Dolmetscherkosten sind keine Kassenleistungen

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 05.04.2018
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Zieht ein Patient bei Arztbesuchen einen Dolmetscher hinzu, muss die gesetzliche Krankenkasse nicht für die dessen Kosten aufkommen. Das entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in dem gerade veröffentlichten Urteil vom 30.1.2018 – 4 KR 147/14, BeckRS 2018, 4163.

Ausgangslage

Der Arzt ist verpflichtet seinen Patienten umfassend aufzuklären (§ 630e Abs. 1 BGB). Das Gespräch muss für den Patienten verständlich sein (§ 630e Abs. 2 Nr. 3 BGB). Der Arzt muss also darauf achten, dass die medizinische Aufklärung dem Patienten sprachlich korrekt übermittelt wird. Fehlen dem Patienten die notwendigen Sprachkenntnisse, ist der Arzt verpflichtet, einen Dolmetscher einzuschalten. Nicht erforderlich ist jedoch die Hinzuziehung eines vereidigten Dolmetschers. Übersetzungstätigkeiten von Familienangehörigen beispielsweise reichen aus.

Der Fall vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen

Ein Blutkrebspatient, der ursprünglich aus Serbien stammte und in Deutschland gesetzlich krankenversichert war, hatte in den Jahren 2010 und 2011 die Hilfe eines vereidigten Dolmetschers in Anspruch genommen. Dieser begleitete den Mann bei Arztbesuchen, Strahlentherapien und Behördengängen. Der Patient verstarb 2011. Der Dolmetscher verlangte von der Krankenkasse des Versicherten für seine Übersetzungstätigkeit insgesamt rund 4900,- €. Er argumentierte, die medizinische Versorgung des Patienten sei ohne seine Übersetzung gefährdet gewesen. Die Kasse lehnte die Kostenübernahme ab.

Das Landessozialgericht bestätigte die Auffassung der Krankenkasse. Wie auch schon die Vorinstanz (SG Hannover) sieht das Gericht keinerlei Anspruchsgrundlage für eine Kostenübernahme.  Insbesondere könne der Anspruch nicht aus § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB V hergeleitet werden. Tätigkeiten von Hilfspersonen seien nur dann abrechenbar, wenn sie der ärztlichen Berufsausübung zuzurechnen seien. Die Unterstützung durch Hilfspersonen müsste vom Arzt aufgrund seines Fachwissens verantwortet werden. Er müsste sie überwachen und anleiten können. Ein Dolmetscher stünde jedoch außerhalb der Reichweite ärztlicher Kontrolle oder Verantwortung. Hieran ändere es auch nichts, wenn die Tätigkeit ärztlich befürwortet oder angeordnet werde.

Die Sozialrichter erkannten, dass Übersetzungstätigkeiten beim Arztbesuch für fremdsprachige Patienten notwendig sein können. Eine planwidrige Gesetzeslücke, die hier durch Richterrecht geschlossen werden müsse, (dazu schon das Urteil des BSG vom 10. Mai 1995  - 1 RK 20/94) sehen sie aber nicht.

Dolmetschertätigkeit im stationären Bereich

Auch bei der stationären Behandlung wird teilweise vertreten, dass der Patient, ebenso wie bei einem ambulanten Arztbesuch, selbst für den professionellen Dolmetscher aufkommen muss. Dagegen sehen andere den Krankenhausträger in der Pflicht. Denn die Dolmetscherkosten gehörten zu den allgemeinen Krankenhausleistungen im Sinn des § 2 Absatz 2 Satz 1 des KHEntgG (Krankenhausentgeltgesetz). Ergänzend wird § 39 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit den §§ 108, 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V herangezogen. Jedes zugelassene Krankenhaus sei danach verpflichtet, alle Leistungen zu erbringen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung des Versicherten notwendig sind.

Dolmetschertätigkeit für Flüchtlinge und Asylsuchende

Eine besondere Situation ergibt sich bei den Flüchtlingen und Asylsuchenden. Diese sind nicht automatisch gesetzlich krankenversichert. Hier richtet sich die Kostenübernahme der medizinischen Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Für eine Übernahme der Dolmetschertätigkeit fehlen die gesetzlichen Voraussetzungen. Daher hat sich der 119. Deutsche Ärztetag 2016 in Hamburg auch mit dem Einsatz von qualifizierten Dolmetschern bei der Behandlung von Flüchtlingen und Asylbewerbern beschäftigt. Dolmetscherkosten sollen nach dem Beschlussprotokoll des Ärztetages vom Mai 2016 „als notwendiger Bestandteil der Krankenbehandlung anerkannt werden. Die Finanzierung muss in das SGB V aufgenommen werden.“

Weiterführende links zu dieser Fragestellung:

Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage nach der gesundheitlichen Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vom 22.07.2014 (Drucksache 18/2184): http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/021/1802184.pdf.

Zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen siehe auch die Zusammenstellung der Deutschen Krankenhausgesellschaft: http://www.dkgev.de/media/file/22105.RS463-2015_Anlage_Gesundheitsversorgung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchenden.pdf.

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