleidigung, begangen in Deutschland, zum Nachteil eines nicht anwesenden Ausländers, der nur über mehrere Geheimdienste von der Tat Kenntnis erhalten haben dürfte, überhaupt verfolgbar ist, darüber kann man sicher nachdenken. 

 

Die Tat wurde von einem Deutschen in Deutschland begangen. Man mag darüber nachdenken, aber sensibel oder problematisch find ich das in dem Fall nicht.

Ehre hat in ihrer Erscheinungsform als Ansehen auch einen kollektiven Charakter. Und in dem Fall wurde die Sache von zahlreichen inländischen Türken wahrgenommen, die nun zurecht erbost sind. Man wird wohl sogar davon ausgehen können, dass sich viele auch persönlich entehrt fühlen (ähnlich wie man sich oft mitbeleidigt fühlt wenn es Familienmitglieder betrifft). Schon deshalb war übrigens von Anfang an klar, dass sich Erdogan maximal wehren wird, allein um sein Ansehen bei den Wählern zu schützen.

 

Aussenpolitisch ist nun eigentlich die einzige vertretbare Lösung eine ehrliche, ernstgemeinte, öffentliche und hinreichend formale Bitte um Entschuldigung durch Frau Merkel oder besser durch den Bundespräsidenten (weil er keine Frau ist, und er auch eigentlich zuständig ist), verbunden mit einer Zusicherung solche Entgleisungen der eigenen Behörden in Zukunft zu verhindern.

 

Die Sache mit der Strafverfolgung und der Satirefreiheit müssen wir intern klären, wobei zu letzterem meiner Ansicht nach nicht viel zu klären ist, weil es keine Privaten betraf. Das ZDF ist in erster Linie grundrechtsverpflichtet, nicht grundrechtsberechtigt. Zu klären ist natürlich die Frage der zukünftigen Aufsicht. Selbst wenn man der abwegigen Ansicht, dass die ÖR staatsfern, unabhängig oder gar pressefreiheitsberechtigt sind, folgt wäre es geboten das bei Auslandsbezug einzuschränken um den Frieden zu sichern.

Alternativ kann man die Sender natürlich auch privatisieren. Allerdings sieht man ja schon bei den Privatsendern, die sich da verantwortunsgvoller verhalten, dass es in Deutschland nur eine eingeschränkte Marktnachfrage nach Auslandsbeleidigung gibt.

 

 

 

Quote:

Die ganze Show hat also mit rechtlichen Erwägungen herzlich wenig zu tun.  Womit hat sie also zu tun? 

 

Das scheint nur so, weil das System des ÖR bisher disfunktional reguliert ist, was bisher nur noch nie so folgenträchtig aufgefallen ist, weil die Menschen früher noch zu zivilisierten Benehmen und Anstand fähig waren.

JETZT ist es nötig und geboten das zu verrechtlichen, um solche Unfälle in Zukunft zu vermeiden, denn die meisten Menschen auf dieser Erde haben da noch andere Ansichten.

Diese Sache ist eigentlich ohnehin nur die Spitze des Eisbergs; man denke nur z.B. mal an die zahlreichen Beschwerden bzgl. der Berichtserstattung des ZDF über die Ukraine, die sehr viele Bürger als staatliche Kriegshetze empfunden haben. Putin reagiert da zum Glück sehr souverän, aber das kann man nicht bei allen Staaten voraussetzen. Der Komiker benötigt nun übrigens Polizeischutz.

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Kontrollverlust. Genau das ist es.

Der Gedanke, dass dieser Vorfall auf einer geplanten Strategie, z.B. zur Förderung der Pressefreiheit in der Türkei oder von Erdogans Gegnern, beruht ist für Menschen die Erfahrungen mit deutschen Behörden haben wohl tatsächlich ausserhalb des Vorstellbaren, freut man sich doch hier schon wenn es mit der Postzustellung klappt.

Da allerdings in anderen Staaten durchaus gelegentlich noch so etwas wie zielgerichtete und geplante Aussenpolitik praktiziert wird (sei sie nun verantwortungsvoll oder nicht) und Deutschland jedenfalls historisch auch für bedachte (wenn auch nicht immer behutsame) Aussenpolitik bekannt ist, sollte man sich vor solchen öffentlich-rechtlichen Scherzen doch mal Gedanken über die Aussenwirkung machen. (Das tut man meiner Ansicht nach auch innerhalb der EU viel zu wenig. Wie sich die dt. Politik und die ÖR in die Innenpolitik unserer Nachbarstaaten einmischt kann man oft nur noch als unverschämt und provokativ bezeichnen. Wenn man schon meint Weltinnenpolitik betreiben zu müssen, dann doch bitte mit Plan und System, d.h. verantwortungsvoll und möglichst zivilisiert.)

 

 

Diese Sache hat auch überhaupt nichts mit Pressefreiheit zutun, weil hier eben nicht eine private Zeitung ihre Ansichten zu ausländischen Vorgängen äussert, sondern hier eine deutsche Behörde, eine Anstalt öffentlichen Rechts die hoheitliche Gewalt ausübt, ihrer Hauptaufgabe nachkommt.

Die hoheitliche Gewalt besteht zwar in erster Linie aus dem Recht zum Beitragseinzug und dem Einknasten von Schwarzseherinnen ohne TV, aber dadurch ist diese Behörde eben staatlich finanziert; ihre Handlungen werden dem Staat zugerechnet, weil ihre Existenz von der Gnade des Staates abhängt. Der Staat (bzw. die Länder) steht deshalb auch in der Verantwortung die Ausübung der Gewalt bei der Erhebung und -derivativ- bei der Verwendung der Gelder zu beaufsichtigen. Nun haben die Länder haben eigentlich garkeien Kompetenz für die Bundesaussenpolitik oder sind zumindest verpflichtet sich bei ihrem Verwaltungshandeln sofern es in den Bereich hineinwirkt bundestreu, also rücksichtsvoll zu verhalten. Genau so wenig, wie Bayern eigenmächtig Österreich den Krieg erklären dürfte, weil es die Zahl der Flüchtlingen zu hoch findet, sind die Länder berechtigt die die Verhandlungsmühen des Bundes mit der Türkei bzgl. dem Asylabkommen auf diese Weise zu torpedieren; auch nicht aus Inkompetenz oder Unfähigkeit heraus.

 

In dem Fall wurde sogar eine Straftat gefördert und finanziert und nichtmal jetzt lassen die meisten Verantwortlichen Reue erkennen; sie bestehen auf ihrem "Recht" mit meinem Geld die Vertreter fremder Staaten - mit denen wir uns bisher im Friedenszustand befinden - als Ziegenfi* zu bezeichnen zu lassen und diesen Vorgang in die ganze Welt zu funken.

 

Ich find das unglaublich; und noch unglaublicher wie unbedarft sogar die freie Presse diesen Skandal thematisiert. Wozu Diplomatie, Protokoll und Anstandsregeln? Werfen wir doch gleich Luftzettel über der Türkei ab, mit Instruktionen wie die Bürger dort zu wählen haben. Wenn wir uns auf tagsüber beschränken, könnten wir sogar mal die Tornados der Bundeswehr einer Verwendung zuführen.

 

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