Koloniale Objekte, Restitution und der Jahresabschluss von Museen

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 29.06.2018
Die Boma in Iringa (Tansania) [Foto: C. Koss Feb. 2018]

Der Kibo (Uhuru Peak) ist der höchste Gipfel des Kilimandscharo-Massivs und mit 5.895 Metern der höchste Punkt Afrikas. Bis 1964 wurde der Gipfel noch "Kaiser-Wilhelm-Spitze" genannt (inzwischen heißt der Gipfel "Uhuru", auf Suaheli 'Freiheit'). Zum Zeichen der Inbesitznahme des Massivs durch das Deutsche Reich entnahm der Leipziger Bergsteiger, Geograph und Afrikareisende Hans Meyer 1890 eine Gesteinsprobe aus schwarzem Lavafels aus der Mittelspitze und überreichte diese  Wilhelm II. Der damalige deutsche Kaiser soll dieses Souvenir zunächst als einfachen Briefbeschwerer verwendet haben.

Dieses Stück Gestein steht ebenso wie andere Objekte für einen nach Auffassung der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, bisher unzureichend erforschten Teil deutscher Geschichte: Deutschlands koloniale Vergangenheit. Die Stiftung "Deutsche Zentrum Kulturgutverluste" in Magdeburg soll die Aufarbeitung der Provenienzen des "Kolonialen Erbes" in deutschen Museen vorantreiben.

Das treibt den Bilanzrechtler zu der Frage: wie Rückgabeansprüche im Jahresabschluss deutscher Museen abbilden? Denn die Sammlungen sind auf der Aktivseite der Bilanz erfasst.

  • Eine Darstellung der Rückgabeverpflichtung als Rückstellung oder Verbindlichkeit scheidet nach hier vertretener Auffassung aus. Denn der Übergabe eines Gegenstandes lässt sich kein "Erfüllungsbetrag" (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB) zuordnen.
  • Auch scheidet eine Angabepflicht unter den Haftungsverhältnissen aus, da die "Rückübereignung" nicht in § 251 HGB genannt wird.
  • Bleibt die Frage einer Anhangsangabepflicht? Aber §§ 284 ff. HGB stellen auf finanzielle Verpflichtungen ab, nicht auf 'Realakte'. So sind nicht bilanzierte Geschäfte nur dann aufzuführen, wenn sie "für die Beurteilung der Finanzlage ... erforderlich" sind (§ 285 Nr. 3 HGB). Auch muss es sich bei der Anhangsangabe nach § 285 Nr. 3a HGB um sonstige "finanzielle Verpflichtungen" handeln. Die Rückgabe einer Skulptur verändert aber die finanzielle Position nicht, sondern nur das Vermögen.
  • Nach hier vertretener Auffassung stellt die  nicht bilanzierungspflichtige Rückgabeverpflichtung und das Fehlen anderer Angabepflichten einen "besonderen Umstand" i.S.d. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB dar. Die Konsequenz: weil die Rückgabeverpflichtung nicht anderweitig ersichtlich ist, müssen im Anhang zusätzliche Angaben hierzu gemacht werden.

Auf jeden Fall Erwähnung finden müssen die Rückgabepflichten im Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks oder dem Lagebericht, sei es unter dem Gesichtspunkt der Risikoberichterstattung oder sei es unter dem Aspekt der Lage des Museums.

Wird ein Museum in der Rechtsform der Stiftung des bürgerlichen Rechts betrieben, stellt sich die Frage der Kapitalerhaltung. Denn nahezu alle Landesstiftungsgesetze sehen die Pflicht zur Kapitalerhaltung vor.
Bei kolonialen Objekten handelt es sich um einen Fall der "gegenständlichen Erhaltung des Stiftungsvermögens oder einzelner Vermögensgegenstände" (IDW RS HFA 5, Rz. 9). Bei enger Auslegung der Kapitalerhaltungsvorschrift würde der Stiftungsvorstand mit der Restitution gegen diese gesetzliche Pflicht verstoßen. Nach hier vertretener Auffassung stellt die Rückgabe nicht rechtmäßig erworbenen Vermögens keinen Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften dar. Denn nicht rechtmäßig erworbenes Vermögen war 'von vorneherein' nicht vorhanden, ist also erfolgsneutral gegen das Eigenkapital auszubuchen.

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