Sehr praxisrelevant: BGH zur Einziehung – Teil 2 (hier zur Einziehung von Kaufgeld)

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 01.07.2019

In meiner kleinen Serie zur Einziehung möchte ich eine interessante (Leitsatz-)Entscheidung des BGH vorstellen, welche die Einziehung von Kaufgeld betrifft. Ich weise allerdings schon hier darauf hin, dass es sich nicht um „leichte Kost“ handelt.

Allgemein gilt (s. im Einzelnen Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, BtMG § 33 Rn. 67 ff.):

Ist ein Geldbetrag in einem Verfahren gegen einen Käufer von Drogen zur Begehung oder Vorbereitung eines Rauschgiftgeschäftes gebraucht worden oder bestimmt gewesen (wurde es etwa für eine konkrete Erwerbshandlung bereitgestellt), so unterliegt er als Tatmittel der Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB (BGH Beschl. v. 18.6.2003 – 1 StR 229/03 = BeckRS 2003, 05636). Entscheidend ist, dass dem Käufer das Kaufgeld selbst gehört oder zusteht (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB), dass er also entweder bereits ursprünglich Eigentümer des Geldes war oder durch Vermischen mit eigenem Geld nach §§ 947 ff. BGB Eigentum an fremdem Geld erlangt hat (BGH Beschl. v. 8.2.1995 – 2 StR 739/94).

In einem Verfahren gegen den Verkäufer kann das Kaufgeld gem. § 74 Abs. 1 StGB eingezogen werden, wenn der Verkäufer das erlangte Geld seinerseits wieder als Kaufgeld für seinen Lieferanten bereitgestellt hat. Voraussetzung ist, dass die entsprechenden Kaufbemühungen Gegenstand des Strafverfahrens sind.

Erlöse aus Rauschgiftgeschäften können dagegen nicht nach § 33 S. 1 BtMG i.V.m. § 74 StGB eingezogen werden, da sie keine Tatobjekte sind. Es kommt jedoch die Anordnung der Tatertragseinziehung (§§ 73 ff. StGB, dem früheren Verfall) in Betracht.

In dem vom BGH entschiedenen Fall liegt eine Mischung aus Kaufgeld aus vorhergehenden Geschäften und Kaufgeld für anstehende Geschäfte vor: Der Angeklagten unterstützte den Verkäufer (in den Urteilsgründen als „D.“ bezeichnet) von jeweils 120 Gramm Heroin in mehreren Fällen dadurch, dass er Geldscheine in kleiner Stückelung aus vorherigen Drogenverkäufen vom Verkäufer entgegennahm, diese an einem Bankautomaten auf sein Konto einzahlte und sich umgehend einen Betrag in großer Stückelung wieder auszahlen ließ, um das Geld wieder an den Verkäufer zurückzugeben. Indem der Angeklagte so die für Betäubungsmittelverkäufe an Endkunden typische kleine Stückelung beseitigte, wollte er die Drogengeschäfte des Verkäufers fördern und zugleich dessen Entdeckungsrisiko reduzieren. Als Gegenleistung erhielt der Angeklagte jeweils einige Gramm Heroin.

Der 2. Strafsenat des BGH formuliert hierzu folgende Leitsätze (BGH, Beschl. v. 27.3.2019, 2 StR 561/18 = BeckRS 2019, 11364, beck-online).

„1. Wechselt ein Tatbeteiligter Geldscheine in „kleiner“ Stückelung aus einem vorausgegangenen Betäubungsmittelgeschäft eines Tatgenossen zur Förderung dessen neuerlichen Betäubungsmittelankaufs gegen Geldscheine in „großer“ Stückelung, erlangt er keine Mitverfügungsbefugnis am Tatertrag des abgeschlossenen Betäubungsmittelgeschäfts.

 2. Dieses Geld unterfällt der Einziehung als Tatmittel bzw. Tatobjekt des geförderten fremden Drogenankaufs sowie einer von ihm tateinheitlich begangenen täterschäftlichen Geldwäsche.

 3. Die tatplangemäße Rückgabe der gewechselten Geldscheine an den Tatgenossen zur Durchführung dessen Betäubungsmittelankaufs ist keine Vereitelungshandlung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB.“

Im Ergebnis hat der BGH die Einziehungsentscheidung der Vorinstanz (Einziehung des Wertes von Taterträgen gem. § 73 StGB beim Angeklagten i.H.v. 11.400 € abzüglich von 190 €, die beim Angeklagten sichergestellt worden waren und auf deren Herausgabe er verzichtet hat), u.a. mit folgender Begründung aufgehoben:

„Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann die Einziehung des Geldbetrages nicht darauf gestützt werden, dass der Angeklagte den nachfolgenden Drogenankauf des D. förderte. Denn der Angeklagte wechselte das Geld, das er von D. erhielt, in große Scheine, um dessen bevorstehenden Ankauf zu erleichtern, da dessen Betäubungsmittelverkäufer große Scheine bevorzugte. Danach hatte der Angeklagte den Geldbetrag jedoch weder „durch“ noch „für“ die Tat, sondern in Vorbereitung deren Durchführung erlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 - 4 StR 648/17, juris Rn. 5; Beschluss vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 277/10, juris Rn. 5). Das Geld war damit, bezogen auf die Förderung dieser Anknüpfungstat des D., kein Tatertrag, sondern Tatmittel für dessen nachfolgenden Drogenankauf (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., § 33 Rn. 310).

Die Einziehung des Geldbetrages als Tatertrag findet ihre Rechtfertigung auch nicht darin, dass der Angeklagte die Mitverfügungsgewalt über die Tatbeute aus dem vorangegangenen Betäubungsmittelverkauf des D. erlangte. Denn in dem Moment, als der Angeklagte das Geld von D. erhielt, war dessen vorangegangener Betäubungsmittelhandel beendet (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 1997 - BGH Aktenzeichen 1STR23097 1 StR 230/97, juris Rn. BGH Aktenzeichen 1STR23097 1997-07-17 Randnummer 6; Weber, BtMG, aaO, § 29 Rn. 628); die Betäubungsmittel waren verkauft, das Geld hatte D. eingenommen. Der Angeklagte erlangte damit das Geld nicht mehr während irgendeiner Phase des vorangegangenen Betäubungsmittelhandels.

Die Einziehung des Geldbetrages als Tatertrag kann auch nicht auf weitere vom Anklagevorwurf umfasste und tatsächlich festgestellte, jedoch von der Strafkammer nicht ausgeurteilte Straftaten des Angeklagten als Anknüpfungstat der Einziehungsentscheidung gestützt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 1987 - BGH Aktenzeichen 2STR50887 2 StR 508/87, juris Rn. BGH Aktenzeichen 2STR50887 1987-10-28 Randnummer 6, Weber, BtMG, aaO, § 33 Rn. 301).“

Für die neue Hauptverhandlung weist das BGH auf Folgendes hin:

„Eine Einziehung des Geldbetrages als Tatmittel beziehungsweise Tatobjekt wird ihr nach den bisherigen Feststellungen verwehrt sein.

Eine Einziehung als Tatmittel/Tatobjekt setzt nach alter wie neuer Rechtslage voraus, dass die Gegenstände zurzeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB aF; § 74 Abs. 3 Satz 1 StGB nF). Darüber hinaus ist eine Einziehung des Wertes der Tatmittel/ Tatobjekte beim Täter oder Teilnehmer nach der inhaltlich unveränderten Vorschrift des § 74c Abs. 1 StGB (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 70) nach dem Ermessen des Tatgerichts nur möglich, wenn der Tatbeteiligte als früherer Rechtsinhaber die Einziehung ganz oder teilweise unmöglich gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 28. März 1979 - 2 StR 700/78, BGHSt 28, 369, 370). Diese Möglichkeit ist hier nicht eröffnet.

Der Angeklagte war zum Zeitpunkt des Urteils nicht mehr Eigentümer der Zahlungsmittel. Er hat die Einziehung auch nicht im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB vereitelt. Denn die bestimmungsgemäße Rückgabe der empfangenen Beträge zur Durchführung des Betäubungsmittelankaufs an D. kann nicht als Vereitelungshandlung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB angesehen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. September 2018 - 5 StR 232/18, juris Rn. 10; vom 14. Februar 2018 - 4 StR 648/17, juris Rn. 5; vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 277/10, juris Rn. 6). Eine Einziehung als Tatmittel kommt nämlich erst nach Begehung derjenigen Tat in Betracht, in der das Tatmittel seine Verwendung fand (Senat, Beschluss vom 20. September 1991 - 2 StR 387/91, juris Rn. 4). Erst die funktionale Verwendung während der Anknüpfungstat macht das Geld zum Einziehungsgegenstand. Daraus ergibt sich, dass diese Verwendung nicht zugleich als Vereitelungshandlung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB begriffen werden kann. Die Einziehung des Wertersatzes von Tatmitteln erfasst deshalb nur solche Fälle, in denen der Täter oder Teilnehmer durch andere als die im konkreten Fall die Einziehung begründende Tathandlung die Einziehung vereitelt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 20. September 1991 - 2 StR 387/91, aaO).

Etwas anderes gilt nach den bisherigen Feststellungen auch nicht deshalb, weil sowohl die Einzahlung auf das eigene Bankkonto, wie auch die Auszahlung jeweils eine eigene Verschleierungshandlung im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2018 - 5 StR 234/18, juris Rn. 19 ff.). Insofern liegt keine Vereitelungshandlung durch eine weitere Geldwäsche vor (vgl. zur Möglichkeit der Einziehung bei wiederholter Geldwäsche LK/Schmitt/Krause, StGB, 12. Aufl., § 261 Rn. 44). Denn aufgrund des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs sowie des einheitlichen Tatentschlusses stellen sich die Ein- und Auszahlungen sowie die anschließende Übergabe des Geldes an D. als natürliche Handlungseinheit und damit als eine Tat dar (vgl. BGH, Urteil vom 15. August 2018 - 5 StR 100/18, juris Rn. 37).

Soweit der Angeklagte demgegenüber für seine Unterstützung des Betäubungsmittelhandels des D. beziehungsweise für seine Geldwäschehandlungen jeweils von diesem einige Gramm Heroin erhielt, hat er diese Betäubungsmittel als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln und damit als Tatertrag im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt. Der ersparte Einkaufspreis für das ihm überlassene Heroin unterfällt damit der Wertersatzeinziehung nach § 73c Satz 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 StR 37/15, juris, Rn. 6). Dass der Angeklagte mit der Entgegennahme des Heroins sich dieses gleichzeitig verschaffte (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) und dieses auch als Beziehungsgegenstand nach § 33 Abs. 2 BtMG (für die Taten bis zum 30. Juni 2017) beziehungsweise nach § 33 Satz 1 BtMG (für die Taten nach dem 1. Juli 2017) nach neuer Terminologie als Tatobjekt hätte eingezogen werden können, steht der Anwendung der Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen in dieser Konstellation nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 StR 37/15, aaO).“

Fazit: Auch wenn das Kaufgeld durch das Wechseln von kleiner in größere Stückelung der Einziehung als Tatmittel bzw. Tatobjekt unterliegt, kommt hier im Ergebnis eine Einziehung als Tatmittel gem. § 74 Abs. 1 StGB nicht in Betracht, da der Angeklagte das gewechselte Kaufgeld in der Folge wieder an den Verkäufer zurückgegeben hat und damit nicht mehr Eigentümer war. Möglich ist allenfalls eine Wertersatzeinziehung nach § 73c S. 1 StGB, soweit sich der Angeklagte durch das als Gegenleitung erhaltene Heroin Aufwendungen für den Erwerb dieses Heroins erspart hat.

In Teil 3 meiner Serie werde ich mich mit der Einziehung eines Grundstücks und Strafzumessung befassen. Das wird - versprochen - wieder leichtere Kost...

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