Zugeschaut und mitgebaut: Vergleichsschluss von Täter und Opfer => Strafzumessungsfehler!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 24.12.2016
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2413 Aufrufe

Da schließen Täter und Opfer einen Vergleich in der Hauptverhandlung. Sehr gut! Für die Urteilsabfassung des Gerichts wäre es besser gewesen, das wäre nicht passiert. Das Gericht konnte hierdurch nämlich nicht mehr die Strafzumessung wie üblich vornehmen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Rostock vom 14. Dezember 2015 im Strafausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von
drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen
und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch
Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Nach den Feststellungen überfielen der Angeklagte und der Mitangeklagte
M. einen Ladenbesitzer. Unter Einsatz von Pfefferspray sowie
massiver Gewalteinwirkung erbeuteten sie 100 Euro. Der Geschädigte erlitt bei
dem Überfall u.a. eine Fraktur der medialen Orbitawand, die unter Einsetzung
einer Platte operativ behandelt werden musste.
Der Angeklagte hat mit dem Geschädigten in der Hauptverhandlung einen
Vergleich geschlossen und sich verpflichtet, ein Schmerzensgeld in Höhe
von 4.800 Euro zu zahlen. Zudem hat er sich für das Tatgeschehen entschuldigt.

2. Im Rahmen der Strafzumessung ist das Landgericht von einem minder
schweren Fall gemäß § 250 Abs. 3 StGB ausgegangen, u.a. deshalb, weil sich
der Angeklagte - wie der geschlossene Vergleich zeige - ernsthaft um eine
Schadenswiedergutmachung bemüht habe.

II.

1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig.

2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat zum
Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der
Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand.
Der Generalbundesanwalt hat
dazu ausgeführt:

"Die Strafkammer hat bei der Strafrahmenwahl aber nicht bedacht, dass
die Bemühungen des Angeklagten um Schadenswiedergutmachung
- Abschluss eines Vergleichs zur Zahlung von 4800 Euro Schmerzensgeld
und Entschuldigung des Angeklagten - den vertypten Strafmilderungsgrund
des § 46a Nr. 1 StGB nahelegen. Liegt aber ein vertypter
Milderungsgrund vor und trifft ein derartiger Milderungsgrund mit allgemeinen
(nicht vertypten Milderungsgründen) zusammen, so ist im Rahmen
der gebotenen Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Strafzumessungstatsachen
zunächst - unter Ausklammerung des besonderen Milderungsgrundes
- allein auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen.
Führt diese Prüfung bereits zur Annahme eines minder schweren Falles,
dann kann der so gefundene Strafrahmen nach §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1
StGB nochmals gemildert werden. …

Soweit die Strafkammer bei Prüfung des minder schweren Falls auf
'raubspezifische und allgemeine gesetzliche Milderungsgründe' abstellt
(UA S. 23) und ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände
feststellt, erscheint - ungeachtet des Umstandes, dass sie die
Bemühungen des Angeklagten um Schadenswiedergutmachung als allgemeinen
Milderungsgrund ausdrücklich berücksichtigt - nicht ausgeschlossen,
dass diese allein schon hinreichender Anlass für die Annahme
eines minder schweren Falls im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB gewesen
sind. Dies führt aber dazu, dass die Strafkammer eine weitere Strafrahmenmilderung
nach §§ 46a Nr. 1, 49 StGB unberücksichtigt gelassen
hat."

Dem schließt sich der Senat an.

BGH, Beschl. v. 9.11.2016 - 2 StR 171/16

Also: Auf die Prüfungsreihenfolge kommt es an!

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