Bewertung landwirtschaftlicher Betriebe beim Zugewinnausgleich

von Christiane Graß, veröffentlicht am 02.10.2016
Rechtsgebiete: AgrarrechtZivilrechtliches Agrarrecht1|7927 Aufrufe

Beim Erbfall und beim Zugewinnausgleich werden Unternehmen normalerweise mit dem Verkehrswert bewertet. Besonderheiten gelten für landwirtschaftliche Betriebe. Um landwirtschaftliche Besitzungen im Erbfall und im Scheidungsfall vor einer Zerschlagung aufgrund nicht zu finanzierender Ausgleichs- und Pflichtteilsforderungen zu schützen, werden diese, sofern auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, mit dem Ertragswert bewertet (§§ 1376, 2049, 2312 BGB). Dazu gibt § 2049 Abs. 2 BGB den Hinweis, dass sich der Ertragswert nach dem Reinertrag richtet, den das Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig gewähren kann.

Rechtsprechung, wie der Ertragswert im einzelnen zu ermitteln ist, ist rar. In einem Beschluss vom 13.04.2016 – XII ZB 578/14, BeckRS 2016, 08262 stellt der Familiensenat des BGH dar, wie aus seiner Sicht der Ertragswert zu ermitteln ist. Die Entscheidung enthält auch Ausführungen zur Zulässigkeit einer Teilklage, die an anderer Stelle besprochen sind (z.B. Kuckenburg, NZFam 2016, 561). Hier soll es nur um die Aussagen zur Bewertung eines Landguts gehen.

Im konkreten Fall ordnet der Familiensenat einen Putenmastbetrieb der Landwirtschaft zu. Das ist nicht unproblematisch, da reine Mastbetriebe, die nicht mindestens die Hälfte des Futters selbst erzeugen, üblicherweise als Gewerbebetrieb eingestuft werden. Im Streitfall bestand aber offenbar Einigkeit, dass eine landwirtschaftliche Besitzung vorliegt.

Bei der Ertragswertmethode sollen die aus Vergangenheitswerten prognostizierten Zukunftserträge auf den Bewertungsstichtag kapitalisiert werden. Maßgebend ist der Durchschnittsertrag der letzten drei bis fünf Jahre, wobei einzelne Jahre mit nicht repräsentativen Abweichungen nach oben oder unten ausgeklammert werden. Was die betrieblichen Verbindlichkeiten betrifft, ist die herrschende Meinung der Auffassung, dass bei der Ermittlung des Reinertrags die Fremdzinsen hinzugerechnet werden und von dem so ermittelten Ertragswert die Verbindlichkeiten in Abzug zu bringen sind (Piltz, Recht und Bewertung landwirtschaftlicher Betriebe, 2. Auflage, S. 188, 206; Köhne, Landwirtschaftliche Taxationslehre, 3. Auflage, S. 785 ff.). Dahinter steht die Überlegung, dass der Ertragswert den Wert eines vergleichbaren und schuldenfreien Betriebes bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung wiedergeben soll. Nun meint aber der Familiensenat, dass bei der Ermittlung des Gewinns, aus dem der Ertragswert abgeleitet wird, der Zinsaufwand zu berücksichtigen ist und dass ein Abzug der Verbindlichkeiten zu unterbleiben hat. Das, so der Familiensenat, sei methodengerecht und systemimmanent. Diese Einschätzung überrascht, denn § 2049 Abs. 2 BGB, auf den auch § 1376 Abs. 4 BGB verweist, stellt auf den Reinertrag des Landguts ab. Dort aber haben Fremdzinsen nichts zu suchen. Der Beschluss des Familiensenats ist in diesem Punkt abzulehnen. Zu folgen ist vielmehr der Entscheidung des OLG Celle vom 10.10.2007 – 7 O 62/06. BeckRS 2008, 04114, welches von dem Ertragswert die Verbindlichkeiten in Abzug bringt. Das sollte auch weiterhin für die Bewertung eines Landguts mit dem Ertragswert gelten, jedenfalls im Erbfall.

Zuzustimmen ist dem Familiensenat allerdings bei der weiteren Überlegung, dass zusätzlich geprüft werden muss, ob der Verkehrswert, bei dem unstreitig die Verbindlichkeiten abzuziehen sind, niedriger ist als der Ertragswert. Da der Ertragswert zu einer Privilegierung des Betriebsfortführers dienen soll, ist beim Zugewinnausgleich – im Erbfall kann nichts anderes gelten – das Landgut mit dem Verkehrswert anzusetzen, wenn dieser den Ertragswert unterschreitet.

Schließlich bestätigt der Familiensenat, was längst einhellige Auffassung ist, dass nämlich bei der Berechnung des Ertragswerts ein angemessener Unternehmerlohn ebenso zu berücksichtigen ist wie der fiktive Lohn mithelfender Familienangehöriger.

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1 Kommentar

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Sehr geehrte Frau Graß,

sie haben mit ihrem Beitrag völlig Recht. Das BGH Urteil verkennt die Sachlage und ist nicht geeignet die bisherige Wertermittlungspraxis infrage zu stellen. Im vorliegenden Falle geht es nicht um den Verkehrswert, sondern um den gesetzlich vorgeschriebenen Ertragwert nach § 2019 BGB. Der Verkehrswert kann auch nicht zur Kontrolle der Ertragswertes herangezogen werden, da es sich um völlig unterschiedlich Bewertungverfahren handelt. Auch beide Bewertungsverfahren erfordern einen überproportionalen Aufwand, der nicht gerechtfertigt ist. Das Gesetz sieht das auch nicht vor. 

Ein weiterer Punkt ist bei der Berücksichtigung des Zinsaufwandes den auf ewig zu kapitalisierenden Reinertrag. Bei der Zurechnung des Zinsaufwandes zum Reinertrag und der Kapitalisierung wird unterstellt, dass der valutierte Zinsaufwand auf ewig das Betriebsergebnis belastet. Das führt zu einem falschen Ergebnis. Rentierliche Investitionen führen bei der Betriebsbewertung nach dem Ertragswertverfahren gem. § 2049 i.d.R. zu einer erhöhten Produktivität und somit zu einem höheren Reinertrag und damit zu einem höheren Ertragswert. Das rechtfertigt auch die Anrechnung der Verbindlichkeiten am Vermögen, in diesem Falle am Ertragswert des „Landgutes“ und der sonstigen Vermögensgegenstände. Diese Vorgehensweise ist gem. §§ 1375 A§.1, 1376 ABS. 2, 1378 ABS. 2 ausdrücklich vorgeschrieben. 

Der BGH hat sich hier sicherlich von außerlandwirtschaflichen Gesichtspunkten leiten lassen. Wie sie schon anmerkten hätte bei einem derartigen Putenmastbetrieb zuerst geprüft werden müssen ob es sich um ein Landgut im Sinne von § 2049 BGB handelt. 

Die Definition des Reinertragsbegriffes ist eindeutig und kann nicht durch eine so spezielle auf den Einzelfall gerichtete Rechtsprechung umgedeutet werden. Der Sachverständige muss sich an den Beweisbeschluss halten und soweit keine derartige Aufgabenstellung im Beweisbeschluss definiert ist, ist vom bisherigen Reinertragsbegriff auszugehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Roland Fischer 

öbv Sachverständiger für landwirtschaftliche Bewertung und Schätzung

 

 

 

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