Rechtswidrige Blutprobenentnahme: Kein Verwertungsverbot bei Verwaltungsgerichten

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.09.2016
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Meist spielt der Verstoß gegen den Richtervorbehalt in § 81a StPO im Strafprozess eine Rolle: War er rechtswidrig? Gibt es deshalb ein Verwertungsverbot? Das VG Gelsenkirchen hat sich gerade mit verwaltungsrechtlichen  Folgen befasst:

Das Ergebnis der Blutuntersuchung ist auch verwertbar. Zum einen geht das Gericht nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon aus, dass ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Strafprozessordnung (StPO) nicht vorliegt. Denn ausweislich der Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeige (Blatt 21 BA Heft 1) erfolgte die Blutentnahme mit Zustimmung des Antragstellers. Auch wenn eine vom Antragsteller unterzeichnete Einwilligungserklärung den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners nicht zu entnehmen ist, spricht derzeit nichts dafür, dass die Protokollierung durch den Polizeibeamten unzutreffend ist.
Zum anderen wäre ein Beweisverwertungsverbot, auf das sich der Antragsteller im Antragsverfahren beruft, selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Blutentnahme nicht rechtmäßig angeordnet worden wäre. Ein eventuelles Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führt aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen der jeweiligen Verfahrensordnungen nicht zur Unverwertbarkeit im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren. An diesen Grundsätzen hält die Kammer in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht NRW - OVG NRW - auch unter Berücksichtigung der Bedenken fest, die das Bundesverfassungsgericht gegen die verwaltungsgerichtliche Praxis geäußert hat, Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO gewonnen wurden, bei der Entziehung der Fahrerlaubnis zu verwerten,
BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 - 1 BvR 1837/12 - juris.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich auf ein obiter dictum, ohne die Bedenken näher zu begründen und sich mit der seit langem gefestigten Rechtsprechung auseinanderzusetzen, die u. a. von verschiedenen Obergerichten eingehend mit der allgemeinen Bedeutung von Beweisverwertungsgeboten im Gefahrenabwehrrecht begründet wird.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2015 - 16 E 648/15 - und früher: Beschluss vom 20. März 2014 - 16 B 264/14 -, juris m. w. N.
Der Antragsteller hat die Eignung nicht wiedererlangt. Es fehlen der erforderliche Abstinenznachweis über ein Jahr (Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV) und das in der Regel zusätzlich vorzulegende medizinisch-psychologische Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, das einen stabilen Einstellungswandel des Antragstellers attestiert. Die angebotene Urinanalyse ist schon angesichts des seit dem Vorfall im April 2016 verstrichenen Zeitraums von nur wenigen Monaten nicht geeignet, diese einjährige Abstinenz nachzuweisen.
Bei feststehender Ungeeignetheit steht der Antragsgegnerin bei der Entziehung der Fahrerlaubnis kein Ermessen zu. Angesichts dessen bestehen keine Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung.

VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15.08.2016 - 7 L 1793/16    
BeckRS 2016, 50862

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"Auch wenn der in § 81a Abs. 2 StPO gesetzlich angeordnete Richtervorbehalt nicht auf einer zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgabe beruhen mag ..., bestehen doch aus rechtsstaatlicher (Art. 20 Abs. 3 GG) wie auch grundrechtlicher (Art. 2 Abs. 2 GG) Sicht erhebliche Bedenken gegen eine Praxis, die den gesetzlichen Richtervorbehalt für den Bereich verwaltungsbehördlicher Eingriffsmaßnahmen durch eine großzügige Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel ... flächendeckend aushebelt". (BVerfG, B. v. 28.6.2014 - 1 BvR 1837/12, Rdnr. 13)

Das übermutige VG Gelsenkirchen hätte gut daran getan, den Hinweis des Bundesverfassungsgerichts ernst zu nehmen, den das Gericht ja nicht aus Jux und Tollerei erteilt, sondern weil er demnächst nicht nur obiter, sondern tragend, in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehen wird und schon jetzt die verfassungsrechtlichen Situation wiedergibt. Keinesfalls sollte das VG Gelsenkirchen den Hinweis so behandeln, als stammte er von einem Erstsemsterstudenten einer Fachhochschule, der mit "Setzen! 6!" abgetan werden kann. Unglaublich, diese Überheblichkeit...

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