EuGH: Zum Umfang des kartellrechtlichen Vollzugsverbots vor Genehmigung des Zusammenschlusses („Gun Jumping“)

von Ulrike Wollenweber, veröffentlicht am 11.06.2018

Der EuGH hat mit Urteil vom 31. Mai 2018 (Rechtssache C-633/16 – „Ernst & Young“, BeckRS 2018, 9754) den Umfang des kartellrechtlichen Vollzugsverbots (sog. „Gun Jumping“) präzisiert. Er hat entschieden, dass ein Vollzug nur dann anzunehmen ist, wenn der Erwerber tatsächlich Kontrolle über die Zielgesellschaft erwirbt bzw. Maßnahmen vornimmt, die zu einer Veränderung der Kontrollverhältnisse führen. Unerheblich sei, ob die Maßnahmen Auswirkungen auf den Markt haben oder unumkehrbar sind. Damit schränkt der EuGH die Reichweite des Vollzugsverbots, das in jüngerer Zeit von den nationalen Behörden teilweise relativ weit ausgelegt wurde, weiter ein.

Vorliegend hatten verschiedene KPMG und Ernst & Young („EY“) Gesellschaften die Zusammenlegung ihrer Geschäftstätigkeiten in Dänemark vereinbart. Die KPMG Gesellschaften waren damals noch Mitglieder eines internationalen KPMG Netzwerks und Vertragsparteien eines entsprechenden Kooperationsvertrags. Diesen Kooperationsvertrag kündigten die KPMG Gesellschaften, bevor die Fusion mit EY von der dänischen Kartellbehörde genehmigt worden war. Da das Vollzugsverbot im dänischen Recht dem europäischen Recht entspricht, hatten die dänischen Gerichte die Frage dem EuGH vorgelegt.

Der EuGH hat entschieden, dass die Kündigung des Kooperationsvertrags hier nicht als „Gun Jumping“ zu werten sei, weil dies nicht zu einer Veränderung in der Kontrolle des geplanten Zusammenschlussvorhabens geführt habe. Die Kündigung des Kooperationsvertrags habe zwar im Zusammenhang mit dem Zusammenschlussvorhaben gestanden, EY habe jedoch dadurch keinen Einfluss auf die KPMG Gesellschaften erhalten. Dies gelte unabhängig davon, ob die Kündigung Auswirkungen auf den Markt hatte.

Trotz dieser engen Auslegung bleibt abzuwarten, wie die Kartellbehörden in Zukunft vorgehen werden und Unternehmen sollten weiterhin vorsichtig bleiben. Erst kürzlich hatte die EU Kommission ein Rekordbußgeld in Höhe von 124,5 Mio. Euro wegen Gun Jumping verhängt, weil das im Bereich der Telekommunikation tätige Unternehmen Altice nach Ansicht der EU-Kommission den Erwerb von Portugal Telecom bereits teilweise vor der Notifizierung bzw. Freigabe des Zusammenschlussvorhabens vollzogen hatte (vgl. die Pressemitteilung der EU-Kommission vom 24. April 2018).

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