Eröffnungsbeschluss fehlt: Übernahme, Verbindung und Aufrechterhaltung des Haftbefehls durch LG heilen nicht!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.10.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2764 Aufrufe

Das AG hatte der Kammer vorgelegt. Da war nämlich bereits ein Verfahren gegen den Angeklagten anhängig. Die Kommer hat das Verfahren erwartungsgemäß übernommen und verbunden. Und die Haft gegen den Angeklagten fortdauern lassen und verurteilt.....leider hat sie aber im Eifer des Geschäfts den Eröffnungsbeschluss vergessen. Und der BGH hat`s gesehen:

2. Damit fehlt es hinsichtlich der Tat vom 15. Februar 2016 an einem
wirksamen Eröffnungsbeschluss. Die Eröffnungsentscheidung der Strafkammer
vom 16. September 2016 bezog sich ausdrücklich nur auf die Anklage zur Tat
vom 10. Mai 2016. Der von der Strafkammer gleichzeitig beschlossenen Übernahme
und Hinzuverbindung des noch im Zwischenverfahren befindlichen
amtsgerichtlichen Verfahrens kann nicht die Bedeutung einer konkludenten Er-
öffnung des Hauptverfahrens beigemessen werden.

Zur Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 203 StPO genügt zwar
auch eine schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage
nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung
zuzulassen
(BGH, Beschluss vom 4. August 2016 - 4 StR 230/16,
NStZ 2016, 747; Senat, Beschluss vom 17. Dezember 1999 - 2 StR 376/99,
NStZ 2000, 442, 443 mwN). Dennoch bedarf es im Hinblick auf die Bedeutung
des Eröffnungsbeschlusses als Grundlage des Hauptverfahrens regelmäßig
einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung. Aus Gründen der Rechtsklarheit
ist es erforderlich, dass die Urkunde aus sich heraus und in Verbindung
mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass die zuständigen
Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen haben
(Senat, Beschluss vom 16. Juni 2015 - 2 StR 29/15, StV 2015, 740; BGH, Beschluss
vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, BGHR StPO § 207 Beschluss 1).
Die von der Strafkammer mit demselben Beschluss herbeigeführte Verbindung
des amtsgerichtlichen Verfahrens wegen des Tatvorwurfs vom
15. Februar 2016 hat nicht die Wirkung eines Beschlusses über die Zulassung
der in dem übernommenen Verfahren erhobenen Anklage und über die Eröffnung
des Hauptverfahrens.
Denn dem Verbindungsbeschluss ist nicht mit der
erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, dass das Landgericht hinsichtlich der
übernommenen Anklage die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft und angenommen
hat (vgl. zur ähnlichen Fallkonstellation BGH, Beschluss vom
9. Januar 1987 - 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; Beschluss vom 11. Januar
2011 - 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150; BayObLG, Urteil vom 5. August 1997
– 2 St RR 154/97, NStZ-RR 1998, 109).
Die Entscheidung der Strafkammer über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls
in dem bei ihr angeklagten Verfahren vermag den fehlenden Eröffnungsbeschluss
ebenfalls nicht zu ersetzen
(vgl. BGH, Beschluss vom
5. Februar 1998 – 4 StR 606/97, NStZ-RR 1999, 14, 15), da die Aufrechterhaltung
des Haftbefehls lediglich den Tatvorwurf vom 10. Mai 2016 betrifft.
Eine Eröffnung des Hauptverfahrens ergibt sich auch nicht daraus, dass
in der Hauptverhandlung vom 16. Januar 2017 beide Anklageschriften unbeanstandet
verlesen und der Vorsitzende auch hinsichtlich der Anklageschrift vom
6. April 2016, betreffend den Tatvorwurf vom 15. Februar 2016, irrtümlich festgestellt
hat, dass diese durch Beschluss der Strafkammer vom 16. September
2016 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor der
2. Strafkammer eröffnet worden sowie eine Verbindung zu dem zuvor beim
Landgericht geführten Verfahren erfolgt sei. Die Dokumentation einer grund-
sätzlich möglichen Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung
scheitert hier bereits daran, dass die Strafkammer lediglich mit zwei
Berufsrichtern verhandelte. Eine Eröffnungsentscheidung ist indes durch die
Strafkammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung, also mit drei
Berufsrichtern ohne Schöffen, zu treffen (BGH, Beschluss vom 29. September
2011 – 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226, Urteil vom 25. Februar 2010
4 StR 596/09, juris, Rn. 12).

Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses stellt ein in der Revisionsinstanz
nicht behebbares Verfahrenshindernis dar, das zur Einstellung des gerichtlichen
Verfahrens hinsichtlich des Tatvorwurfs vom 15. Februar 2016 nach § 206a
StPO mit der Kostenfolge gemäß § 467 Abs. 1 StPO führt
(vgl. BGH, Beschluss
vom 4. August 2016 – 4 StR 230/16, NStZ 2016, 747; Senat, Beschluss vom
16. Juni 2015 – 2 StR 29/15, StV 2015, 740, 741). 

BGH, Beschluss vom 16.8.2017 - 2 StR 199/17 

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