BAG zu den Rechtsfolgen verdeckter Arbeitnehmerüberlassung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 13.07.2016
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht2|6085 Aufrufe

Das BAG (Urteil vom 12. Juli 2016 - 9 AZR 352/15 – PM 35/16) hat eine Frage entschieden, über die in der letzten Zeit sehr kontrovers diskutiert worden ist. Es geht um die Rechtsfolgen sog. verdeckter Arbeitnehmerüberlassung. Es sind Fälle, wie der vom BAG gerade entschiedene, die in der Praxis offenbar immer wieder vorkommen:  Die Klägerin ist technische Zeichnerin. Sie war bei der Beklagten, einem Automobilunternehmen, seit dem Jahr 2004 bis Ende 2013 tätig. Grundlage ihrer Tätigkeit waren zwischen der Beklagten und der Vertragsarbeitgeberin der Klägerin als Werkverträge bezeichnete Vereinbarungen. Die Vertragsarbeitgeberin verfügte über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die klagende Arbeitnehmer hat gemeint, ihre Vertragsarbeitgeberin und das beklagte Automobilunternehmen hätten nur Scheinwerkverträge geschlossen, um die Arbeitnehmerüberlassung zu verdecken. Sie wollte nunmehr festgestellt wissen, dass zwischen ihr und dem Automobilunternehmen ein Arbeitsverhältnis bestehe. Dafür berief sie sich auf § 10 S. 1 AÜG, wonach ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen gilt, wenn der Verleiher nicht die erforderliche Erlaubnis besitzt. Der Neunte Senat vermag sich dieser Sichtweise nicht anzuschließen. Seiner Ansicht nach ist zwischen der Beklagten und der Klägerin auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande zustande gekommen, wenn die Klägerin auf der Grundlage eines Scheinwerkvertrags als Leiharbeitnehmerin der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden wäre. Maßgeblich sei, dass die Vertragsarbeitgeberin der Klägerin die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung hatte. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiere iVm. § 9 Nr. 1 AÜG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe für eine solche nicht offene Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet.

Hinzuweisen bleibt auf den derzeit vorliegenden Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze. In der Begründung hierzu heißt es u.a., missbräuchlich seinen auch Vertragskonstruktionen, in den Unternehmen einen als Werkvertrag bezeichneten Vertrag abschließen, tatsächlich aber bei der Durchführung des Vertrages Arbeitnehmerüberlassung praktiziert wird (verdeckte Arbeitnehmerüberlassung). Bei solchen verdeckten Überlassungsverträgen könne der vermeintliche Werkvertragsunternehmer bislang eine Verleiherlaubnis vorhalten und sich auf diese berufen, wenn das Scheingeschäft deutlich werde. Diese „Vorratserlaubnis“ soll künftig nicht mehr helfen. Die verdeckte Überlassung über Scheinwerk- und -dienstverträge mit Erlaubnis soll der Überlassung ohne Erlaubnis gleichgestellt werden: In beiden Fällen soll künftig über §§ 9 Nr. 1a, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG-RegEntw. ein Arbeitsverhältnis zum vermeintlichen Werkbesteller/Dienstberechtigten zustande kommen – und der haftet als Arbeitgeber für die Beiträge zur Sozialversicherung und Lohnsteuer. Nur wenn bei vorhandener Erlaubnis die Überlassung eindeutig als solche kenntlich gemacht und bezeichnet ist, also „offen“ überlassen wird, soll diese Rechtsfolge ausbleiben. Hiermit korrespondiert eine neue Informationspflicht gegenüber dem Leiharbeitnehmer (§ 11 AÜG-RefE): Der Verleiher muss den Leiharbeitnehmer vor jeder Überlassung darüber informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird.

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2 Kommentare

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Es wird interessant zu sehen, mit welcher realitätsfernen Rabulistik der BGH in 9 AZR 51/15 die logisch stringente Argumentation von 4 Sa 41/14 auszuhebeln versucht. Die Stuttgarter haben darin jedenfalls deutlich gemacht, warum die Gesetzgebung der betrügerischen Praxis Einhalt gebieten musste.

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