BAG zur AGB-Kontrolle von Arbeitsvertragsänderungen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 16.11.2016
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|4444 Aufrufe

Auch die Änderung von Arbeitsbedingungen durch der Belegschaft unterbreitete Änderungsangebote unterliegt in vielen Fällen der AGB-Kontrolle. Kontrollgegenstand sind dann die geänderten Vertragsbedingungen. Beim Kontrollmaßstab stellt sich die Frage, inwieweit die bisherige Regelung den Referenzrahmen darstellt. Bei alledem muss auch genau geschaut werden, ob eine nachträgliche Vertragsänderung nicht auf einer individuellen Absprache der Beteiligten beruht und dann als Individualabrede kontrollfrei bleibt. Ein neueres – erst als Pressemitteilung vorliegendes – Urteil des BAG verhält sich zu diesem Themenkreis (Urteil vom 15. November 2016 - 3 AZR 539/15 -, PM 61/16)

Zu entscheiden war, ob sich ein Arbeitgeber von einer auf einer Gesamtzusage beruhenden Versorgungszusage lösen kann, indem er mit seinen Arbeitnehmern einen Vergleich abschließt, der den Charakter eines Erlassvertrags trägt.

Der Kläger war bei einer Bank in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts beschäftigt und kam aufgrund einer entsprechenden Versorgungszusage in den Genuss einer an der Beamtenversorgung orientierte Gesamtversorgung. Im Jahr 2009 beschloss die beklagte Bank aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage, die Gesamtversorgungszusage zu widerrufen und keine Versorgungsrechte mehr zu erteilen. Sie bot eine beitragsorientierte betriebliche Altersversorgung an. Der Kläger unterzeichnete - wie eine Vielzahl anderer Arbeitnehmer - im Jahr 2010 ein von der Beklagten vorbereitetes Formular, in dem er sich auch mit „der Einstellung der Erteilung“ des Versorgungsrechts „einverstanden“ erklärte. Am 15. Mai 2012 entschied das Bundesarbeitsgericht (ua. - 3 AZR 610/11 -NZA 2012, 1279) für Arbeitnehmer, die keine derartige Erklärung abgegeben hatten, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen ein Anspruch aus betrieblicher Übung auf Gewährung des Versorgungsrechts besteht.

Der Kläger hat mit seiner Klage die Feststellung begehrt, die Beklagte sei verpflichtet, ihm bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Versorgungsrecht zu erteilen. Seine Klage blieb auch vor dem BAG ohne Erfolg. Mit seiner Erklärung aus dem Jahr 2010 habe der Kläger – so das BAG - ein Angebot der Beklagten angenommen, das auch die Aufgabe des Anspruchs auf Erteilung des Versorgungsrechts enthalten habe. Damit sei eine Vereinbarung über eine Vertragsänderung zustande gekommen. Der Inhalt der Vereinbarung sei weder unklar noch oder überraschend gewesen. Die Vertragsänderung unterliege der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht. Prüfungsmaßstab sei das § 779 BGB zugrunde liegende Rechtsprinzip, welches eine Streitbeilegung durch gegenseitiges Nachgeben vorsehe. Die Inhaltskontrolle gehe zugunsten der Beklagten aus, da die Vertragsänderung nicht unangemessen sei.

Das Urteil zeigt, dass das AGB-Recht auch weitreichenden Änderungen der Vertragsbedingungen auf vertraglicher Basis keine engen Grenzen setzt. Ein anderer Weg, den die neuere Rechtsprechung weist, liegt in der Ablösung solcher Vertragsbedingungen durch die Betriebsparteien in Form einer ablösenden Betriebsvereinbarung. Das BAG (BAG, Urt. v. 5. 3. 2013 – 1 AZR 417/12; NZA 2013, 916; BAG, Urt. v. 25.5.2016 – 5 AZR 135/16, NZA 2016, 1327) hatte hier zuletzt weite Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet (Stichwort: betriebsvereinbarungsoffene Vertragsgestaltung).

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