28. August 2009: Schicksalstag eines Proberichters

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.12.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht78|9028 Aufrufe

In der Presse und auch der juristischen Öffentlichkeit ist der Fall des Proberichters, der einem Angeklagten eine Zelle gezeigt hatte und ihn auch kurz einmal zur Probe eingesperrt hatte, bereits thematisiert worden. Man hätte nun hoffen können, dass über 9 Jahre nach der Tat endlich einmal ein Schlussstrich gezogen werden kann. Geht aber nicht. Der BGH hat gerade alles nochmals "auf Null" gesetzt. Zum durchaus aus Praktikersicht interessanten Sachverhalt heißt es beim BGH:

 

Beim Aufruf der Sache am 28. August 2009 erschien der Beschuldigte
zunächst nicht. Nach einer kurzen Wartezeit regte der Sitzungsvertreter der
Staatsanwaltschaft an, den Einspruch gegen den Strafbefehl zu verwerfen.
Damit war der Angeklagte nicht einverstanden. Schließlich erschien der Beschuldigte,
so dass die Hauptverhandlung durchgeführt werden konnte. Der
Staatsanwalt verlas den Strafbefehl. Anschließend stellte der Angeklagte fest,
dass der Beschuldigte rechtzeitig Einspruch eingelegt habe. Dabei wies der
Angeklagte zumindest einmal darauf hin, dass es im Weiteren nur noch um die
Höhe einer Geldstrafe gehe, und gab seine Rechtsauffassung damit zu erkennen,
dass der Einspruch auf das Strafmaß beschränkt sei.

Der Angeklagte belehrte den Beschuldigten, dass es ihm freistehe, sich
zu den Vorwürfen zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, woraufhin dieser
Angaben machte und dabei zunächst bei seiner bisherigen Einlassung
blieb, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Daran änderte sich auch nichts, als
der Angeklagte dem Beschuldigten bei seiner intensiven Befragung vorhielt,
dass er im Wiederholungsfalle mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen habe, wobei
er im Gefängnis ein leichtes Opfer für sexuelle Übergriffe durch Mithäftlinge sei.
Auch der Hinweis des Staatsanwalts, ein Geständnis könne sich strafmildernd
auswirken, blieb ohne Wirkung. Der Angeklagte wurde immer ungeduldiger, da
er unbedingt wollte, dass der Beschuldigte die Tat in vollem Umfang einräumte.
Aus seiner Sicht benötigte er das Geständnis, um bei dem Beschuldigten die für
die geplante Weisung erforderliche Therapieeinsicht zu wecken. Der Beschuldigte
schwankte während dieser Befragung zwar, ob er nicht doch – entsprechend
dem tatsächlichen Geschehen – ein vollumfängliches Geständnis ablegen
solle, konnte sich letztlich aber nicht entschließen, weil er befürchtete, in
Zukunft überwacht zu werden, und auch eine Geldstrafe unbedingt von sich
abwenden wollte.
In dieser Verfahrenssituation entschloss sich der Angeklagte, den Druck
auf den Beschuldigten dadurch zu erhöhen, dass er ihn in den Gewahrsam des
Amtsgerichts führen und ihm dort eine Gewahrsamszelle zeigen ließ. Er sprang
deshalb plötzlich mit den Worten auf: „Sie kommen jetzt mit, ich zeige Ihnen
mal, wie Ihre Zukunft aussehen kann.“ Der Angeklagte verließ mit dem Beschuldigten
den Sitzungssaal, ohne den anderen Verfahrensbeteiligten mitzuteilen,
was er vorhatte. Während der Beschuldigte im Foyer des Amtsgerichts wartete,
begab sich der Angeklagte zunächst zur Wachtmeisterei und anschließend
– begleitet von einem Wachtmeister – in den Gewahrsamsbereich in den Keller
des Amtsgerichts. Dort forderte er den mittlerweile verängstigten und einge-
schüchterten Beschuldigten auf, eine der drei Zellen zu betreten, was dieser
ohne jeden Widerstand tat, wobei dieser fragte, ob er das WC in der Zelle benutzen
dürfe. Der Angeklagte, der durch dieses Verhalten irritiert war und den
Eindruck hatte, der Beschuldigte nehme die Situation nicht ernst, lehnte dies
ab, weil die Toilette ansonsten wieder gereinigt werden müsse. Er sagte ihm
aber zu, gleich eine normale Toilette im Erdgeschoss benutzen zu können. Vor
diesem Hintergrund entschloss sich der Angeklagte, den Beschuldigten für eine
kurze Zeit in der Gewahrsamszelle einzusperren, um ihn dadurch zusätzlich
unter Druck zu setzen und von ihm sodann ein vollumfängliches Geständnis zu
erlangen. Der Angeklagte fragte ihn deshalb, ob er einmal sehen wolle, wie es
in einer Zelle so sei. Er werde die Tür für ca. eine Minute schließen, aber nicht
verriegeln. Der Beschuldigte könne jederzeit klopfen, wenn er Angst habe und
die Zelle verlassen wolle. Der nunmehr völlig verängstigte Beschuldigte leistete
diesen Anweisungen des Angeklagten Folge und setzte sich auf die in der Zelle
befindliche Bank. Sodann schloss der anwesende Wachtmeister auf Anweisung
des Angeklagten die Zellentür und legte von außen einen Riegel vor. Nach einer
kurzen Zeitspanne, möglicherweise weniger als eine Minute, öffnete der
Wachtmeister die Zellentür auf Anweisung des Angeklagten. Der Beschuldigte
verließ die Zelle und äußerte dabei, man habe in einer solchen Zelle viel Zeit
zum Nachdenken. Der Angeklagte erschien mit dem Beschuldigten, der zuvor
noch eine Toilette im Erdgeschoss aufgesucht hatte, wieder im Sitzungssaal,
wobei die Unterbrechung etwa fünf Minuten gedauert hatte. Dort wurde die
Hauptverhandlung – ohne weitere Erklärung oder Nachfrage der anderen Verfahrensbeteiligten
– fortgesetzt.
Der Beschuldigte bestritt die Tat weiterhin. Daraufhin verlas der Staatsanwalt
auf Bitte des Angeklagten aus dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen
dessen Einschätzung des Beschuldigten vor. Danach liege bei
diesem ein sexueller Masochismus vor, zudem bestehe der Verdacht auf einen
Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen sowie auf einen
Fetischismus. Insoweit lägen die Voraussetzungen einer erheblich verminderten
Schuldfähigkeit nach § 21 StGB und auch die medizinischen Voraussetzungen
einer Unterbringung nach § 63 StGB vor. Der Angeklagte wollte durch die Verlesung
den Druck auf den Beschuldigten nochmals erhöhen, um endlich das
erstrebte Geständnis zu erreichen. Dass das Gutachten durch Verlesen nicht
prozessordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt werden konnte, war dem
Angeklagten zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst. Auch teilte er dem Beschuldigten
nicht direkt mit, dass er eine Unterbringung gar nicht in Erwägung
zog. Diesem war jedoch durch die vorangegangenen Äußerungen des Angeklagten
klar, dass ihm eine Gefängnisstrafe oder die Unterbringung in einer geschlossenen
Einrichtung nur bei weiteren Straftaten drohen könnten.
Nach Erörterung dieses Gutachtens mit dem Beschuldigten räumte dieser,
auch unter dem Eindruck des Aufenthaltes in der Zelle, den vorsätzlichen
Verstoß gegen § 183 StGB ein und war vor diesem Hintergrund auch bereit,
sich einer ambulanten Therapie zu unterziehen. Die Beweisaufnahme wurde
geschlossen. Der Staatsanwalt beantragte, den Beschuldigten unter Vorbehalt
einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 € zu verwarnen und ihm eine
Therapieweisung zu erteilen. Abschließend erklärte der Beschuldigte, dass ihn
der Verhandlungstermin sehr mitgenommen habe und er sich umgehend um
eine Therapie kümmern wolle.
Der Angeklagte verkündete dem staatsanwaltschaftlichen Antrag entsprechend
ein Urteil, wobei die Tagessatzhöhe lediglich 7 € betrug. Im Rahmen
des Bewährungsbeschlusses wurde dem Beschuldigten die Weisung erteilt,
sich innerhalb von zwei Monaten nach Rechtskraft des Urteils in eine ambulan-
te Therapie zu begeben. Anschließend belehrte der Angeklagte den Beschuldigten
über die Möglichkeit, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen, und wies
auch auf die Möglichkeit eines Rechtsmittelverzichts hin, wobei ihm bewusst
war, dass eine entsprechende Erklärung des Beschuldigten auch auf dessen
Aufenthalt in der Gewahrsamszelle zurückzuführen wäre. Sowohl der Beschuldigte
wie auch der Staatsanwalt verzichteten noch in der Hauptverhandlung auf
Rechtsmittel. Der Angeklagte fertigte das schriftliche Urteil am 25. September
2009, wobei er in den Urteilsgründen weder den Strafbefehl noch den Einspruch
erwähnte, vielmehr – auf entsprechende allgemeine Empfehlung eines
Kollegen – ein vollumfängliches Strafurteil schrieb.
2. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Rechtsbeugung in Tateinheit
mit Aussageerpressung verurteilt. Dieser habe sich als Richter bei der
Leitung einer Rechtssache zum Nachteil des Beschuldigten einer Beugung des
Rechts schuldig gemacht, indem er diesen unter Verstoß gegen § 136a Abs. 1
Satz 2 StPO in die Gewahrsamszelle einsperren ließ, um hierdurch ein Geständnis,
die Einwilligung in eine ambulante Therapie und einen Rechtsmittelverzicht
zu erzwingen. Dieses Verhalten des Angeklagten erfülle auch den Tatbestand
der Aussageerpressung nach § 343 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB.

II.
Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Aussageerpressung begegnet auf der
Grundlage der nunmehr getroffenen, zum Teil gegenüber dem Freispruch abweichenden
Feststellungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken....

BGH, Beschluss vom 15.8.2018 - 2 StR 474/17

 

 

Zusammenfassend hat der BGH (in seiner erst heute online gestellten Entscheidung) sowohl bei der Aussageerpressung, als auch bei der Rechtsbeugung Schwierigkeiten...ob sich diese natürlich in einem neuerlichen "Aufguss" beheben lassen, darf man sicher skeptisch sehen.

 

Die ausführliche Entscheidungsbegründung ist hier nachzulesen!

 

 

 

 

 

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Den BGH-Gründen nach fehlte es nicht an dem Motiv der Aussageerpressung, sondern nur an dem "erforderlichen" Ausmaß der Handlungen für die Nötigung zur Aussageerpressung. Dieser Tatbestand hätte sich laut BGH aus der Reaktion des Betroffenen erschließen lassen. Der BGH beruft sich insbesondere auf den "Gesetzgeber" (die Bundesregierung?), der Belastungen, wie sie regelmäßig durch die Verstrickung in ein rechtsstaatliches Verfahren auftreten, nicht für das erforderliche Ausmaß einer Nötigung zur Aussageerpressung feststellt. Wenn die StPO  diese Verfahrensweise aber verbietet, kann oder sollte die Vorgehensweise und die damit verbundene Belastung nicht regelmäßig in einem rechtsstaatlichen Verfahren auftreten. Dass der Betroffene durch die Vorgehensweise eingeschüchtert und verängstigt war, reicht dem BGH auch nicht, wenn der so Behandelte nicht (sofort) seine Willenskraft verliert. Mit dem (vorläufigen) Mißerfolg rechtfertigt der BGH das Vorgehen doch als hinzunehmende Einwirkung in einem rechtsstaatlichen Verfahren. Denn auch der erfolglose Versuch einer Nötigung zur Aussageerpressung wäre strafbar. Es mag sein, dass meine Rezeption der BGH-Begründung von Fehlschlüssen durchzogen ist. Aber wie viele von diesen oder anderen Fehlschlüssen stecken denn schon in der Begründung des BGH? 

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Mit dem (vorläufigen) Mißerfolg rechtfertigt der BGH das Vorgehen doch als hinzunehmende Einwirkung in einem rechtsstaatlichen Verfahren.

Nein. Der BGH sagt nur, dass "das Vorgehen" nicht tatbestandsmäßig und deshalb nicht strafbar ist. Der BGH "rechtfertigt" nicht, sondern schließt einfach die Strafbarkeit mangels Tatbestandsmäßigkeit aus. Dass das Vorgehen des Angeklagten ggf. nach StPO unzulässig ist und prozessuale Folgen etc. haben kann, ist damit nicht ausgeschlossen und schon gar nicht "gerechtfertigt". Schon gar nicht wird das Verhalten etwa  als "richtig" oder gar "Goldstandard" etc. zertifiziert.

0

Das Fehlen der Tatbestandsmäßigkeit (Erfüllung des objektiven Tatbestands) begründet der BGH doch mit dem Verweis darauf, dass seelische Belastungen, wie sie regelmäßig durch die Verstrickung in ein rechtsstaatliches Verfahren auftreten, nicht das erforderliche Ausmaß einer Nötigung zur Aussageerpressung erreichen. Es gibt für mich damit nur 2 Möglichkeiten den BGH zu verstehen:

A. Es handelte sich um eine seelische Belastung, wie sie regelmäßig durch die Verstrickung in ein rechtsstaatliches Verfahren auftritt. Ein rechtsstaatliches Verfahren und vorsätzliches verbotenes Handeln des Verfahrensleiters schließen sich gegenseitig aus. Also damit kein vorsätzliches verbotenes Handeln. 

oder

2. Die vorsätzlich begangene Tat hatte keinen Erfolg. Der (zunächst mißglückte) Versuch einer Aussageerpressung wäre strafbar. Demzufolge muss sich das richterliche Handeln in seiner möglichen Auswirkung grundsätzlich auf den Bereich der in rechtsstaatlichen Verfahren üblichen seelischen Belastungen beschränkt haben.

Also entweder "nicht verboten" oder "verboten, aber in der möglichen Auswirkung äquivalent zum rechtsstaatlich Zulässigen" 

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Ich habe gestern nachgeschlagen, was Thomas Fischer in Rn. 48 zu § 339 StGB in der aktuellen 66. Auflage von 2019 seines Kommentars zum Problem der "Sperrwirkung" schreibt. Und siehe da, seine aktuelle Kommentierung nähert sich mittlerweile, wenn auch nach wie vor etwas gewunden und verklausuliert, der aktuellen Rechsprechung seit
BGH, 13. Mai 2015, Az. 3 StR 498/14 an, wonach die sog. "Sperrwirkung der Rechtsbeugung" schlicht abgeschafft ist.  

Keine Sperrwirkung der Rechtsbeugung, § 339 StGB

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass seit dem Urteil des BGH vom 13. Mai 2015 die sogenannte "Sperrwirkung" nicht mehr zugunsten des beschuldigten Amtsträgers zum Zuge kommt:[55] Nach der älteren Rechtsprechung vor dem 13. Mai 2015[56] kam dem Tatbestand der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB nämlich zum Schutz der Unabhängigkeit der Rechtspflege eine sogenannte "Sperrwirkung" zu:[57] Wegen einer Tätigkeit bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache konnte nach anderen Vorschriften als dem § 339 StGB nur verurteilt werden, wenn zugleich der Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt ist. Der BGH gab diese Rechtsprechung jedoch mit Urteil vom 13. Mai 2015 ausdrücklich auf.[58] Danach besteht für eine derartige "Sperrwirkung" kein Begründungsansatz mehr, nachdem der Gesetzgeber den § 339 StGB mit der Strafrechtsreform von 1974 dahingehend geändert hat, dass auch bedingter Vorsatz ausreicht, um den subjektiven Tatbestand zu erfüllen. Damit blieben die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand der anderen Strafrechtsnormen, die denkbar im Zusammenhang mit einer Rechtsbeugung begangen werden können, nicht mehr hinter denen der Rechtsbeugung zurück.[59] Das bedeutet im Ergebnis, dass eine Verurteilung etwa wegen einer Aussageerpressung[60] auch dann in Betracht kommt, wenn eine Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB nicht nachweisbar sein sollte.[61]

 

  1. Christoph Safferling, Rechtsbeugung und „Sperrwirkung“
  2. BGHSt 10, 294; 32, 364
  3. Thomas Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 66. Auflage 2019, Rn. 48 zu § 339 StGB
  4. Jörg-Peter Becker: Urteil des 3. Strafsenats - 3 StR 498/14 -. In: Dokumentenportal des Bundesgerichtshofes. 13. Mai 2015, S. 4-5, abgerufen am 22. Januar 2019 (PDF; 150 KB). 
  5. BGH, 13. Mai 2015, Az. 3 StR 498/14
  6. Rechtsbeugung und Aussageerpressung, Bewährungsstrafe für ehemaligen Proberichter veröffentlicht auf LTO am 28. Juni 2017
  7. Rechtslupe, Nachträgliche Abänderung eines Urteils durch den Richter – Rechtsbeugung oder nur Urkundenfälschung?

Fällt Ihnen gar nichts mehr ein? Das haben wir alles schon oben diskutiert und zurecht gerückt. Soll das jetzt wieder von vorne losgehen, auf dass es wenigstens nach außen hin für Uninformierte so scheint, dass Ihnen noch mal im Leben etwas neues einfällt?

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Das schreibt die LTO-Presseschau heute morgen:

LG Kassel – Rechtsbeugung: Bereits zum dritten Mal befasst sich das Landgericht Kassel mit dem Fall eines der Rechtsbeugung angeklagten Richters, der während seiner Probezeit einen Angeklagten zu Anschauungszwecken in eine Haftzelle verbrachte. Sowohl Freispruch als auch Verurteilung wurden vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Der FAZ-Einspruch (Constantin van Lijnden) rekapituliert die verfahrensauslösende Verhandlung und gibt zu bedenken, dass der aus dem Richterdienst Entfernte trotz fehlender rechtskräftiger Verurteilung "seine Strafe schon seit bald zehn Jahren" in Gestalt einer fehlenden beruflichen Perspektive verbüße.

Heute zieht Lorenz Leitmeier in einer lesenswerten Urteilsanmerkung (NJW 2019, 793) das angesichts des Urteils etwas verwunderte Fazit: "Wenn aber ein Richter ein Verfahren so führt wie im entschiedenen Fall, insbesondere das Geständnis eines Angeklagten erwirkt, indem er ihn in die Arrestzelle sperrt, und selbst dann noch zweifelhaft sein soll, ob diese Verstöße „elementar" sind - dann sollte man ehrlicherweise § 339 StGB als „eine Art gesetzliches Wahndelikt" einordnen".

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Mein Kollege Ulrich Dost-Roxin hat am Mittwoch, dem 6. März 2019, für seinen Mandanten beim Generalstaatsanwalt Dresden Strafanzeige gegen zwei Justizbeamte wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und der Freiheitsberaubung erstattet. Sie richtet sich gegen einen Staatsanwalt des Landgerichts Chemnitz und gegen einen Richter des Amtsgerichts Chemnitz.

Zu diesem Fall schreibt die LTO-Presseschau heute morgen:

Strafanzeige gegen Chemnitzer Ermittler: Ein wegen des tödlichen Messerangriffes im vergangenen Jahr für mehrere Monate inhaftierter Mann hat Anzeige wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung gegen den zuständigen Staatsanwalt und den Haftrichter gestellt. Das meldet der Spiegel. Der Rechtsanwalt des Irakers wirft den beiden Juristen vor, seinen Mandanten ohne dringenden Tatverdacht in Untersuchungshaft gebracht zu haben. Sie hätten mit der Inhaftierung "einen schnellen Aufklärungserfolg vortäuschen" wollen, "um die aufgebrachte Öffentlichkeit zu beruhigen" und Ausschreitungen von Rechtsextremisten einzudämmen.

Da in vorliegendem Fall der Anfangsverdacht  der Rechtsbeugung und der Freiheitsberaubung ganz offensichtlich gegeben ist, wird die Staatsanwaltschaft Chemnitz um die förmliche Einleitung des Ermittlungsverfahrens nicht herumkommen. 

Sollte die Staatsanwaltschaft Chemnitz die förmliche Einleitung des Ermittlungsverfahrens ablehnen, macht sich der sachbearbeitende Staatsanwalt wegen versuchter Strafvereitelung im Amt gem. § 258a II StGB strafbar. 

In diesem Fall führt jedenfalls an der Strafbarkeit der versuchten Strafvereitelung im Amt gem. § 258a II StGB kein Weg vorbei, weil es die früher so genannte  "Sperrwirkung der Rechtsbeugung" bekanntlich seit 2015 nicht mehr gibt. 

Die LTO-Presseschau schreibt heute morgen:

LG Rostock – Rechtsbeugung: Auch lto.de berichtet nun über die Verhandlung des Landgerichts Rostock im Fall des ehemaligen Richters, der bei 816 Verkehrsdelikten die Verjährung abgewartet haben soll, um sich als zu viel empfundene Arbeit zu ersparen.

Zum selben Fall schreibt die LTO in ihrer Presseschau:

LG Kiel – Rechtsbeugung: Am Landgericht Kiel ist eine Staatsanwältin wegen Rechtsbeugung angeklagt. Die derzeit freigestellte Juristin soll bei übereilten Notveräußerungen von beschlagnahmten Tieren Verfahrensregeln außer Acht gelassen haben. Vor Gericht berichtete sie von Überarbeitung, schreibt die taz-Nord (Esther Geisslinger).

Die angeklagte Staatsanwältin ist offenbar beim Justizapparat in irgendeiner Weise in Ungnade gefallen, sonst wäre sie nicht angeklagt worden. Denn wäre die angeklagte Staatsanwältin nach wie vor selbst integraler Bestandteil des Justizapparats, wäre über ihr Tun wohl mit einem lapidaren Hinweis auf die "Schweretheorie" hinweggesehen worden.  

Die LTO-Presseschau:

LG Kiel – Rechtsbeugung: Auch lto.de berichtet nun über den Fall der vor dem Landgericht Kiel wegen Rechtsbeugung angeklagten Staatsanwältin, die beschlagnahmte Tiere übereilt notveräußert haben soll.

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