BAG legt dem EuGH Fragen zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Massenentlassungsanzeige vor

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 21.11.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3779 Aufrufe

Das BAG hält den EuGH auf Trab, jetzt mit einem Vorabentscheidungsersuchen (Beschluss vom 16.11 2017 - 2 AZR 90/17 (A) – PM 51/17), das nicht ganz überraschend kommt. Es geht um die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Anwendung der Massenentlassungsvorschriften. Zum Hintergrund: Beabsichtigt ein Arbeitgeber, eine größere Anzahl von Arbeitnehmern innerhalb von 30 Tagen zu entlassen, kann es sich um eine sog. Massenentlassung im Sinne von § 17 Abs. 1 KSchG handeln. In diesem Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Arbeitsagentur die geplanten Entlassungen vorab anzuzeigen. Ab wann eine Massenentlassung vorliegt, ist zahlenmäßig in § 17 Abs.1 KSchG definiert und hängt von der Betriebsgröße ab. Fraglich ist, ob bei diesen Schwellenwerten Leiharbeitnehmer mitzählen. Zwar hat der Gesetzgeber im Rahmen der letzten AÜG-Reform in § 14 Abs. 2 AÜG n.F. die Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer im Rahmen der Betriebsverfassung und der Mitbestimmung ausdrücklich geregelt. Für das Massenentlassungsverfahren fehlt indes eine entsprechende Festlegung. Da es sich hier um einen richtliniendeterminierten Bereich handelt, drängt sich in der Tat eine Vorlage an den EuGH auf.

Der 2. Senat des BAG hat folgerichtig entschieden, den EuGH nach Art. 267 AEUV um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (Massenentlassungsrichtlinie) zu ersuchen. Für den Senat ist in dem betreffenden Ausgangsverfahren entscheidungserheblich, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Zahl der in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG zu berücksichtigen sind.

Die Vorlagefragen lauten wie folgt:

1. Ist Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der RL 98/59/EG dahin auszulegen, dass zur Bestimmung der Zahl der in der Regel in einem Betrieb tätigen Arbeitnehmer auf die Anzahl der im Zeitpunkt der Entlassung bei gewöhnlichem Geschäftsgang beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen ist?

2. Ist Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a RL 98/59/EG dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung der Zahl der in der Regel in einem Betrieb eines entleihenden Unternehmens tätigen Arbeitnehmer dort eingesetzte Leiharbeitnehmer mitzählen können?

Sofern die zweite Frage bejaht wird:

3. Welche Voraussetzungen gelten für die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Bestimmung der Anzahl der in der Regel in einem Betrieb eines entleihenden Unternehmens tätigen Arbeitnehmer?

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