300.000 Euro verloren wegen sieben Minuten Verspätung?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 18.04.2016

Einen Rechtsstreit der eher ungewöhnlichen Art hatte jetzt das LAG Düsseldorf zu entscheiden:

Der Kläger war im IT-Bereich der Beklagten als Gruppenleiter tätig. Die Beklagte hatte entschieden, 1.600 ihrer insgesamt 9.100 Stellen abzubauen und dazu ein "Offenes Abfindungsprogramm" einzurichten. In diesem hieß es u.a.:

"Es wird eine externe Koordinationsstelle … eingerichtet. Der Mitarbeiter sendet seine verbindliche Erklärung zur Teilnahme am Offenen Abfindungsprogramm in der bekannt gegebenen Form (per E-Mail mit angehängter unterschriebener Erklärung, Formblatt) an die bekannt gegebene Externe Koordinationsstelle. ... Für den Fall, dass es mehr Interessenten als Plätze im Kontingent gibt, werden die zeitlich früheren Eingänge berücksichtigt."

Im IT-Bereich sollten sieben Stellen abgebaut werden. Die Meldungen der Arbeitnehmer erfolgten wegen technischer Bedenken statt per E-Mail über eine Internetseite, die den Eingang auf eine 1/1000-Sekunde genau protokollierte. Dem Kläger wurde bestätigt, dass sein Antrag um 13:07:53:560 Uhr eingegangen sei. Er wurde nicht mehr berücksichtigt. Die Beklagte teilte ihm mit, dass seine Meldung zu einer Zeit eingetroffen sei, als es keine freien Plätze mehr im zur Verfügung stehenden Kontingent gegeben habe. Der letzte der sieben Plätze sei an den Arbeitnehmer vergeben worden, der sich um 13:01:09:603 Uhr angemeldet habe.

Der Kläger verlangt mit seiner Klage den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zum 30.09.2015 und die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 298.777 Euro. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Seine Berufung beim LAG Düsseldorf blieb ohne Erfolg. Zur Überzeugung des Gerichts begegnet es keinen rechtlichen Bedenken,

wenn der Arbeitgeber in Abstimmung mit dem Konzernbetriebsrat Mitarbeitern das Ausscheiden gegen Abfindung anbietet, die Anzahl der ausscheidenden Mitarbeiter begrenzt und die Auswahl nach dem zeitlichen Eingang der Meldungen trifft. Dies gilt selbst dann, wenn durch das Abstellen auf Millisekunden nach menschlichem Ermessen die exakte Eingangszeit nicht bis ins Letzte zu beeinflussen ist. Da kein Anspruch auf ein Ausscheiden gegen eine Abfindung besteht, ist der Arbeitgeber – abgesehen von unzulässigen Diskriminierungen, die hier nicht gegeben sind – frei, wie er die Auswahl gestaltet. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger den früheren Eingang seiner Meldung nicht treuwidrig vereitelt. Diese hatte das Softwareprogramm getestet. Ein Belastungstest für jede denkbare Situation war nicht erforderlich. Die Beklagte hat den Kläger nicht willkürlich schlechter gestellt, weil nicht ersichtlich ist, dass aufgrund des technischen Fehlers bestimmten Mitarbeitern ein schnellerer Zugriff auf die Webseite gewährt wurde. Mangels Verschulden der Beklagten besteht kein Schadensersatzanspruch. Diesem steht weiter entgegen, dass der Kläger nicht nachweisen konnte, dass er bei fehlerfrei funktionierender Webseite zu den Abfindungsberechtigten gehört hätte.

Die Revision wurde zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urt. vom 12.4.2016 - 14 Sa 1344/15, Pressemitteilung hier

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