Gemeinnützige Organisationen dürfen auch politisch sein

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 11.11.2016
Rechtsgebiete: SteuerrechtWeitere Themen1|3163 Aufrufe

Da keine politische Aktion, so lud die Organisation ATTAC für den 10. November 2016 in das Finanzgericht Kassel ein, müssten die Fahnen zu Hause bleiben. "Ja. Attac ist unbequem. Und gemeinnützig.", warb die deutsche Sektion des globalisierungskritischen Netzwerkes für eine Teilnahme an der Sitzung des Finanzgerichts.

Das Finanzamt Frankfurt am Main III hatte dem Trägerverein den Status als steuerbegünstigte Körperschaft aberkannt. Die Förderung allgemeinpolitischer Ziel sei kein gemeinnütziger Zweck im Sinne der Abgabenordnung.

Das Hessische Finanzgericht (Entscheidung vom 10.11.2016 - 4 K 179/16) sah das im zu entscheidenden Fall anders. Die gesetzlichen Vorgaben und die Rechtsprechung, so das Gericht, erlaubten eine politische Tätigkeit zur Erreichung des nach der Abgabenordnung anzuerkennenden Satzungszwecks. Vorliegend sei insbesondere der Vereinszweck der Förderung der Bildung weit zu verstehen. Dieser beinhalte nicht nur die Darstellung des Status Quo sondern auch die Vermittlung von alternativen Modellen anhand einzelner Ereignisse. Die politische Tätigkeit sei auch in ein umfassendes Informationsangebot eingebettet gewesen. Ferner habe die politische Betätigung insbesondere auch unmittelbar dem Zweck der Förderung des Gemeinwesen und des Schutzes der Umwelt gedient.

Der Entscheidung des Finanzgerichts ist zuzustimmen. Im konkreten Fall darf die Bildung auch politisch sein und Positionen vertreten, die außerhalb des Mainstreams liegen. Die Abgrenzung 'politische Bildung auf der einen - politische Willensbildung auf der anderen Seite' ist im Einzelfall schwierig. Denn das Thema 'Globalisierung' lässt sich nicht unpolitisch diskutieren - das mag bei anderen steuerbegünstigten Zwecken, zum Beispiel dem Sport, anders sein. Anderseits ordnet das deutsche Steuerrecht die politische Willensbildung den Parteien zu, deren Finanzierung anders geregelt ist.

Verfehlt ist es jedoch, aus dem Urteil einen "Sieg für die gesamte Zivilgesellschaft und eine Ohrfeige für das Frankfurter Finanzamt" abzuleiten, so die Pressemitteilung des Attac-Trägervereins vom 10.11.2016. Denn, so die Einschätzung an dieser Stelle, die Finanzbehörde hat das Gemeinnützigkeitsrecht angewendet. Im entschiedenden Fall handelt es sich um einen Einzelfall, wo sich durchaus Abgrenzungsschwierigkeiten zu einer (politischen) Partei ergeben. Anders als eine Organisation, die gezielt auf Öffentlichkeitswirksamkeit setzt, hat die Finanzbehörde aufgrund des Steuergeheimnisses nur eingeschränkte Möglichkeiten, seine Sicht darzustellen.

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Der Streit um die Anerkennung des Attac-Trägervereins geht in die Revision. Nach Mitteilung auf der Webseite des Vereins ist die Revision seit 19. Dezember 2017 beim BFH anhängig. Das Finanzamt Frankfurt habe am 10. Mai 2017 "auf Weisen des Bundesfinanzministeriums" Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

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