Mindestlohn ist bei Minijobbern noch nicht angekommen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 30.01.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|3884 Aufrufe

Dass es bei der Durchsetzung des Mindestlohns Probleme gibt, realisiert man eigentlich schon dann, wenn man sich bei Taxifahrern umhört. Auf meine Frage, ob der Mindestlohn auch bei den Taxifahrern angekommen sei, sagte mir neulich ein Fahrer in aller Offenheit „im Leben nicht“. Bei allen meinen Fahrten ergibt sich das gleiche Bild. Repräsentativ sind solche eigenen Erfahrungen natürlich nicht. Eine neuere Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat sich jetzt die besonders anfälligen Minijobs vorgenommen, für die der Mindestlohn von Rechts wegen ohne Abstriche gilt. Auch hier kommen erhebliche Lücken zum Vorschein. „Die Zahlen lassen keinen Zweifel daran, dass die Betriebe bei einem erheblichen Teil der Minijobber nicht wie gesetzlich vorgeschrieben die Löhne erhöht haben. Die geringfügige Beschäftigung bleibt weiter überwiegend von Niedriglöhnen geprägt“, konstatieren die Studienautoren Dr. Toralf Pusch und Dr. Hartmut Seifert. Das Mindestlohngesetz werde bei Minijobs offenbar „noch längst nicht flächendeckend angewendet“, schließen die Arbeitsmarktforscher. Es mangele an effektiven Kontrollen.

Im Ergebnis beobachten die Autoren, dass sich die Lohnsituation der Minijobber nach Einführung des Mindestlohns am 1. Januar 2015 „lediglich partiell verbessert“ habe. Im Jahresdurchschnitt 2014 verdienten rund 60 Prozent der Minijobber weniger als 8,50 Euro. Dieser Anteil sank 2015 auf rund 50 Prozent, wobei die meisten Befragungen in der ersten Jahreshälfte durchgeführt wurden. Auch nach fünf bis 11 Monaten mit Mindestlohnpflicht mussten sich noch 44 Prozent der Minijobber mit niedrigeren Löhnen zufrieden geben, zeigt eine Sonderanalyse der zwischen Mai und November 2015 Befragten. „Das lässt vermuten, dass ein erheblicher Teil der Arbeitgeber die Bezahlung nicht nur langsam, sondern gar nicht an den Mindestlohn angepasst hat“, sagt WSI-Experte Pusch. Selbst extrem niedrige Stundenlöhne sind nach der WSI-Studie bei Minijobbern nach Einführung der gesetzlichen Lohnuntergrenze zwar seltener geworden, aber keineswegs verschwunden: 2015 erhielten rund 20 Prozent der geringfügig Beschäftigten weniger als 5,50 Euro brutto in der Stunde, knapp 40 Prozent kamen auf maximal 7,50 Euro.

Die Missachtung des Mindestlohngesetzes füge sich ein in das Muster der insgesamt oft problematischen Arbeitsbedingungen bei Minijobs, betonen die Forscher. So haben verschiedene Studien gezeigt, dass geringfügig Beschäftigte häufig auch keine Lohnfortzahlung bei Krankheit oder im Urlaub erhalten – obwohl sie einen gesetzlichen Anspruch darauf haben. „Dieses Ergebnis signalisiert, dass es offensichtlich nicht ausreicht, Mindestlöhne per Gesetz vorzuschreiben“, erklären die Forscher. „Notwendig sind geeignete Maßnahmen einer wirksamen Kontrolle.“

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Eine wirksame "Kontrolle" wäre ein zivilrechtlicher Mechanismus. Wer drei Monate infolge unter Mindestlohn zahlt, hat einen Mitarbeiter mit gesetzlichem Kündigungsschutz und entfristet. Das würde dazu führen, dass die Arbeitnehmer ihre Rechte selbst durchsetzen könnten. Vor Bußgeldern, die nicht kommen oder sehr gering sind, hat niemand Angst.

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