BGH vom 29.04.2016 – LwZB 2/15: Beschwerdebefugnis nach der Genehmigung eines Hofübergabevertrages

von Christiane Graß, veröffentlicht am 02.10.2016
Rechtsgebiete: AgrarrechtZivilrechtliches Agrarrecht|4851 Aufrufe

Die Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebes im Wege vorweggenommener Erbfolge bedarf der Genehmigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Grundstückverkehrsgesetz (GrdstVG). Bei einem Hof i.S.d. Höfeordnung ist hierfür das Landwirtschaftsgericht zuständig (§ 17 Abs. 3 HöfeO).

Der BGH musste sich im Beschluss vom 29.04.2016 – LwZB 2/15 mit der Frage befassen, wer gegen einen die Genehmigung erteilenden Beschluss des Landwirtschaftsgerichts Beschwerde führen kann. Im Streitfall hatte die Eigentümerin eines Hofes i.S.d. Höfeordnung die landwirtschaftliche Besitzung an eine Tochter übertragen. Das Landwirtschaftsgericht genehmigte den Übergabevertrag. Ein Abkömmling einer vorverstorbenen Tochter der Hofeigentümerin, der am Hofübergabevertrag nicht beteiligt war, legte gegen die Genehmigung sofortige Beschwerde ein mit der Begründung, der Tochter, welcher der Hof übertragen werden sollte, fehle die erforderliche Wirtschaftsfähigkeit (§ 7 Abs. 1, § 6 Abs. 6 HöfeO). Er ist der Auffassung, selbst als Hoferbe in Betracht zu kommen, da er wirtschaftsfähig sei und beim Hoferbfall Hoferbe sein werde.

Der BGH spricht ihm in Fortführung seiner früheren Rechtsprechung die Beschwerdebefugnis ab. Allein die Aussicht, aufgrund gesetzlicher Berufung oder durch Verfügung von Todes wegen Hoferbe zu werden, stelle grundsätzlich nur eine Chance, aber kein materielles subjektives Recht dar. Anders sei die Situation, wenn der Abkömmling bereits eine rechtlich gesicherte Anwartschaft auf das Erbe erlangt habe.

Weitergehend als im allgemeinen Recht gibt es im Höferecht eine Vielzahl an Konstellationen, die einem Abkömmling eine solche gesicherte Position verschaffen und die den Hofeigentümer gleichzeitig daran hindern, eine Hoferbenbestimmung zugunsten eines Dritten vorzunehmen. Dabei hat das Höferecht die weitere Besonderheit, dass die Hofübergabe als Verfügung von Todes wegen gilt. Im Streitfall prüft und verneint der BGH eine solche Anwartschaft, wobei er in einer lesenswerten Auflistung alle allgemein-rechtlichen und höferechtlichen Konstellationen anspricht, die eine solche Anwartschaft verleihen könnten: Die Bindung durch einen Erbvertrag oder ein bindend gewordenes gemeinschaftliches Testament, das Vorliegen eines formlos-bindenden Hofübergabevorvertrages, die Hoferbenbestimmung durch dauerhafte Übertragung der Bewirtschaftung (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HöfeO) und auch die Hoferbenbestimmung durch Beschäftigung auf dem Hof (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HöfeO). Beschwerdegericht und BGH mussten hier genau hinsehen, denn der Beschwerde führende Enkel hatte in der Vergangenheit auf dem Hof mitgeholfen, Wirtschaftsgebäude des Hofes für seinen eigenen Betrieb genutzt und zusammen mit seinem Vater 24 ha landwirtschaftlicher Fläche des insgesamt ca. 62 ha großen landwirtschaftlichen Grundbesitzes zur eigenen Bewirtschaftung gepachtet.

Da der BGH eine rechtlich gesicherte Anwartschaft des Enkels auf das Hoferbe nicht feststellen konnte, blieb nur dessen ungesicherte Erwartung, bei einer Unwirksamkeit des angegriffenen Hofübergabevertrages im Erbfall als einziger wirtschaftsfähiger Abkömmling Hoferbe zu werden. Das aber reichte dem BGH für ein Beschwerderecht nicht aus.

Die Entscheidung ist nicht unproblematisch. In seinen letzten Entscheidungen zum Höferecht (etwa Beschluss vom 23.11.2012 – BLw 12/11, BeckRS 2013, 02148, vom 29.11.2013 – BLw 4/12, BeckRS 2014, 01655, Beschluss vom 25.04.2014 – BLw 6/13, BeckRS 2014, 11246, Beschluss vom 26.06.2014 – V ZB 1/12, BeckRS 2014, 15887) hatte der BGH aus Sinn und Zweck der Höfeordnung, dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe in bäuerlichen Familien, weitreichende Folgen für die Rechtsanwendung abgeleitet. Das hatte auch der Beschwerdeführer geltend gemacht. Gleichwohl bevorzugt der BGH eine formale Betrachtung. Gewiss ist es richtig, dass der Beschwerdeführer nicht die Sicherheit hatte und auch nicht haben konnte, dass er bei einer Unwirksamkeit des Hofübergabevertrages Hoferbe werden würde. Aber er hatte eine realistische Chance. Diese ist ihm unter Verfehlung der höferechtlichen Zielsetzung genommen, wenn Landwirtschaftsgericht und Beschwerdegericht die Wirtschaftsfähigkeit seiner Tante fehlerhaft bejaht haben sollten. So hätte einiges dafür gesprochen, dem potentiellen Hofprätendenten die Beschwerdebefugnis einzuräumen, ohne gleichzeitig das Tor zur Popularklage zu öffnen. Nur drei Tage später hat das OLG Köln im Beschluss vom 02.05.2016 – 23 WLw 5/16 – zu einer vergleichbaren Konstellation die gleiche Rechtsauffassung wie der BGH vertreten, wobei dem OLG Köln die Entscheidungsgründe des BGH vom 29.04.2016 noch nicht bekannt sein konnten.

 

 

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