Regelmäßig kein Anspruch aus betrieblicher Übung auf übertarifliche Entlohnung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 12.04.2016

Zahlt ein Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum über Tarif, stellt sich die Frage, ob den Arbeitnehmern aus betrieblicher Übung ein Anspruch darauf erwachsen kann, dass auch künftige Tariflohnerhöhungen zu einer echten Aufstockung des Effektivlohns und nicht zu einer "Aufsaugung" der übertariflichen Gehaltsbestandteile führen. Das BAG hat diese Frage bislang regelmäßig verneint und hält daran auch in einem aktuellen Urteil fest:

1. Gibt ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet weiter, entsteht regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch künftige Tarifentgelterhöhungen weiterzugeben. Er will sich - für die Arbeitnehmer erkennbar - grundsätzlich nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen.

2. Auch ein tarifgebundener Arbeitgeber, der die Tarifentgelterhöhungen an alle Arbeitnehmer weitergibt, will sich - erkennbar - im Regelfall nicht über die Zeit seiner Tarifgebundenheit hinaus ohne die Möglichkeit einer Kündigung des Tarifvertrags oder eines Verbandsaustritts dauerhaft (vertraglich) binden.

3. Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung, kann eine betriebliche Übung nur dann entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, dass er die Erhöhungen - auch ohne das Bestehen einer tarifvertraglichen Verpflichtung - künftig, dh. auf Dauer übernehmen will (hier verneint).

BAG, Urt. vom 24.2.2016 - 4 AZR 990/13, BeckRS 2016, 67367

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