EuGH: Überraschende Schlussanträge in Sachen Asklepios Kliniken

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 07.02.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|4761 Aufrufe

Das BAG hatte den EuGH vor einiger Zeit um Vorabentscheidung über die Fortgeltung in Bezug genommener Tarifverträge nach einem Betriebsübergang (§ 613a BGB) ersucht. Hier im BeckBlog hatte ich ausführlich über den Vorlagebeschluss und dessen Hintergründe berichtet. Im Kern geht es darum, ob eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auch nach einem Betriebsübergang weiterhin dynamisch wirkt, selbst wenn der Betriebserwerber an diese Tarifverträge normativ gar nicht gebunden ist und auf ihre Gestaltung mangels Mitgliedschaft in dem entsprechenden Arbeitgeberverband auch keinen Einfluss hat. Das BAG hatte dies zuletzt jedenfalls für ab dem Jahre 2002 abgeschlossene Neuverträge durch entsprechende Auslegung der Bezugnahmeklauseln bejaht. Es bestanden aber Zweifel, ob dies mit der Rechtsprechung des EuGH zur Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG vereinbar ist.

In dem Verfahren vor dem EuGH hat Generalanwalt Yves Bot nun seinen Schlussantrag formuliert. Er spricht sich dafür aus, die zeitliche Wirkung der dynamischen Bezugnahmeklausel zu beschränken:

In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem der zwischen dem Veräußerer und den Arbeitnehmern geschlossene Arbeitsvertrag eine Klausel enthält, die auf die in einem Kollektivvertrag festgelegten Arbeitsbedingungen verweist, und in dem weder der Veräußerer noch der Erwerber am Verfahren der Aushandlung dieses Kollektivvertrags teilnehmen können, ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG (...) dahin auszulegen, dass er ausschließt, dass eine solche Klausel nach dem Betriebsübergang dynamischen Charakter hat, d. h., dass sie so ausgelegt wird, dass sie auch auf künftige Anpassungen dieses Kollektivvertrags verweist. Vielmehr verlangt die Verbindung zwischen den Abs. 1 und 3 des Art. 3* der Richtlinie 2001/23, dass die Verweisung in der im Arbeitsvertrag enthaltenen Klausel den zeitlichen Grenzen nach Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie unterliegt, die auf die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen anwendbar sind.

Würde der EuGH diesem Schlussantrag folgen, könnte künftig in Arbeitnehmerrechte durch einen Betriebsübergang weithin eingegriffen werden, soweit diese auf der Inbezugnahme eines (nur) beim Veräußerer geltenden Tarifvertrages beruhen.

EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 19.1.2017 in den Rechtssachen C-680/15 und C-681/15 (Asklepios Kliniken)

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* Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/23/EG lautet:

"Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.

Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, allerdings darf dieser nicht weniger als ein Jahr betragen."

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