Die arbeitssparende Selbstmitteilung

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 03.10.2016
[Kapitäl aus dem Yorkshire Museum, York/UK]

Was macht eine Kommune, die kein Geld für das Schneeräumen hat?

Sie erlässt eine Satzung, die die Bürgerinnen und Bürger zum Schneeräumen vor der eigenen Haustür verpflichtet.

Was machen Finanzminister, wenn sie Fachkräftemangel in der Steuerverwaltung haben?

Sie erweitern die Anzeige- und Mitteilungspflichten.

Nach den Vorstellungen der Finanzministerkonferenz vom 1. Dezember 2016 sollen insbesondere die Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, aber auch Unternehmensberater Steuervermeidungsmodelle bei der Finanzverwaltung anzeigen. Natürlich, so wird das BMF zitiert, solle nicht jede kleine Gestaltung anzeigepflichtig sein. Aber der Gesetzgeber solle schneller auf Gesetzeslücken reagieren können.

Im Internet findet sich noch der "Gesetzentwurf zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen" (StGestAnzPflG-RefEntw) mit einem geplanten § 138a AO ("Anzeigepflicht von Steuergestaltungen") und einem geplanten § 379a AO ("Steuergefährdung bei Steuergestaltungen") vom 25. Juni 2007. Der Unterschied zu den damaligen Vorschlägen soll jetzt sein, dass die Vorschläge jetzt "sowohl ökonomisch sinnvoll als auch verfassungsrechtlich legitim" seien.

Nicht nur der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Steuerberaterverbands e.V., Axel Pestke, hat da Zweifel (vgl. Editorial BB 6/2017). Er zitiert aus der Tagespresse das Beispiel des Gewerbetriebs in München. Ist es schon ein Steuergestaltungsmodell, den Betrieb ins Umland zu verlegen, weil dort die Hebesätze für die Gewerbesteuer niedriger sind? Oder, so seine Überlegung, ist es schon meldepflichtig, wenn der Steuerberater zur Versteuerung mittels 1%- oder Fahrtenbuchmethode rät, weil die eine oder andere Methode günstiger ist?

Steuerrecht ist - wie das Polizeirecht - Recht der Eingriffsverwaltung. Es unterliegt damit in besonderem Maße den Anforderungen der Abwehrfunktion der Grundrechte, der rechtsstaatlichen Rechtssicherheit und dem strengen Gesetzesvorbehalt (vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 1, Rz. 27).

Welchen Sinn macht diese Selbstmitteilung? Wäre es nicht Sinn-voller, die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte personell und sachlich so auszustatten, dass sie die Fälle schneller und umfassend prüfen könnten? Natürlich ist es einfacher und von hohem symbolischen Gehalt, dem Volke mitzuteilen, dass sich die 'Großen' selber offenbaren müssten, während sich die vielen kleinen Leute diebisch über den einen oder anderen kleinen Steuerbetrug freuen dürfen?

Vergessen wir nicht: die Bürgerinnen und Bürger richten ihr Vertrauen in die Wirksamkeit der Staatsgewalt an der Fähigkeit des Staats daran aus, wie effizient der Staat seine legitimen Ansprüche durchsetzt. Wenn Gewalttäter frei herumlaufen (Gewaltmonopol), führt das zu ähnlichen Vertrauensverlusten wie die Schlagzeile, welcher (wahlweise) (i) Konzern, (ii) Prominente oder (iii) superreiche Mensch 'schon wieder' 'wie viel' Steuern nicht bezahlt hat, 'wo mir so wenig Netto vom Brutto' bleibt (Steuerstaatlichkeit). Das ist aber kein Problem der nicht ausreichend vorhandenen Gesetze, sondern des Gesetzesvollzuges.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen