"Alter Alki!"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.04.2017
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Nichts aus dem Verkehrsrecht. Allgemeines Strafrecht. Es geht um die Frage, ob es eigentlich beldeidigend ist, von einem anderen Menschen zu behaupten, er sei Alkoholiker/in. Das OLG Hamm hatte sich damit zu befassen. Und klar entschieden: "Kommt drauf an!"

Leitsatz des OLG:
Die bloße Behauptung, jemand sei Alkoholiker, ist bei isolierter Betrachtung womöglich nicht zur Verächtlichmachung geeignet, weil es sich insoweit um die Zuschreibung einer bloßen Krankheit handelt. Ist aber damit gleichzeitig die Behauptung verbunden, dass infolge des Alkoholismus Dienstpflichten verletzt werden, so kann jedenfalls dadurch der Tatbestand des § 186 StGB erfüllt sein.

Die Entscheidung hier im Volltext:

 
Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
 

Zusatz:

Die Eignung zum Verächtlichmachen oder Herabwürdigen der in dem Schreiben vom 23.04.2014 inkriminierten Textpassage ergibt sich noch nicht allein daraus, dass der Angeklagte die Zeugin B der Sache nach des Alkoholismus bezichtigt hat. Insoweit handelt es sich womöglich nur um die Zuschreibung einer Krankheit (vgl. ICD-10 F 10). Einer solchen Zuschreibung fehlt es, wenn zwar eine größere Be-völkerungsgruppe eine Tatsache als ehrenrührig ansieht, gerade diese Wertung aber im Widerspruch zur Rechtsordnung steht, etwa bei der Behauptung, eine Person sei „behindert“ oder „krank“ (Fischer, StGB, 64. Aufl., § 186 Rdn. 6 m.w.N.). Hier war es aber so, dass gleichzeitig behauptet wurde, dass die Zeugin den Antrag des Angeklagten drei Monate wegen ihres angeblich übermäßigen Alkoholgenusses nicht bearbeitet habe. Die Behauptung einer Pflichtversäumung infolge einer Alkoholer-krankung hat aber sehr wohl die Eignung zum Verächtlichmachen oder Herab-würdigen. Der Angeklagte hat nämlich hier nicht behauptet, dass die Bearbeitung stockte, weil die Zeugin im „Trockendock (Entziehungskur)“ war, sondern infolge ihres übermäßigen Alkoholgenusses, „der danach“ zur Entziehungskur geführt haben soll. Das beinhaltet aber den Vorwurf, dass die Zeugin statt alsbaldiger Behandlung ihrer Erkrankung oder Herbeiführung eines Vertretungsfalls durch Krankschreibung pflichtwidrig Vorgänge verzögert bearbeitet hat.

Oberlandesgericht Hamm, Besch. v. 14.3.2017 - 4 RVs 29/17

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Das erfüllt wohl nicht unbedingt den Straftatbestand der Beleidigung.

Jedoch handelt es sich womöglich um eine zivilrechtlich ahndbare Bloßstellung in der Öffentlichkeit oder Verletzung der Privatspähre und des Rechts auf informationele Selbstbestimmung und des Persönlichkeitsrechts.

In Zeiten von Internet und Twitter sollte der Gesetzgeber die Persönlichkeitsrechte stärker schützen.

Die Gesundheitsdaten der Bürger sollten geschützt werden, und zwar nicht nur im Hinblick auf Krankenkassen, Kliniken und Arztpraxen, und Informationen darüber, ob ein Bürger krank (z.B. alkoholkrank ist), gehen grundsätzlich nur den Betroffenen und seinen Ärzten etwas an, aber nicht die Öffentlichkeit.

Auch, welcher Bürger mit wem intime Beziehungen unterhält, geht grundsätzlich niemanden etwas an, und öffentliche Berichte oder Spekulationen darüber verletzen das Persönlichkeitsrecht der Beteiligten.

Mitmenschen werden so zwar nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handlens gemacht, aber sie werden zum bloßen Objekt privater Neugier gemacht, und ähnlich wie im Käfig ausgestellte Zootiere überwacht, begafft, bekommentiert und belästert.

Früher geschah so etwas in überschaubarem Kreis bei nachbarschaftlichen Kaffekränchen oder am Stammtisch der Eckkneipe und oder in einem Artikel einer Klatschzeitung der am nächsten Tag schon wieder vergessen war, und es war eher hinnehmbar, aber in Zeiten des unbegrenzt zugänglichen Internets sollte der Gesetzgeber den Schutz des Persönlichkeitsrechts anpassen und effektiver sicherstellen, so daß nur bei Wahrnehmung berechtigter Interessen (zB bei einem hinreichenden Verdacht, daß der Schulbusfahrer alkoholkrank und zu Führen von KFZ ungeeignet ist, und so Leib und Leben der Schulkinder gefährdet) private Angelegenheiten über Mitmenschen publiziert werden dürfen.

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