Rettungswagen gegen Linksabbieger: Unfall -> "Wer ist schuld?"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.02.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|4080 Aufrufe

Mal etwas aus dem Verkehrszivilrecht. Ein Rettungswagen kollidiert mit einem Linksabbieger, den er überholt hat. Damit hat sich das OLG München gerade befasst. Und (Leitsatz 1) noch einmal klargestellt, dass die Frage des sonderrechtes nicht "ex post" zu beurteilen ist:

1. Für die im Rahmen von § 35 Abs. 5a StVO erforderliche Beurteilung, ob höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, kommt es nicht auf eine Betrachtung ex post, sondern darauf an, ob sich der Einsatzfahrer nach der ihm bekannten Lage für berechtigt halten durfte, die Sonderrechte in Anspruch zu nehmen (Anschluss OLG Düsseldorf BeckRS 2010, 05687). Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit derjenige, der sich auf die Sonderrechte beruft. 

 
2. Der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs mit aktiviertem Blaulicht und Martinshorn darf an einer ampelgeregelten Kreuzung darauf vertrauen, dass die anderen Verkehrsteilnehmer, für die Grünlicht gilt, dem bei Rotlicht die Kreuzung überquerenden Einsatzfahrzeug freie Bahn gewähren, wenn sie ihr Tempo hinreichend reduzieren (vgl. BeckRS 2009, 20625).
 
3. Demgegenüber darf der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs trotz aktiviertem Blaulicht und Martinshorn nicht darauf vertrauen, dass ein Linksabbieger, der vor dem Abbiegen sein Tempo reduziert oder anhält, insbesondere wenn der linke Fahrtrichtungsanzeiger nicht abgestellt wird, das von hinten kommende Einsatzfahrzeug noch vor dem Abbiegen überholen lässt (entgegen LG Saarbrücken BeckRS 2011, 21692). Überholt der Fahrer des Einsatzfahrzeugs den Linksabbieger dennoch, kann darin ein Verstoß gegen § 35 Abs. 8 StVO liegen.
 
 
4. Kollidiert ein Einsatzfahrzeug mit aktiviertem Blaulicht und Martinshorn mit einem von ihm unter Verstoß gegen § 35 Abs. 8 StVO überholten, seinerseits gegen § 9 Abs. 1 S. 4, § 38 Abs. 1 S. 2 StVO verstoßenden Linksabbieger, so kommt eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten des Linksabbiegers in Betracht.
 
OLG München, Endurteil v. 12.1.2018 – 10 U 2135/17, BeckRS 2018, 82

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