OLG Hamm: „Praxisklinik“ nur mit einem Bett für die Nacht

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 11.05.2018
Rechtsgebiete: WettbewerbsrechtWeitere ThemenMedizinrecht|2918 Aufrufe

Der Begriff „Praxisklinik“ wird schon lange diskutiert. Gerade im Zuge von Krankenhausschließungen nimmt die Diskussion wieder Fahrt auf. Die „Praxisklinik“ ist eine Einrichtung des vertragsärztlichen Bereichs. Dort können sich gesetzlich und privat Versicherte von Ärzten ambulant operieren lassen. Wie der stationäre Aspekt auszugestalten sein muss, war nicht genau definiert. Nach überwiegender Auffassung sollte der Patient nach der OP die Möglichkeit haben auch über Nacht zu bleiben.

Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 27.02.2018 - 4 U 161/17 (BeckRS 2018, 7852) klargestellt, dass eine Zahnarztpraxis sich nicht „Praxisklinik“ nennen darf, wenn der Zahnarzt ausschließlich ambulante Behandlungen anbietet. Dem Patienten müsse zumindest vorübergehend die stationäre Aufnahme ermöglicht werden. Ansonsten sei der Begriff „Praxisklinik“ irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.

Die Wettbewerbszentrale klagte gegen einen Zahnarzt, der im Internet für seine Praxis mit der Bezeichnung „Praxisklinik“ warb. Der Zahnarzt meinte, dass der Begriff „Klinik“ nach heutigem Sprachverständnis nur mit größeren Operationen, nicht jedoch mit Übernachtungsmöglichkeiten in Zusammenhang gebracht werde. Eine Behandlungsnachsorge über Nacht bot er nicht an. Die Dentalmedizin sei inzwischen dadurch geprägt, dass es ausschließlich noch zu wissenschaftlichen Zwecken klinische Einrichtungen gebe, behauptete der Zahnarzt.

Das Landgericht Essen, Urteil vom 8.11.2017 – 44 O 21/17 (BeckRS 2017, 141358) hatte in erster Instanz dem Zahnarzt Recht gegeben und die Klage abgewiesen. Die Richter sahen eine begriffliche Verwandtschaft zu dem Wort „Tagesklinik“. Damit sei, nach Ansicht des Gerichts, kein stationärer Aufenthalt zu verstehen.

Die Oberlandesrichter räumten ein, dass ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher bei einer „Praxisklinik" zwar mit einer im Schwerpunkt ambulanten zahnärztlichen Versorgung rechne. Von einer „Praxisklinik“ werde aber mehr erwartet als dass dort umfangreiche Operationen vorgenommen würden. Ein Patient verspreche sich die erforderlichen Einrichtungen für eine, wenn auch nur für den Ausnahmefall vorübergehenden stationären Aufnahme, und zwar auch über Nacht. Damit präsentiere sich die Praxisklinik als die vorzugswürdige Alternative zur rein ambulanten Zahnarztpraxis. Die Verwendung des Begriffs „Praxisklinik“ im Internetauftritt des Zahnarztes sei wettbewerbswidrig, entschieden die Richter. 

Praxishinweis

Das Urteil wird nun vom Bundesgerichtshof überprüft (Az.: I ZR 58/18). Solange bedeutet das für die Praxen: Die Ärzte, die den Begriff „Praxisklinik“ verwenden, aber nicht die Versorgung über Nacht gewährleisten können, laufen Gefahr, eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungserklärung abgeben zu müssen. Es reicht nicht, wenn die Ärzte ein oder zwei Zimmer mit Betten ausstatten. Sie müssen auch Pflege und Verpflegung anbieten. Dann wird aus der Praxis eine gewerberechtlich genehmigungspflichtige Privatkrankenanstalt (§ 30 GewO). Diese benötigt eine Konzession. Die Konzession wird erteilt, wenn die Anforderungen beispielsweise des Brandschutzes, der Rettungswege etc. eingehalten werden können. Für Ärzte oder Zahnärzte ist es sicherlich sinnvoll, diese Möglichkeit zu überprüfen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen