Regelfahrverbot an der Bahnschranke: Nicht, wenn sich die Schranke schon öffnet

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.09.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|3064 Aufrufe

So ganz viele Fahrverbotsentscheidungen zum Fahrverbot an der Bahnschranke gibt es nicht. Wer sich über die Thematik einmal informieren will, der kann das in meinem Buch zum Fahrverbot tun oder auch in meinem Aufsatz Bußgeldverstöße und Fahrverbot bei verbotswidriger Querung des Bahnübergangs in NZV 2010, 602. Jetzt hatte das OLG Naumburg dazu zu entscheiden, wie es denn ist, wenn der Verstoß begangen wird bei Öffnung der Schranken nach Passieren des Zuges:

Die Feststellungen belegen, dass der Betroffenen unter Verstoß gegen seine Wartepflicht den Bahnübergang überquert hat, obgleich noch rotes Blinklicht gegeben wurde (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 StVO). Dass die Schranken sich gleichzeitig weder senkten noch geschlossen waren, sondern bereits öffneten, ändert an diesem Verstoß nichts. Indes rechtfertigen die Feststellungen weder die Verhängung der Geldbuße von 240,00 €, noch die Verhängung eines Fahrverbots.

Zwar sind diese Sanktionen im Regelfall nach § 4 BKatV, Nr. 83b.2 BKatV vorgesehen. Ein Regelfall liegt indes weder hinsichtlich der Bußgeldhöhe noch hinsichtlich des Fahrverbotes vor.

Nach § 1 Abs. 2 BKatV sind die im Bußgeldkatalog bestimmten Beträge Regelsätze, sie gehen von gewöhnlichen Tatumständen aus. Solche liegen nicht vor, vielmehr hat das Verhalten des Betroffenen nicht zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt, wie es in der Regel bei Verstößen gegen § 19 Abs. 2 Nr. 2 StVO der Fall ist.

Die Schranken am Bahnübergang beginnen sich erst zu öffnen, wenn in absehbarer Zeit kein weiterer Zug durchfährt. Das gilt auch, wenn das rote Blinklicht (planwidrig?) noch nicht erloschen ist. Der Fall liegt insoweit anders als in der Konstellation, dass beim unbeschrankten Bahnübergang das Blinklicht leuchtet und der Verkehrsteilnehmer sich aus seiner Sicht zutreffend davon überzeugt hat, dass sich kein Schienenverkehr nähert. In diesen Fällen ist ein Irrtum seinerseits nie auszuschließen, weshalb ein Verstoß gegen die Haltepflicht unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung stets eine jedenfalls abstrakte Gefahr einer Kollision mit dem Schienenverkehr begründet. Mit Beginn der Schrankenöffnung besteht dagegen auch die abstrakte Gefahr einer Kollision nicht mehr.

Der Senat hat in der Sache durchentschieden. Er erachtet die Verhängung einer Geldbuße von 80,00 €, die im Bußgeldkatalog für den Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 StVO vorgesehen ist, als angemessen.

Ein Fahrverbot kommt hier nicht in Betracht. Nach § 25 Abs. 1 StVG kann ein solches nur verhängt werden, wenn der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat. Beharrlichkeit scheidet hier aus, eine grobe Pflichtwidrigkeit erfordert unter anderem objektiv die besondere Gefährlichkeit des Verstoßes (Erfolgsunwert). Das Überqueren des Bahnübergangs während der Öffnung der Schranken führt nicht zu einer abstrakten, geschweige denn zu einer konkreten Gefahr.

OLG Naumburg Beschl. v. 21.3.2017 – 2 Ws 6/17, BeckRS 2017, 124240

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