Anfechtung eines Aufhebungsvertrages wegen arglistiger Täuschung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 13.06.2016
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht2|4437 Aufrufe

Schließen die Parteien zur Beendigung des Arbeitsvertrages einen Aufhebungsvertrag, kann dieser (bzw. die auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung) unter den Voraussetzungen der §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Die gilt insbesondere für den Fall, dass der Arbeitnehmer durch widerrechtliche Drohung zum Vertragsabschluss bestimmt worden ist (z.B. Drohung mit einer unberechtigten fristlosen Kündigung) oder er arglistig getäuscht wurde, § 123 BGB.

Als Grund für eine Anfechtung eines Aufhebungsvertrages bei gleichzeitigem Angebot eines anderen Arbeitsplatzes reicht es jedoch nicht aus, wenn sich der Arbeitnehmer ohne Täuschungshandlung oder Verletzung von Aufklärungspflichten des Arbeitgebers falsche Vorstellungen von diesem anderen Arbeitsplatz und den dortigen Arbeitsbedingungen gemacht hat. Das hat das LAG Berlin-Brandenburg entschieden (Urt. vom 11.3.20169 Sa 2236/15).

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1985 als Lagerist gegen eine Vergütung von knapp 2.100 Euro monatlich beschäftigt. Wegen eines Arbeitsplatzabbaus im bisherigen Beschäftigungsbereich des Klägers schlossen die Parteien im Februar 2015 einen Aufhebungsvertrag folgenden Inhalts:

1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeits-/Anstellungsverhältnis mit Ablauf des 28.02.2015 im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird und dass sämtliche Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeits-/Anstellungsverhältnis und dessen Beendigung nicht mehr gegeneinander bestehen.

2. Die Firmengruppe D. unterbreitet dem Beschäftigten ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeits-/Anstellungsvertrages.

Zeiten aus diesem aufgehobenen Arbeits-/Anstellungsverhältnis werden bei Wiedereinstellung für Ansprüche aller Art, die dem Grund oder der Höhe nach von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängen, angerechnet.

Konkret wird Herrn T. ab 01.03.2015 im unmittelbaren Anschluss eine adäquate Tätigkeit in der D. Teile & Logistik GmbH – Nebenlager Berlin aufnehmen.

Gleichzeitig legte die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsvertrag mit der D.-Teile & Logistik vor, gemäß dem der Kläger ab 1.3.2015 als Lagerist in dem Bereich Teile und Zubehör unter Anrechnung einer Betriebszugehörigkeit ab 1.8.1985 und einem unveränderten Bruttoentgelt weiterbeschäftigt wird, den der Kläger ebenfalls unterzeichnete.

Am 1.3.2015 nahm er die Arbeit bei der D.-Teile & Logistik auf und erklärte elf Tage später die Anfechtung des Aufhebungsvertrages. Er habe feststellen müssen, dass er keine adäquate Tätigkeit erhalten habe, der neuen Tätigkeit sei er aus gesundheitlichen Gründen nicht gewachsen. Mit seiner Klage begehrt er die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbestehe. Er habe nicht gewusst, was ihn erwarte. Er habe lediglich erklärt, er besitze Großhandelserfahrung und habe ermittelt, wie der neue Arbeitsplatz mit dem Fahrrad zu erreichen wäre. Der Besichtigungstermin sei auf den Nachmittag gelegt worden, weil man sich zu dieser Zeit kein Bild von der Arbeit habe machen können. Ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass eine Stempeluhr existiere, er unter Druck arbeiten müsse und keine Sitzgelegenheit vorhanden sei. Bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sei niemand vom Betriebsrat anwesend gewesen, um ihn zu überrumpeln. Er habe keine Gelegenheit gehabt, sich die Verträge vor Unterzeichnung durchzulesen und sei diese anschließend mit dem Betriebsrat durchgegangen. Aufgrund der Organisation des Lagers bei der D.-Teile & Logistik gebe es sehr lange Wege. Die Beklagte, die gewusst habe, was ihn dort erwarte, habe den neuen Arbeitsvertrag nicht anbieten dürfen, zumindest nicht ohne Rückabwicklungsklausel.

Dem folgt das LAG Berlin-Brandenburg nicht. Die Beklagte habe keine falschen Angaben über die neue Tätigkeit, die den Kläger erwartete, gemacht. Sie habe auch nicht treuwidrig wesentliche Aspekte der Arbeitsbedingungen verschwiegen. Der hierfür darlegungspflichtige Kläger habe bereits nicht konkret vorgetragen, welche bestimmten, bei ihm aktuell bei Abschluss des Aufhebungsvertrages vorliegenden Erkrankungen der Beklagten bekannt gewesen sein sollen. Hinsichtlich der von ihm genannten "geschwollenen Füße" sei unklar, wann hier welche Erkrankung aufgetreten sein und weshalb die Beklagte hiervon gewusst haben soll.

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2 Kommentare

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Scheiterte eine Anfechtung statt nach § 123 BGB nach § 119 BGB (Eigenschaftsirrtum) nach 11 Tagen an § 121 BGB?

war wohl eher ein motivirrtum, die eigenschaft eines aufhebungsvertrag ist allein die, dass das arbeitsverhältnis beendet wird

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