Freie Mitarbeiterin im Servicebereich ist trotz eigenem Kfz abhängig beschäftigt

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.01.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|3690 Aufrufe

Auch im neuen Jahr werden uns die großen und kleinen Themen des Arbeitsrechts wieder beschäftigen und Anlässe für kontroverse Diskussionen bieten. Nicht nur in diesem Sinne: ein frohes neues Jahr! Eine der großen Fragen des Arbeitsrechts ist diejenige seines Anwendungsbereichs. Hier wird das neue Jahr eine Neuerung bringen. Am 1.4.2017 wird ein neuer § 611a in das BGB eingefügt, der eine Kodifizierung des Begriffs des Arbeitsvertrags vorsieht. Es steht zu erwarten, dass die bisherige Rechtsprechung auf dieser Basis bruchlos fortgeführt werden kann. Insoweit interessieren den Arbeitsrechtler nicht nur die Entscheidungen der Arbeitsgerichte, sondern auch einschlägigen Urteile der Sozialgerichte. Hier hat es gegen Ende des gerade abgelaufenen Jahres noch eine bemerkenswerte Entscheidung des LSG Hessen (vom 24.11.2016 - AZ L 1 KR 57/16; PM LSG Darmstadt vom 21.12.2016 ) gegeben, der folgender Sachverhalt zugrunde lag: Eine 64-jährige Frau war seit dem Jahr 2003 als „freie Mitarbeiterin“ für eine Firma tätig, die Full-Service-Hygienelösungen anbietet. An vier Tagen wöchentlich lieferte die Frau Handtuchrollen und Fußmatten an die Kunden aus und erledige Montage, Reparatur und Austausch der Hygienesysteme. Im Jahr 2011 beantragte sie die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Die Deutsche Rentenversicherung stellte hierauf fest, dass die Frau abhängig beschäftigt und sozialversicherungspflichtig ist. Denn die Firma bestimme das Tätigkeitsgebiet der Frau, gebe ihr Anweisungen, kontrolliere deren Arbeit und stelle die benötigten Materialien zur Verfügung. Zudem müsse die Frau Kleidung der Firma tragen. Demgegenüber begründe der Umstand, dass die Frau ein eigenes Fahrzeug nutzen müsse, keine selbstständige Tätigkeit. Insoweit wies die Rentenversicherung darauf hin, dass das Auto in der von der Firma bestimmten Farbe lackiert sein und das Firmenlogo tragen müsse. In dem sich anschließenden Rechtsstreit gaben nun die Richter des LSG Hessen der Rentenversicherung Recht. Die Frau sei in den Betrieb der Firma eingegliedert. Sie habe täglich Weisungen erhalten, Kleidung mit Logo der Firma getragen und Werbeschilder am Auto anbringen müssen. Sie sei damit gegenüber den Kunden nicht als Selbstständige aufgetreten, sondern als Mitarbeiterin der Firma. Allein die Nutzung eines eigenen Fahrzeugs stelle kein unternehmerisches Risiko dar, das eine selbstständige Tätigkeit begründen könnte. Denn die Frau habe nicht die Möglichkeit, durch mehr Einsatz höhere Gewinne zu erzielen. Das Urteil ist ein Schulbeispiel für sog. Scheinselbständigkeit. Auch die Arbeitsgerichte hätten in diesem Fall sicherlich die Arbeitnehmereigenschaft der „freien Mitarbeiterin“ festgestellt.  

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2 Kommentare

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Interessant sind auch die Folgewirkungen für die Arbeitnehmerin. Soweit ich es überblicke fordert der Sozialversicherungsträger nicht abgeführte Arbeitgeber- und Arbeitnemeranteile nach. Allerdings kann der Arbeitgeber meines Wissenes wiederum den Arbeitnehmeranteil bei der Arbeitnehmerin einfordern. So kann das Ganze für die Arbeitnehmerin am Ende doch recht teuer werden.

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