Fehlende Rentabilität schadet der Hofeigenschaft nicht

von Christiane Graß, veröffentlicht am 16.10.2016
Rechtsgebiete: AgrarrechtZivilrechtliches Agrarrecht|3460 Aufrufe

Beantragt der Hoferbe eines kleinen landwirtschaftlichen Betriebes ein Hoffolgezeugnis, melden sich mit großer Regelmäßigkeit die testamentarisch bestimmten oder gesetzlichen Erben zu Wort. Beliebt ist das Argument, die landwirtschaftliche Besitzung habe schon längst vor dem Erbfall die Hofeigenschaft „außerhalb des Grundbuchs“ verloren. Folglich falle die (ehemalige) landwirtschaftliche Besitzung den Erben des hoffreien Vermögens und nicht dem Hoferben zu. Dieser gehe leer aus. Jedenfalls hätte der Verlust der Hofeigenschaft zur Folge, dass sich Erb- und Pflichtteilsansprüche nach dem Verkehrswert der landwirtschaftlichen Besitzung und nicht nach dem Hofeswert richten, der oft nur einen Bruchteil des Verkehrswerts ausmacht.

Im Anwendungsbereich der nordwestdeutschen Höfeordnung steht fehlende Rentabilität der Hofeigenschaft nicht entgegen. Das bestätigt erneut das Oberlandesgericht Hamm in einem Beschluss vom 05.07.2016 (Az: 10 W 37/16). Bei der Höfeordnung richtet sich die Hofeigenschaft grundsätzlich nach der Höhe des Wirtschaftswerts. Beträgt dieser mindestens 10.000 €, ist die Hofeigenschaft gegeben. Liegt der Wirtschaftswert bei mindestens 5.000 € und unter 10.000 €, ist die Besitzung ein Hof im Sinne der Höfeordnung, wenn für sie im Grundbuch ein Hofvermerk eingetragen ist. Erst ein Unterschreiten des Wirtschaftswerts unter einen Betrag von 5.000 € führt zum Verlust der Hofeigenschaft, sofern auch der Hofvermerk gelöscht wird.

Im Streitfall, über den das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden hatte, betrug der Wirtschaftswert einer kleinen landwirtschaftlichen Besitzung, die der Hofeigentümer im betagten Alter von 86 Jahren an einen Neffen verpachtet hatte, noch 8.621 €. Das Landwirtschaftsgericht erteilte dem Neffen das Hoffolgezeugnis. Andere Verwandte meinten, der Hof falle in den allgemeinen Nachlass, weil er nicht mehr rentabel bewirtschaftet werden konnte. Dem widerspricht das Oberlandesgericht Hamm. In Bestätigung der überwiegenden Rechtsprechung betont es, dass sich die nordwestdeutsche Höfeordnung als Anknüpfungspunkt für die Hofeigenschaft für den Wirtschaftswert und nicht für die Rentabilität entschieden hat. Das ist beispielsweise anders in der rheinland-pfälzischen Höfeordnung. Dort richtet sich die Hofeigenschaft danach, ob der landwirtschaftliche Betrieb noch eine „Ackernahrung“ hervorbringt.

Auf all das kommt es bei einem Hof im Sinne der nordwestdeutschen Höfeordnung nicht an. Entscheidend ist allein, ob der Wirtschaftswert mindestens bei 5.000 € liegt. Ist diese Voraussetzung gegeben, kann auch ein unrentabler oder verlustbringender Betrieb Hof im Sinne der Höfeordnung sein.

Die Dinge können anders liegen, wenn der Hofeigentümer durch Erklärungen oder sonstige Maßnahmen zum Ausdruck gebracht hat, dass von seiner Hofstelle aus nie wieder Landwirtschaft betrieben werden soll. Dazu bot der Streitfall aber keine Anhaltspunkte. Der Eigentümer hatte vielmehr die gesamte Besitzung an einen Verwandten verpachtet. Dann kann nicht gesagt werden, dass von dem Grundbesitz nie wieder Landwirtschaft betrieben werden sollte. Dementsprechend lehnt das Oberlandesgericht Hamm die Einziehung des Hoffolgezeugnisses ab.

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